Urteil vom Landgericht Hamburg (1. Kammer für Handelssachen) - 401 HKO 29/19
Tenor
1. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aufgrund der verspäteten Ablieferung des Containers UACU 817 048-5 U., verschifft in H. am 23.03.2018 mit dem MV „ C. E.“, in F./ B. am 23.06.2018 besteht dem Grunde nach bis zu einer Höhe von € 99.568,24.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
- 1
Die Klägerin macht einen Verzugsschaden im Rahmen eines Transportvertrags geltend.
- 2
Die Klägerin beauftragte die Beklagte im Februar/März 2018 mit der Beförderung eines Containers von B. nach F./ B. zu fixen Kosten (vgl. den E-Mail-Verkehr in der Anlage K1). Für die Klägerin war ihr Mitarbeiter B., ein ehemaliger Mitarbeiter der Beklagten, tätig. Angaben zum Verwendungszweck des Containerinhalts wurden von der Klägerin nicht gemacht. In ihren E-Mails sowie in ihrer Rechnung vom 29.03.2018 (Anlage K2) verweist die Beklagte darauf, dass sie auf Grundlage der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen 2017 (ADSp 2017) arbeitet. Die Beklagte beauftragte die Nebenintervenientin zu 1) ( M.D.L. GmbH, vormals N. Schifffahrtsagentur GmbH, die dem Rechtsstreit nach Streitverkündung durch die Beklagte als Streithelferin auf Beklagtenseite beigetreten ist), die ihrerseits die Nebenintervenientin zu 2) ( H.- L. AG, die dem Rechtsstreit nach Streitverkündung durch die Beklagte als Streithelferin auf Beklagtenseite beigetreten ist) mit dem Seetransport von H. nach F./ B. beauftragte (Anlage StV2). Der Container, dessen Inhalt mit 52 Packages und 14.075 kg sich aus dem Bill of Lading der Nebenintervenientin zu 2) ergibt (Anlage 1 zur Anlage K3), wurde am 23.03.2018 auf das MV „ C.E.“ verladen. In dem E-Mail-Verkehr der Parteien (Anlage K1) wird als ETA (estimated time arrival) ebenso wie in der Rechnung der Beklagten (Anlage K2) als Ankunftsdatum das Datum 09.04.2018 genannt.
- 3
Tatsächlich verzögerte sich die Ankunft in F.. Mit E-Mail vom 22.05.2018 wandte sich die Klägerin mit der Bitte um Prüfung des Verbleibs des Containers an die Beklagte. Mit E-Mail vom 25.05.2018 schrieb der Mitarbeiter B. der Klägerin an die Beklagte (E-Mail-Verkehr in der Anlage K11):
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„…
Der formhalber halten wir A. GmbH für die entstandene Verzögerung in vollen Umfang haftbar. Ansprüche Dritter treten wir vollumfänglich an Sie ab.
- 5
Wir erwarten HEUTE bis 15 Uhr eine schriftliche Stellungnahme der Reederei
warum der Container überhaupt in C. entladen wurde?
warum er dann mehrere Wochen ohne Weiterleitung geblieben ist?
wann mit der Ankunft in F. zu rechnen ist?
warum wurden wir über die Verzögerungen nicht zeitnah informiert?
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Wir erwarten, dass diese Angelegenheit nunmehr vorrangig abgearbeitet wird, zumal wir gegenüber unserem Kunden ebenfalls verstärkten Erklärungsbedarf haben.
…“
- 7
Der streitgegenständliche Container war zunächst in C. entladen worden und wurde erst am 23.06.2018 in F. angeliefert (vgl. auch das Parteigutachten Anlage K3).
