Urteil vom Landgericht Kiel (3. Zivilkammer) - 3 O 127/10

Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 65.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2012 Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Projektgesellschaft XXX mbH, vertreten durch die Geschäftsführer XXX, aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Kiel vom 16.04.2010, Az.: 11 O 47/10, mit Ausnahme der einen jeweiligen Zinsanspruch von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von 65.000,00 € seit dem 22.08.2010 und auf einen Betrag von 1.479,90 € seit dem 07.04.2011 übersteigenden Zinsforderungen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch aus Notarhaftung wegen Verletzung eines Treuhandauftrages geltend, hilfsweise begehrt sie Feststellung, dass der Beklagte zur Auszahlung des Guthabens eines von ihm eingerichteten Treuhandkontos nicht berechtigt gewesen sei.

2

Die Klägerin führte für die Projektgesellschaft XXX mbH in den Jahren 2008/2009 Heizungs-, Sanitär- und Lüftungsarbeiten an einem Neubauprojekt in XXX durch. Nachdem die Projektgesellschaft XXX mbH im Jahre 2009 in Zahlungsschwierigkeiten geraten sein soll und angeblich fällige Abschlagszahlungen nicht mehr geleistet wurden, schlossen die Vertragsbeteiligten nach längeren Verhandlungen unter dem 18./24.08.2009 einen Forderungsvergleich. Darin verpflichtete sich die Projektgesellschaft XXX mbH, an die Klägerin für die von ihr bereits erbrachten und noch zu erbringenden Leistungen einen Betrag von 65.000 € inkl. Mehrwertsteuer zu zahlen. Ferner heißt es in der Vereinbarung:

3

„Weiter verpflichtet sich der Gesellschafter XXX zur Vorlage einer schriftlichen Bestätigung des Notariats XXX aus XXX (Anmerkung des Gerichts: Soweit kursiv, handschriftlich geändert), dass die Auszahlung des Betrages von 65.000,00 € nach Abschluss der Arbeiten erfolgen wird.“

4

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Forderungsvergleich (Bl. 7 f d.A.) Bezug genommen.

5

In der Folge zahlte der Gesellschafter XXX den Betrag von 65.000,00 € auf ein Notaranderkonto des Beklagten ein, dessen Eingang am 20.08.2009 der Beklagte mit Schreiben vom 21.08.2009 (Bl. 9 d.A.) an die Projektgesellschaft XXX mbH, z.H. Herrn Timm XXX, unter dem Betreff „Projektgesellschaft XXX mbH / XXX GmbH“ bestätigte. Mit Schreiben an den Beklagten vom 25.08.2009 (Bl. 43 d.A.) teilte der Gesellschafter der Projektgesellschaft XXX mbH dem Beklagten unter dem Betreff „Treuhandauftrag“ mit, dass die Auszahlung an die Klägerin nur erfolgen dürfe, wenn er dem Beklagten bestätige, dass alle Arbeiten am Bauvorhaben Hotel XXX fertiggestellt, alle Unterlagen und Pläne geliefert worden seien und die Maßnahme durch den Bauherrn und die Bauleitung abgenommen worden sei. Auf dem Schreiben vermerkte der Beklagte unter dem 28.08.2009 die Annahme des Treuhandauftrages.

6

Ob die Restarbeiten in der Folgezeit durch die Klägerin mangelfrei ausgeführt wurden und eine Abnahme erfolgte, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls forderte die Klägerin den Beklagten mit der Behauptung, die Restarbeiten seien erbracht und abgenommen, auf, den hinterlegten Betrag an sie auszukehren. Daraufhin teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 30.11.2009 (Bl. 11 d.A.) mit, dass er das Notaranderkonto aufgelöst habe, da laut Mitteilung von Herrn XXX die Restarbeiten nicht ausgeführt worden seien.

7

Im weiteren Verlauf erwirkte die Klägerin gegen die Projektgesellschaft XXX mbH ein Versäumnisurteil (Bl. 14 f d.A.), durch das diese verurteilt wurde, an die Klägerin 65.000,00 € nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.479,90 € zzgl. Zinsen zu zahlen. Die anschließende Zwangsvollstreckung war erfolglos. Inzwischen befindet sich die Projektgesellschaft XXX mbH in Insolvenz. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgte am 10.08.2010. Laut Auskunft des Insolvenzverwalters können die Insolvenzgläubiger nicht mit einer Quote rechnen.

