Schlussurteil vom Landgericht Köln - 91 O 67/06
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 2.380.054,72 zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, aus einem Betrag in Höhe von 840.020,71 seit dem 20.01.2004 sowie aus einem Betrag in Höhe von 905.771,92 seit dem 20.01.2005 sowie aus einem Betrag in Höhe von 774.005,71 seit dem 20.01.2006.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Leistung von Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T A T B E S T A N D :
2Die Klägerin unterhält und betreibt ein bundesweites Entsorgungssystem im Sinne des § 6 Abs. 3 der Verordnung über die Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung VerpackV) vom 21.08.1998 (BGBl. I S. 2379, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 30. Dezember 2005 (BGBl. I 2006, S. 2)). Durch Beteiligung an diesem System haben Hersteller und Vertreiber von Verpackungen die Möglichkeit, sich von ihren Rücknahme- und Verwertungspflichten nach § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV zu befreien. Die Beteiligung am System der Klägerin erfolgt durch den Abschluss eines formularmäßig verwendeten Zeichennutzungsvertrages. Darin räumt die Klägerin ihren Vertragspartnern das Recht ein, näher bezeichnete Verkaufsverpackungen gegen Bezahlung eines Entgelts mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" zu kennzeichnen. Die Klägerin lässt derart markierte Verkaufsverpackungen durch Entsorgungsunternehmen erfassen, sortieren und verwerten.
3Die Beklagte ursprünglich die G GmbH & Co. KG, nunmehr nach Umwandlung die G GmbH ist Herstellerin von Feinkostprodukten, die sie in geschlossenen Verpackungen über den Handel an Endverbraucher vertreibt. Sie schloss sich dem System der Klägerin mit einem am 2./29. November 1994 geschlossenen Zeichennutzungsvertrag (ZNV) ab.
4Dieser Vertrag enthält u.a. die folgenden Klauseln:
5Zeichennutzungsvertrag für das Zeichen "Der Grüne Punkt"
6zur Freistellung der Zeichennehmerin von den Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung
7[ ]
8§ 1 Zeichennutzungsgestattung
9(1) Die Zeichennehmerin erhält nach Maßgabe dieses Vertrages das entgeltliche Recht, das in Anlage 1 zu diesem Vertrag abgebildete Zeichen "Der Grüne Punkt" zur Kennzeichnung der von ihr gesondert anzumeldenden Verkaufsverpackungen zu nutzen.
10(2) [ ]
11§ 2 Befreiung von den Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung
12Auf der Grundlage der Verpackungsverordnung vom 12.06.1991 sichert das Duale System zu, die flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen so zu betreiben, dass für die in das System einbezogenen Verkaufsverpackungen der sich beteiligenden Hersteller und Vertreiber die Rücknahme und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen.
13§ 4 Lizenzentgelt
14(1) Die Zeichennehmerin entrichtet für alle von ihr im Rahmen dieses Vertrages mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Verpackungen an das Duale System ein Lizenzentgelt. Ausnahmen hiervon bedürfen einer schriftlichen, gesonderten Vereinbarung.
15(2) [ ]
16§ 5 Umfang der Zahlungsverpflichtung
17(1) Berechnet werden alle mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von der Zeichennehmerin vertriebenen Verpackungen. [ .]
18(2) Die Zahlung des Lizenzentgeltes erfolgt monatlich, quartalsweise oder jährlich nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen
19a) Liegt das im vergangenen Abrechnungsjahr gezahlte oder im laufenden Abrechnungsjahr zu erwartende Lizenzentgelt über DM 120.000,00, hat die Zeichennehmerin monatlich bis spätestens 14 Arbeitstage nach Ablauf des Abrechnungsmonats die mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" abgesetzten Verpackungen dem dualen System mittels dem dafür vorgesehen Formular zu melden (Monats-Istzahl-Meldung) und ihm gegenüber abzurechnen. Meldung und Abrechung haben erstmals in dem auf die Markteinführung folgenden Monat zu erfolgen.
20[ ]
21(4) Das von der Zeichennehmerin zu leistende Lizenzentgelt ist jeweils zu den in Abs. (2) genannten Zeitpunkten fällig. Für den Fall der Überschreitung des Fälligkeitstermins sowie in allen Fällen des Zahlungsverzugs zahlt die Zeichennehmerin Zinsen in Höhe von 3 % p.a. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank. [ ]
22§ 7 Informations- und Prüfungspflichten der Zeichennehmerin
23(1) Die Zeichennehmerin ist verpflichtet, dem Dualen System Alle für die Durchführung dieses Vertrages erforderlichen Informationen unverzüglich zu erteilen.
24[ ]
25(3) Nach Ablauf des Geschäftsjahres der Zeichennehmerin hat diese die Pflicht, gegenüber dem Dualen System die Richtigkeit der in der Jahresabschlussmeldung gemachten Angaben innerhalb von sechs Monaten auf ihre Kosten durch einen Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer oder Steuerberater auf der Grundlage der vom Dualen System herausgegebenen Richtlinien und unter Verwendung der vom Dualen System verwendeten Formulare oder vom Dualen System zugelassenen Datenträgern zu bescheinigen.
26Die Beklagte rechnete in den Jahren 2003, 2004 und 2005 die von ihr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen und mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" gekennzeichneten Verkaufsverpackungen in der Weise ab, dass sie die angefallenen Verpackungsmengen einer Kürzung in Höhe von 10,278 % unterzog. Diesem Prozentsatz entsprachen Lizenzentgelte deren Anfall zwischen den Parteien dem Grunde nach streitig ist in Höhe von 840.020,71 (2003), 905.771,92 (2004) sowie 774.005,71 (2005), insgesamt also 2.519.798,34.
27Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte sei auch hinsichtlich der bisher nicht abgerechneten Verpackungsmengen zur Zahlung des vertraglich vereinbarten Lizenzentgelts verpflichtet.
28Im Hinblick auf den Abrechnungszeitraum 2005 veranschlagte die Klägerin gestützt auf die Monatsmitteilungen nach § 5 (2) lit. a) des ZNV zunächst nur einen Fehlbetrag von 748.060,06 und hat dementsprechend beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von insgesamt 2.493.852,69 zu verurteilen. Nach Übermittlung des Prüfungsberichts gem. § 7 Abs. 3 des ZNV für das Jahr 2005 hat sie auf Grundlage der darin enthaltenen Zahlen ihre Klage um einen Betrag in Höhe von 25.945,65 auf 2.519.798,34 erweitert.
