Urteil vom Landgericht Hamburg - 321 O 27/16

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Primärpflichten der Kläger aus dem mit den Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 10.09.2008 über € 245.000,- (Konto-Nr... ) zur Zahlung von Zinsen aufgrund des unter dem 30.09.2015 erklärten Widerrufs erloschen sind,

2. Es wird festgestellt, dass die Primärpflichten der Kläger aus dem unter 1. genannten Darlehensvertrag zur Erbringung von Tilgungszahlungen auf dieses Darlehen aufgrund des unter dem 30.09.2015 erklärten Widerrufs erloschen sind;

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin zur Erfüllung sämtlicher Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis, das durch den Widerruf vom 30.09.2015 aus dem unter 1. genannten Darlehensvertrag entstanden ist, sowie zur Erfüllung (etwaiger) weiterer Zahlungsansprüche der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung (einschließlich etwaiger Nutzungswertersatzansprüche) wegen der Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem vorgenannten Rückgewährschuldverhältnis hinsichtlich des Zeitraums bis zum 01.06.2018 keine höheren Beträge als € 210.255,13 zu zahlen verpflichtet sind.

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin sämtliche Geldbeträge, die zwischen dem 07.10.2016 und der Rechtskraft dieses Urteils auf das unter 1. genannte Darlehenskonto geflossen sind, zurückzuzahlen.

5. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der den Klägern daraus entstehen wird, dass die Beklagte die Erfüllung ihrer Pflicht zur Herausgabe einer löschungsfähigen Quittung hinsichtlich der im Grundbuch von G. B., Blatt... , eingetragenen Grundschuld über € 245.000,00 am Objekt... , mit Schreiben vom 16.02.2016 ernsthaft und endgültig abgelehnt hat.

6. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

7. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

8. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

9. Der Streitwert wird auf 245.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines ca. 7 Jahre nach Abschluss eines Darlehensvertrages erklärten Widerrufs sowie über die ggf. hieraus sich ergebenden Folgen der Rückabwicklung.

2

Zur Finanzierung des Erwerbs eines bebauten Grundstücks schlossen die Kläger mit der Beklagten unter dem 10.09.2008 ein grundschuldbesichertes Darlehen über € 245.000,- ab.

3

Wegen der Einzelheiten des Darlehensvertrags wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

4

Dem Darlehensvertrag war eine von den Klägern gesondert zu unterzeichnende unterschriebene Widerrufsbelehrung beigefügt. Diese Belehrungen enthielt zum Fristbeginn folgenden Satz:

5

„Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung.“

6

sowie unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ folgende Belehrung:

7

„Widerrufen Sie diesen Darlehensvertrag, mit dem sie ihre Verpflichtungen aus einem anderen Vertrag finanzieren, so sind Sie auch an den anderen Vertrag nicht gebunden, wenn beide Verträge eine wirtschaftliche Einheit bilden. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn wir zugleich auch ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind, oder wenn wir uns bei Vorbereitung oder Abschluss des Darlehensvertrages der Mitwirkung ihres Vertragspartners bedienen. Bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstückes oder grundstücksgleichen Rechts ist eine wirtschaftliche Einheit nur anzunehmen, wenn wir zugleich auch ihr Vertragspartner im Rahmen des anderen Vertrages sind oder wenn wir über die Zurverfügungstellung von Darlehen hinaus ihr Grundstücksgeschäft durch Zusammenwirken mit dem Veräußerer fördern, indem wir uns dessen Veräußerungsinteressen ganz oder teilweise zu eigen machen, bei der Planung, Werbung oder Durchführung des Projektes Funktionen des Veräußerers übernehmen oder den Veräußerer einseitig begünstigen. Können sie auch den anderen Vertrag widerrufen, so müssen Sie den Widerruf gegenüber ihrem diesbezüglichen Vertragspartner erklären.

8

Wird mit diesem Darlehensvertrag die Überlassung einer Sache finanziert, gilt Folgendes: wenn Sie diese Sache im Falle des Widerrufs ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechterten Zustand zurückgeben können, haben sie dafür gegebenenfalls Wertersatz zu leisten. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung – wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre – zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Wertersatzpflicht vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt. Paketversandfähige Sachen sind auf Kosten und Gefahr ihres Vertragspartners zurückzusenden. Nicht paketversandfähige Sachen werden bei Ihnen abgeholt. Wenn Ihrem Vertragspartner das Darlehen bei Wirksamwerden des Widerrufs oder der Rückgabe bereits zugeflossen ist, können Sie sich wegen der Rückabwicklung nicht nur an diesen, sondern auch an uns halten.“

9

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Klagschrift abgedruckte Widerrufsbelehrung der Beklagten Bezug genommen.

10

Die Beklagte zahlte die Darlehensvaluta an die Kläger aus. Die Kläger wiederum erbrachten in der Folgezeit die vertraglich vereinbarten Zins- und Tilgungszahlungen.

11

Mit Schreiben vom 30.09.2015 erklärten die Kläger gegenüber der Beklagten den Widerruf des Darlehensvertrages vom 10.09.2008 unter Hinweis darauf, dass nach ihrer Auffassung die seinerzeit verwandte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Gleichzeitig verwiesen sie auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 09.12.2009 – VIII ZR 219/08. Die Beklagte erklärte hierauf mit Schreiben vom 16.11.2015 unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Hamburg vom 03.07.2015 – 13 U 26/15 -, dass die Widerrufsbelehrung wirksam sei.

