Urteil vom Landgericht Heidelberg - 5 O 85/10

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

 
Die beklagte Gemeinde betreibt als öffentliche Einrichtung den Kinderspielplatz A.-Straße in H. Dieser verfügt unter anderem über eine Rutsche (Lichtbild Anlage K 1), deren Rutschteil als umschlossener Querschnitt ausgebildet ist (sog. Tunnel- oder Röhrenrutsche). Der Boden („Aufprallfläche“) vor dem unteren Ende der Rutsche - dem „Auslaufteil“ - ist mit Rindenmulch bedeckt. Auf der obersten Plattform des Turmes, auf dem die Rutsche beginnt, ist links oberhalb des Einsitzes ein Schild angebracht, auf dem die Piktogramme eines grünen Kindes unter den Zahlen 6 bis 15 und - durchgestrichen - eines orangenen Erwachsenen zu sehen sind. Rechts davon befinden sich zwei weitere Schilder, von denen eines einen Erwachsenen zeigt, der beim Rutschen ein Kind auf dem Schoß hält; dieses Piktogramm ist durchgestrichen.
Der am …1960 geborene Kläger behauptet, er sei am 3.10.2009 gemeinsam mit seinem Sohn die Röhrenrutsche herabgerutscht. Das Schild mit den Piktogrammen sei nicht vorhanden gewesen, jedenfalls habe er es nicht gesehen. Aufgrund der erzielten Geschwindigkeit habe er sich auf dem Auslaufteil nicht mehr rechtzeitig aufsetzen und deshalb nicht genügend abbremsen können. Er sei dadurch über das Auslaufteil hinausgeraten und mit dem Steiß in der mit Rindenmulch bedeckten Kuhle vor der Rutsche aufgetroffen. Dadurch habe er einen traumatischen Deckplattenimpressionsbruch LWK2 erlitten und sei für vier Monate arbeitsunfähig gewesen.
Der Kläger meint, die Beklagte sei ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen. Durch den sog. „Wegspieleffekt“, dessen Folgen die Beklagte habe beseitigen müssen, sei die Höhe des Endes des Auslaufteils zur Rindenmulch-Aufprallfläche um 7 cm größer gewesen als nach der einschlägigen technischen Norm DIN EN 1176-3 zulässig (42 anstatt 35 cm). Die Beklagte sei zumindest ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen.
Der Kläger räumt ein, ihn habe hälftiges Mitverschulden getroffen.
Mit der Klage macht der Kläger auf dieser Basis Verdienstausfall, krankengymnastische Behandlung, Zuzahlungen, vorgerichtliche Anwaltsgebühren und Schmerzensgeld geltend, wobei er bei letzterem angesichts des Mitverschuldens 3.750 Euro für angemessen erachtet.
Der Kläger beantragt ,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.11.2009,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.632,83 Euro zu zahlen zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.11.2009,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 837,52 Euro vorgerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10 
4. festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche künftigen Schäden zu 50 % zu ersetzen, die dem Kläger aufgrund des Unfalls am 3.10.2009 auf dem städtischen Spielplatz in der A.-Straße in H. nach Rechtshängigkeit noch entstehen werden, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder einen anderen Dritten übergegangen ist.
11 
Die Beklagte beantragt
12 
Klageabweisung.
13 
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Sitzungsprotokoll verwiesen.
14 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einnahme eines Augenscheins.

Entscheidungsgründe

 
I.
15 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
16 
1.) Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist auch insoweit eröffnet, als Ansprüche aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis in Frage kommen, § 17 Abs. 2 GVG.
17 
2.) Der Kläger kann jedoch von der Beklagten unter keinem Gesichtspunkt Schadensersatz wegen seines Unfalls verlangen.
18 
a) Die Beklagte haftet dem Kläger nicht aus unerlaubter Handlung.
19 
(1) Die Haftung der Beklagten richtet sich insoweit nicht nach § 823 BGB, sondern nach Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Die verantwortlichen Amtsträger haben bei Aufstellung und Wartung der Röhrenrutsche in öffentlich-rechtlicher Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt.