8

Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Schadensersatz wegen Verletzung des Treuhandauftrages in Anspruch, nunmehr Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Versäumnisurteil, allerdings abzüglich teilweiser Zinsen auf die Hauptforderung und auf die Rechtsanwaltskosten. Hilfsweise begehrt sie inzwischen die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den Betrag auf Anweisung des Herrn XXX auszuzahlen (Bl. 126 a d.A.).

9

Sie behauptet, die ausstehenden Restarbeiten vollständig und mangelfrei erbracht zu haben. Zuvor erhobene Mängelrügen seien sämtlich abgearbeitet worden. Sie verweist insoweit auf ein Abnahmeprotokoll vom 30.09.2009 (Bl. 10 d.A.), das indes nur die Unterschrift ihres Geschäftsführers trägt, nicht dagegen die Unterschrift eines der Geschäftsführer der Projektgesellschaft XXX mbH. Wieso Herr XXX das Protokoll nicht unterzeichnet habe, wisse sie nicht. Tatsächlich sei jedoch eine Abnahme erfolgt.

10

Im Übrigen sei wegen der Titulierung der Forderung gegen die Projektgesellschaft XXX mbH davon auszugehen, dass die Arbeiten vollständig und mangelfrei erbracht seien.

11

Zudem sei am 05.10.2009 eine Abnahme seitens der Bauherren erfolgt (Bl. 99 ff d.A.). Soweit darin noch kleinere Mängel gerügt worden seien, seien auch diese inzwischen behoben.

12

Im Übrigen komme es darauf nicht mehr an, da der Insolvenzverwalters mit Schreiben vom 13.12.2011 (Bl. 133f d.A.), das die Klägerin im Verlauf des Rechtsstreits vorgelegt hat, die Abnahme der Arbeiten erklärt habe.

13

Es seien auch sämtliche Unterlagen übergeben worden. Insoweit verweist die Klägerin auf zwei Bestätigungsschreiben des weiteren Geschäftsführers der Projektgesellschaft XXX mbH, Herrn XXX, vom 04.05.2009 (Bl. 149, 150 d.A.).

14

Die Klägerin behauptet ferner, sie habe erstmals aufgrund des Schreibens vom 30.11.2009 erfahren, dass der Beklagte irgendwelche Auszahlungen vom Anderkonto vorgenommen habe; vorher habe sie keinerlei Mitteilungen von dem Beklagten erhalten.

15

Sie ist der Auffassung, dass sich bereits aus dem Treuhandauftrag selbst ergebe, dass die Einzahlung ausschließlich zu ihren Gunsten erfolgt sei. Es habe sich nicht um einen einseitigen, sondern um einen zweiseitigen Treuhandauftrag gehandelt. Im Übrigen komme es darauf aber nicht an, weil auch bei einem einseitigen Treuhandauftrag Schutzpflichten ihr gegenüber bestanden hätten. Der Beklagte hätte ihr daher in jedem Fall vor der Auszahlung Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen.

16

Die Klägerin beantragt,

17

den Beklagten zu verurteilen, an sie 65.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.08.2010 sowie weitere 1.479,90 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.04.2011 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche gegen die Projektgesellschaft XXX mbH, vertreten durch die Geschäftsführer XXX, aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Kiel vom 16.04.2010, Az.: 11 O 47/10, mit Ausnahme der einen jeweiligen Zinsanspruch von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von 65.000,00 € seit dem 22.08.2010 und auf einen Betrag von 1.479,90 € seit dem 07.04.2011 übersteigenden Zinsforderungen,
hilfsweise
festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt war, das Anderkonto bei der Förde Sparkasse, Kontobezeichnung „XXX/ XXX“, Kontonummer: XXX, auf Antrag des Herrn XXX XXX vom 27.11.2009 ohne Zustimmung der Klägerin aufzulösen und den hinterlegten Betrag von 65.000,00 € auszuzahlen.