12

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2015 (Anlage K 4) ließen die Kläger die Beklagte auffordern zu erklären, dass der Darlehensvertrag rückabzuwickeln sei und die Beklagte in Bezug auf geleistete Tilgungs- und Zinszahlungen Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen habe. Weiter heißt es in dem Schreiben:

13

„Somit haben unsere Mandanten den gegenständlichen Darlehensvertrag wirksam widerrufen. Die Ratenzahlungen erfolgen noch immer nur im Hinblick auf die drohende Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld.(...)“

14

Mit Fristsetzung zum 04.12.2015 forderten die Kläger die Beklagte auf, eine löschungsfähige Quittung hinsichtlich der als Sicherheit dienenden Grundschuld herauszugeben und boten Zug um Zug die Zahlung des offenen Darlehensbetrages an.

15

Mit Schreiben vom 16.02.2016 erklärte die Beklagte, dass sie an dem geschlossenen Vertrag festhalte und eine Rückabwicklung nicht vornehmen werde, da die Widerrufsfrist bereits seit Jahren verstrichen sei.

16

Die Beklagte hat auch nachfolgend weder die erbetene Erklärung abgegeben, noch eine löschungsfähige Quittung hinsichtlich der Grundschuld herausgegeben.

17

Die Kläger vertreten die Auffassung, der von ihnen erklärte Widerruf der Darlehensverträge sei wirksam, da die Widerrufsfrist in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung zu keiner Zeit zu laufen begonnen habe.

18

Das Recht zum Widerruf sei auch nicht verwirkt gewesen. Es fehle vorliegend an dem Umstandsmoment. Auch ein Rechtsmissbrauch liege nicht vor.

19

Die Höhe des Nutzungswertersatzanspruchs der Kläger betrage 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, jedenfalls 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

20

Im November 2016 hätten die Kläger ein Darlehen über € 280.000,- zu einem Sollzinssatz in Höhe von 1,38 % mit 20-jähriger Zinsbindung zur Rückführung des gegenständlichen Saldos aus dem Rückgewährschuldverhältnis aufnehmen können. Hierzu sei es nur deshalb nicht gekommen, weil die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs nicht anerkannt habe.

21

Nach dem erklärten Widerruf seien sie nicht mehr verpflichtet, hinsichtlich der verbleibenden Darlehensvaluta der Beklagten Wertersatz für Gebrauchsvorteile zu zahlen.

22

Hinsichtlich der Höhe der aus Sicht der Kläger bestehenden gegenseitigen Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis wird auf die letzte Berechnung in dem Schriftsatz vom 11.10.2017 (Bl. 230 d.A.) Bezug genommen.

23

Die Kläger beantragen zuletzt,

24

1. festzustellen, dass die Primärpflichten der Kläger aus dem mit den Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag vom 10.09.2008 über € 245.000,- (Konto-Nr... ) zur Zahlung von Zinsen aufgrund des unter dem 30.09.2015 erklärten Widerrufs erloschen sind,

2.

25

a. festzustellen, dass die Primärpflichten der Kläger aus dem unter 1. genannten Darlehensvertrag zur Erbringung von Tilgungszahlungen auf dieses Darlehen aufgrund des unter dem 30.09.2015 erklärten Widerrufs erloschen sind;

26

b. hilfsweise festzustellen, dass der Beklagten aus dem unter 1. genannten Darlehensvertrag aufgrund des unter dem 30.09.2015 erklärten Widerrufs auch keine weiteren Primäransprüche gegen die Klägerin zustehen.

3.

27

a. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 138.523,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, Zug um Zug gegen Zahlung von € 327.758,21, zu zahlen;

28

b. hilfsweise: festzustellen, dass die Klägerin zur Erfüllung sämtlicher Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis, das durch den Widerruf vom 30.09.2015 aus dem unter 1. genannten Darlehensvertrag entstanden ist, sowie zur Erfüllung (etwaiger) weiterer Zahlungsansprüche der Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung (einschließlich etwaiger Nutzungswertersatzansprüche) wegen der Zahlungsansprüche der Beklagten aus dem vorgenannten Rückgewährschuldverhältnis hinsichtlich des Zeitraums bis zum 30.09.2016 vorbehaltlich der vom Klagantrag zu 4. umfassten Ansprüche der Kläger einen Betrag in Höhe von € 200.788,67 (hilfsweise neben Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von € 217.459,47 seit dem 01.10.2016) schulden;

29

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin sämtliche Geldbeträge nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten (hilfsweise 2,5 Prozentpunkten) über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Eingang auf dem Darlehenskonto zurück zu gewähren, die zwischen dem 07.10.2016 und der Rechtskraft dieses Urteils und dem Zeitpunkt der Rechtskraft dieses Urteils) auf das unter 1. genannte Darlehenskonto geflossen sind, Zug um Zug gegen Zahlung von € 200.788,67 (hilfsweise nebst Zinsen in Höhe von 2,5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag in Höhe von € 217.459,47 seit dem 01.10.2016);

5.

30

a. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der den Klägern daraus entstehen wird, dass die Beklagte die Erfüllung ihrer Pflicht zur Herausgabe einer löschungsfähigen Quittung hinsichtlich der im Grundbuch von G. B., Blatt... , eingetragenen Grundschuld über € 245.000,00 am Objekt... , mit Schreiben vom 16.02.2016 ernsthaft und endgültig abgelehnt hat.

31

b. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der den Klägern daraus entstehen wird, dass die Beklagte ihre Pflicht zur Herausgabe einer löschungsfähigen Quittung hinsichtlich der im Grundbuch von G. B., Blatt... , eingetragenen Grundschuld über € 245.000,- am Objekt... , in dem Zeitraum vom 01.12.2015 bis zum 28.12.2015 nicht erfüllt hat.