20 
(a) Zwar erfüllt oder verletzt grundsätzlich auch der Staat die ihn treffenden Verkehrssicherungspflichten privatrechtlich (stRspr. seit OLG Colmar OLGRspr. 5, 246 [249], RGZ 54, 157 [159]; BGHZ 9, 373; BGH NJW 1968, 443). Das gilt auch für Kinderspielplätze (BGH NJW 1977, 1965).
21 
Dem Staat kommt aber ein "Wahlrecht" zu (BGHZ 9, 373 [387 f.]; BGHZ 34, 206 [209 f.]), Rechtsverhältnisse öffentlich-rechtlich zu gestalten, sie also damit auch dem Regime der Amtshaftung zu unterwerfen und zugleich dem bürgerlichen Deliktsrecht zu entziehen.
22 
(b) Das hat die Beklagte vorliegend durch § 5 der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Kinderspielplätze vom 9.12.1976, zuletzt geändert durch Satzung vom 13.10.2005, getan. Dort heißt es:
23 
Für Schäden, die andere bei der Benutzung öffentlicher Kinderspielplätze sowie der Spielgeräte oder Spieleinrichtungen erleiden, haftet die Stadt nach den gesetzlichen Vorschriften über eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung. Schadensersatzansprüche aus anderen rechtlichen Gründen sind ausgeschlossen, sofern der Schaden nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit städtischer Mitarbeiter beruht.
24 
Wörtlich genommen wäre diese Norm freilich als Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht rechtswidrig und nichtig. Die Gemeinde als mittelbare Landesverwaltung kann über den Anwendungsbereich von Bundesrecht nicht disponieren und weder § 823 BGB für unanwendbar erklären noch Art. 34 GG für anwendbar.
25 
So ist die Norm aber nicht auszulegen. Vielmehr will der Satzungsgeber hier regeln, ob "nach der Ordnung der Verwaltung, wie sie für den konkreten Bereich der Träger der Pflicht getroffen hat, öffentliches oder privates Recht gelten soll" (BGHZ 9, 373 [387]). Dazu beschreibt er das Ergebnis dieser Wahl für das Haftungsrecht, nämlich dass Amtshaftung statt zivilen Deliktsrechts eingreift. Mithin gestaltet § 5 der Satzung das Benutzungsverhältnis der öffentlichen Einrichtung öffentlich-rechtlich aus. Das ist für ein Anstaltsverhältnis wie das vorliegende unzweifelhaft auch in einer Satzung wirksam.
26 
(2) Eine Amtspflichtverletzung könnte sich vorliegend - und zwar unabhängig von der Frage der richtigen Anspruchsgrundlage - nur aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ergeben. Das ist indes nicht der Fall.
27 
(a) Erleidet jemand durch vordergründig eigenes Verhalten - wie vorliegend dem Rutschen auf einer Rutsche - einen Schaden, sodass dieser Schaden nur mittelbar auf eine Rechtsgutsverletzung durch Dritte zurückzuführen ist, dann begründet deren bloße Mitursächlichkeit noch keine Haftung. Ein Schadensersatzanspruch kommt bei angemessener Risikoverteilung erst in Betracht, wenn der Mitverursacher - hier die beklagte Gemeinde, die die Rutschbahn aufgestellt hat - eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
28 
Die Rechtsordnung gebietet nicht, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, und sie verbietet nicht, sie zur Selbstgefährdung zu veranlassen. Wer sich in Alltagsgefahren begibt, trägt das Risiko und einen daraus entstehenden Schaden deshalb selbst. Verantwortlich für solche Schäden kann hingegen sehr wohl sein, wer eine gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko zusätzliche Gefahr verursacht (vgl. BGH NJW 1986, 1865).
29 
Wer eine solche Gefahrenlage schafft, insbesondere einen "Verkehr" eröffnet oder die Gefahrenlage in seinem Verantwortungsbereich auch nur andauern lässt, hat auf die Gefährdeten Rücksicht zu nehmen.
