Urteil vom Landgericht Stuttgart - 13 S 45/15

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 23.03.2015, Az. 5 C 2393/14, wird

z u r ü c k g e w i e s e n .

2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die vorläufige Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, es sei denn, dass die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

Berufungsstreitwert: bis 1.500 EUR

Gründe

 
I.
Die Kläger begehren als Verbraucher von der beklagten Bank die Rückzahlung von 1.312,50 EUR nebst Verzugszinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Der von den Klägern bezahlte Betrag ist Bestandteil eines Darlehensvertrages, in welchem er als „einmaliger laufzeitunabhängiger Individualbeitrag“ bezeichnet ist. Die Beklagte bietet in ihrem Vertragsformular wahlweise einen Basis-Kredit und einen Individual-Kredit an. Die Parteien haben den Individual-Kredit vereinbart. Der Individualkredit bietet den Kunden Besonderheiten, wie z.B. Änderungen des Tilgungsplans oder entschädigungsfreie Teilrückzahlungen vor Fälligkeit. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vertragsformular (Anlage K4) Bezug genommen.
Die Kläger sind der Meinung, dass es sich bei dem Individualbeitrag um eine Preisnebenabsprache und damit um eine sie benachteiligende, unzulässige allgemeine Geschäftsbedingung handele. Sie stützen ihre Klage im Wesentlichen auf die Rechtsansicht, der Individualbeitrag sei nicht zweifelsfrei den Leistungen des Individualkredits zuzuordnen, ihm stehe keine (echte) Gegenleistung gegenüber, jedenfalls sei nicht zu erkennen, welche Leistung wie vergütet werde, all das sei auch nicht ausdrücklich besprochen worden. Die Beklagte geht dagegen von einer nicht gerichtlich überprüfbaren Hauptpreisabsprache aus, die Kläger hätten sich für das Individualpaket entschieden und für den Individualbeitrag erkennbar einen wirtschaftlichen Vorteil als Gegenleistung erhalten, weswegen die Vereinbarung der Inhaltskontrolle einer allgemeinen Geschäftsbedingung standhalten würde.
Im ersten Rechtszug haben die Parteien, die weitere Darlehensverträge geschlossen hatten, um diverse Forderungen sowie die Anrechnung geleisteter Zahlungen gestritten. Darüber hat das Amtsgericht durch „Teilanerkenntnis- und Endurteil“ entschieden, den Anspruch teilweise zugesprochen und teilweise abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben nur die Kläger Berufung eingelegt, gestritten wird nunmehr lediglich um die Frage, ob der Individualbeitrag zurückzuerstatten ist.
Die Kläger haben im ersten Rechtszug u.a. beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 1.312,50 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten an sie zu verurteilen.
Die Beklagte hat im ersten Rechtszug bezüglich dieser Forderung Klagabweisung beantragt.
Das Amtsgericht hat mit dem teilweise angefochtenen Urteil die Klage wegen des Individualbeitrags und seiner Nebenforderungen abgewiesen. Das Urteil ist im Wesentlichen auf die Begründung gestützt, dass der Individualbeitrag die Gegenleistung für die Vorteile aus dem Individualpaket des Darlehensvertrages sei und es sich deswegen um eine wirksame Hauptpreisabsprache handele, welche einer gerichtlichen Kontrolle der Angemessenheit des Preises entzogen sei. Daher stehe den Klägern kein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch zu.
Die Kläger wenden sich gegen das Urteil des Amtsgerichtes mit der fortgesetzten Argumentation, dass bezüglich des Individualbeitrags eine unwirksame Vereinbarung vorliege und deswegen ein Bereicherungsanspruch bestehe.
Deswegen beantragen die Kläger,
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das Urteil des Amtsgerichts teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen an die Kläger als Gesamtgläubiger weitere 1.312,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit dem 24.06.2015 und weitere 194,21 EUR zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Die Kammer hat zunächst beschlossen, gem. § 522 Abs.2 ZPO zu verfahren, und hat durch Beschluss vom 15.06.2015 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen. Danach haben die Kläger auf einen am 02.06.2015 ergangenen - damals nicht veröffentlichten - Beschluss nach § 522 Abs.2 ZPO des Landgerichts Düsseldorf (Az. 8 S 58/14) Bezug genommen, in welchem gerade umgekehrt festgestellt wurde, dass die Vereinbarung des Individualbeitrags durch die Beklagte in Verbraucherdarlehen offensichtlich unwirksam sei. Daraufhin hat die Kammer zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beschlossen, von einem weiteren Verfahren nach § 522 Abs.2 ZPO Abstand zu nehmen und stattdessen gem. § 523 ZPO zu verfahren.
II.