32

Die Beklagte beantragt,

33

die Klage abzuweisen.

34

Sie vertritt die Auffassung, die von ihr verwandte Widerrufsbelehrung sei im Ergebnis nicht zu beanstanden und verweist insoweit auf eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 03.07.2015 (Az.: 13 U 26/15). Es lägen keine Abweichungen von der Musterwiderrufsinformation vor, die dem Vertrauensschutz der Beklagten entgegenstehen könnten. Damit sei das Widerrufsrecht im Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits seit Jahren abgelaufen gewesen.

35

Die Feststellungsanträge seien unzulässig. Insoweit verweist die Beklagte auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 12.01.2016 (Az.: XI ZR 366/15).

36

Ersichtlich verfolgten die Kläger mit dem Widerruf den Zweck, das niedrige Zinsniveau zu ihren Gunsten auszunutzen. Dies sei rechtsmissbräuchlich. Jedenfalls sei ein ggf. noch bestehendes Widerrufsrecht verwirkt gewesen. Insofern bezieht sich die Beklagte auf mehrere Aufsätze in der juristischen Literatur sowie Entscheidungen anderer Gerichte. Wegen der aus Sicht der Beklagten unter Annahme einer Wirksamkeit des Widerrufs bestehenden gegenseitigen Ansprüche wird auf die Berechnung im Schriftsatz vom 31.05.2018 Bezug genommen. Sie vertritt insofern die Auffassung, dass die Kläger – die Wirksamkeit des Widerrufs unterstellt – verpflichtet seien, auch nach dem erklärten Widerruf bis zur vollständigen Rückführung der Darlehensvaluta der Beklagten Wertersatz in Höhe des ursprünglich vereinbarten Vertragszinses zu zahlen.

37

Die Kläger hätten der Beklagten auch zu keiner Zeit ein Angebot zur Darlehensablösung unterbreitet, dass den Anspruch der Beklagten auf Nutzungsersatz nach Widerruf in Höhe des Vertragszinses berücksichtigt habe, so dass die Beklagte sich auch nicht in Annahmeverzug befinde. Die Beklagte sei m Jahr 2016 auch zu Recht, jedenfalls unverschuldet davon ausgegangen, dass der Widerruf der Kläger verfristet gewesen sei, da es der überwiegenden Rechtsprechung des Landgerichts Hamburg und des 13. Senats des Hanseatischen Oberlandesgerichts entsprochen habe, dass die verwendete Belehrung der Schutzwirkung des Musters unterfalle.

38

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

39

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

40

1. Feststellungsanträge zu 1. und 2.

41

Die Feststellungsanträge zu Ziffer 1 und 2. sind zulässig und begründet. Der Zulässigkeit der Feststellungsanträge steht insbesondere nicht der Vorrang der Leistungsklage entgegen. Dieser gilt im Zusammenhang mit dem Widerruf eines Darlehensvertrages nur für das Begehren auf positive Feststellung, der Verbraucherdarlehensvertrag habe sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt. Vorliegend begehren die Kläger jedoch festzustellen, dass die Beklagte aus dem Darlehensvertrag gegen die Kläger keine Primäransprüche mehr auf Erbringung von Tilgungszahlungen bzw. Zinszahlungen haben. Dieses Begehren lässt sich mit einer Leistungsklage jedoch nicht abbilden (vgl. BGH Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15-).

42

Die Feststellungsklage sind auch begründet, denn der von den Klägern mit Schreiben vom 30.09.2015 gegenüber der Beklagten erklärte Widerruf des Darlehensvertrages vom 10.09.2008 war entgegen der Auffassung der Beklagten wirksam, so dass die primären Leistungspflichten aus dem Darlehensvertrag erloschen sind.

43

a. Die Kläger, unstreitig Verbraucher, konnten ihre auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehnsvertrags gerichtete Willenserklärung auch noch mit Schreiben vom 30.09.2015 widerrufen, da das ihnen zustehende Widerrufsrecht mangels wirksamer Widerrufsbelehrung der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht erloschen war.

44

§ 355 Abs. 3 Satz 3 BGB in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Fassung ordnet an, dass das Widerrufsrecht dann nicht erlischt, wenn der Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt worden ist. Dies ist vorliegend bei der von der Beklagten verwandten Widerrufsbelehrung der Fall gewesen. Sie entsprach aufgrund der Formulierung “die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ nicht den Anforderungen an eine wirksame Widerrufsbelehrung gemäß § 355 Abs. 2 BGB aF sowie den diesen ergänzenden Vorschriften des BGB (BGH, Urteil vom 28.6.2011 - XI ZR 349/10, Rn. 34 f ), da sie keinen unmissverständlichen Hinweis auf den Fristbeginn enthält. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in der zitierten Entscheidung ausgeführt (Rd.34):

45

„Die von der Bekl. verwendete Formulierung, die Frist beginne „frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“, belehrt den Verbraucher, wie der BGH bereits wiederholt entschieden hat, nicht richtig über den nach § 355II BGB maßgeblichen Beginn der Widerrufsfrist, weil sie nicht umfassend und zudem irreführend ist. Die Verwendung des Wortes „frühestens“ ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist „jetzt oder später“ (Marx/Bäuml, WRP 2004, 162 [164]; s. auch Dörrie, ZfIR 2002, 685 [690]) beginnen, der Beginn des Fristlaufs also gegebenenfalls noch von weiteren Voraussetzungen abhängen soll. Der Verbraucher wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, welche etwaigen – weiteren Umstände dies sind (BGH, NJW 2010, 989 = WM 2010, 721 Rdnrn. 13, 15 NJW 2010, 3566 = WM 2010, 2126 Rdnr. 21 NJW 2011, 1061 = WM 2011, 86 Rdnr. 12 und NJW-RR 2011, 785 = WM 2011, 474 Rdnr. 14).