30 
Er hat dann die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um ihre Schädigung möglichst zu verhindern (BGH NJW-RR 2003, 1459 mit weiteren Nachweisen). Dagegen muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar (BGH MDR 2010, 625).
31 
(b) Nach diesen Maßstäben haben die Amtsträger der Beklagten keine Amtspflicht gegenüber dem Kläger verletzt. Eine Verkehrssicherungspflicht oblag der Beklagten in Bezug auf die Rutsche nicht. Sie hat dem Kläger dort bereits keinen Verkehr eröffnet. Seine Benutzung war unbefugt.
32 
Das ergibt sich allerdings noch nicht aus § 15 Abs. 3 der von der Beklagten erlassenen Polizeiverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und gegen umweltschädliches Verhalten (Straßen- und Anlagenpolizeiverordnung - StrAnlPolVO) vom 8.3.2001. Dort heißt es zwar:
33 
Die auf Kinderspielplätzen aufgestellten Turn- und Spielgeräte dürfen nur von Kindern und Jugendlichen benutzt werden.
34 
Zu diesem Benutzerkreis gehörte der Kläger nicht. Die Eröffnung eines Verkehrs ist aber keine rechtliche, sondern eine tatsächliche Frage. Ob Abweichendes gelten müsste, wenn der Kläger den Willen der Stadt gekannt hätte, den Benutzerkreis dermaßen zu beschränken, kann dahinstehen. Dass die Regelung des § 15 Abs. 3 StrAnlPolVO dem Kläger bekannt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
35 
Die Beklagte hat aber durch Anbringen des Schildes, das einen durchgestrichenen, orangenen Erwachsenen zeigt, in einer jedenfalls dem Kläger gegenüber eindeutigen Weise tatsächlich klargestellt, dass seine Benutzung unbefugt ist. Die Größe des Schildes - 10 x 10 cm - ist ausreichend. Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass die signalgelb unterlegten Schilder rechts der Einstiegsöffnung die Aufmerksamkeit leicht von dem links etwas im Schatten der dort beginnenden Holzwand angebrachten Verbotsschild ablenken können. Nach dem Eindruck, den das Gericht bei Einnahme des Augenscheins erhalten hat, ist der Umfang der Verkehrseröffnung gleichwohl noch genügend deutlich gemacht. Das auch deshalb, weil ein Erwachsener auf einem Kinderspielgerät besonderen Anlass hat, sich der Erlaubtheit der Benutzung zu vergewissern. Um so mehr muss das für eine so steile Rutsche wie die vorliegende (vgl. Bild 1 Anlage K 1 und die Konstruktionszeichnung Anlage B S. 21) gelten, bei der die Frage, was zur Verhütung von Verletzungsgefahren zu beachten ist, für Erwachsene naheliegt.
36 
Nach dem Alterszustand des Schildes steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es nicht etwa erst nach dem Unfall des Klägers angebracht wurde. Dafür spricht neben dem beim Augenscheinstermin gewonnenen Eindruck, dass es sich im Erscheinungsbild nicht von den anderen beiden Hinweisschildern unterscheidet und auf gleiche Weise an der Holzwand befestigt ist. Vielmehr liegt es nahe, dass der Kläger das Schild damals lediglich nicht bemerkt hat.