29Die Beklagte hat die von ihr berechnete Kürzungsquote um 0,57% auf 9,708% reduziert und den darauf entfallenden Teilbetrag der Klageforderung in Höhe von 139.743,62 anerkannt. Daraufhin ist sie mit Teilanerkenntnisurteil vom 13.12.2006 dazu verurteilt worden, den genannten Betrag an die Klägerin zu zahlen.
30Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
31die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 2.380.054,71 zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz, aus einem Betrag in Höhe von 840.020,71 seit dem 20.01.2004 sowie aus einem Betrag in Höhe von 905.771,92 seit dem 20.01.2005 sowie aus einem Betrag in Höhe von 774.005,71 seit dem 20.01.2006.
32Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie ist der Ansicht, sie sei in Höhe des gekürzten Prozentsatzes nicht zur Zahlung eines Lizenzentgelts verpflichtet. Der mit der Klägerin geschlossene Vertrag erfasse solche Verpackungen nicht, die wegen Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums oder Bruchs nicht an den Endverbraucher gelangt, im Handel gestohlen oder vom Verbraucher nicht restentleert worden seien. Dazu behauptet die Beklagte, die erste Fallgruppe betreffe 0,99% ihres Produktsortiments, die zweite Fallgruppe 0,70%, die dritte 7,862% (richtig: 8,108 %).
35Hilfsweise vertritt die Beklagte die Ansicht, der Zeichennutzungsvertrag sei wegen Verstößen gegen kartellrechtliche Bestimmungen unwirksam.
36Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.
37E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
38Die Klage hat Erfolg. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus dem mit der Beklagten geschlossenen Zeichennutzungsvertrag in der vollen Höhe zu.
39I. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Zeichennutzungsvertrag. In diesen sind auch die Verpackungsmengen einbezogen, für die die Beklagte die Zahlung des Lizenzentgelts bisher verweigert hat.
401. Bei den streitgegenständlichen Verpackungen handelt es sich um solche, die von der Beklagten mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" gekennzeichnet und auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertrieben worden sind. Sie unterfallen damit dem Wortlaut nach der vertraglichen Vergütungspflicht. Die Verpflichtung zur Zahlung des Lizenzentgelts wird in den §§ 4 und 5 des Zeichennutzungsvertrages geregelt. § 4 Abs. 1 S. 1 des ZNV sieht vor, dass die Beklagte für alle von ihr "im Rahmen dieses Vertrages mit dem Zeichen Der Grüne Punkt? auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vertriebenen Verpackungen" ein Lizenzentgelt entrichtet. Satz 2 der Klausel erlaubt Abweichungen davon nur auf Grundlage einer gesonderten schriftlichen Vereinbarung. Damit übereinstimmend konkretisiert § 5 Abs. 1 S. 1 ZNV die Berechnungsgrundlage für das Lizenzentgelt dahin, dass "alle mit dem Zeichen Der Grüne Punkt? auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von der Zeichennehmerin vertriebenen Verpackungen" in die Berechnung des Lizenzentgelts einbezogen werden.
41Zusatzvereinbarungen i.S. des § 4 Abs. 1 S. 2 ZNV, die es der Beklagten erlauben würden, die streitgegenständlichen Verpackungen in Abzug zu bringen, existieren zwischen den Parteien nicht. Die Klägerin gesteht allerdings zu, dass sie ihren Zeichennehmern allgemein den Abzug solcher Verpackungsmengen gestattet, die wegen des Ablaufs des Mindesthaltbarkeitsdatums oder Beschädigungen im Handel nachweislich aussortiert und nicht mehr an den Endverbraucher abgegeben werden. Zu dieser Fallgruppe gehören die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen jedoch nicht. Zwar beruft sich die Beklagte hinsichtlich einer Kürzungsquote von 0,99% gerade auf den Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums und Bruch. Doch geht es hierbei nicht um nachweislich aus dem Verkehr gezogene Verpackungsmengen. Vielmehr möchte die Beklagte eine pauschale Kürzung der abzurechnenden Verpackungsmenge auf der Grundlage einer studentischen Unternehmensberatung durchgeführten Umfrage vornehmen.
422. Es besteht auch kein Anlass zu einer den Wortlaut einschränkenden Auslegung des Vertrages, die zur Folge hätte, dass die streitgegenständlichen Verpackungen aus der Vergütungspflicht herauszuhalten wären.
43a. Dies gilt auch dann, wenn für die Auslegung dem Gesichtspunkt Rechnung getragen wird, dass der Zeichennutzungsvertrag vor dem Hintergrund der Verpackungsordnung geschlossen worden ist und daraus seinen Sinn bezieht. Dieser Zusammenhang gelangt bereits durch den Zusatz zur Vertragsüberschrift zum Ausdruck und wird durch § 2 des Vertrages bestätigt. Danach sichert die Klägerin zu, die "flächendeckende Sammlung, Sortierung und Verwertung gebrauchter Verkaufsverpackungen so zu betreiben, dass für die in das System einbezogenen Verkaufsverpackungen der sich beteiligenden Hersteller und Vertreiber die Rücknahme- und Verwertungspflichten aus der Verpackungsverordnung entfallen."