46

Diese Sichtweise, der sich das erkennende Gericht anschließt, wird von der Beklagten auch nicht ernsthaft angezweifelt.

47

b. Die Widerrufsbelehrung genügt entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht deshalb den Vorgaben des § 355 Abs. 2 BGB aF, weil dies nach § 14 Abs. 1, Abs. 3 der BGB Info-V zu fingieren sei. In der Rechtsprechung ist zwar mittlerweile anerkannt, dass bei vollständiger Verwendung des zum Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung gültigen Musters der Anlage zu § 14 Abs. 1, 3 BGB Info-V a.F. sich der Verwender auf die in der Verordnung geregelte Gesetzlichkeitsfiktion auch dann berufen kann, wenn das Muster fehlerhaft und den gesetzlichen Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB aF an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht genügt (BGH NJW 2012 3298).

48

Die von der Beklagten verwandte Widerrufsbelehrung entsprach jedoch in mehreren Punkten nicht dem zum damaligen Zeitpunkt gültigen Muster einer Widerrufsbelehrung. Auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1, 3 BGB Info-V kann sich aber nur der Unternehmer berufen, der ein Formular verwendet, dass dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH NJW 2009,3020; 2014, 2022), es „ Eins-zu-eins“ übernimmt. Dabei ist es unerheblich, ob die Abweichung von der Musterbelehrung nur in der Aufnahme von insoweit zutreffenden Zusatzformationen zu Gunsten des Belehrungsempfängers besteht (BGH NJW 2014,2022). Maßgeblich ist allein, ob der Verwender den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat, wobei es nicht auf den konkreten Umfang der inhaltlichen Bearbeitung ankommt, da sich schon mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung gelten und deren Überschreitung Sie bereits entfallen soll (BGH, Urteil vom 18.03.2014 – II ZR 109/13 - NJW 2014, 2022 Rd. 18). Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es daher für die Frage, ob die aufgrund des Verstoßes gegen das Deutlichkeitsgebot (s.o. für den Fristbeginn) bereits nicht den Anforderungen des Gesetzgebers entsprechende Widerrufsbelehrung allein aufgrund der Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 I, III BGB-InfoV die Widerrufsfrist in Gang setzen konnte, nicht darauf an, ob etwaige Änderungen geeignet waren, den Vertragspartner des Verwenders „ zu irritieren oder zu verwirren“ und „dass die Gefahr bestünde, dass er aus diesem Grunde über seine Rechte im Unklaren bliebe“ (so unter Hinweis auf HansOLG 13 U 26/15). Die Beklagte übersieht bei dieser Argumentation, dass die Widerrufsbelehrung ja bereits aufgrund des Verstoßes gegen das Deutlichkeitsgebot fehlerhaft ist und es nach dieser Feststellung nur noch auf die Frage ankommt, ob der Verwender sich auf die Schutzwirkungen des § 14 BGB-InfoV berufen kann. Dies kann der Verwender aber nur, wenn er die Musterbelehrung ohne jegliche inhaltliche Bearbeitung verwandt hat, wobei eine inhaltliche Bearbeitung nicht erst dann vorliegt, wenn diese geeignet ist, den Vertragspartner „zu verwirren“. Derartige inhaltliche Abweichungen liegen bei der hier streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung vor.

49

Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass der Text der Widerrufsbelehrung unter der Überschrift "Finanzierte Geschäfte“ nicht der Musterwiderrufsbelehrung in Verbindung mit den entsprechenden Gestaltungshinweisen entspricht. Der Gestaltungshinweis (9) gibt entsprechende Vorgaben für die Widerrufsbelehrung für finanzierte Geschäfte vor. Zwar ist es richtig, dass nach den Gestaltungshinweisen diese konkreten Hinweise entfallen können, mit anderen Worten nicht zwingend zu unterlassen sind, sollten keine finanzierten Geschäfte vorliegen. Wenn sich der Unternehmer jedoch dazu entschließt, diese Hinweise dennoch aufzunehmen, müssen Sie dann jedoch auch vollumfänglich den Gestaltungshinweisen der Musterwiderrufsbelehrung entsprechen. Dies ist indes nicht der Fall. So gibt der Gestaltungshinweis ( 9) ausdrücklich vor, dass bei einem finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts der zuvor dargestellte Satz 2 der Hinweise durch einen anderen Satz zu ersetzen, nicht etwa, wie die Beklagte es getan hat, zu ergänzen sei („ist Satz 2 der vorstehenden Hinweise durch folgenden Satz zu ersetzen:“ – Gestaltungshinweis (9)). Die Beklagte hat nämlich diesen weiteren Hinweis zusätzlich zu dem allgemeinen Hinweis angefügt und ist somit auch insoweit von der Musterwiderrufsbelehrung inhaltlich abgewichen. Die Argumentation des OLG Schleswig in seiner Entscheidung vom 25.06.2015 – 5 U 9/15, das eine inhaltliche Bearbeitung hier mit der Begründung verneint, es sei neben dem allgemeinen Satz ein zusätzlicher konkretisierender Satz aufgenommen worden, vermag sich das erkennende Gericht nicht anzuschließen. Diese Ansicht vermag nicht überzeugend zu begründen, dass mit der zusätzlichen Aufnahme des konkretisierenden Hinweises gegen die ausdrückliche Anordnung in dem Gestaltungshinweis (zu ersetzen) verstoßen worden ist.