37 
Das Gericht vermag nicht der Rechtsansicht des Klägers beizutreten, dass eine solche unbefugte Nutzung erst im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB bzw. für die Billigkeit der Geldentschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB Bedeutung erlangt. Zwar hat auch das OLG Hamm, worauf der Kläger zutreffend hinweist, mit Urteil vom 19.3.2009 - 6 U 157/08 -, Abs.-Nr. 41 so entschieden und ausgeführt, eine unbefugte Nutzung von Spielgeräten führe nicht dazu, dass Sicherungspflichten nicht bestünden; vielmehr bestünden diese, soweit der Verkehr eröffnet sei. Diese Argumentation ist aber zirkulär. Ist der Verkehr bereits nicht eröffnet, die Nutzung also unbefugt, bleibt für Verkehrssicherungspflichten kein Raum ( Hager in Staudinger, BGB [2009], § 823 E Rn. 40). Das hat bereits das Reichsgericht ausgesprochen (RGZ 87, 128 [129]) und ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. BGH vom 11.12.1984 - VI ZR 292/82 -, Abs.-Nr. 13). Richtig ist allein, dass für die tatsächliche Frage der Verkehrseröffnung auf den jeweiligen Adressatenkreis abzustellen ist, weshalb etwa gegenüber Kindern ein Verbotsschild nicht ausreichend sein mag oder in Wirtshäusern, wo mit berauschten, besonders leichtsinnigen Personen zu rechnen ist, besondere Vorkehrungen erforderlich sind. So liegt die Sache aber hier ersichtlich nicht. Dass der Kläger das Schild offenbar vor der Benutzung nicht bemerkt hat, ändert nichts daran, dass die Beklagte für ihn erkennbar ihm gegenüber keinen Verkehr eröffnet hat, aus dem ihr Sicherungspflichten erwachsen könnten.
38 
Allenfalls könnte man erwägen, eine unbefugte Benutzung dann einer befugten gleichzustellen, wenn sich die Gefahr beim befugten Benutzer ebenso verwirklicht hätte (dafür OLG Dresden NJW-RR 2007, 1619: Motocrossbahn; a.A. RGZ 87, 128 [129]: Sturz eines Mannes auf dem Weg zur Damentoilette). Das erscheint nicht nur dogmatisch, sondern auch im Ergebnis zweifelhaft, weil dem Eigentümer so die Möglichkeit genommen würde, über Zugangsbeschränkungen sein Haftungsrisiko zu steuern. Diese Rechtsfrage braucht indes nicht entschieden zu werden. Unzweifelhaft dient die Altersbeschränkung vorliegend gerade auch dem Fernhalten Erwachsener, auf deren Gewicht, Körperproportionen und mit steigendem Alter höhere Gebrechlichkeit das Spielgerät nicht berechnet ist und denen somit Gefahren drohen, denen Kinder nicht in gleicher Weise ausgesetzt sind.
39 
(c) Darauf, ob die Beklagte - wie sie behauptet - die Rutsche ausreichend überwacht und erneuert hat und ob die Röhrenrutsche überhaupt einen höheren Abstand zwischen Auslaufteil und Boden aufwies als zulässig gewesen wäre, kommt es bei dieser Rechtslage nicht mehr an.
40 
b) Auch auf Schadensersatz aus Pflichtverletzung im öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis analog §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB haftet die Beklagte nicht.
41 
Allerdings ist das öffentlich-rechtliche Anstaltsbenutzungsverhältnis eine Sonderverbindung, die zur Anwendung dieses quasivertraglichen Haftungsregimes führt.
42 
Jedoch fehlt es auch insoweit an einer Pflichtverletzung, weil Verkehrssicherungspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht bestanden.
43 
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Haftungsausschluss in § 5 Satz 2 der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Kinderspielplätze wirksam ist und vorliegend eingreift.
44 
c) Selbst wenn man eine Verkehrssicherungspflicht gleichwohl annehmen wollte und die Beklagte diese verletzt hätte, bestünde doch jedenfalls angesichts des ganz überwiegenden Mitverschuldens des Klägers ein Anspruch gegen die Beklagte nicht.
45 
An dieser Stelle wird zunächst relevant, dass der Kläger mit der Benutzung, die seinen Schaden verursacht hat, ordnungswidrig gehandelt hat (§ 18 Abs. 1 Nr. 39 StrAnlPolVO). Dieses Verbot der Nutzung durch Erwachsene war jedenfalls durch das entsprechende Schild über dem Einstieg zur Röhre erkennbar.