44aa. Die damit angesprochenen Pflichten, die Hersteller und Vertreiber im Hinblick auf Verkaufsverpackungen treffen, ergeben sich aus § 6 VerpackV. Nach § 6 Abs. 1 VerpackV muss der Vertreiber vom Endverbraucher gebrauchte, restentleerte Verkaufsverpackungen grundsätzlich am Ort der Übergabe oder in dessen unmittelbarer Nähe unentgeltlich zurücknehmen. Zudem treffen ihn von Anhang I zu § 6 näher spezifizierte Verwertungspflichten. Grundsätzlich ist Vertreiber, wer Verpackungen in den Verkehr bringt, gleichgültig auf welcher Handelsstufe dies geschieht (§ 3 Abs. 9 VerpackV). Abweichend davon bezieht sich § 6 Abs. 1 VerpackV nur auf den Letztvertreiber (Flanderka, VerpackV, 2. Aufl. 2006, S. 81). Endverbraucher ist, wer die Waren in der an ihn gelieferten Form nicht mehr weiterveräußert (§ 3 Abs. 10 VerpackV). "Restentleert" sind Verpackungen, deren Inhalt bestimmungsgemäß ausgeschöpft worden ist (§ 3 Abs. 12 VerpackV). § 6 Abs. 2 VerpackV erweitert die Pflichten nach Abs. 1 auf Vorvertreiber und Hersteller. § 6 Abs. 3 VerpackV enthält einen Befreiungstatbestand. Die Pflichten nach den vorangehenden Absätzen entfallen für solche Verpackungen, für die sich ein Hersteller oder Vertreiber an einem Entsorgungssystem beteiligt, das den näheren Anforderungen des Abs. 3 entspricht.
45bb. Soweit die Beklagte die Ansicht vertritt, aus diesem Pflichtenprogramm folge, dass für solche Verpackungen, wie sie den streitgegenständlichen Fallgruppen entsprechen, im jeweiligen Einzelfall Rücknahmepflichten nach § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV nicht bestehen, mögen dafür gute Gründe sprechen. Doch kann die Frage letztlich offen bleiben. Denn der Umstand, dass nach der Verpackungsverordnung für bestimmte Verpackungen Rücknahme- und Verwertungspflichten im Einzelfall nicht bestehen, trägt für sich genommen nicht den Schluss, dass für diese auch keine Lizenzentgelte nach dem Zeichennutzungsvertrag geschuldet sein sollen. Denn für das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien gewinnen auch Gesichtspunkte Bedeutung, die den Nachweis der in Anspruch genommenen Leistung oder Aspekte der Risikotragung betreffen und die in der Verpackungsverordnung selbst keine Entsprechung haben. Insoweit ist für die einzelnen Fallgruppen zu differenzieren:
46(1) Für die Fallgruppe der gestohlenen Verpackungen ist schon deswegen keine vom Wortlaut der §§ 4, 5 des Zeichennutzungsvertrages abweichende Auslegung angezeigt, weil auch für gestohlene Verpackungen die Möglichkeit besteht, dass diese über das von der Klägerin zur Verfügung gestellte System entsorgt werden und damit bei dieser in Kosten verursachender Weise anfallen. Ebensowenig wie ein Letztvertreiber, der die aus § 6 Abs. 1 VerpackV resultierenden Pflichten selbst erfüllt, ist auch die Klägerin aus praktischen Gründen dazu in der Lage, entleerte gestohlene von nicht gestohlenen Verpackungen zu unterscheiden und ihre Rücknahme zu verweigern. Mit einer einschränkenden Auslegung der §§ 4, 5 ZNV würde man der Klägerin also unterstellen, die Entsorgung gestohlener Verpackungen vergütungsfrei mitübernehmen zu wollen. Ein solches Auslegungsergebnis ist aber durch die §§ 133, 157 BGB ersichtlich nicht gedeckt. Erst Recht ist damit ein Vorgehen nicht vereinbar, welches es der Beklagten erlauben würde, aufgrund eigener Schätzungen oder der Studien Dritter Abzüge von der Menge der von ihr auf dem Gebiet der Bundesrepublik mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" vertriebenen Verpackungen selbst vorzunehmen.
47(2) Anders als bei gestohlenen Verpackungen besteht bei Verpackungen, die wegen des Ablaufs des Verfallsdatums oder Bruchs aus dem Handel genommen werden, nach dem eigenen Vortrag der Klägerin in der Regel nicht die Gefahr, dass die betreffenden Verpackungen in das Entsorgungssystem der Klägerin gelangen. Auch insoweit besteht jedoch kein Anlass zu einer Vertragsauslegung, nach der die Vergütungspflicht der Beklagten entfiele. Denn die Klägerin räumt ihren Zeichennehmern bereits die Möglichkeit ein, eine Kürzung der zu vergütenden Verpackungsmenge auf der Grundlage eines individuellen Nachweises vorzunehmen. Eine darüber hinaus gehende Einschränkung der Vergütungspflicht lässt sich dem Vertrag aber auch unter Einbeziehung der Verpackungsverordnung keinesfalls entnehmen. Es kann bei der nach §§ 133, 157 BGB geboten Auslegung anhand des verobjektivierten Empfängerhorizonts insbesondere nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin habe sich auf pauschale Kürzungen der zu vergütenden Verpackungsmenge einlassen wollen. Sie hat vielmehr ein für die Beklagte erkennbares berechtigtes Interesse daran, Verpackungsmengen, für die sich Rücknahmepflichten realisieren können, möglichst lückenlos zu erfassen.
48(3) Hinsichtlich der Abzüge wegen mangelnder Restentleerung ist zunächst eine Klarstellung in tatsächlicher Hinsicht angezeigt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagte tatsächlich eine Kürzungsquote von 10,278% in Anschlag gebracht hat, die sich nach dem erfolgten Teilanerkenntnis auf 9,708% reduziert. Insoweit macht die Beklagte geltend, dieser Wert setze sich aus den Einzelquoten von 0,99% (Bruch etc.), 0,70% (Diebstahl) sowie 7.862% (mangelnde Restentleerung) zusammen. Dies ergibt in der Summe jedoch nur eine Quote von 9,522%. Die Differenz bis zu der Quote, die tatsächlich in Abzug gebracht wurde, ist aber lediglich Resultat eines Rechenfehlers, der der Beklagten bei der Berechnung der Quote für die Fallgruppe der nicht restentleerten Verpackungen unterläuft. Bezogen auf die Gruppe der Molkereiprodukte, die 96% der von ihr abgesetzten Waren ausmachen, geht die Beklagte von 8,19% nicht restentleerten Verpackungen aus, hinsichtlich der Warengruppe der Konserven, die 4% der abgesetzten Waren ausmachen, von einer Quote von 3,91%. Hieraus bildet die Beklagte eine auf den Gesamtabsatz bezogene Gesamtquote nicht restentleerter Verpackungen in Höhe von 7,862%. Rechnerisch zutreffend ist eine Quote von 8,018%. Von diesem Prozentsatz geht auch der für die Beklagte erstellte Prüfungsbericht aus (Anlage K 2).