50

Auch in diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob diese Abweichung von der Musterbelehrung geeignet ist, den Verbraucher zu irritieren oder zu verwirren. Auch dann, wenn die Hinweise mangels Vorliegen der Voraussetzungen vollständig hätten weggelassen werden können, führt eine inhaltliche Abweichung von der Musterwiderrufsbelehrung dazu, dass der Verwender sich nicht mehr auf die hiermit verbundene Schutzwirkung berufen kann (vgl. BGH Urt. v. 28. 6. 2011 − XI ZR 349/10 (Rd. 39)). Sie hat damit die Musterbelehrung einer inhaltlichen Änderung unterzogen. So hat der Bundesgerichtshof nunmehr auch entschieden (BGH, Urteil vom 19.09.2017 – XI ZR 523/15):

51

„Unter der Überschrift „Finanzierte Geschäfte“ hat die Beklagte die Mustertexte für Darlehensverträge und den finanzierten Erwerb eines Grundstücks oder eines grundstücksgleichen Rechts entgegen den Vorgaben des Gestaltungshinweises 9 kombiniert. Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist es für den Verlust der Gesetzlichkeitsfiktion ohne Belang, ob die Abweichung vom Muster eine Passage betrifft, die auch ganz hätte entfallen können (Senatsurteile vom 28. Juni 2011 - BGH Aktenzeichen XI ZR 349/10; XI ZR 349/10, WM 2011, WM Jahr 2011 Seite 1799 Rn. WM Jahr 2011 Seite 1799 Randnummer 39 und vom 11. Oktober 2016 aaO Rn. 27).“

52

Bereits wegen dieser inhaltlichen Abweichungen von der maßgeblichen Musterwiderrufsbelehrung war die von der Beklagten verwandte Belehrung nicht geeignet, die Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Auf die weiteren von dem Kläger aufgeführten Abweichungen kommt es daher nicht mehr an.

53

c. Die Ausübung des Widerrufsrechts ist weder verwirkt noch rechtsmissbräuchlich.

54

Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde (st Rspr BGH, NJW 2014, 2646). Ob eine Verwirkung vorliegt, richtet sich nach den zu würdigenden Umständen des Einzelfalls, wobei der Verpflichtete darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen der Verwirkung ist (Palandt, BGB, 76. Auflage zu 242 Rd. 97).

55

Insofern beschränkt sich der Vortrag der Beklagten im Wesentlichen auf die Wiedergabe verschiedenster Urteile sowie einem Hinweis auf einen Aufsatz in WM 2013, 2250, ohne jedoch zu dem vorliegenden Fall konkret vorzutragen. Soweit die Beklagte unter Berufung auf das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 24.02.2016 (13 U 101/15) darauf hinweist, der Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kläger läge ein gesetzeszweckfremdes Motiv zu Grunde, nämlich die Ausnutzung des derzeitigen niedrigen Zinsniveaus, vermag diese Argumentation nicht zu überzeugen. Das Motiv für den von dem Verbraucher erklärten Widerruf seiner Willenserklärung ist ohne Bedeutung, was bereits dem Umstand zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber in § 355 Abs. 1 S.2 a.F. ausdrücklich geregelt hat, dass der Widerruf keine Begründung erfordert. Ob ein dem Schutzzweck der Vorschrift entsprechender Grund für den Widerruf vorgelegen hat, ist daher auch nicht zu überprüfen.

56

Mit Urteil vom 16.03.2016 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einem Fernabsatzgeschäft es dem freien Willen des Verbrauchers überlassen ist, ob und aus welchen Gründen er von seinem bestehenden Widerruf Gebrauch macht. Ein Ausschluss des Widerrufsrechts wegen Rechtsmissbrauchs oder unzulässiger Rechtsausübung komme nur ausnahmsweise – unter dem Gesichtspunkt besonderer Schutzbedürftigkeit des Unternehmers – etwa bei arglistigem oder schikanösem Verhalten des Verbrauchers in Betracht (BGH, Urteil vom 16.03.2016 – VIII ZR 146/15). Diese für die Ausübung des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist auf das gesetzliche Widerrufsrecht von Verbraucherdarlehensverträgen zu übertragen.

57

Anhaltspunkte für die Annahme eines arglistigen oder schikanösen Verhaltens bietet der Vortrag der Beklagten nicht.

58

2. Klagantrag zu Ziffer 3:

59

Mit dem Klagantrag zu Ziffer 3, erstmals gestellt mit Schriftsatz vom 30.09.2016, verlangen die Kläger von der Beklagten Zahlung in Höhe von € 138.523,51 Zug-um-Zug gegen Zahlung ihrerseits an die Beklagte in Höhe von € 327.758,21. In dieser Antragstellung ist zunächst eine Aufrechnungerklärung der Kläger zu sehen (vgl. BGH NJW 2017, 2102), was im Grunde dazu führen würde, dass die auf Zahlung gerichtete Klage unbegründet wäre. Dieser Antrag ist aber weiter dahin auszulegen festzustellen, dass die Klägerseite aus dem durch den wirksamen Widerruf entstandenen Rückgewährschuldverhältnis nicht mehr als den Saldo beider Zahlungsbeträge zugunsten der Beklagten (vgl. BGH WM 2017, 1008), vorliegend mithin € 189.234,70 schuldet.

