Urteil vom Landgericht Köln - 36 O 95/19
Tenor
Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger 119.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des Fahrzeugs Porsche 911 T Coupé, Fahrgestellnummer #####.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) seit dem 01.11.2018 mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages über das vorbezeichnete Fahrzeug sowie mit dessen Rücknahme in Annahmeverzug befindet.
Die Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an den Kläger 578,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 547,50 € seit dem 01.11.2018 und aus weiteren 30,50 € seit dem 23.05.2019 zu zahlen.
Die Beklagte zu 1) wird weiter verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.480,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser selbst zu 50 % und die Beklagte zu 1) zu weiteren 50 %. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt der Kläger. Im übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger begehrt von den Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages vom 31.08.2017 (Bl. 32 f. GA), mit welchem er einen Pkw Porsche 911 T Coupé, Baujahr 1973, zum Preis von 119.500,00 € erwarb.
3Der Kläger war auf das Fahrzeug aufmerksam geworden, weil es in einem von ihm bezogenen Newsletter der Beklagten zu 1) als zum Verkauf stehend beschrieben war. In dieser Beschreibung (Bl. 25 GA) machte die Beklagte zu 1) über den Pkw unter anderem folgende Angaben:
4"von 1973 bis 2016 im Erstbesitz",
5"wurde in 'Farbe nach Wahl' Tiefdunkelbraun bestellt",
6"befindet sich in außergewöhnlich gut erhaltenem Originalzustand",
7"Dieses unrestaurierte Exemplar...",
8"Matching numbers",
9"sofort startklar".
10Der Kläger besichtigte das Fahrzeug gemeinsam mit seiner Ehefrau und entschloss sich sodann zum Kauf. Unter dem 31.08.2017 wurde sodann ein Kaufvertrag betreffend den Erwerb des Fahrzeugs zum Preis von 119.500,00 € geschlossen (Bl. 32 f. GA). Als Vertragsparteien sind im Rubrum des Vertrages die Beklagte zu 1) mit dem Zusatz "Verkäuferin in Agentur" und der Kläger mit dem Zusatz "Käufer" genannt. Der Vertrag enthält unter anderem folgende Inhalte:
11"1. Der Verkäufer in Agentur verkauft... das nachfolgend bezeichnete gebrauchte Fahrzeug:
12Farbe: Sonderfarbe (color to sample) (...)
132. (...) Zahlung erbeten auf das Konto der D GmbH (...)
143. Das Fahrzeug wird im Kundenauftrag des Herrn Dr. N (...) unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung verkauft.
154. Das Fahrzeug ist uneingeschränktes Eigentum des Herrn Dr. N (...) Bei Zahlungsverzug kann der Eigentümer / Verkäufer in Agentur vom Kaufvertrag zurücktreten. (...)"
16Der Vertrag wurde unterzeichnet von dem Kläger mit dem Zusatz "Käufer" und von dem Geschäftsführer der Beklagten zu 1) mit dem Zusatz "Verkäufer in Agentur". Das Fahrzeug war im Zeitpunkt des Kaufs und der Übergabe auf den Beklagten zu 2) als Halter angemeldet.
17Der streitgegenständliche Pkw war im Zeitpunkt seiner ersten Auslieferung mit einer von der Herstellerin Porsche ab Werk aufgebrachten Lackierung in Sonderfarbe versehen; insoweit wird ergänzend Bezug genommen auf die Ablichtung des ersten Kaufvertrages über das Fahrzeug vom 21.04.1972, Bl. 85 GA ("paint to sample"). Im Jahr 1982 wurde allerdings diese ursprüngliche Originallackierung abgetragen und das Fahrzeug vollständig neu lackiert, und zwar in einer Farbe, die es so ähnlich auch bei Porsche unter der Bezeichnung "Mocha Brown" gab. Für die Neulackierung wurde jedoch nicht ein Original-Porsche-Lack verwendet, sondern ein in einer örtlichen Autolackiererei am Wohnort des ersten Eigentümers angemischter Lack in möglichst ähnlichem Farbton ("The paint now on the car was mixed by a local auto-body paint supplier, and was supposed to match the Porsche color", Bl. 37 GA).