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Die Klägerin hält die Beklagte für die Verzögerungen für verantwortlich. Sie behauptet, die MS „ J. A.“ Schifffahrts GmbH & Co. KG (nachfolgend „ J. KG“) betreibe das MV „ J. A.“. Das Schiff werde in der Karibik als Feederschiff eingesetzt. Im Juni 2018 habe die nächste 5-Jahrsbesichtigung des Schiffes erfolgen sollen, die notwendig sei, um die Schiffssicherheitszeugnisse und die Klasse zu erneuern bzw. zu verlängern. Dazu müsse das Schiff ins Dock und aus dem Wasser genommen werden. Zu diesem Zweck sei ein Werftaufenthalt in F./ B. für die Zeit vom 09.-15.06.2018 geplant gewesen. Dies sei im Rahmen des laufenden Feederdienstes erfolgt, so dass eine strikte Einhaltung der Werftzeit erforderlich gewesen sei. Die J. KG habe im Januar und Februar 2018 bei der U. K. GmbH (nachfolgend „ K. GmbH“) Ausrüstungsgegenstände und Ersatzteile gekauft, die für das MV „ J. A.“ bestimmt gewesen seien (vgl. Rechnungen in den Anlagen K5a bis K5h). Die K. GmbH habe es außerdem übernommen, die Ware (neben weiterer Ware) in einen Container zu stauen und in F. an das MV „ J. A.“ zu liefern. Es sei vorgesehen gewesen, dass der Container so rechtzeitig in F. eintreffen solle, dass er zu Beginn des Werftaufenthalts des MV „ J. A.“ am 09.06.2018 vor Ort zur Verfügung gestanden hätte. Die K. GmbH habe die (zur selben Gruppe gehörende) Klägerin mündlich mit der Beförderung des Containers von B. nach F. beauftragt.
- 9
Die Klägerin habe die Beklagte mit Mahnung vom 25.05.2018 (Anlage K11, S.4) in Verzug gesetzt, auch wenn es angesichts der gesamten Korrespondenz in der Anlage 11 einer förmlichen Mahnung nicht bedurft habe.
- 10
Als der Container am 23.06.2018 in F. abgeliefert worden sei, habe das MV „ J. A.“ die Werft in F. schon wieder verlassen gehabt. Einige Arbeiten seien mit ersatzweise und teurer zugekauften Teilen ausgeführt worden, teilweise hätten die Restarbeiten zu einem späteren Termin erledigt werden müssen. Der eingetretene Schaden belaufe sich auf € 144.315,40. Die J. A. KG habe ihre Ansprüche wegen der verspäteten Ablieferung des Containers gegenüber der K. GmbH mündlich geltend gemacht. Die K. GmbH nehme ihrerseits die Klägerin in Anspruch und verlange Freistellung von dieser Verbindlichkeit. Die Klägerin beruft sich auf die Grundsätze der Drittschadensliquidation.
- 11
Soweit eine Regulierung durch die E. Versicherung AG erfolgt sei (vgl. Anlage B1), habe diese übergegangene Rechte vorsorglich an die Klägerin rückabgetreten (Anlage K4).
- 12
Die Klägerin beantragt nach Rücknahme der Klage in Höhe von € 4.879,12
- 13
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 144.315,40 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.06.2018 zu zahlen;
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hilfsweise
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die Beklagte zu verurteilen, die U. K. GmbH, P- Straße., B., von den gegen sie gerichteten Ansprüchen der MS „ J. A.“ Schifffahrts GmbH & Co. KG, R - Straße. H. im B., wegen der verspäteten Ablieferung des Containers UACU 817 048-5 U., verschifft in H. am 23.03.2018 mit dem MV „ C. E.“, in F./ B. am 23.06.2018 freizustellen;
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nochmals hilfsweise
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die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den Ansprüchen der U. K. GmbH, P- Straße. B., wegen der verspäteten Ablieferung des Containers UACU 817 048-5 U., verschifft in H. am 23.03.2018 mit dem MV „ C. E.“, in F./ B. am 23.06.2018 freizustellen;
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schließlich hilfsweise,
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festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Schaden der Klägerin aus der verspäteten Ablieferung des Containers UACU 817 048-5 U., verschifft in H. am 23.03.2018 mit dem MV „ C. E.“, in F./ B. am 23.06.2018 zu ersetzen.