46 
Zudem mussten dem Kläger - anders als spielenden Kindern - die Gefahren bewusst sein, die von einer Rutschbahn ausgehen können. So konnte er insbesondere die Schräge der Rutschbahn zutreffend einschätzen und den Zustand der Aufprallfläche wahrnehmen, wie auch das LG Bochum in dem von der Beklagten beigebrachten Urteil vom 29.8.1985 - 1 O 269/85 - (Anlage B S. 19) ausgesprochen hat. Der Kläger musste auch wissen, dass das Spielgerät für Kinder konstruiert war und deshalb auf ihre Körperproportionen zugeschnitten, dass die Tunnelkonstruktion am Ende des Rutschens ein Aufrichten erforderte und ein Fallen in den Rindenmulch bei ihm schwerere Folgen als bei Kindern haben konnte (vgl. OLG Hamm vom 19.3.2009, Abs.-Nr. 44). Er hat im Übrigen selbst vorgetragen, zusammen mit seinem Sohn gerutscht zu sein, was nicht nur die Masse erhöhte und somit auch das Abbremsen erschweren musste, sondern am Ende des Tunnels auch das Aufrichten auf dem Auslaufteil verkomplizierte - beides Umstände, die nach Ansicht des Klägers den Schaden erst verursacht haben. Dieses gemeinsame Rutschen verstieß überdies gegen die Vorschriften zur Benutzung, die durch das durchgestrichene Symbol über dem Einstieg deutlich bekannt gegeben waren.
47 
d) Nach alledem war auch kein Raum für die geltend gemachten Zinsen, vorgerichtlichen Anwaltskosten und die beantragte Feststellung.
II.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Gründe

 
I.
15 
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
16 
1.) Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist auch insoweit eröffnet, als Ansprüche aus öffentlich-rechtlichem Schuldverhältnis in Frage kommen, § 17 Abs. 2 GVG.
17 
2.) Der Kläger kann jedoch von der Beklagten unter keinem Gesichtspunkt Schadensersatz wegen seines Unfalls verlangen.
18 
a) Die Beklagte haftet dem Kläger nicht aus unerlaubter Handlung.
19 
(1) Die Haftung der Beklagten richtet sich insoweit nicht nach § 823 BGB, sondern nach Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Die verantwortlichen Amtsträger haben bei Aufstellung und Wartung der Röhrenrutsche in öffentlich-rechtlicher Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt.
20 
(a) Zwar erfüllt oder verletzt grundsätzlich auch der Staat die ihn treffenden Verkehrssicherungspflichten privatrechtlich (stRspr. seit OLG Colmar OLGRspr. 5, 246 [249], RGZ 54, 157 [159]; BGHZ 9, 373; BGH NJW 1968, 443). Das gilt auch für Kinderspielplätze (BGH NJW 1977, 1965).
21 
Dem Staat kommt aber ein "Wahlrecht" zu (BGHZ 9, 373 [387 f.]; BGHZ 34, 206 [209 f.]), Rechtsverhältnisse öffentlich-rechtlich zu gestalten, sie also damit auch dem Regime der Amtshaftung zu unterwerfen und zugleich dem bürgerlichen Deliktsrecht zu entziehen.
22 
(b) Das hat die Beklagte vorliegend durch § 5 der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Kinderspielplätze vom 9.12.1976, zuletzt geändert durch Satzung vom 13.10.2005, getan. Dort heißt es:
23 
Für Schäden, die andere bei der Benutzung öffentlicher Kinderspielplätze sowie der Spielgeräte oder Spieleinrichtungen erleiden, haftet die Stadt nach den gesetzlichen Vorschriften über eine Haftung wegen Amtspflichtverletzung. Schadensersatzansprüche aus anderen rechtlichen Gründen sind ausgeschlossen, sofern der Schaden nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit städtischer Mitarbeiter beruht.
24 
Wörtlich genommen wäre diese Norm freilich als Verstoß gegen höherrangiges Bundesrecht rechtswidrig und nichtig. Die Gemeinde als mittelbare Landesverwaltung kann über den Anwendungsbereich von Bundesrecht nicht disponieren und weder § 823 BGB für unanwendbar erklären noch Art. 34 GG für anwendbar.