18Nach Abholung des Fahrzeugs und Zahlung des Kaufpreises rügte der Kläger Sachmängel des Fahrzeugs - unter anderem das Fehlen der Eigenschaft "color to sample". Nach erfolgloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung erklärte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 16.10.2018 gegenüber beiden Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag sowie dessen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und forderte unter Fristsetzung auf den 31.10.2018 zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf.
19Der Kläger trägt vor, dass der streitgegenständliche Pkw mehrere Sachmängel aufweise und nicht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspreche. Vor allem fehle die ausdrücklich vereinbarte Eigenschaft "color to sample". Darüber hinaus sei das Fahrzeug auch nicht von 1973 bis 2016 in Erstbesitz gewesen, weil der Ersterwerber es bereits im Jahr 2013 veräußert habe. Der Pkw sei auch nicht "sofort startklar" gewesen, weil es schon auf der Rückfahrt des Klägers zu seinem Wohnort in Österreich zu Motorproblemen und unerklärlichen Leistungseinbußen gekommen sei, zudem seien die Seitenschweller durchgerostet/deformiert. Das Fahrzeug sei auch nicht in "außergewöhnlich gut erhaltenem Originalzustand", sondern entspreche bestenfalls dem Oldtimerzustand der Note 4. Schließlich fehle es auch an der für einen Oldtimer werterhöhenden Eigenschaft der "matching numbers".
20Der Kläger beantragt,
211.,
22die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 119.500,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe des Fahrzeugs Porsche 911 T Coupé, Fahrgestellnummer #####,
232.,
24festzustellen, dass sich die Beklagten seit dem 01. November 2018 mit der Rückabwicklung des Kaufvertrages über das im Antrag Ziffer 1 genannte Fahrzeug sowie mit dessen Rücknahme in Annahmeverzug befinden,
253.,
26die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 578,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Teilbetrag von 547,50 € seit 01. November 2018 und aus einem weiteren Betrag von 30,50 € seit dem 23.05.2019 zu zahlen,
274.,
28die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 2.480,44 € (außergerichtliche Rechtsanwaltskosten) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 01. November 2018 zu zahlen.
29Die Beklagten beantragen,
30die Klage abzuweisen.
31Die Beklagte zu 1) meint, dass sie rechtlich nicht als Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs anzusehen sei. Sie sei auch nach dem Wortlaut des Vertrages nicht als solche in Erscheinung getreten, sondern sie sei lediglich Vermittlerin für den Beklagten zu 2) gewesen; dieser sei der Verkäufer des Fahrzeugs.
32Die Beklagte zu 1) behauptet weiter, dass zwar im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Kaufabschluss über die in ihrem Newsletter aufgeführten Merkmale des Fahrzeugs gesprochen worden sei; Zusicherungen seien durch den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) allerdings nicht erfolgt. Zudem habe es sich bei den Beschreibungen im Newsletter nur um öffentliche Äußerungen gehandelt, nicht aber um eine Beschaffenheitsvereinbarung im kaufrechtlichen Sinne.
33Es liege im übrigen auch kein Sachmangel des Fahrzeugs im Zusammenhang mit der Eigenschaft "color to sample" vor. In ihrem Newsletter habe die Beklagte zu 1) hierzu nur beschrieben, dass das Fahrzeug in Farbe nach Wahl Tiefdunkelbraun "bestellt" worden sei, was zutreffe. Im ursprünglich bestellten Zustand sei das Fahrzeug von der Herstellerin Porsche auch tatsächlich mit einer Sonderfarbe "paint to sample" ausgestattet gewesen; dass es auch im Zeitpunkt des Verkaufs an den Kläger noch diese ursprüngliche Originallackierung aufgewiesen habe, sei hingegen nie behauptet oder zugesichert worden. Im übrigen sei anhand einer abweichenden Farbe unter dem Kofferraumdeckel und im Motorraum auch erkennbar gewesen, dass eine Neulackierung vorgenommen worden war.
34Auch die gegenwärtig an dem Fahrzeug vorhandene Farbe sei eine solche nach Wahl des Käufers, also ebenfalls eine "color to sample"; ob diese Farbe nun als Achatbraun oder Tiefdunkelbraun zu bezeichnen sei, sei unerheblich, denn der Kläger habe das Fahrzeug ja in diesem Farbton erwerben wollen.