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Die Beklagte und beide Nebenintervenienten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Sie tragen vor, bei dem angegebenen Ankunftsdatum vom 09.04.2018 handele es sich lediglich um eine Information, keine Willenserklärung. Eine feste Lieferfrist sei nicht vereinbart worden. Zu keinem Zeitpunkt habe die Klägerin zu erkennen gegeben, dass der Container zwingend bis zum 09.06.2018 in F./ B. ankommen müsse und dass bei einer Ankunft nach dem 09.04.2018 ein Vermögensschaden drohe.
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Die Beklagte habe sich nicht im Verzug befunden, es fehle bereits an einer verzugsbegründenden Mahnung. In der E-Mail vom 25.05.2018 werde neben einer Haftbarhaltung nur gefordert, den Verbleib des Containers aufzuklären.
- 24
Wegen eines starken Sturms und der anschließend im Umlagehafen C1 eingetretenen Hafenverstopfung sei die Haftung ausgeschlossen, zum Nachweis beruft sich die Beklagte auf das Schreiben der Nebenintervenientin in der Anlage B2.
- 25
Die Klägerin hätte schließlich im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht dafür Sorge tragen müssen, dass der Termin in der Werft um 2 Wochen verschoben worden wäre.
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Etwaige durchsetzbare Ansprüche wegen Lieferfristüberschreitung bestünden auch deshalb nicht, weil die Lieferfristüberschreitung der Beklagten nicht innerhalb einer Frist von 21 Tagen nach Ablieferung von der Empfängerin in Textform angezeigt worden sei, § 438 Abs. 3 HGB.
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Angesichts einer Regulierung der E. Versicherung AG (Anlage B1) bestreitet die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin und erhebt die Einrede der Verjährung; die Klägerin habe mit der Klagschrift nicht offengelegt, dass sie aus (rück-) abgetretenem Recht vorgehe.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 29
Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des Hauptantrags dem Grunde nach bis zu einer Höhe von € 99.568,24 gerechtfertigt.
I.
- 30
Der Erlass eines Grundurteils ist gemäß § 304 ZPO zulässig. Die Voraussetzungen des § 304 Abs. 1 ZPO liegen vor. Der Anspruch ist dem Grunde und der Höhe nach streitig. Die Entscheidung über den Grund ist spruchreif. Für die Entscheidung über die Höhe sind noch weitere Beweiserhebungen erforderlich. Die Kammer ist nach dem Sach- und Streitstand davon überzeugt, dass sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in einem anschließenden Betragsverfahren auch der Höhe nach ein Schaden ergeben wird.
- 31
Der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag steht dem Erlass eines Grundurteils nicht entgegen. Über lediglich hilfsweise eingeführte Ansprüche darf eine Entscheidung nur ergehen, wenn feststeht, dass die vorrangig erhobenen Forderungen nicht geeignet sind, den Klaganspruch in vollem Umfang abzudecken (vgl. BGH, Urteil vom 4. 12. 1997 - IX ZR 247–96, zitiert nach juris). Das ist hier nicht der Fall.
II.
- 32
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB im Wege der Drittschadensliquidation.
- 33
Die Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin verpflichtet, die multimodale Beförderung des streitgegenständlichen Containers von B. nach F./ B. zu besorgen. Die streitgegenständliche Verzögerung ist auf der Seestrecke eingetreten, so dass die Beklagte grundsätzlich als Fixkostenspediteur gemäß §§ 459 Abs. 1, 452, 452 a, 498 HGB wie ein Verfrachter aus dem Frachtvertrag haftet. Da im Seefrachtrecht besondere Vorschriften über das Eintretenmüssen für Verspätungen fehlen, sind die allgemeinen Vorschriften des BGB anwendbar (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 13.01.2011, Az: 6 U 150/09, zitiert nach juris).
1.
- 34
ie Klägerin ist aktivlegitimiert. Soweit ein Anspruchsübergang gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG aufgrund einer Regulierung der E. Versicherung AG erfolgt ist, hat die E. Versicherung AG der Anlage K4 zufolge diesen Anspruch am 07.06.2019 an die Klägerin rückübertragen. Insoweit kann sich die Beklagte auch nicht auf Verjährung berufen, da die Rückübertragung vor Klagerhebung und vor Verjährungseintritt erfolgt ist. Spätestens in der Klageinreichung liegt auch eine Annahme der Klägerin. Die Vorlage der schriftlichen Rückabtretung ist für die Überzeugungsbildung des Gerichts ausreichend. Anhaltspunkte, dass die Abtretung zu einem anderen Zeitpunkt vorgenommen wurde und nicht von einem Vertretungsberechtigten der E. Versicherung AG unterzeichnet wurde, liegen nicht vor.