18

Der Beklagte beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Der Beklagte behauptet, Herr XXX habe ihm in einem Telefonat am 14.08.2009 mitgeteilt, dass er einen Betrag von 65.000,00 € auf ein von ihm, dem Beklagten, einzurichtendes Notaranderkonto einzahlen wolle, um der Projektgesellschaft XXX mbH zur Zahlung der Handwerkerforderungen für das Objekt XXX weitere Liquidität zur Verfügung zu stellen. Einzahler und Geldgeber sei nicht die Projektgesellschaft XXX mbH gewesen, sondern zu deren Gunsten Herr XXX persönlich.

21

Soweit im Betreff seines Schreibens vom 21.08.2008 die Klägerin genannt sei, beruhe dies darauf, dass irgendein Name habe angegeben werden müssen. Entsprechendes gelte für die Kontobezeichnung „XXX/ XXX“. Tatsächlich sei die Klägerin ledig denkbare Begünstigte einer Vielzahl von möglichen Zahlungsadressaten gewesen. Allein aus den Bezeichnungen ergebe sich noch kein bestimmter Verwendungszweck.

22

Mit Schreiben vom 26.10.2009 (Bl. 44 d.A.) habe ihn die Projektgesellschaft XXX mbH aufgefordert, einen Teilbetrag vom 6.500,00 € an die Rechtsanwalte XXX auszuzahlen, wovon er die Klägerin mit Schreiben vom 28.10.2009 (Bl. 45 d.A.) in Kenntnis gesetzt habe. Darauf habe sich die Klägerin nicht gerührt. Durch Schreiben 27.11.2009 (Bl. 46 d.A.) habe er dann die Weisung des Herrn XXX erhalten, das Anderkonto aufzulösen, wobei ein Teilbetrag von 7.881,28 € an die Fa. Elektro XXX und der verbliebene Rest an Herrn XXX ausgekehrt worden sei. Darüber habe er die Klägerin – unstreitig – mit dem besagten Schreiben vom 30.11.2009 informiert.

23

Von dem Forderungsvergleich mit der Klägerin habe er erst durch vorprozessuales Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.12.2009 Kenntnis erhalten, so dass dieser gar nicht Gegenstand des Treuhandauftrages gewesen sein könne. Darauf habe er bereits durch vorprozessuales Schreiben vom 23.08.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 41f d.A.), hingewiesen.

24

Er bestreitet, dass sich die Beteiligten überhaupt darauf geeinigt hätten, dass die Zahlung auf sein Anderkonto habe erfolgen sollen, da ursprünglich eine Bestätigung der Förde Sparkasse hätte vorgelegt werden sollen. Im Übrigen stamme der Forderungsvergleich vom 18./24.08.2009, sei als erst geschlossen worden, als das Anderkonto schon eingerichtet gewesen sei.

25

Der Beklagte bestreitet ferner die vollständige und mangelfreie Ausführung der Arbeiten. Schließlich sei das sog. Abnahmeprotokoll – unstreitig – nur seitens der Klägerin unterzeichnet worden. Die nunmehr vorgelegte Abnahmeerklärung des Insolvenzverwalters sei ohne Belang, weil der Treuhandauftrag vorsehe, dass Herr XXX höchstpersönlich die Abnahme erkläre. Über das eingezahlte Kapital habe er nach Maßgabe näherer Weisungen des Herrn XXX verfügen sollen, sofern und sobald dieser ihm, dem Beklagten, bestätige, dass alle Arbeiten fertiggestellt und alle Pläne und Unterlagen geliefert worden seien sowie seitens der Bauherrn und der Bauleitung eine Abnahme der Arbeiten erfolgt sei, was er bestreite.

26

Aus dem im Verlauf des Rechtsstreits vorgelegte Abnahmeprotokoll der Bauherrn (Bl. 99 d.A.) ergebe sich, dass die Arbeiten der Klägerin gerade nicht vollständig mangelfrei gewesen seien und die Abnahme nur unter Vorbehalt erfolgt sei. Im Übrigen betreffe dieses nur den Hotelkomplex. Das Bauvorhaben habe jedoch aus dem Hotelkomplex sowie - unstreitig - aus zwei Mehrfamilienhäusern mit insgesamt zehn Eigentumswohnungen bestanden. Auch deren Abnahme sei nachzuweisen, was bislang nicht geschehen sei.

27

Der Beklagte ist der Ansicht, es habe sich um einen einseitigen Treuhandauftrag des Herrn XXX gehandelt, den dieser jederzeit habe widerrufen können und den die Klägerin gar nicht einbezogen gewesen sei.