49Im Übrigen ergibt sich auch für die Fallgruppe der nicht restentleerten Verpackungen kein Anlass für eine einschränkende Auslegung.
50Zwischen den Parteien besteht zunächst Einigkeit darüber, dass die Vergütungspflicht nicht allein durch die von der Klägerin eingeräumte Möglichkeit ausgelöst wird, das Zeichen "Der Grüne Punkt" zu nutzen, ebenso wie es nicht darauf ankommen soll, ob für eine konkrete Verpackung tatsächlich eine Entsorgungsdienstleistung erbracht wird. Die Leistungspflicht der Klägerin besteht vielmehr darin, für die nach dem Vertrag lizenzentgeltpflichtige Verpackungsmenge ein Erfassungs- und Verwertungssystem bereitzuhalten, das den gesetzlichen Anforderungen von § 6 Abs. 3 VerpackV genügt und damit dazu führt, dass die Beklagte hinsichtlich der erfassten Verpackungen von ihren verpackungsrechtlichen Pflichten aus § 6 Abs. 1, 2 VerpackV frei wird. Insoweit begegnet es aber keinen Bedenken, wenn die Vergütungsvereinbarung alle Verpackungen einbezieht, die die Beklagte mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" versieht und auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland an Endverbraucher vertreibt. Denn unzweifelhaft besteht im Hinblick auf jede dieser Verpackungen die Möglichkeit, dass sich die Rücknahmeverpflichtung nach § 6 VerpackV verwirklicht. Für jede dieser Verpackungen besteht demgemäß auch die Möglichkeit, dass sie dem Entsorgungssystem der Klägerin zugeführt wird. Genau diese Entsorgungsoption wird auch jedem Endverbraucher durch das auf der Verpackung aufgebrachte Zeichen "Der Grüne Punkt" signalisiert. Damit erbringt die Klägerin durch die Bereithaltung des Entsorgungssystems für jede dieser Verpackungen also auch die von ihr geschuldete Gegenleistung.
51Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass Vertreiber und Hersteller nach § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV und in Entsprechung dazu auch die Betreiber von Befreiungssystemen von § 6 Abs. 3 VerpackV nur die Pflicht trifft, vom Endverbraucher restentleerte Verpackungen zurückzunehmen Ob sich hinsichtlich der von der Beklagten an den Endverbraucher vertriebenen Verpackungen die Pflichten aus § 6 im Einzelfall verwirklichen, hängt von verschiedenen tatsächlichen Umständen ab. Dazu gehört, dass der Verbraucher die Verpackung vor Rückgabe bestimmungsgemäß ausgeschöpft haben, d.h. restentleert haben muss. Ob dies im Hinblick auf eine einzelne Verpackung tatsächlich geschieht, ist nach der von den Parteien getroffenen Abrede gerade unerheblich, ebenso wie es nicht darauf ankommt, ob eine Verpackung tatsächlich in das Entsorgungssystem der Klägerin gelangt.
52Im Übrigen wäre die Annahme einer Vergütungsvereinbarung, bei der es nicht auf die tatsächliche Erfassung, wohl aber auf die Restentleerung einer Verpackung ankommen soll, auch wenig plausibel. Sie hätte zur Folge, dass eine rechtssichere Erfassung der zu vergütenden Verpackungsmenge von vornherein ausschiede. Zudem würden damit kaum nachvollziehbare Ungleichbehandlungen einhergehen. Konsequenz wäre etwa, dass eine nicht ausgeschöpfte Verpackung, die im Restmüll entsorgt wird, vergütungsfrei bliebe, während eine auf dem gleichen Weg entsorgte restentleerte Verpackung vergütet werden müsste. Mit welchem Grund zwischen beiden Varianten unterschieden werden soll, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht als entscheidend, dass § 6 Abs. 1 VerpackV die Rücknahmepflichten ausdrücklich auf restentleerte Verpackungen beschränkt. Denn auch für restentleerte, aber anderweitig entsorgte und in der Folge etwa verbrannte Verpackungen, kann § 6 VerpackV eine Rücknahmeverpflichtung sinnvoller Weise nicht mehr entnommen werden, ohne dass es dazu einer ausdrücklichen Regelung bedürfte.
53Schließlich sprechen auch die Regelungssystematik der Verpackungsverordnung und die dazu verfügbaren Gesetzgebungsmaterialien gegen die Vorstellung, die Beklagte könne pauschal einen Abzug von der von ihr an den Endverbraucher vertriebenen Verpackungsmenge unter Berufung auf die mangelnde Restentleerung vornehmen. Für das abfallrechtliche Pflichtenprogramm des Vertreibers ist jede dieser Verpackungen relevant, auch wenn sie im Einzelfall nicht restentleert oder zwar restentleert, aber nicht in das Entsorgungssystem der Klägerin eingebracht wird. Denn der Gesetzgeber rechnet auch diese Verpackungen in die Referenzmenge mit ein, auf die sich die Verwertungsquoten beziehen, die dem Vertreiber auferlegt werden.
54Dementsprechend führt die Gesetzesbegründung zu § 6 VerpackV aus (BT-Drucks. 13/10943, S. 26):
55"Die in den Absätzen 1 und 2 geregelten Verwertungspflichten für Hersteller und Vertreiber, die sich an einem System nach § 6 Abs. 3 beteiligen können, konkretisieren sich hinsichtlich der von diesen in Verkehr gebrachten Verpackungsmengen durch die im Anhang geregelten Verwertungsquoten." (Hervorhebung hinzugefügt).
56In Übereinstimmung dazu bestimmt Nr. 1 Abs. 1 S. 1 Anhang I (zu § 6 VerpackV):
57"Zur Rücknahme von Verpackungen gemäß § 6 Abs. 1 und 2 verpflichtete Hersteller und Vertreiber haben hinsichtlich der von ihnen im Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Verpackungen die in den Absätzen 2 bis 5 enthaltenen Anforderungen an die Verwertung zu erfüllen." (Hervorhebung hinzugefügt).