2.
- 35
Die Klägerin hat die Beklagte zur Überzeugung des Gerichts durch die E-Mail vom 25.05.2018 (Anlage K11) im Sinne von § 286 Abs. 1 BGB gemahnt. Der Schadensersatzanspruch setzt mangels Vereinbarung einer festen Lieferzeit eine verzugsbegründende Mahnung voraus. Mit der Angabe des Ankunftsdatums (09.04.2018) in der Rechnung der Beklagten sowie der entsprechenden Angabe in dem E-Mail-Verkehr der Parteien, liegt erkennbar keine verbindliche Zusage. Das ergibt sich schon aus der Verwendung des Kürzels ETA (estimated time of arrival), durch die deutlich wird, dass es sich nur um eine Schätzung handeln sollte.
- 36
Eine Mahnung im Sinne von § 286 BGB setzt eine eindeutige Aufforderung zur Leistung voraus. Die in der Mahnung enthaltene Aufforderung zur Leistung muss bestimmt und eindeutig sein. Normzweck ist der Schutz des Schuldners, dem eine mögliche Schadensersatzpflicht deutlich vor Augen geführt werden soll. Daher muss der Gläubiger für den Schuldner klar erkennbar zum Ausdruck bringen, dass er die Vornahme der geschuldeten Leistung verlangt (BGH, Urteil vom 10.03.1998, Az: X ZR 70/96, zitiert nach juris). Diesen Anforderungen genügt die E-Mail des Mitarbeiters B. der Klägerin vom 25.05.2018 (Anlage K11). Der in der Anlage K11 vorgelegte E-Mail-Verkehr beginnt mit zwei Mails aus März 2018 zum Bill of Lading. Mit E-Mail vom 22.05.2018 bittet dann der Mitarbeiter S. der Klägerin die Beklagte um Mitteilung, was mit dem Container, der seit fast drei Monaten unterwegs sei, geschehen ist. Mit E-Mail vom 24.05.2018 weist Herr S. darauf hin, dass er hierzu dringend eine Stellungnahme der Reederei benötigt. Der Mitarbeiter K. der Beklagten antwortet am 24.05.2018, dass er bisher nur eine telefonische Auskunft bzgl. einer Verstopfung in C1 habe, aber weiter am Ball bleibe. Darauf antwortet der Mitarbeiter B. mit E-Mail vom 25.05.2018 zunächst mit einer Haftbarhaltung der Beklagten, welche üblicherweise im Transportrecht zur Hemmung der kurzen Verjährung ausgesprochen wird. Die Haftbarhaltung bezieht sich ausdrücklich auf entstandene Verzögerungen. Im nächsten Absatz wird eine schriftliche Stellungnahme der Reederei bis 15 Uhr angefordert. Im letzten Satz heißt es: „Wir erwarten, dass diese Angelegenheit nunmehr vorrangig abgearbeitet wird, zumal wir gegenüber unserem Kunden ebenfalls verstärkten Erklärungsbedarf haben.“ Ungeachtet der Frage, ob sich die vorrangige Abarbeitung nur auf die Abgabe der Stellungnahme bezieht – so die Beklagte und die Nebenintervenientin zu 1) – wird die Beklagte durch diese E-Mail eindeutig zur Leistung aufgefordert. Die Abgabe der geforderten Stellungnahme dient keinem Selbstzweck, sondern dem eigentlichen Ziel, das Bewirken der Leistung. Im Zusammenhang mit der Haftbarhaltung für die entstandenen Verzögerungen wird der Zweck der Mahnung – dem Schuldner eine mögliche Schadensersatzpflicht vor Augen zu führen – deutlich erfüllt.