28

Auch sei es zu der Auszahlung an den Zeugen XXX erst gekommen, nachdem dieser erklärt habe, die Klägerin habe die Arbeiten nicht fertiggestellt und es seien Mängel vorhanden. Sie kümmere sich überhaupt nicht mehr um das Bauvorhaben.

29

Rein vorsorglich und hilfsweise mache er geltend, dass sich die Klägerin ein Mitverschulden anrechnen lassen müsse, weil sie weder gegen die Zahlung der 6.500,00 € noch gegen die weitere Zahlung und die Auflösung des Anderkontos unverzüglich Bedenken erhoben habe, die er ggf. hätte klären und berücksichtigen können.

30

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2012 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.03.3012 ein Schreiben des Insolvenzverwalters der Fa. Projektgesellschaft XXX mbH vom 20.03.2012 vorgelegt, in dem der Insolvenzverwalter bestätigt hat, dass durch die Klägerin alle Arbeiten am Bauvorhaben Hotel XXX fertiggestellt wurden, alle Unterlagen und Pläne übergeben wurden und die Maßnahme sowohl durch den Bauherren als auch die Bauleitung abgenommen worden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das genannte Schreiben Bezug genommen (Bl. 163 f d.A.).

31

Die Beklagte hat der Verwertung dieses Schreibens widersprochen.

32

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

33

Die Klage ist, abgesehen von einem Teil der Zinsforderung und den vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten, begründet.

34

Der Klägerin steht gegen den Beklagten im Wege des Schadensersatzes ein Zahlungsanspruch gemäß § 19 Abs. 1 BNotO in Höhe von 65.000,00 € Zug um Zug gegen Abtretung der aus dem Tenor ersichtlichen Ansprüche aus dem gegen die Projektgesellschaft XXX mbH erwirkten Versäumnisurteil des Landgerichts Kiel vom 16.04.2010 (11 O 47/10) zu.

35

Nach § 19 Abs. 1 BNotO hat der Notar, der vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem anderen gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, diesem den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

36

Diese Voraussetzungen liegen vor.

37

Der Beklagte war nicht berechtigt, die auf dem von ihm eingerichteten Notaranderkonto hinterlegten 65.000,00 € auszuzahlen, ohne zuvor die Klägerin zumindest zu beteiligen und ihr im Rahmen der Beschwerde gegen einen zur Abwendung eventueller Regressansprüche - zwingend - zu erteilenden Vorbescheid Gelegenheit zu geben, eine gerichtliche Entscheidung nach § 15 Abs. 2 BNotO einzuholen, die seinerzeit - so die Auffassung der Kammer - jedenfalls zu der Anweisung geführt hätte, den hinterlegten Betrag bis zu einer ggf. gerichtlich herbeizuführenden Entscheidung zwischen den Parteien des Forderungsvergleichs auf dem Anderkonto zu belassen, ggf. unter dem Hinweis, den Bauherrn den Streit zu verkünden.

38

Dazu im Einzelnen:

39

Zwar ist dem Beklagten beizupflichten, dass es sich in vorliegenden Fall um einen einseitigen Verwahrauftrag gehandelt hat, selbst wenn man ausgehend vom Vorbringen der Klägerin unterstellte, dass der Beklagte von dem zwischen der XXX Projektgesellschaft mbH und der Klägerin geschlossenen Forderungsvergleich Kenntnis hatte.

40

Der aufgrund des Schreibens vom 25.08.2009 erteilte Treuhandauftrag ist ausschließlich durch die Projektgesellschaft XXX mbH und nicht zugleich namens und in Vollmacht der Klägerin erteilt worden. Allein auf dessen Wortlaut ist angesichts des Schriftformerfordernisses der Verwahranweisung nach § 54 a Abs. 4 BeurkG abzustellen, weshalb es auf außerhalb der schriftlichen Verwahranweisung liegende Umstände grundsätzlich nicht ankommt und derartige Umstände auch nicht zur Auslegung herangezogen werden können (vgl. BGH NJW 2000, 1644).

41

Jedoch hat ein Notar gemäß § 54 c Abs. 1 BeurkG einen schriftlichen Widerruf einer (einseitigen) Anweisung nur dann zu beachten, wenn er dadurch Dritten gegenüber bestehende Amtspflichten nicht verletzt. Das war hier indes der Fall.