25 
So ist die Norm aber nicht auszulegen. Vielmehr will der Satzungsgeber hier regeln, ob "nach der Ordnung der Verwaltung, wie sie für den konkreten Bereich der Träger der Pflicht getroffen hat, öffentliches oder privates Recht gelten soll" (BGHZ 9, 373 [387]). Dazu beschreibt er das Ergebnis dieser Wahl für das Haftungsrecht, nämlich dass Amtshaftung statt zivilen Deliktsrechts eingreift. Mithin gestaltet § 5 der Satzung das Benutzungsverhältnis der öffentlichen Einrichtung öffentlich-rechtlich aus. Das ist für ein Anstaltsverhältnis wie das vorliegende unzweifelhaft auch in einer Satzung wirksam.
26 
(2) Eine Amtspflichtverletzung könnte sich vorliegend - und zwar unabhängig von der Frage der richtigen Anspruchsgrundlage - nur aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ergeben. Das ist indes nicht der Fall.
27 
(a) Erleidet jemand durch vordergründig eigenes Verhalten - wie vorliegend dem Rutschen auf einer Rutsche - einen Schaden, sodass dieser Schaden nur mittelbar auf eine Rechtsgutsverletzung durch Dritte zurückzuführen ist, dann begründet deren bloße Mitursächlichkeit noch keine Haftung. Ein Schadensersatzanspruch kommt bei angemessener Risikoverteilung erst in Betracht, wenn der Mitverursacher - hier die beklagte Gemeinde, die die Rutschbahn aufgestellt hat - eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
28 
Die Rechtsordnung gebietet nicht, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren, und sie verbietet nicht, sie zur Selbstgefährdung zu veranlassen. Wer sich in Alltagsgefahren begibt, trägt das Risiko und einen daraus entstehenden Schaden deshalb selbst. Verantwortlich für solche Schäden kann hingegen sehr wohl sein, wer eine gegenüber dem allgemeinen Lebensrisiko zusätzliche Gefahr verursacht (vgl. BGH NJW 1986, 1865).
29 
Wer eine solche Gefahrenlage schafft, insbesondere einen "Verkehr" eröffnet oder die Gefahrenlage in seinem Verantwortungsbereich auch nur andauern lässt, hat auf die Gefährdeten Rücksicht zu nehmen.
30 
Er hat dann die Pflicht, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um ihre Schädigung möglichst zu verhindern (BGH NJW-RR 2003, 1459 mit weiteren Nachweisen). Dagegen muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar (BGH MDR 2010, 625).
31 
(b) Nach diesen Maßstäben haben die Amtsträger der Beklagten keine Amtspflicht gegenüber dem Kläger verletzt. Eine Verkehrssicherungspflicht oblag der Beklagten in Bezug auf die Rutsche nicht. Sie hat dem Kläger dort bereits keinen Verkehr eröffnet. Seine Benutzung war unbefugt.
32 
Das ergibt sich allerdings noch nicht aus § 15 Abs. 3 der von der Beklagten erlassenen Polizeiverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und gegen umweltschädliches Verhalten (Straßen- und Anlagenpolizeiverordnung - StrAnlPolVO) vom 8.3.2001. Dort heißt es zwar:
33 
Die auf Kinderspielplätzen aufgestellten Turn- und Spielgeräte dürfen nur von Kindern und Jugendlichen benutzt werden.