3.
- 37
Zum Zeitpunkt der Mahnung war der Anspruch bereits fällig. Gemäß § 271 BGB ist eine Leistung im Zweifel sofort fällig (d.h. der Gläubiger kann die Leistung sofort verlangen), wenn sich nicht aus den Umständen etwas Besonderes ergibt. Aus den Besonderheiten des Seefrachtverkehrs ergibt sich, dass der Transport in angemessener Zeit beginnen und in angemessener Zeit beendet sein muss. Die Angabe der geschätzten Ankunftszeit in dem E-Mail-Verkehr zum Vertragsschluss (Anlage K1) ist indiziell für die Frage, was für eine Transportdauer noch „angemessen“ ist. Zum Zeitpunkt der Mahnung lag der geschätzte Ankunftstag bereits mehr als 6 Wochen zurück, was bei einer geschätzten Gesamttransportdauer von unter 17 Tagen (vgl. Anlage K2: 23.03.2018 bis 09.04.2018) eine erhebliche Verzögerung darstellt.
4.
- 38
Auch ein Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) der Beklagten ist zu bejahen, wobei die Beklagte für fehlendes Verschulden die Darlegungs- und Beweislast trägt. Diesen Entlastungsbeweis hat die Beklagte nicht erbracht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Beklagte ein Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen – hier die Nebenintervenientin zu 1) bzw. deren Erfüllungsgehilfin, die Nebenintervenientin zu 2) – gemäß § 278 BGB zurechnen lassen muss. Der bloße Hinweis auf einen starken Sturm und eine Verstopfung des Hafens in C1 genügt hierfür nicht. Dieses Vorbringen ist bereits nicht substantiiert, worauf das Gericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2020 hingewiesen hat, und erklärt nicht einen längeren Aufenthalt in C., der zu einer Transportzeit von insgesamt 92 statt geplanter 17 Tage geführt hat.
5.
- 39
Ein Mitverschulden der Klägerin bzw. ein der Klägerin zuzurechnendes Mitverschulden hat die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht nachgewiesen. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass ihr nicht bekannt gewesen sei, dass der Container Gegenstände für Reparaturarbeiten enthalten habe und daher ein Vermögensschaden nicht erkennbar gewesen sei, hat sie weder vorgetragen noch nachgewiesen, dass die Verzögerung bei entsprechender Kenntnis nicht eingetreten wäre. Auch das Vorbringen, die Klägerin bzw. die J. KG hätte im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht den Werttermin um zwei Wochen verschieben müssen, überzeugt nicht. Der Werfttermin fand vom 09.-15.06.2018 statt. Der Korrespondenz in der Anlage K11 zufolge war erst am 08.06.2018 bekannt, dass der Container am 15.06.2018 verfügbar sei. Tatsächlich wurde der Container dann aber erst am 23.06.2018 in F. abgeliefert. Ungeachtet der Frage, ob ein geplanter Werftermin im laufenden Feederdienst überhaupt kurzfristig verschiebbar ist, hat die Beklagte nicht nachgewiesen, dass die verfügbaren Informationen eine Verschiebung auf einen konkreten Termin überhaupt ermöglichten.
6.
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Auf die Frage, ob die Klägerin nach § 438 Abs. 3 HGB die Verzögerung der Beklagten innerhalb von 21 Tagen angezeigt hat, kommt es nicht an. Die Verzögerung ist auf der Seestrecke eingetreten, so dass gemäß § 452a HGB die Regelungen des Seehandelsrecht und nicht die Regelungen des Ersten Unterabschnitts des Frachtgeschäfts im HGB zur Anwendung kommen. Eine Frist zur Anzeige von Verzögerungen sieht das Seehandelsrecht – mangels Regelungen zur Verzögerung – gerade nicht vor.
7.