58Nr. 2 Anhang I zu § 6 VerpackV führt das Verfahren näher aus und bestimmt, dass die nach § 6 Abs. 1 und 2 zur Rücknahme von Verpackungen Verpflichteten "die bis zum 1. Mai eines Jahres die im vorangegangenen Kalenderjahr in Verkehr gebrachten sowie zurückgenommenen und verwerteten Verkaufsverpackungen in nachprüfbarer Weise zu dokumentieren" haben. (Hervorhebung hinzugefügt). Herstellern und Vertreibern wird zudem die Pflicht auferlegt, durch die Einrichtung geeigneter Erfassungs- und Verwertungsstrukturen die Einhaltung der auferlegten Pflichten sicherzustellen.
59Dieser Regelungsansatz zielt darauf ab, eine erhöhte Rücknahmeeffizienz zu bewirken und zugleich Wettbewerbsgleichheit zwischen den Beteiligten an einem System nach § 6 Abs. 3 und Selbstentsorgern zu schaffen. Hersteller und Vertreiber, die sich nicht an einem System nach § 6 Abs. 3 beteiligen, sollen sich nicht mehr durch reine Untätigkeit ihrer Produktverantwortung mit dem Argument entziehen können, die Endverbraucher hätten von ihrem Rückgaberecht keinen Gebrauch gemacht (BT-Drucks. 13/10943, S. 26). Dies war nach der Vorgängerverordnung vom 12.06.1991 (Bundesgesetzbl. I, S. 1234) noch der Fall (s. dazu Henselder-Ludwig, Verpackungsverordnung 1998, S. 60). Als Sanktion für die Nichterreichung der Entsorgungsquoten ist "daher auch für die betroffenen Hersteller und Vertreiber die Erfüllung ihrer Pflichten durch endverbrauchernahe Systeme", d.h. die Beteiligung an einem System nach § 6 Abs. 3 VerpackV vorgesehen (BT-Drucks. 13/10943, S. 26; § 6 Abs. 1 S. 9 VerpackV).
60Den Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Verwertungsquoten bildet nach dem angeführten Auszug aus der Gesetzesbegründung ebenso wie nach Anhang I zu § 6 VerpackV die Menge der durch Hersteller oder Vertreiber in den Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen. Gegen die Maßgeblichkeit dieser Referenzgröße lässt sich auch nicht einwenden, dass in Anhang I Nr. 1 Abs. 1 zu § 6 VerpackV von den Quoten die Rede ist, die die zur Rücknahme von Verpackungen gemäß § 6 Abs. 1 und 2 verpflichteten Hersteller und Vertreiber zu erfüllen haben. Darin liegt nicht etwa eine versteckte Rückverweisung auf den in § 6 Abs. 1, 2 VerpackV enthaltenen Ausschluss der Rücknahmepflicht für nicht restentleerte Verpackungen. Hersteller und Vertreiber können unter Berufung darauf also keinen Abschlag von den in Verkehr gebrachten Verpackungen vornehmen. Denn die Bezugnahme auf § 6 VerpackV ändert nichts daran, dass die den nach § 6 Abs. 1 und 2 zur Rücknahme verpflichteten Herstellern und Vertreibern auferlegten Verwertungspflichten ausdrücklich anhand der objektiv durch sie in Verkehr gebrachten Menge an Verkaufsverpackungen konkretisiert werden.
61Auch von den bereits angeführten Stellen abgesehen enthält die Gesetzesbegründung trotz ausführlicher Behandlung der Regelung über die Verwertungsquoten an keiner Stelle einen Hinweis auf ein einschränkendes Verständnis. Vielmehr heißt es auch in der Erläuterung zu Anhang I: "Für Selbstentsorger gelten die angeführten Quoten in Bezug auf die von ihnen im Kalenderjahr in Verkehr gebrachten Verpackungen" (BT-Drucks. 13/10943, S. 29). Weitere Ausführungen widmen sich den technischen Möglichkeiten der automatisierten Erfassung der in Verkehr gebrachten Verpackungsmenge und der Basis, auf der das Sachverständigengutachten über die Erfüllung der Verwertungsanforderungen zu erstellen ist (BT-Drucks. 13/10943, S. 30), ebenfalls ohne eine Einschränkungsmöglichkeit zu benennen.
62Dieses Verständnis stimmt auch mit den übergreifenden Regelungszielen der Verordnung überein, die ebenfalls einen objektiven Bezugspunkt für die insgesamt zu erfüllenden Verwertungsquoten vorgeben, der nicht vom Rückgabeverhalten der Endverbraucher abhängt. Denn auch die Zielbestimmung des § 1 Abs. 3 VerpackV, die eine bis zum 31 Dezember 2008 zu erreichende Verwertungsquote von 65 Masseprozent vorsieht, bindet diese Quote an den objektiv zu ermittelnden Bezugspunkt der gesamten Verpackungsabfälle. Nur dieser Ansatz stimmt zudem mit der Richtlinie 94/64/EG vom 20.12.1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle überein, deren Umsetzung die Verpackungsordnung dient und die ebenfalls objektiv verbindliche Verwertungsquoten für einzelne Verpackungsmaterialien enthält.
63Bestimmen sich die Verwertungspflichten für Hersteller und Vertreiber demgemäß im Verhältnis zu den von ihnen in Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen, spricht dies aber dafür, dass auch bei der Abwälzung der verpackungsrechtlichen Pflichten auf einen Systembetreiber nach § 6 Abs. 3 VerpackV die gesamte in den Verkehr gebrachte und grundsätzlich rücknahmepflichtige Menge in dessen Befreiungssystem eingebracht werden muss. Denn für die Betreiber von Befreiungssystemen bildet diese Menge, mit der sich Hersteller und Vertreiber an ihrem System beteiligen, die Bezugsgröße für die gemäß Nr. 1 Anhang I VerpackV zu erfüllenden Verwertungsquoten. Könnte die Beklagte im Rahmen der Pflichtenüberwälzung auf ein Befreiungssystem den von ihr ins Auge gefassten Abzug in Anschlag bringen, würde sich allein aufgrund der Übertragung die absolute Zahl der verwertungspflichtigen Verkaufsverpackungen reduzieren. Das ist nicht plausibel und stimmt mit den Zielen der Verpackungsverordnung nicht überein. Es würde auch gerade nicht der Intention des Verordnungsgebers entsprechen, Selbstentsorger und an Befreiungssystemen nach § 6 Abs. 3 beteiligte Unternehmen gleich zu behandeln, um zwischen ihnen Wettbewerbsgleichheit herzustellen.