34 
Zu diesem Benutzerkreis gehörte der Kläger nicht. Die Eröffnung eines Verkehrs ist aber keine rechtliche, sondern eine tatsächliche Frage. Ob Abweichendes gelten müsste, wenn der Kläger den Willen der Stadt gekannt hätte, den Benutzerkreis dermaßen zu beschränken, kann dahinstehen. Dass die Regelung des § 15 Abs. 3 StrAnlPolVO dem Kläger bekannt gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
35 
Die Beklagte hat aber durch Anbringen des Schildes, das einen durchgestrichenen, orangenen Erwachsenen zeigt, in einer jedenfalls dem Kläger gegenüber eindeutigen Weise tatsächlich klargestellt, dass seine Benutzung unbefugt ist. Die Größe des Schildes - 10 x 10 cm - ist ausreichend. Dem Kläger ist allerdings zuzugeben, dass die signalgelb unterlegten Schilder rechts der Einstiegsöffnung die Aufmerksamkeit leicht von dem links etwas im Schatten der dort beginnenden Holzwand angebrachten Verbotsschild ablenken können. Nach dem Eindruck, den das Gericht bei Einnahme des Augenscheins erhalten hat, ist der Umfang der Verkehrseröffnung gleichwohl noch genügend deutlich gemacht. Das auch deshalb, weil ein Erwachsener auf einem Kinderspielgerät besonderen Anlass hat, sich der Erlaubtheit der Benutzung zu vergewissern. Um so mehr muss das für eine so steile Rutsche wie die vorliegende (vgl. Bild 1 Anlage K 1 und die Konstruktionszeichnung Anlage B S. 21) gelten, bei der die Frage, was zur Verhütung von Verletzungsgefahren zu beachten ist, für Erwachsene naheliegt.
36 
Nach dem Alterszustand des Schildes steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es nicht etwa erst nach dem Unfall des Klägers angebracht wurde. Dafür spricht neben dem beim Augenscheinstermin gewonnenen Eindruck, dass es sich im Erscheinungsbild nicht von den anderen beiden Hinweisschildern unterscheidet und auf gleiche Weise an der Holzwand befestigt ist. Vielmehr liegt es nahe, dass der Kläger das Schild damals lediglich nicht bemerkt hat.
37 
Das Gericht vermag nicht der Rechtsansicht des Klägers beizutreten, dass eine solche unbefugte Nutzung erst im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB bzw. für die Billigkeit der Geldentschädigung nach § 253 Abs. 2 BGB Bedeutung erlangt. Zwar hat auch das OLG Hamm, worauf der Kläger zutreffend hinweist, mit Urteil vom 19.3.2009 - 6 U 157/08 -, Abs.-Nr. 41 so entschieden und ausgeführt, eine unbefugte Nutzung von Spielgeräten führe nicht dazu, dass Sicherungspflichten nicht bestünden; vielmehr bestünden diese, soweit der Verkehr eröffnet sei. Diese Argumentation ist aber zirkulär. Ist der Verkehr bereits nicht eröffnet, die Nutzung also unbefugt, bleibt für Verkehrssicherungspflichten kein Raum ( Hager in Staudinger, BGB [2009], § 823 E Rn. 40). Das hat bereits das Reichsgericht ausgesprochen (RGZ 87, 128 [129]) und ist auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt (vgl. BGH vom 11.12.1984 - VI ZR 292/82 -, Abs.-Nr. 13). Richtig ist allein, dass für die tatsächliche Frage der Verkehrseröffnung auf den jeweiligen Adressatenkreis abzustellen ist, weshalb etwa gegenüber Kindern ein Verbotsschild nicht ausreichend sein mag oder in Wirtshäusern, wo mit berauschten, besonders leichtsinnigen Personen zu rechnen ist, besondere Vorkehrungen erforderlich sind. So liegt die Sache aber hier ersichtlich nicht. Dass der Kläger das Schild offenbar vor der Benutzung nicht bemerkt hat, ändert nichts daran, dass die Beklagte für ihn erkennbar ihm gegenüber keinen Verkehr eröffnet hat, aus dem ihr Sicherungspflichten erwachsen könnten.