42

Zunächst ergibt sich aus den oben stehenden Ausführungen, dass entgegen dem Vorbringen des Beklagten Treuhandgeber keineswegs Herr XXX persönlich gewesen ist. Das wäre mit dem schriftlichen Treuhandauftrag nicht in Einklang zu bringen, denn das Schreiben vom 25.08.2009 ist unter dem Briefkopf der Projektgesellschaft XXX mbH verfasst worden und enthält zudem die Anderkontobezeichnung „XXX/ XXX“. Es enthält ferner Anweisungen, unter welchen Voraussetzungen „die Auszahlung an die Fa. XXX“ erfolgen soll. Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts des Treuhandauftrages kommt es auf den Inhalt des zuvor zwischen Herrn XXX und dem Beklagten geführten Telefonats nicht an.

43

Unter welchen Umständen berechtigte Sicherungsinteressen anderer bestehen, deren Beachtung sich zu einer Amtspflicht des Notars verdichtet hat, ist in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur weitgehend ungeklärt und letztlich immer im Einzelfall zu prüfen.

44

Soweit ersichtlich, ist eine eingehende Auseinandersetzung zu dieser Frage erstmals in einer jüngeren Entscheidung des Kammergerichts (DNotZ 2011, 758ff) erfolgt. Daran orientiert sich die Kammer.

45

Zunächst ist in Übereinstimmung mit dem Kammergericht festzustellen, dass den Beklagten der Klägerin gegenüber Hinweis- oder Warnpflichten nicht getroffen haben, weil Dritte zwar in den Schutzbereich des Geschäfts einbezogen sein können, jedoch mangels rechtsgeschäftlicher Beziehungen zwischen den Parteien die Klägerin nicht Adressatin eventueller Hinweis- und Warnpflichten sein konnte.

46

Allerdings ist jeder Notar im Sinne einer allgemeinen Pflicht, „dem Unrecht zu wehren“ generell gehalten, seine Amtstätigkeit zu versagen, wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke zu Lasten eines Dritten verfolgt werden.

47

Ausgangspunkt dieser Beurteilung ist zunächst § 54 a Abs. 2 Ziffer 1 BeurkG, wonach ein Notar Geld nur in Verwahrung nehmen darf, wenn hierfür ein berechtigtes Sicherungsinteresse der am Verwahrgeschäft beteiligten Personen besteht. Daher ist es erforderlich, zunächst den Sicherungszweck der Verwahranordnung näher zu beleuchten.

48

Aus dem Treuhandauftrag ergibt sich, dass die Klägerin seitens der Projektgesellschaft XXX mbH mit Arbeiten an dem Bauvorhaben Hotel XXX beauftragt war. Der hinterlegte Betrag diente mithin ersichtlich der Erfüllung des Werklohnanspruchs der Klägerin. Allerdings wird die Vergütung nach § 641 Abs. 1 BGB in der Regel erst fällig, wenn das Werk abgenommen ist. Wäre das im vorliegenden Fall so gewesen, würde es an einem Sicherungszweck fehlen. Denn die Projektgesellschaft XXX mbH war nach den obigen Ausführungen aufgrund des einseitigen Treuhandauftrages alleinige Beteiligte, so dass ausschließlich in Bezug auf ihre Person ein berechtigtes Sicherungsinteresse vorliegen musste. Daran fehlt es indes, wenn noch gar kein Zahlungsanspruch bestand.

49

Andererseits handelte es sich ersichtlich um ein größeres Bauvorhaben, bei dem zu erwarten war, dass bereits vor der Abnahme entweder nach § 632 a Abs. 1 BGB oder bei entsprechender Einbeziehung nach § 16 Nr. 5 VOB/B Abschlagszahlungen fällig werden würden.

50

Davon ausgehend konnte der Verwahrungsauftrag nur dann ein berechtigtes Sicherungsinteresse beinhalten, wenn die Projektgesellschaft XXX mbH den Geldbetrag auf das Anderkonto des Beklagten gezahlt hat, weil sie einerseits von der Zahlung fälliger Abschlagszahlungen an die Klägerin befreit werden, anderseits aber insofern in Vorleistung treten sollte, als sie noch vor vollständiger Fertigstellung der Arbeiten und Abnahme des Werks den gesamten (Rest-)Werklohn auf das Anderkonto gezahlt hat.