64In diesem Zusammenhang ist außerdem darauf hinzuweisen, dass Nr. 3 Abs. 1 S. 2 Anhang I zu § 6 VerpackV Betreiber von Befreiungssystemen nach § 6 Abs. 3 VerpackV dazu verpflichtet, Entsorgungskapazitäten für alle am System beteiligten Verpackungen vorzuhalten. Die durch den Bundesrat eingefügte Vorschrift soll sicherstellen, dass ein duales System die Erfassung nicht danach ausrichtet, dass die geforderten Verwertungsquoten gerade noch erreicht werden (Henselder-Ludwig, a.a.O., S. 86). Auch die dadurch entstehenden Vorhaltungskosten rechtfertigen eine vertragliche Regelung, die auch solche Verpackungen in die Entgeltvereinbarung einbezieht, für die der Verbraucher von seinem Rückgaberecht keinen Gebrauch macht.
65b. Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich auch aus den von ihr angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Europäischen Kommission nichts anderes ableiten. Beide betreffen eine andere Konstellation. Jeweils geht es um Zahlungspflichten für Verpackungen, die der Teilnahme am Befreiungssystem der Klägerin von vornherein entzogen sind.
66aa. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2001 (I ZR 163/98, GRUR 2001, 1156) ging es um die Frage, ob ein Unternehmen, das auf Verkaufsverpackungen den "Grünen Punkt" anbringt, ohne mit der Betreiberin des Entsorgungssystems einen Zeichennutzungsvertrag geschlossen zu haben, nach § 812 BGB einem Bereicherungsanspruch auf Wertersatz für die rechtsgrundlose Inanspruchnahme des Entsorgungssystems ausgesetzt ist. Der Bundesgerichtshof hat dies verneint, soweit es sich um Verkaufsverpackungen handelte, die an Handwerksbetriebe mit mehr als zehn Vollzeitbeschäftigten geliefert worden waren. Die Klägerin hatte aufgrund von Bedenken, die das Bundeskartellamt gegenüber ihrer Ankündigung erhoben hatte, ihr Erfassungssystem auf großgewerbliche und industrielle Endverbraucher zu erweitern, die an derartige Betriebe gelieferten Verkaufsverpackungen von der Beteiligung an ihrem Entsorgungssystem ausgeschlossen. Damit stand für die davon betroffenen Verkaufsverpackungen das Entsorgungssystem der Klägerin von vornherein nicht zur Verfügung.
67Der Bundesgerichtshof hat dazu in seiner Urteilsbegründung ausgeführt, dass durch die Benutzung des Zeichens "Der Grüne Punkt" auf den Verkaufsverpackungen nicht nur die bloße Markenbenutzung als solche erlangt werde, sondern auch und vor allem die Teilnahme an dem Entsorgungssystem der Klägerin mit der Folge, dass der Teilnehmer von seinen verpackungsrechtlichen Pflichten nach § 6 Abs. 1 und 2 VerpackV entlastet werde (BGH, a.a.O., S. 1157). Dementsprechend war der Bundesgerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte durch das Anbringen des "Grünen Punkts" auf Verpackungen von Waren, die an Handwerksbetriebe mit mehr als zehn Vollzeitbeschäftigten geliefert worden waren, keine Leistungen des Entsorgungssystems der Kl. in Anspruch genommen und daher insoweit auch nichts auf deren Kosten erlangt hatte (a.a.O.).
68Will man diese Ausführungen zum Bereicherungsrecht auf die hier zu beurteilende Vertragsproblematik übertragen, bedeutet dies lediglich, dass die Klägerin kein Lizenzentgelt für solche Verkaufsverpackungen verlangen kann, die an Anfallstellen geliefert werden, auf die sich ihr Erfassungssystem von vornherein nicht erstreckt. Diesem Vorwurf ist die Klägerin aber nicht ausgesetzt. Vielmehr existiert zwischen der Klägerin und Beklagten eine Zusatzvereinbarung zum Zeichennutzungsvertrag, die für diesen Fall ein "Lizenzentgeltsplitting" vorsieht. Danach ist es der Beklagten erlaubt, Abzüge für Verkaufsverpackungen vorzunehmen, die an gewerbliche Abnehmer außerhalb des Entsorgungsbereichs der Klägerin geliefert werden.
69Eine Einschränkung der Entgeltzahlungspflicht für Verkaufsverpackungen, die an Anfallstellen vertrieben werden, die in den Entsorgungsbereich des Systems der Klägerin einbezogen sind, lässt sich aus dem Urteil dagegen nicht ableiten.
70bb. Auch aus der Entscheidung der Kommission vom 20.04.2001 (ABl. EG L 166, S. 1) kann die Beklagte nichts für sich herleiten. In diesem Verfahren nach Art. 82 EG war die Kommission zu der Entscheidung gelangt, dass die durch den formularmäßigen Zeichennutzungsvertrag der Klägerin getroffene Lizenzentgeltvereinbarung in bestimmter Hinsicht mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist. Mit dieser Entscheidung, wurde der Klägerin die folgende Verpflichtung aufgegeben:
71"DSD muss sich gegenüber allen Vertragspartnern des Zeichennutzungsvertrages verpflichten, für mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" in Deutschland in den Verkehr gebrachte Teilmengen von Verkaufsverpackungen, für die die Befreiungsdienstleistung nach § 2 des Zeichennutzungsvertrages nicht in Anspruch genommen wird und für die die Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung nachweislich anderweitig erfüllt werden, kein Lizenzentgelt zu erheben. Die Verpflichtung gemäß Absatz 1 ersetzt eine Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 1 S. 2 des Zeichennutzungsvertrages." (ABl. EG L 166, S. 23 f.)