- 41
Die Beklagte kann sich jedoch auf die Haftungsbeschränkung gemäß Ziffer 23.4 ADSp 2017 berufen. Sie hat unbestritten vorgetragen, dass ihre zum Vertragsschluss führenden E-Mails den Hinweis enthielten, dass sie ausschließlich auf Grund der Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp 2017) arbeite. Dies war dem für die Klägerin handelnden Mitarbeiter B. als vormaligem Mitarbeiter der Beklagten auch bekannt. Nach Ziffer 23.4 ADSp 2017 ist die Haftung des Spediteurs für andere als Güterschäden begrenzt auf das Dreifache des Betrags, der bei Verlust des Gutes nach Ziffer 23.3.1 zu zahlen wäre, d.h. auf das Dreifache von 2 Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm, hier bei 14.075 kg (vgl. Bill of Lading, Anlage 1 zu K3) auf € 99.568,24 (Tageskurs SZR am 23.03.2018 in Höhe von 1,17902). Anhaltspunkte für ein qualifiziertes Verschulden im Sinne von Ziffer 27 ADSp 2017 liegen nicht vor.
- 42
Einer Anwendung dieser Haftungsbeschränkung steht auch nicht § 512 HGB entgegen, wonach Haftungsregelungen des Seehandelsrecht zwar durch Vertrag, durch Allgemeine Geschäftsbedingungen jedoch nur in begrenztem Umfang abweichend geregelt werden können. Vorliegend geht es gerade nicht um einen Haftungsanspruch aus dem See- handelsrecht, sondern um einen allgemeinen schuldrechtlichen Schadensersatzanspruch wegen Verzugs, so dass § 512 HGB nicht zur Anwendung kommt.
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Die im Seehandelsrecht in § 504 HGB normierten Haftungsbegrenzungen kommen ebenfalls nicht zur Anwendung. § 504 HGB normiert Haftungshöchstbeträge bei Güterschäden. Zwar wird diskutiert, ob § 504 HGB, der seinem Wortlaut nach nur für Entschädigungen aus §§ 502, 503 HGB gilt, auch auf solche Güterschäden anznden ist, die außerhalb der Obhutszeit des Verfrachters entstehen und deshalb nach § 280 BGB zu ersetzen sind (vgl. Rabe/Bahnsen/Bahnsen, 5. Aufl. 2018, HGB § 504 Rn. 4). Vorliegend geht es jedoch bereits nicht um den Ersatz von Güterschäden, sondern um den Ersatz eines Vermögensschadens aufgrund Verzugs. Es fehlt daher bereits an der Gleichartigkeit des Schadens. Für andere als Güterschäden gelten auch regelmäßig abweichende Haftungsbegrenzungen, siehe beispielsweise die Regelung in den ADSp 2017.
8.
- 44
Das Gericht ist schließlich davon überzeugt, dass die Klagforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht. Die Schadensersatzpflicht nach §§ 280, 286 BGB setzt voraus, dass der Klägerin aufgrund der Verzögerung ein Schaden entstanden ist. Daraus folgt – da der Schaden zu den anspruchsbegründenden Tatsachen gehört – für den Fall des Grundurteils die Notwendigkeit einer Überzeugung des Gerichts, dass sich in einem anschließenden Betragsverfahren mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch der Höhe nach ein Schaden ergeben wird (vgl. bereits BGH, Urteil vom 16.01.1991, Az: VIII ZR 14/90, zitiert nach juris). Der Klägerin kann nach den Grundsätzen der Drittschadensliquidation den bei der J. KG aufgrund Verzugs eingetretenen Schaden geltend machen. Die Drittschadensliquidation soll verhindern, dass dem Schädiger durch vertragliche Vereinbarungen zwischen seinem Gläubiger und einem Dritten, die den Schaden von dem Gläubiger auf den Dritten verlagern, ein ungerechtfertigter Vorteil entsteht (BGH, Urteil vom 01.06.2006, Az.: I ZR 200/03, zitiert nach juris). Nach diesen Grundsätzen ist die Klägerin als Vertragspartner der Beklagten daher zur Geltendmachung von Schäden der J. KG legitimiert, unabhängig davon, ob die Schäden der K. GmbH als Vertragspartnerin der Klägerin oder der J. KG als Vertragspartner der K. GmbH erwachsen sind.
III.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es mangels vollstreckungsfähigem Inhalt des Grundurteils nicht.
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