60

Dieser als Feststellungsantrag auszulegende Klagantrag ist zulässig. Zwar hat die Beklagte ihre Auffassung, der Widerruf sei unwirksam, im Laufe des Verfahrens nicht aufgegeben; sie hat aber ausdrücklich geltend gemacht, dass unter der Voraussetzung, dass der Widerruf doch wirksam gewesen sein sollte, ihr ein Zahlungsanspruch gegenüber den Klägern aus dem Rückgewährschuldverhältnis von Höhe von zuletzt € 205.844,26 zustehe. Hierbei berücksichtigt die Beklagte indes nicht, dass die Kläger allein die unter Vorbehalt bis zum 30.09.2016 gezahlten Raten verrechnet wissen wollte, nicht dagegen die weiter hiernach gezahlten Raten (vgl. Klagantrag zu Ziffer 4). Im Ergebnis bedeutet dies ein Berühmen von Ansprüchen in Höhe von € 229.328,26. Das hilfsweise Berühmen über den von Klägerseite genannten Betrag hinausgehender Forderungen reicht für das Feststellungsinteresse.

61

Die Feststellungsklage ist jedoch nur teilweise begründet, denn die von dem Kläger durch die Zug- um- Zug- Antragstellung zur Aufrechnung gestellten Forderungen gegen die Forderungen der Beklagten ergeben einen Saldo in Höhe von € 210.255,13 zugunsten der Beklagten.

62

a. Der wirksame Widerruf wandelt das Darlehensverhältnis ex nunc in ein Rückgewährschuldverhältnis um.

63

(1) Mit Zugang der Widerrufserklärung entsteht für den Darlehensnehmer ein Anspruch auf Herausgabe der Zins- und Tilgungsleistungen sowie auf Herausgabe der von dem Darlehensgeber gezogenen Nutzungen. Bis zum Zugang der Widerrufserklärung haben die Kläger Zahlungen in Höhe von € 102.622,37 geleistet. Der detaillierten Aufstellung der Zahlungen in der Anlage K 22 ist die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten, sondern hat lediglich eine – geringfügig – niedrigere Gesamtsumme von € 102.616,37 benannt.

64

Neben diesem Betrag haben die Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen auf die geleisteten Zins- und Tilgungsraten in Höhe von € 7.811,41. Der Darlehensnehmer kann sich diesbezüglich auf eine doppelte Vermutung stützen, nämlich einmal, dass der Darlehensgeber tatsächlich aus sämtlichen Zahlungen Nutzungen gezogen hat sowie, dass der Wert der Nutzungen, der herauszugeben ist, dem üblichen Verzugszins entspricht, der für Immobiliardarlehensverträge bei 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz liegt. Dieser Auffassung ist zu folgen. Die Beklagte hat es nicht vermocht, diese Vermutung zu widerlegen. Soweit sie in der Klagerwiderung auf eine Entscheidung des 13. Senates des HansOLG verweist (1,3 %), verfügt das Gericht – wie der Beklagten ausdrücklich mitgeteilt - nicht über derartige Informationen, die dieser Feststellung zugrunde liegen. Diese sind in dem vorliegenden Verfahren trotz des entsprechenden Hinweises des Einzelrichters auch nicht weiter vorgetragen worden. Darüber hinaus weist das Gericht darauf hin, dass Nutzungen diejenigen Vorteile umfassen, die der Gebrauch einer Sache oder eines Rechts gewährt und Gebrauchsvorteile eines erlangten Geldbetrages die Zinserträge sein können, die aus der Wiederanlage erzielt werden. Dies kann aber nicht mit der „Zinsspanne“, wie vom HansOLG herangezogen oder etwa dem „Jahresergebnis“ der Beklagten, wie im Schriftsatz der Beklagten vom 14.02.2017 vorgetragen, gleichzusetzen sein.

65

Die Berechnung der Beklagten zur Höhe haben die Kläger mit Schriftsatz vom 27.03.2018 unstreitig gestellt. Somit ergeben sich Ansprüche der Kläger gegen die Beklagte aus dem Rückgewährschuldverhältnis in Höhe von € 110.433,78.

66

(2) Neben den Ansprüchen aus dem Rückgewährschuldverhältnis auf Rückzahlung der Zins- und Tilgungszahlungen sowie dem Nutzungsersatz bis zum Widerruf des Darlehensvertrages machen die Kläger mit dem Zug-um-Zug-Antrag aus dem Schriftsatz vom 30.09.2016 ausweislich der Begründung des Antrages zusätzlich noch Rückzahlungsansprüche betreffend die nach dem Widerruf bis zum 30.09.2016 weiter gezahlten Raten geltend und stellen diese – der Ansicht des BGH folgend – durch die konkrete Antragstellung zur Aufrechnung gegen die Ansprüche der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis. Zwar ist in der tabellarischen Aufstellung auf Seite 40 des Schriftsatzes vom 30.09.2016 als Datum der 23.04.2015 genannt. Hierbei handelt es sich jedoch offensichtlich um ein Schreibversehen der Klägerseite, wie die detaillierte Darstellung der einzelnen Zahlungen auf den Seiten 33 – 35 belegen. Es handelt sich dabei um die Zahlungen in der Zeit vom 31.10.2015 bis 30.09.2016, mithin 12 Zahlungen a € 1.236,-, was einer Summe von € 14.832 entspricht. Den einzelnen Zahlungen bis zum 30.09.2016 ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.