35Die weiteren von dem Kläger gerügten Sachmängel bestreitet die Beklagte zu 1).
36Der Beklagte zu 2) meint, dass er rechtlich der Verkäufer des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei; die Beklagte zu 1) sei lediglich Verkäuferin in Agentur gewesen, was dahingehend zu verstehen sei, dass sie nicht Vertragspartnerin des abgeschlossenen Kaufvertrages mit dem Kläger sei. Es habe sich um ein zulässiges Agenturgeschäft gehandelt und nicht etwa um ein Umgehungsgeschäft im Sinne von § 476 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Beklagte zu 2) meint, dass, da er als Privatperson der Verkäufer des streitgegenständlichen Pkw gewesen sei, der im Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluss greife. Im übrigen seien die beschriebenen Eigenschaften des Fahrzeugs vorhanden gewesen, einschließlich der Eigenschaft "color to sample", denn das Fahrzeug sei ja in einer Sonderfarbe lackiert. Dass es sich bei dieser Lackierung um die Originallackierung des Fahrzeugs handele, sei nie behauptet worden.
37E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
38Die Klage ist zulässig und gegen die Beklagte zu 1) auch begründet aus §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1,440, 434 Abs. 1, 323 BGB; gegen die Beklagte zu 2) ist sie unbegründet.
391. Auf den streitgegenständlichen Kaufvertrag vom 31.08.2017 ist deutsches Recht anwendbar. Insoweit erscheint es schon fraglich, ob überhaupt der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 (Rom I) gemäß deren Art. 1 eröffnet ist. Voraussetzung hierfür ist, dass ein Vertrag eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweist. Angesichts des vorliegend in Deutschland abgeschlossenen Kaufvertrages über ein von einem deutschen Verkäufer angebotenes Fahrzeug, welches im Eigentum eines deutschen Halters stand, erscheint es bereits zweifelhaft, ob die österreichische Nationalität des Klägers ausreicht, um eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten im vorgenannten Sinne zu begründen. Selbst wenn man dies jedoch annehmen wollte, ist auf den Vertrag gemäß Art. 4 Abs. 1a der Rom-I-Verordnung das deutsche Recht als das Recht des Staates, in dem der Verkäufer seinen Sitz hat, anzuwenden. Für eine anderweitige Rechtswahl der Parteien ist nichts ersichtlich und solches wird auch von keiner Partei vorgetragen.
402. Vertragsparteien des streitgegenständlichen Kaufvertrages sind der Kläger als Käufer und die Beklagte zu 1) als Verkäuferin.
41Für die Frage, wer rechtlich als Verkäufer des Fahrzeugs anzusehen ist, kommt es auf Wortlaut und Inhalt des abgeschlossenen Kaufvertrages an, der - soweit erforderlich - nach §§ 133, 157 BGB auszulegen ist. Danach ist hier die Beklagte zu 1) als Verkäuferin des Fahrzeugs anzusehen. Sie ist im Rubrum und in den Unterschriften des Vertrages als die Verkäuferin des Fahrzeugs bezeichnet und hat auch - durch ihren Geschäftsführer - den Vertrag auf Verkäuferseite unterschrieben. Ihr steht auch gemäß Ziffer 4. ein Rücktrittsrecht im Nichterfüllungsfall zu. Angesichts dieser klaren und eindeutigen Bezeichnung der Vertragsparteien im schriftlichen Kaufvertrag kommt den weiteren Einzelheiten keine entscheidende Bedeutung mehr zu (vgl. etwa auch BGH, Urteil v. 26.01.2005, Az. VIII ZR 175/04, juris Rz. 16).