51

Legt man dies zugrunde, so war für den Beklagten erkennbar, dass die Hinterlegung zugleich einem berechtigten Sicherungsinteresse der Klägerin diente, auch wenn sie selbst an dem Treuhandauftrag nicht beteiligt war.

52

Davon ausgehend durfte der Beklagte nicht ohne weiteres aufgrund der Angaben des Herrn XXX, die Klägerin habe die Arbeiten nicht fertiggestellt und kümmere sich nicht mehr um das Bauvorhaben, den hinterlegten Betrag auszahlen. Vielmehr wäre er gehalten gewesen, zumindest einen Vorbescheid zu erteilen und bis zur Entscheidung über eine Beschwerde der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 BNotO den hinterlegten Betrag nicht auszuzahlen. Wäre dies geschehen, so hätte die Klägerin, davon ist die Kammer aufgrund des gesamten Verlaufs überzeugt, Beschwerde gegen den Vorbescheid eingelegt.

53

Einer solchen Beschwerde wäre auch insoweit stattzugeben gewesen, als der Beklagte angewiesen worden wäre, den hinterlegten Betrag solange auf dem Anderkonto zu verwahren, bis ggf. im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Beteiligten des Forderungsvergleichs eine gerichtliche Entscheidung darüber ergangen wäre, wem der hinterlegte Betrag letztlich zusteht.

54

Davon ausgehend hätten nunmehr die Voraussetzungen für die Auszahlung des auf dem Anderkonto verbliebenen Betrages entsprechend den Vorgaben des Treuhandauftrages vorgelegen, so dass der Klägerin durch die unberechtigte Auszahlung des Betrages ein Schaden in Höhe von 65.000,00 € entstanden ist.

55

Der Insolvenzverwalter der Projektgesellschaft XXX mbH hat mit Schreiben vom 20.03.2012 ausdrücklich erklärt, dass durch die Klägerin alle Arbeiten am Bauvorhaben Hotel XXX fertiggestellt und alle Unterlagen und Pläne übergeben wurden und die Maßnahme sowohl durch den Bauherren als auch durch die Bauleitung abgenommen worden ist. Diese Erklärung, die ausweislich des Schreibens des Insolvenzverwalters auch als Bestätigung gegenüber dem Beklagten dient, entspricht exakt den Vorgaben des Treuhandauftrages gemäß dem Schreiben der Projektgesellschaft XXX mbH vom 25.08.2009, aufgrund derer der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den hinterlegten Betrag an die Klägerin auszukehren.

56

Soweit der Beklagte meint, eine entsprechende Bestätigung hätte nicht nur für den Hotelkomplex, sondern auch für die auf dem Gelände errichteten zwei Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 10 Eigentumswohnungen erteilt werden müssen, ist dem nicht beizupflichten; denn ausweislich des Treuhandauftrages sollte sich die Bestätigung nur auf die Arbeiten am Bauvorhaben Hotel XXX beziehen.

57

Schließlich kann auch der Ansicht des Beklagten, die Bestätigung könne nicht durch den Insolvenzverwalter erteilt werden, sondern es müsse eine Bestätigung des Herrn XXX beigebracht werden müssen, nicht gefolgt werden.

58

Wie sich aus den oben stehenden Ausführungen ergibt, ist der Treuhandauftrag nicht durch den ehemaligen Gesellschafter und Geschäftsführer der Projektgesellschaft XXX mbH, Herrn XXX, erteilt worden, sondern von der GmbH. Seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist gemäß § 80 Abs. 1 InsO ausschließlich der Insolvenzverwalter für die Gesellschaft verfügungsbefugt, so dass die entsprechende Erklärung durch ihn abzugeben war.

59

Der Verwertung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2012 durch den Kläger nachgereichten Schreibens des Insolvenzverwalters vom 20.03.2012 steht auch nicht der Widerspruch des Beklagten entgegen. Die Klägerin ist mit diesen Vorbringen nicht gemäß § 296 ZPO präkludiert, weil es sich bei dem Schreiben um eine neue Tatsache handelt, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetreten ist, so dass die Kammer berechtigt war, gemäß § 156 ZPO erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten und nunmehr mit Zustimmung der Parteien unter Berücksichtigung des genannten Schreibens im schriftlichen Verfahren zu entscheiden.