67

Zwar ändert die Klägerseite dann ihre Berechnung im Schriftsatz vom 11.10.2017 ab und zieht für die zur Aufrechnung gestellten Ansprüche im Hilfs-Hilfsantrag zu Ziffer 3 b) nur noch die Zins- und Tilgungszahlungen bis zum 14.10.2015 (€ 102.622,37) heran. Da aber nach Ansicht des Bundesgerichtshofes der Zug-Um-Zug-Antrag als Aufrechnungserklärung anzusehen ist, ist allein auf die zeitlich erste Begründung/Berechnung aus dem Schriftsatz vom 30.09.2016 abzustellen.

68

(3) Dies ergibt zur Aufrechnung gestellte Ansprüche der Kläger in Höhe von insgesamt € 125.265,78

69

(4) Die Beklagte als Darlehensgeberin hat gegen die Kläger einen Anspruch auf Rückgewähr der Nettodarlehensvaluta. Diese beträgt unstreitig € 245.000,-.

70

Darüber hinaus hat die Beklagte Anspruch auf Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am jeweils noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta bis zum Widerruf in Höhe von € 82.319,91. Wegen der Höhe kann auf die Darstellung der Beklagten im Schriftsatz vom 23.02.2018 Bezug genommen werden. Dies ergibt insgesamt zunächst Ansprüche der Beklagten in Höhe von € 327.319,91.

71

Entgegen der Auffassung der Kläger steht der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis jedoch auch für die Zeit nach Widerruf ein Anspruch auf Wertersatz für die Gebrauchsvorteile am noch überlassenen Teil der Darlehensvaluta zu, § 346 II BGB a.F. (vgl. Lühmann/Latta, NJW 2017, 2071 (2075). Dies entspricht auch der jetzt geltenden Regelung des § 357 a Abs. 3 S. 2 BGB, mit welchem der Gesetzgeber das bis zum 12.06.2014 bestehende Recht nicht abändern, sondern fortschreiben wollte (vgl. BGH Beschluss vom 12.09.2017 – XI ZR 365/16). Auch ein etwaiger Annahmeverzug der Beklagten steht einem Wertersatzanspruch nicht entgegen, § 302 BGB. Hinsichtlich der Höhe ist zunächst gem. § 346 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. auf den in dem Vertrag vereinbarten Zinssatz für die Gebrauchsüberlassung abzustellen. § 346 Abs. 2 S. 2, 2.HS BGB eröffnet jedoch dem Darlehensnehmer nachzuweisen, dass der Wert des Gebrauchsvorteils niedriger war, wobei nach Auffassung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH a.a.O.) allein auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist. Ob dies auch für den Wertersatz für Gebrauchsvorteile nach Widerruf zu gelten hat, ist aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht zwingend abzuleiten und hält der erkennende Einzelrichter für zweifelhaft, da mit dem Widerruf eine Zäsur eintritt. Gerade in Fällen wie dem vorliegenden würde diese Sichtweise dazu führen, dass allein aufgrund der standhaften Weigerung der Darlehensgeberin, den Widerruf zu akzeptieren und den Vertrag rückabzuwickeln, faktisch der Darlehensvertrag entsprechend zu den vereinbarten Konditionen trotz wirksamem Widerruf bis zu einer möglicherweise nach vielen Jahren zu erzielenden rechtskräftigen Entscheidung oder dem Laufzeitende des widerrufenen Darlehensvertrages fortgesetzt wird und der Widerruf auf diesem Wege praktisch leerläuft. Die Zinsbindung läuft im vorliegenden Fall nunmehr in wenigen Monaten, nämlich am 30.09.2018, aus.

72

Diese Frage muss vorliegend jedoch nicht entschieden werden. Gem. § 346 Abs. 4 BGB kann der Gläubiger wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 BGB Schadensersatz verlangen. Zu den Pflichten aus Absatz 1 gehört es, die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Diese Pflicht hat die Beklagte nicht erfüllt. Auf die Widerrufserklärung der Kläger hat die Beklagte mit Schreiben vom 16.11.2015 erklärt, die erbetene Bestätigung nicht abgeben zu wollen und hielt an ihrer Auffassung, die Widerrufsbelehrung sei wirksam, fest. Auch die Fristsetzungen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin hat die Beklagte ergebnislos verstreichen lassen, so dass sie mit ihren Leistungspflichten aus dem Rückgewährschuldverhältnis in Verzug geraten ist. Sie ist daher den Klägern gem. §§ 280 I, II, 286 BGB zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Dieser Schaden besteht zumindest in der Differenz zwischen dem ursprünglich zwischen den Parteien vereinbarten Vertragszins und dem zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Leistungspflichten aus dem Rückgewährschuldverhältnis erzielbaren Zinssatz für eine Anschlussfinanzierung. Die Kläger haben vorgetragen, dass sie ein Darlehen über 280.000,- zu einem Zinssatz von 1,38 % erhalten hätten, wenn die Beklagte ihren Verpflichtungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis nachgekommen wären. Diesen Vortrag hat die Beklagte zwar bestritten. Dieses Bestreiten blieb jedoch im Hinblick auf die Vorlage der Finanzierungsvorschläge unsubstantiiert und somit unbeachtlich. Es ist nicht ersichtlich und auch von der Beklagten in keiner Weise vorgetragen worden, aus welchem Grund die Kläger eine solche Anschlussfinanzierung nicht hätten erreichen können. Insbesondere hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass der durchschnittliche Zinssatz für derartige Darlehen nicht den aus den eingereichten Anlagen ersichtlichen entsprochen habe. Weiter ist weder ersichtlich noch von Beklagtenseite vorgetragen, dass sich die finanziellen Verhältnisse im Vergleich zum Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehensvertrages aus dem Jahr 2008 verschlechtert haben sollten. Hieraus folgt, dass die Beklagte den Klägern denjenigen Schaden zu ersetzen hat, der ihnen daraus entstanden ist, dass die Kläger eine Anschlussfinanzierung nicht haben abschließen können, mit der sie ihre Verpflichtungen aus dem Rückgewährschuldverhältnis (Rückgewähr Nettodarlehensvaluta zzgl. Wertersatz bis Widerruf) haben erfüllen können. Da der Gläubiger sich rechtsmissbräuchlich verhält, wenn er etwas von seinem Schuldner verlangt (Wertersatz nach Widerruf in Höhe des Vertragszinses) , was er zumindest teilweise unverzüglich wieder herauszugeben hat (Schadensersatz hinsichtlich der Zinsdifferenz), kann die Beklagte vor diesem Hintergrund von den Klägern auch nur einen Wertersatz verlangen, der auf der Grundlage des von den Klägern behaupteten Zinssatzes für die Anschlussfinanzierung zu berechnen ist, da sie hinsichtlich des Differenzbetrages zum vertraglich vereinbarten Zinssatz gegenüber den Klägern schadensersatzpflichtig ist. Unter Zugrundelegung des zum Zeitpunkt des Widerrufs noch überlassenen Teils der Darlehensvaluta (€ 216.886,13) ergibt dies einen Anspruch auf Wertersatz für die Gebrauchsüberlassung für den Zeitraum 1.10.2015 bis 01.06.2018 in Höhe von € 8.201,- .