38 
Allenfalls könnte man erwägen, eine unbefugte Benutzung dann einer befugten gleichzustellen, wenn sich die Gefahr beim befugten Benutzer ebenso verwirklicht hätte (dafür OLG Dresden NJW-RR 2007, 1619: Motocrossbahn; a.A. RGZ 87, 128 [129]: Sturz eines Mannes auf dem Weg zur Damentoilette). Das erscheint nicht nur dogmatisch, sondern auch im Ergebnis zweifelhaft, weil dem Eigentümer so die Möglichkeit genommen würde, über Zugangsbeschränkungen sein Haftungsrisiko zu steuern. Diese Rechtsfrage braucht indes nicht entschieden zu werden. Unzweifelhaft dient die Altersbeschränkung vorliegend gerade auch dem Fernhalten Erwachsener, auf deren Gewicht, Körperproportionen und mit steigendem Alter höhere Gebrechlichkeit das Spielgerät nicht berechnet ist und denen somit Gefahren drohen, denen Kinder nicht in gleicher Weise ausgesetzt sind.
39 
(c) Darauf, ob die Beklagte - wie sie behauptet - die Rutsche ausreichend überwacht und erneuert hat und ob die Röhrenrutsche überhaupt einen höheren Abstand zwischen Auslaufteil und Boden aufwies als zulässig gewesen wäre, kommt es bei dieser Rechtslage nicht mehr an.
40 
b) Auch auf Schadensersatz aus Pflichtverletzung im öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis analog §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB haftet die Beklagte nicht.
41 
Allerdings ist das öffentlich-rechtliche Anstaltsbenutzungsverhältnis eine Sonderverbindung, die zur Anwendung dieses quasivertraglichen Haftungsregimes führt.
42 
Jedoch fehlt es auch insoweit an einer Pflichtverletzung, weil Verkehrssicherungspflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger nicht bestanden.
43 
Es kann deshalb dahinstehen, ob der Haftungsausschluss in § 5 Satz 2 der Satzung über die Benutzung der öffentlichen Kinderspielplätze wirksam ist und vorliegend eingreift.
44 
c) Selbst wenn man eine Verkehrssicherungspflicht gleichwohl annehmen wollte und die Beklagte diese verletzt hätte, bestünde doch jedenfalls angesichts des ganz überwiegenden Mitverschuldens des Klägers ein Anspruch gegen die Beklagte nicht.
45 
An dieser Stelle wird zunächst relevant, dass der Kläger mit der Benutzung, die seinen Schaden verursacht hat, ordnungswidrig gehandelt hat (§ 18 Abs. 1 Nr. 39 StrAnlPolVO). Dieses Verbot der Nutzung durch Erwachsene war jedenfalls durch das entsprechende Schild über dem Einstieg zur Röhre erkennbar.
46 
Zudem mussten dem Kläger - anders als spielenden Kindern - die Gefahren bewusst sein, die von einer Rutschbahn ausgehen können. So konnte er insbesondere die Schräge der Rutschbahn zutreffend einschätzen und den Zustand der Aufprallfläche wahrnehmen, wie auch das LG Bochum in dem von der Beklagten beigebrachten Urteil vom 29.8.1985 - 1 O 269/85 - (Anlage B S. 19) ausgesprochen hat. Der Kläger musste auch wissen, dass das Spielgerät für Kinder konstruiert war und deshalb auf ihre Körperproportionen zugeschnitten, dass die Tunnelkonstruktion am Ende des Rutschens ein Aufrichten erforderte und ein Fallen in den Rindenmulch bei ihm schwerere Folgen als bei Kindern haben konnte (vgl. OLG Hamm vom 19.3.2009, Abs.-Nr. 44). Er hat im Übrigen selbst vorgetragen, zusammen mit seinem Sohn gerutscht zu sein, was nicht nur die Masse erhöhte und somit auch das Abbremsen erschweren musste, sondern am Ende des Tunnels auch das Aufrichten auf dem Auslaufteil verkomplizierte - beides Umstände, die nach Ansicht des Klägers den Schaden erst verursacht haben. Dieses gemeinsame Rutschen verstieß überdies gegen die Vorschriften zur Benutzung, die durch das durchgestrichene Symbol über dem Einstieg deutlich bekannt gegeben waren.
47 
d) Nach alledem war auch kein Raum für die geltend gemachten Zinsen, vorgerichtlichen Anwaltskosten und die beantragte Feststellung.
II.
48 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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