60

Der Klägerin steht gegen den Beklagten danach ein Schadenersatzanspruch in Höhe des hinterlegten Betrages von 65.000,00 € zu.

61

An der Entstehung des Schadens trifft die Klägerin entgegen der Ansicht des Beklagten kein Mitverschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB. Ein Mitverschulden der Klägerin käme, wenn überhaupt, nur in Betracht, wenn die Klägerin es schuldhaft unterlassen hätte, bereits der Auszahlung des Betrages von 6.500,00 € an die Rechtsanwälte XXX unter Hinweis auf den geschlossenen Forderungsvergleich zu widersprechen. Zwar behauptet der Beklagte unter Vorlage seines Schreibens vom 28.10.2009, die Klägerin über die erfolgte Auszahlung unterrichtet zu haben. Jedoch bestreitet die Klägerin, dieses Schreiben erhalten zu haben. Vielmehr habe sie erstmals aufgrund des Schreibens des Beklagten vom 30.11.2009 davon erfahren zu haben, dass der hinterlegte Betrag inzwischen aufgrund der Anweisung des Herrn XXX vollständig ausgekehrt worden war. Dies erscheint angesichts des offenkundigen Sicherungsinteresses der Klägerin auch plausibel. Zumindest ist Gegenteiliges von dem Beklagten auch nicht bewiesen und insoweit auch keinerlei Beweis angetreten worden.

62

Allerdings ist die Klägerin, wie inzwischen in ihrem Antrag berücksichtigt, verpflichtet, dem Beklagten ihre Rechte aus dem von ihr gegen die Projetgesellschaft XXX mbH erwirkten Versäumnisurteil des Landgerichts Kiel vom 16.04.2010 abzutreten. Davon ausgenommen sind indes antragsgemäß die insoweit angefallenen vorgerichtliche Kosten des Vorprozesses von 1.479,90 € zuzüglich Zinsen. Ferner nicht zu berücksichtigen sind die Zinsen auf die Hauptforderung, soweit sie den Zinssatz von 5 % übersteigen und den Zeitraum betreffen, ab dem der Klägerin in dem vorliegenden Rechtsstreit Zinsforderungen gegen den Beklagten geltend macht.

63

Der Zinsanspruch auf die Schadensersatzforderung gegen den Beklagten ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin erst mit Zugang des Schreibens des Insolvenzverwalters vom 20.03.2012 an den Prozessbevollmächtigen des Beklagten, den die Kammer auf den 23.03.2012 annimmt, fällig geworden ist, weil erst mit der Bestätigung des Insolvenzverwalters die Voraussetzungen für die Auskehrung des hinterlegten Betrages eingetreten wären. Wegen der weitergehenden Zinsforderung war die Klage demgemäß abzuweisen.

64

Ebenfalls abzuweisen war die Klage hinsichtlich geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Vorprozesses. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Pflichtverletzung des Notars kausal für den Anfall dieser Kosten gewesen ist.

65

Die Einschaltung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Geltendmachung des Anspruchs gegen die Projektgesellschaft XXX mbH wäre mutmaßlich auch dann erforderlich geworden, wenn sich der hinterlegte Betrag noch auf dem Anderkonto des Beklagten befunden hätte. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Vorprozesses wären nämlich nur dann nicht angefallen, wenn die Projektgesellschaft XXX auf entsprechendes Verlangen der Klägerin der Auskehrung des hinterlegten Betrages zugestimmt hätte. Davon kann nicht ohne weiteres ausgegangen werden, wenn man berücksichtigt, dass seitens der Projektgesellschaft XXX mbH auf das Zahlungsverlangen in keiner Weise reagiert worden ist. Insofern sprich einiges dafür, dass die Klägerin ihre Prozessbevollmächtigte auch hätte einschalten müssen, um die Projektgesellschaft XXX mbH aufzufordern, der Auskehrung des bei dem Beklagten hinterlegten Betrages zuzustimmen. Zumindest fehlt es an einer entsprechenden gegenteiligen Darlegung seitens der Klägerin.

66

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.


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