42Dass in Ziffer 3. des Vertrages der Beklagte zu 2) als derzeitiger Eigentümer des Fahrzeugs aufgeführt ist, macht diesen entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht zum Vertragspartner des Klägers und lässt auch nicht den Schluss zu, dass der Kläger nur mit dem Beklagten zu 2) als dem Eigentümer des Fahrzeugs einen Kaufvertrag schließen wollte. In rechtlicher Hinsicht spricht nichts gegen den Verkauf eines Fahrzeugs, das im Eigentum eines Dritten steht, erst recht nicht, wenn dessen Eigentümerstellung im Kaufvertrag offengelegt wird und er den Verkäufer ausdrücklich zum Verkauf des Fahrzeugs ermächtigt hat. Und aus Sicht des Käufers ist vor allen anderen Auslegungsgesichtspunkten derjenige als sein Vertragspartner anzusehen, der aus der schriftlichen Vertragsurkunde als Verkäufer hervorgeht und den Vertrag als Verkäufer unterzeichnet hat. Der von der Beklagten zu 1) hierbei verwendete Zusatz "in Agentur" hat keinen eindeutigen und unmissverständlichen Inhalt dahingehend, dass die Beklagte zu 1), obwohl sie sich im Vertrag selbst als Verkäuferin des Fahrzeugs bezeichnet, rechtlich nicht als Verkäuferin verpflichtet sein wollte. Zwar mag dies von der Beklagten zu 1) subjektiv so angestrebt gewesen sein; dieser subjektive Wille der Beklagten zu 1) ist jedoch rechtlich gemäß §§ 133, 157 BGB nur insoweit maßgeblich, als er für den Kläger nach dessen Empfängerhorizont erkennbar war. Das ist vorliegend aus den erörterten Gründen zu verneinen.
43Aus den weiteren Umständen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss ergibt sich nichts anderes, sondern auch hier war es die Beklagte zu 1), die aktiv - durch Versenden eines Newsletters - auf den Kläger zugekommen ist und das streitgegenständliche Fahrzeug zum Verkauf angeboten und näher beschrieben hat. Im Newsletter (Bl. 25 f. GA) findet sich keinerlei Hinweis darauf, dass jemand anders als die Beklagte zu 1) das Fahrzeug zum Kauf anbiete.
44Dass die Beklagten übereinstimmend von einem Vertragsschluss des Klägers mit dem Beklagten zu 2) ausgehen, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Auch hier ist der Wille der Beklagten nur insoweit maßgeblich, wie er gemäß §§ 133, 157 BGB gegenüber dem Kläger zum Ausdruck gekommen ist. Wenn die Beklagte zu 1) nicht als Verkäuferin verpflichtet sein wollte, hätte nichts näher gelegen, als den Beklagten zu 2) im schriftlichen Vertrag auch als den Verkäufer zu bezeichnen - was für den Kläger unmissverständlich offengelegt hätte, dass er das Fahrzeug nicht von der Beklagten zu 1) sondern von dem Beklagten zu 2) erwarb.
453. Der Kläger ist von dem streitgegenständlichen Kaufvertrag wegen Fehlens einer vereinbarten Beschaffenheit des verkauften Oldtimer-Fahrzeugs - nämlich des wertbildenden Merkmals "color to sample" - wirksam gemäß §§ 346 Abs. 1, 437 Nr. 2 Alt. 1,440, 434 Abs. 1, 323 BGB zurückgetreten.
46Im Newsletter der Beklagten zu 1) war hierzu beschrieben, das Fahrzeug sei in "Farbe nach Wahl Tiefdunkelbraun" bestellt worden und es handele sich um ein unrestauriertes Exemplar in außergewöhnlich gut erhaltenem Originalzustand (Bl. 25 GA). Zudem handelt es sich bei dem Merkmal "Sonderfarbe (color to sample)" um den einzigen wertbildenden Faktor aus der Fahrzeugbeschreibung im Newsletter der Beklagten zu 1), der auch ausdrücklich mit in den schriftlichen Kaufvertrag übernommen, mithin nach dem auch insoweit klaren Vertragswortlaut als Beschaffenheitsmerkmal des Fahrzeugs zugesichert und vereinbart worden ist (vgl. dazu im einzelnen unten 4.).
47Diese vereinbarte Beschaffenheit "Sonderfarbe (color to sample)" weist das Fahrzeug indes nicht auf. Die Bezeichnung "paint to sample" oder "color to sample" (Lackierung / Farbe nach Muster) beschreibt eine Lackierung des Fahrzeugs in Sonderfarbe durch die Herstellerin anhand eines dieser zuvor vom Kunden zur Verfügung gestellten Farbmusters ("sample"). Die Herstellerin Porsche eröffnete ihren Kunden seinerzeit die Möglichkeit, ein Farbmuster in Form eines lackierten Metallstücks zu übersenden, anhand dessen die Herstellerin sodann den Lack für das Fahrzeug individiuell in derselben Farbe anmischte und das Fahrzeug damit versah (Bl. 28 GA).