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Der form- und fristgerecht eingelegten und mit einer Begründung versehenen Berufung der Kläger bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass den Klägern der mit der Berufung weiter geltend gemachte Bereicherungsanspruch aus § 812 BGB nicht zusteht.
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1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht entschieden, dass es sich bei dem einmaligen laufzeitunabhängigen Individualbeitrag im Darlehensvertrag vom 24.09.2013 um eine Klausel handele, die als Hauptpreisabrede einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB nicht unterliegt; auf die Frage, ob Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis stehen, kommt es deshalb nicht an.
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Die Kläger haben den sogenannten Individualbeitrag mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der Darlehensvertrag ist bezüglich des Individualbeitrags nicht gemäß § 307 BGB unwirksam. Die Parteien haben zwar, wie die Kläger richtig argumentieren, einen Verbraucherkreditvertrag gem. §§ 488, 491 BGB abgeschlossen und die Vereinbarung des Individualbeitrags ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 BGB, weil es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Bedingung handelt, welche die Beklagte den Klägern bei Abschluss des sog. Individualkredits vorgegeben hat. Darauf kommt es hier aber letztlich nicht an, weil die Zahlung des Individualbeitrags auch unter AGB-Gesichtspunkten wirksam vereinbart wurde.
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2. Der von der Beklagten für den Individualkredit vorgegebene Individualbeitrag ist eine sogenannte Hauptpreisabsprache, die der Inhaltskontrolle des § 307 Abs.1 S.1, Abs.2 Nr.1 BGB entzogen ist. Der hier relevante Individualbeitrag unterscheidet sich tatsächlich und rechtlich von dem in anderen Darlehensverträgen vereinbarten Bearbeitungsentgelt. Daher kann das Ergebnis der ständigen Rechtsprechung der erkennenden Kammer und auch des Bundesgerichtshofs zum Bearbeitungsentgelt nicht ohne Weiteres auf den Individualbeitrag übertragen werden. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Begriffe, die für verschiedene Vertragsgestaltung stehen; daher ist eine differenzierte Betrachtung anzustellen.
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a)§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle auf solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hierunter fallen … zwar weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung. Preisnebenabreden, die keine echte (Gegen-)Leistung zum Gegenstand haben, sondern mit denen der Klauselverwender allgemeine Betriebskosten, Aufwand für die Erfüllung gesetzlich oder nebenvertraglich begründeter eigener Pflichten oder für sonstige Tätigkeiten auf den Kunden abwälzt, die der Verwender im eigenen Interesse erbringt, sind hingegen der Inhaltskontrolle unterworfen … Ob eine Klausel nach diesen Grundsätzen eine kontrollfähige Preisnebenabrede oder eine kontrollfreie Preisabrede enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese hat sich, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich danach zu richten, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird…“ (BGH Urteil vom 13.05.2014 - XI ZR 170/13).
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b) Bei dem Individualbeitrag handelt es sich - anders als im Sachverhalt, welcher der BGH-Entscheidung (zum Bearbeitungsentgelt) zugrunde lag - objektiv um die Gegenleistung für eine zusätzlich angebotene Leistung im Interesse des Kunden. Das ist aus dem Darlehensvertrag auch ohne Weiteres für jeden Bankkunden ersichtlich. Der Kunde hat bei der Beklagten nach dem Vertragsformular die Wahl zwischen dem Basis-Kredit und dem Individual-Kredit. Dass die Bank auf den Abschluss des Individual-Kreditvertrages drängt, ist nach dem Rechtsgedanken des Art. 247 § 8 EGBGB nicht per se unzulässig, Gründe für eine solche Unzulässigkeit im Einzelfall sind hier nicht ersichtlich.
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Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Vertragstypen ist der, dass bei dem Basis-Kredit Art und Zeitpunkte von Tilgung und Zinszahlung von Anfang an genau fixiert sind, während dem Kunden beim Individual-Kredit in dieser Hinsicht zahlreiche Spielräume zugebilligt werden. Diese Spielräume haben einen wirtschaftlichen Wert für den Kunden, dafür zahlt er den Individualbeitrag, der eine grundlegend andere Funktion als das Bearbeitungsentgelt hat. Jenem stand nämlich regelmäßig gerade keine Gegenleistung für den Darlehensnehmer gegenüber, weswegen von einer kontrollfähigen und regelmäßig unwirksamen Preisnebenabsprache auszugehen war (vgl. BGH aaO). Hier haben die Kläger indes zusätzlich zum Hauptvertrag über die Darlehensgewährung gegen Zins eine Zusatzleistung mit der Beklagten vereinbart, welche als Hauptpreisabrede gesondert zu vergüten ist. Diese Vergütung muss, weil sie gerade nicht die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des Darlehens ist, nicht laufzeitabhängig sein. Es würde auch keinen Sinn machen, bei der Gegenleistung für die vorzeitige, entschädigungsfreie Rückzahlung des Darlehens, diese von der Laufzeit abhängig zu machen, weil dann umgekehrt proportional zur Wirtschaftlichkeit die Gegenleistung desto geringer wäre, je früher zurückbezahlt wird.