72Die Klägerin hat gegen die Entscheidung Klage vor dem Europäischen Gericht erster Instanz (EuG) erhoben. Dem Rechtsmittel kommt jedoch keine aufschiebende Wirkung zu (Art. 242 EG). Der zudem eingereichte Antrag auf Aussetzung des Vollzugs wurde mit Entscheidung vom 15.11.2001 zurückgewiesen (EuG, Rs. T-151/01 R). Die Entscheidung wird nunmehr durch den Abschluss von Zusatzvereinbarungen zum ZNV umgesetzt, die die Klägerin in Absprache mit der Kommission entwickelt hat (Flanderka/Sieberger, WiVerw 2004, S. 205, 213).
73Die Kommission hat in ihrer Entscheidung zunächst festgestellt, dass die Klägerin eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt der Organisation der Rücknahme und Verwertung gebrauchter Verkaufverpackungen beim privaten Endverbraucher in Deutschland einnimmt (a.a.O., Tz. 65 - 97). Vor diesem Hintergrund hat die Kommission die Vertragsgestaltung der Klägerin als missbräuchlich beurteilt. Dabei stützt sie sich in tatsächlicher Hinsicht auf die Feststellung, dass die Klägerin das nach dem ZNV geschuldete Entgelt nicht an die Inanspruchnahme der Dienstleistung der Befreiung von der Rücknahme- und Verwertungspflicht nach § 2 ZNV, sondern ausschließlich an die Nutzung des Zeichens "Der Grüne Punkt" auf der Verkaufsverpackung knüpfe, sowie auf die Feststellung, dass die Klägerin ihre Vertragspartner verpflichte, das Zeichen auf jeder angemeldeten, den Inlandsverbrauch betreffenden Verpackung anzubringen, sofern die Antragstellerin nicht eine in ihrem freien Ermessen liegende Befreiung erteilt habe (a.a.O., Tz. 100).
74Diese Vertragsgestaltung hat zur Konsequenz, dass ein Unternehmen, welches die Dienstleistung der Klägerin nur für eine Teilmenge der in den Verkehr gebrachten Verkaufsverpackungen in Anspruch nehmen möchte, um den verbleibenden Teil entweder dem Betreiber eines weiteren Befreiungssystems i.S.v. § 6 Abs. 3 VerpackV oder aber einer Selbstentsorgungslösung (ggfs. unter Beteiligung Dritter nach § 11 VerpackV) zuzuführen, auf erhebliche praktische und finanzielle Schwierigkeiten stößt. Bei Kennzeichnung aller Verpackungen mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" wäre das Unternehmen gegenüber der Klägerin für jede der Verpackungen zur Zahlung des Vertragsentgelts verpflichtet, obwohl es nur für eine Teilmenge die Befreiungsdienstleistung der Klägerin in Anspruch nimmt. Für die verbleibende Menge müsste es zusätzlich die durch das Konkurrenzsystem erbrachte Dienstleistung vergüten. Auch die Alternative, dieselbe Verpackungslinie unterschiedlich zu kennzeichnen, führt zu einer erhöhten Kostenlast. Hinzu tritt die praktische Schwierigkeit, die unterschiedlich gekennzeichneten Verpackungen in die jeweils beauftragten Entsorgungssysteme zu leiten. Damit zwingt die Bindung des nach dem ZNV geschuldeten Entgelts an den die Menge der mit dem Zeichen "Der Grüne Punkt" gekennzeichneten Verpackungen die verpflichteten Unternehmen, die Wettbewerber zumindest für Teilmengen beauftragen wollen, entweder zu Doppelzahlungen, oder zur wenig ökonomischen Einrichtung getrennter Verpackungs- und Distributionslinien (a.a.O., Tz. 100 - 108).
75Den derart gekennzeichneten Missbrauch ordnet die Kommission hinsichtlich seiner Wirkungen den Fallgruppen des Ausbeutungs- und des Behinderungsmissbrauchs zu (a.a.O., Tz. 110 - 116). Der Behinderungsmissbrauch ergibt sich daraus, dass die Entgeltregelung im Zeichennutzungsvertrag für die verpflichteten Unternehmen die Teilnahme an einem konkurrierenden Befreiungssystem oder einer konkurrierenden Selbstentsorgungslösung wirtschaftlich uninteressant werden lässt (a.a.O., Tz. 115). Den Ausbeutungsmissbrauch sieht die Kommission in den Varianten der Erzwingung unangemessener Preise wie auch unangemessener Geschäftsbedingungen für den Fall verwirklicht, dass Zeichennutzung und die tatsächliche Inanspruchnahme der Befreiungsdienstleistung auseinander fallen (a.a.O., Tz. 111). Auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt hat die Beklagte hier für die Begründung ihrer Rechtsansicht besonderen Wert gelegt.
76Die Entscheidung ist aber nicht auf den hier zur Beurteilung anstehenden Fall übertragbar. Der durch die Kommission beurteilte Sachverhalt unterscheidet sich von dem, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, unter wesentlichen Gesichtspunkten. Insbesondere geht es der Beklagten vorliegend gar nicht darum, eine Teilmenge der von ihr an Endverbraucher vertriebenen Verpackungen bei der Klägerin abzumelden, um sie einem Konkurrenzsystem zuzuführen. Vielmehr möchte sie die von ihr in Verkehr gebrachte Verpackungsmenge generell um einen bestimmten Prozentsatz kürzen, ohne für die davon betroffene Verpackungsmenge zugleich eine Selbstentsorgungslösung zur Verfügung zu stellen oder einen Wettbewerber der Klägerin zu beauftragen. Über eine solche Konstellation hatte die Kommission aber nicht zu entscheiden. Dies zeigt sich schon daran, dass die Verpflichtung zur Freistellung von der Entgeltzahlungspflicht nach den §§ 4, 5 ZNV im verfügenden Teil der Kommissionsentscheidung durchgehend von der Bedingung abhängig gemacht wird, dass für die Teilmenge, für die die Befreiungsdienstleistung der Klägerin nicht in Anspruch genommen wird, der Nachweis einer Beteiligung an konkurrierenden Befreiungssystemen oder Selbstentsorgungslösungen erfolgt (Art. 1 6, a.a.O., S. 23 f.). Es liegt auch kein vergleichbarer Fall in der Form vor, dass die Beklagte ohne die Kürzung ebenfalls zur Bezahlung einer nicht beanspruchten Befreiungsdienstleistung verpflichtet würde, so dass sie ebenfalls einem Ausbeutungsmissbrauch unterläge. Es wurde bereits dargelegt, dass die Beklagte auch hinsichtlich des gekürzten Betrages die Dienstleistung der Klägerin in Anspruch nimmt (s.o. I.2.a.(3)).