73

Damit ergeben sich Ansprüche der Beklagten aus dem Rückgewährschuldverhältnis bis zum 01.06.2018 in Höhe von € 335.520,91 und nach Aufrechnung mit den Ansprüchen der Kläger aus dem Rückgewährschuldverhältnis zzgl. der bis zum 30.09.2016 unter Vorbehalt geleisteten Raten ein Restanspruch in Höhe von € 210.255,13.

74

3. Klagantrag zu 4.

75

Die Beklagte ist verpflichtet, sämtliche Geldbeträge, die zwischen dem Eingang auf dem 07.10.2016 und der Rechtskraft dieses Urteils auf das streitgegenständliche Darlehenskonto geflossen sind, zurückzuzahlen. Die nach dem Widerruf erfolgten Zahlungen Kläger sind ausweislich des Schreibens ihrer Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2015 „nur noch im Hinblick auf die drohende Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld“ mithin unter Vorbehalt geleistet worden. Abgesehen von den weiteren Zahlungen bis zum 30.09.2016, deren Rückzahlungsansprüche die Kläger bereits in die Aufrechnung mit einbezogen haben, sind diese Ansprüche nicht durch Verrechnung mit Rückzahlungsansprüchen der Beklagten untergegangen. Weder die Kläger noch die Beklagte haben entsprechende Erklärungen abgegeben, die Beklagte konsequenter Weise, da sie bis zum Schluss die Auffassung vertreten hat, der Widerruf sei unwirksam.

76

Zinsen auf die unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen können die Beklagten indes nicht verlangen. Insbesondere können sie sich nicht auf § 346 BGB a.F. berufen, denn der Wertersatz bezieht sich allein auf die vor dem Widerruf empfangenen Leistungen.

77

4. Klagantrag zu 5.

78

Die Beklagte ist gem. §§ 346 IV BGB a.F. i.V.m. § 280 BGB verpflichtet, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen daraus entstehen wird, dass die Beklagte die Erfüllung ihrer Pflicht zur Herausgabe einer löschungsfähigen Quittung hinsichtlich der Buchgrundschuld ernsthaft und endgültig abgerechnet hat. Gem. § 346 BGB haben nach einem Rücktritt/Widerruf die Vertragsparteien die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Dazu gehört auch die zur Absicherung des Darlehensrückzahlungsanspruches von den Darlehensnehmern gewährte Grundschuld. Richtig ist zwar, dass die Grundschuld in der Regel – vorgelegt wurde sie nicht – auch der Absicherung gesetzlicher Ansprüche der Beklagten dient. Die Beklagte kann sich dennoch nicht darauf berufen, die Kläger hätten zu keiner Zeit den zur Ablösung erforderlichen Betrag angeboten. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs bestritten und eine Rückabwicklung ernsthaft und endgültig verweigert hat, es mit anderen Worten durch die verweigerte Herausgabe, genügte gem. § 295 BGB das wörtliche Angebot der Kläger, hier zu sehen in dem Schreiben vom 10.12.2015. Soweit die Beklagte bestreitet, dass den Klägern die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestanden haben, ist dieser Einwand treuwidrig, da erkennbar die geforderte Löschungsbewilligung erforderlich war, um eine Anschlussfinanzierung zu erreichen.

II.

79

Die prozessualen Ansprüche folgen aus §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.

80

[Hinweis der Dokumentationsstelle: Der Berichtigungsbeschluss wurde in den Tenor eingearbeitet.

81

Beschluss vom 27.06.2018

82

Das Endurteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 21 - vom 07.06.2018 wird im Tenor wie folgt berichtigt:

83

Ziffer 4 des Tenors lautet:

84

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin sämtliche Geldbeträge, die zwischen dem 07.10.2016 und der Rechtskraft dieses Urteils auf das unter 1. genannte Darlehenskonto geflossen sind, zurückzuzahlen.

85

Gründe

86

Es liegt ein offensichtliches Diktat- oder Schreibversehen vor, § 319 ZPO. Der Tenor zu Ziffer 4 ist versehentlich in dem Urteil nicht abgedruckt worden; aus den Entscheidungsgründen lässt sich jedoch der beabsichtigte Inhalt der Entscheidung deutlich herauslesen.]

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Referenzen