48Unstreitig war das streitgegenständliche Oldtimer-Fahrzeug ursprünglich mit einer solchen Sonderlackierung versehen, was auch aus dem ersten, über das Fahrzeug geschlossenen Kaufvertrag hervorgeht (Bl. 85 GA). Diese Lackierung ist jedoch ebenfalls unstreitig bereits seit dem Jahr 1982 auf dem Fahrzeug nicht mehr vorhanden, sondern wurde seinerzeit vollständig abgetragen; sodann wurde das Fahrzeug neu lackiert in einer Farbe, die es zwar so ähnlich auch bei Porsche unter der Bezeichnung "Mocha Brown" gab, die aber vorliegend nicht verwendet wurde, sondern ein von einem örtlichen Autolackierbetrieb am Wohnsitz des Erstkäufers in Charleston, West Virginia, selbst angemischter Lack.
49Für die Auslegung des streitgegenständlichen Vertrages dahingehend, wie der Kläger das vereinbarte und zugesicherte Beschaffenheitsmerkmal des streitgegenständlichen Fahrzeugs "color to sample" verstehen durfte, kommt es erneut auf seinen Empfängerhorizont an (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.2006, Az. VIII ZR 92/06, zit. nach juris, Rz. 15). Danach konnte und durfte der Kläger die Angabe "color to sample" sowohl im Newsletter der Beklagten zu 1) als auch insbesondere im schriftlichen Kaufertrag, in den nur wenige zentrale kennzeichnende und wertbildende Merkmale des streitgegenständlichen Fahrzeugs aufgenommen wurden, so verstehen, dass das Fahrzeug diese vereinbarte Beschaffenheit auch im Zeitpunkt des Kaufs noch aufwies und sie nicht nur in den Jahren 1973 bis 1982 aufwies. Für einen Kaufinteressenten ist nämlich in aller Regel nicht von Interesse, welche wertsteigernden Merkmale eine Kaufsache vor annähernd 30 Jahren aufgewiesen hat, sondern welche Merkmale sie im Zeitpunkt des Kaufs aufweist. Da das Merkmal sowohl im Newsletter der Beklagten zu 1) als auch insbesondere im schriftlichen Kaufvertrag ohne jede klarstellende Einschränkung erscheint, konnte und durfte der Kläger die Angabe "color to sample" deshalb dahingehend verstehen, dass dieses Merkmal auch tatsächlich bei Vertragsschluss noch vorhanden war. Soweit sich die Beklagte zu 1) darauf beruft, dass im Newsletter nur stand, dass das Fahrzeug in Farbe nach Wahl "bestellt" worden sei, musste diese Formulierung einem Kaufinteressenten keine Veranlassung geben, anzunehmen, dass dieser Zustand tatsächlich seit fast 30 Jahren nicht mehr bestand; vielmehr durften die Adressaten des Newsletters diese Angabe dahingehend verstehen, dass diese Farbe auch jetzt noch vorhanden war, weil das Fahrzeug mit diesem Zustand im Newsletter beschrieben war und ein Käufer nicht damit rechnen muss, dass in einer Kaufanpreisung ein wertbildender Faktor eines Fahrzeugs benannt wird, der tatsächlich nicht mehr vorhanden ist; erst recht gilt dies vor dem Hintergrund, dass in der Beschreibung des Fahrzeugs zudem aufgeführt wurde, dass es sich um ein 'unrestauriertes Exemplar' 'in außergewöhnlich gut erhaltenem Originalzustand' handele.