773. Auch das hilfsweise vorgetragene Argument der Beklagten, wegen Unmöglichkeit der Leistungspflicht nach § 275 BGB entfalle auch die Pflicht zur Zahlung der Gegenleistung gem. § 326 Abs. 1 BGB, trifft aus den geschilderten Gründen nicht. Die Klägerin ist lediglich dazu verpflichtet, für alle durch den Vertrag erfassten Verpackungen, von denen jede die Rücknahme- und Verwertungspflichten nach § 6 VerpackV auslösen kann, das von ihr betriebene Entsorgungssystem in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht ersichtlich, dass die so verstandene Leistungspflicht der Klägerin unmöglich geworden wäre.
78II. Der Zeichennutzungsvertrag ist auch nicht nach § 134 BGB i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 4 Nr. 2, 20 Abs. 1 GWB nichtig. Die insoweit von der Beklagten für den Fall geäußerten Bedenken, dass die streitgegenständlichen Verpackungen der vertraglichen Vergütungspflicht des ZNV unterliegen, greifen im Ergebnis nicht durch. Dabei kann die Frage, ob der Klägerin eine marktbeherrschende Stellung zukommt, im Ergebnis offen bleiben. Denn in der Vertragsgestaltung der Klägerin liegt weder ein Missbrauch nach § 19, noch eine Diskriminierung nach § 20 GWB.
791. Ein Fall des Ausbeutungsmissbrauchs i.S. von § 19 Abs. 1, 4 Nr. 2 GWB ist nicht gegeben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin Entgelte oder Geschäftsbedingungen durchsetzt, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ergeben würden. Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch unter Heranziehung der Kommissionsentscheidung vom 20.04.2001 (ABl. EG L 166, S. 1) nicht. In dieser Entscheidung ging es lediglich um die Kartellrechtswidrigkeit der Vergütungspflicht für solche Verpackungsmengen, die Unternehmen einer Selbstentsorgungslösung oder einem anderen Befreiungssystem zuführen wollen. Nur auf diese Konstellation bezieht sich auch die Aussage der Kommission, dass die Klägerin bei einem Auseinanderfallen von Zeichennutzung und tatsächlicher Inanspruchnahme der Befreiungsdienstleistung unangemessene Preise und Geschäftsbedingungen erzwingt (s.o., I.2.b.bb). Auf die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen lässt sich diese Argumentation nicht übertragen. Für die Verpackungsmenge, die nach dem Vortrag der Beklagten gewöhnlich nicht restentleert entsorgt wird, folgt dies bereits daraus, dass auch für diese Verpackungen die Befreiungsdienstleistung der Klägerin in Anspruch genommen wird (s.o. I.2.a.bb.(3)). Die Einbeziehung von Verpackungen, die auf der Handelsstufe abhanden kommen, kann sich schon deswegen nicht als missbräuchlich darstellen, weil damit gerechnet werden muss, dass auch diese Verpackungen im Entsorgungssystem der Klägerin tatsächlich anfallen (s.o. I.2.a.bb.(1)). Schließlich liegt auch in dem Umstand kein Missbrauch, dass die Klägerin für den Abzug von Verpackungen, die wegen Bruchs oder Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums aus dem Handel zurückgenommen werden, einen individuellen Nachweis fordert und sich nicht auf Schätzungen der Beklagten einlassen möchte. Sie hat an der zuverlässigen Erfassung der an den Endverbraucher vertriebenen Verpackungsmenge ein berechtigtes Interesse (s.o. I.2.a.bb.(2)).
802. Das Verhalten der Klägerin verstößt schließlich auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB. Zwar wird von der Klägerin nicht bestritten, dass sie mit einem anderen Unternehmen eine Vereinbarung über ein Lizenzentgeltsplitting getroffen hat, die es diesem erlaubt, das Lizenzentgelt um 25% zu kürzen, soweit es um Verpackungen von Produkten geht, die dem Arzneimittel oder Medizinproduktegesetz unterliegen. Es ist jedoch bereits zweifelhaft, ob es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen handelt, welches mit diesem anderen Unternehmen gleichartig ist. Unternehmen sind im maßgeblichen Geschäftsverkehr gleichartig, wenn sie dort eine im Wesentlichen gleiche unternehmerische Tätigkeit und wirtschaftliche Funktion ausüben (Immenga/Mestmäcker, § 20 GWB Rn. 99). Dies trifft auf die Beklagte als Herstellerin von Feinkostprodukten und das andere Unternehmen, das offensichtlich Hersteller
81oder Vertreiber von Medizinprodukten und Arzneimitteln ist aus der von der Beklagten als Anlage B8 vorgelegten Vereinbarung geht dies nicht unmittelbar hervor , auch bei der gebotenen verhältnismäßig groben Sichtung nicht zu. Letztlich kann auch dies aber offenbleiben, weil für die beanstandete Ungleichbehandlung jedenfalls ein sachlicher Grund existiert. Im Gegensatz zu den Produkten, die die Beklagte vertreibt, besteht für Verpackungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten ein alternatives Entsorgungssystem über Arztpraxen und Apotheken, welches von den Endverbrauchern auch genutzt wird (s. dazu auch Henselder-Ludwig, a.a.O., S. 103). Insoweit beruht die Ungleichbehandlung also weder auf Willkür noch auf wirtschaftsfremden unternehmerischen Entscheidungen. Weitergehende Anforderungen sind § 20 GWB nicht zu entnehmen. Insbesondere enthält die Vorschrift keine allgemeine Meistbegünstigungsklausel, die das marktbeherrschende Unternehmen generell dazu zwingen würde, allen die gleichen günstigen Preise einzuräumen (BGH v. 19.3.1996, "Pay-TV-Durchleitung", WuW/E BGH 3058, 3064 f.).
82III. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zinsen in der geltend gemachten Höhe aus § 5 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 des Zeichennutzungsvertrages zu.
83IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
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