50Dass das Merkmal "color to sample" tatsächlich nicht vorhanden war, ergibt sich aus dem als solchen unstreitigen Umstand der vollständigen Ersetzung des Originallacks des Fahrzeugs im Jahr 1982. Die von den Beklagten hiergegen angeführten Argumente - der Kläger habe das Fahrzeug in der Farbe bekommen, die er haben wollte; es sei ja tatsächlich eine Sonderlackierung vorhanden, nämlich die im Jahr 1982 von einem örtlichen Autolackierer in den USA selbst hergestellte Lackierung; das wertbildende Merkmal "paint to sample" hafte dem Fahrzeug auf ewig an, auch wenn die Lackierung tatsächlich nicht mehr vorhanden sei - gehen an der wesentlichen Bedeutung dieses Merkmals, wie sie der Kläger verstehen durfte, nämlich der bei einem Oldtimer erheblich wertsteigernden Wirkung des Vorhandenseins eines historischen Originallacks in Sonderanfertigung, vorbei.
51Dass das Vorhandensein einer ursprünglichen Originallackierung, erst recht, wenn es eine "Custom"-Lackierung war, bei einem Oldtimer einen erheblich wertbildenden Faktor darstellt, ist offenkundig im Sinne des § 291 ZPO, jedenfalls aber aus einem anderen, bei der Kammer anhängigen Verfahren gerichtsbekannt, in welchem bezüglich eines Oldtimers Baujahr 1988 zu der Frage, wieviel von der Originallackierung an dem Fahrzeug noch vorhanden war, ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde, weil schon dies einen erheblichen Wertunterschied ausmachte.
52Soweit die Beklagte zu 1) schließlich einwendet, dass anhand einer abweichenden Farbe unter dem Kofferraumdeckel und im Motorraum für den Kläger erkennbar gewesen sei, dass eine Neulackierung des Fahrzeugs vorgenommen worden war, steht eine potentielle Erkennbarkeit eines Sachmangels der Sachmängelhaftung des Verkäufers nicht entgegen. Dass der Mangel dem Kläger im Sinne des § 442 Abs. 1 S. 1 BGB bekannt gewesen sei, behauptet auch die Beklagte zu 1) nicht. Von grob fahrlässiger Unkenntnis des Mangels kann angesichts der von der Beklagten zu1) beschriebenen Farbabweichungen, die zum einen schwer zu entdecken waren, zum anderen aber auch keinen sicheren Rückschluss auf das Vorhandensein oder Fehlen der Originallackierung des Fahrzeugs zuließen, ebenfalls keine Rede sein. Jedenfalls läge insoweit ein arglistiges Verschweigen des Mangels durch die Beklagte zu 1) näher als die Annahme einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Klägers, § 442 Abs. 1 S. 2 BGB.
534. Für das Fehlen der Eigenschaft "color to sample" muss die Beklagte zu 1) auch als einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB einstehen.
54Bereits die ausdrückliche Benennung dieses Merkmals im Newsletter der Beklagten zu 1) würde für die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung ausreichen. Zum einen handelte es sich bei dem Newsletter nicht um eine öffentliche Anpreisung im Internet oder ähnliches, sondern bereits um ein gezieltes Zugehen der Beklagten zu 1) auf ihre Kunden durch Anschreiben per Newsletter. Zum anderen sind auch Beschreibungen in einer invitatio ad offerendum entgegen der Auffassung der Beklagten zu 1) nicht etwa rechtlich unverbindlich, sondern werden, falls sie nicht bis zur Abgabe der beiderseitigen Vertragserklärungen noch korrigiert werden, Vertragshinhalt des auf der Basis der invitatio abgeschlossenen Kaufvertrages.
55Letztlich kommt es hierauf jedoch nicht entscheidend an, weil sich die vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung des Merkmals "color to sample" gerade nicht nur aus der Angabe im Newsletter der Beklagten zu 1) ergibt, sondern vor allem daraus, dass dass dieses Merkmal zu den wenigen Beschaffenheitsangaben aus dem Newsletter gehört, die ausdrücklich auch in den schriftlichen Kaufvertrag aufgenommen wurden. Der daneben vereinbarte Gewährleistungssausschluss ist gegenüber der Beklagten zu 1) als gewerblicher Verkäuferin ohnehin gemäß § 476 Abs. 1 BGB unwirksam. Aber auch wenn man - anders als die Kammer - vorliegend davon ausginge, dass der Kaufvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 2) als Privatperson zustande gekommen ist, könnte dieser sich in Bezug auf die zugleich ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit "color to sample" nicht auf den - insoweit widersprüchlich - vereinbarten umfänglichen Gewährleistungsausschluss berufen, weil dieser sich nicht auf eine daneben ausdrücklich vereinbarte Beschaffenheit erstreckt (vgl. BGH, Urteil v. 29.11.2006, Az. VIII ZR 92/06, zit. nach juris, Rz. 28 ff.).
565. Nach ordnungsgemäß erklärtem Rücktritt des Klägers hat die Beklagte zu 1) ihm gemäß § 346 Abs. 1 BGB den für den Oldtimer gezahlten Kaufpreis in Höhe von 119.500,00 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs zu erstatten.
57Eine Nutzungsentschädigung für die von dem Kläger seit dem Kauf mit dem Fahrzeug zurückgelegten Kilometer ist hierbei nicht in Abzug zu bringen, weil beim vorliegenden Oldtimerkauf - anders als bei dem Kauf eines zur Alltagsnutzung vorgesehenen zeitgenössischen Fahrzeugs - sich der Unterschied in der Laufleistung zwischen 60.340 Meilen (97.108 km) bei Kauf und weiteren rund 800 km, die der Kläger mit dem Fahrzeug zurückgelegt hat, nicht wertverändernd auswirkt.
586. Die Nebenansprüche des Klägers auf Ersatz der ihm im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Vertragsschluss entstandenen Begleitschäden (frustrierte Aufwendungen 578,00 €, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten 2.480,44 €) beruhen auf §§ 437 Nr. 3, 440, 280 f. BGB.
59Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.
607. Das Vorbringen der Beklagten zu 1) im - hinsichtlich neuen Tatsachenvortrags - nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 23.12.2020 (Bl. 221 ff. GA) bietet keinen Anlass zu anderer Beurteilung der Sach- und Rechtslage oder zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
61Soweit die Beklagte zu 1) in diesem Schriftsatz nach Schluss der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen hat, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) dem Kläger in einem Telefonat vor Abschluss des Kaufvertrages mitgeteilt habe, dass er lediglich als Vermittler für den Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs auftreten wolle (Bl. 222 GA), führt dies nicht zu einer abweichenden Bewertung der Frage, wer der Vertragspartner des Klägers ist. Selbst wenn man unterstellt, dass der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) solches gegenüber dem Kläger beim ersten telefonischen Kontakt erwähnt habe, reicht dies nicht aus, damit der Kläger den Beklagten zu 2) als seinen Vertragspartner ansehen musste - jedenfalls dann nicht, wenn anschließend ein schriftlicher Kaufvertrag abgeschlossen wird, der ausdrücklich die Beklagte zu 1) als Verkäuferin ausweist.
62Darüber hinaus ist dieser neue Tatsachenvortrag der Beklagten zu 1) gemäß § 296a ZPO unbeachtlich und auch nicht mit einem der in der Zivilprozessordnung vorgesehenen Beweismittel unter Beweis gestellt. In der mündlichen Verhandlung vom 10.12.2020 hat das Gericht keine Hinweise im Sinne des § 139 Abs. 2 ZPO erteilt, sondern erörtert, wie es die zwischen den Parteien streitigen Fragen auf der Basis des - hinreichend klaren und nicht ergänzungsbedürftigen - Parteivorbringens würdige und voraussichtlich entscheiden werde. Ein Schriftsatznachlass zur Unterbreitung neuen Sachvortrags wurde weder beantragt noch gewährt, mangels vorangegangener Hinweise im Sinne des § 139 ZPO bestand hierzu auch kein Anlass.
63Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 ZPO.
64Streitwert:
65Klageantrag zu 1): 119.500,00 €
66Klageantrag zu 2): 500,00 €
67Klageantrag zu 3): 578,00 €
68Insgesamt: 120.578,00 €
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Referenzen
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- BGB § 440 Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz 2x
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- BGB § 442 Kenntnis des Käufers 2x
- BGB § 157 Auslegung von Verträgen 3x
- VIII ZR 175/04 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 139 Materielle Prozessleitung 2x
- BGB § 133 Auslegung einer Willenserklärung 3x
- VIII ZR 92/06 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 476 Beweislastumkehr 1x
- ZPO § 296a Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung 1x
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- BGB § 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung 2x
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- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
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