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c) Ohne Erfolg berufen sich die Kläger darauf, dass aus dem Darlehensvertrag selbst der Unterschied zwischen Basisleistung und zusätzlicher Individualleistung nicht zu ersehen sei. Genau das Gegenteil ist richtig. In dem Vertrag ist zunächst, der Üblichkeit und dem Gesetz (§ 492 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 EGBGB) entsprechend fixiert, wann die Kläger welche Tilgungsraten und Zinszahlungen zu erbringen haben. Ausdrücklich aufgezählt werden sodann die abweichenden Sondervereinbarungen mit Kunden des Individual-Kredits. Schon aus dem Grundtext des Vertrages, aber erst recht aus der Aufzählung der Sonderrechte, ergibt sich zweifelsfrei, dass Kunden des Basis-Vertrages diese Rechte nicht haben, dass es für diese Kunden in der Regel bei den fixen Rückzahlungsbedingungen bleibt und Abweichungen nur gegen Entgelt in jedem Einzelfall in Betracht kommen. Insofern wird auch für den Darlehensnehmer deutlich, dass der Individualbeitrag als pauschales Entgelt für die besonderen Leistungen des Individualkredits zu zahlen ist. Dass bei der Vertragsvariante Individual-Kredit der Individualbeitrag eben dafür zu bezahlen ist, ist genau so offensichtlich, wie z.B. der Zusammenhang des Einzelzimmerzuschlags mit der Buchung eines Einzelzimmers im Hotel oder der Zusammenhang zwischen der kostenpflichtigen Sitzplatzreservierung und der Bereitstellung eines solchen Platzes im Zug.
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d) Wenn die Kläger meinen, bei kundenfeindlichster Vertragsauslegung lasse sich ein solcher Zusammenhang nicht herstellen, so ist das nicht zutreffend. Erstens wird der Zusammenhang in Ziffer 8 der beigefügten Kreditbedingungen der Beklagten verdeutlicht. Dort ist ausdrücklich erwähnt, dass der einmalige laufzeitunabhängige Individualbeitrag Bestandteil des Individual-Kreditvertrags ist. Zweitens listet die Beklagte in dem ebenfalls dem Vertrag beigefügten Preis- und Leistungsverzeichnis auf, welchen Wert jede der Individualleistungen hat, wenn der Kunde den Basis-Kredit wählt und später eine solche Leistung in Anspruch nehmen will. Drittens ergibt sich der Zusammenhang zwischen Individualleistung und Individualbeitrag schon sprachlich und systematisch aus dem Vertragstext. Zwar gehen Zweifel bei der Auslegung nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Außer Betracht bleiben dabei aber solche Auslegungsmöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH aaO). Dass hier der der Individualbetrag für die beschriebene Individualleistung zu zahlen ist, liegt für jeden Bankkunden auf der Hand. Ein anderer Zusammenhang ist völlig fernliegend und auch die Kläger können eine andere Verständnismöglichkeit nicht konkret benennen. Der Gedanke, der Kunde bekomme auf Wunsch das Individualpaket und dessen Leistungen von der Bank geschenkt, den Individualbeitrag zahle er für irgendetwas, nicht näher definiertes anders, erscheint der Kammer höchst fernliegend.
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e) Nicht zutreffend ist auch der Einwand der Kläger, dass der Vertrag keine zusätzlichen Leistungen enthalte, die zusätzlichen Leistungen, die der Kunde über den Individual-Kredit erhalte, jedenfalls nicht ersichtlich seien. Diese Leistungen sind auf Seite 1 des Vertrages ausdrücklich aufgelistet. Beispielsweise ist dort genannt, dass der Kreditnehmer eine kostenlose Sonderzahlung in Höhe von 80 % des aktuellen Kreditsaldos leisten könne. In den Kreditbedingungen wird das unter „Vorzeitige Rückzahlung“ näher erklärt und beim Preis- und Leistungsverzeichnis ausdrücklich klargestellt: Beim Basis-Kredit wird eine Vorfälligkeitsentschädigung erhoben, beim Individual-Kredit nicht. Gleiches gilt für andere Punkte, der Kunde sieht jeweils genau den Unterschied: So kostet zum Beispiel jede nachträgliche Zahlungsplanänderung beim Basis-Kredit 40 EUR, beim Individualkredit nichts extra. Damit werden die beiden Vertragstypen transparent nebeneinander gestellt, jeder Kunde kann erkennen, welche zusätzlichen Leistungen er ähnlich einer Flatrate pauschal dazu bucht und welche er ggf. einzeln bezahlen muss. Ob sich die Pauschale für den Kunden wirtschaftlich lohnt oder nicht, ist eine Frage des Einzelfalls, die der gerichtlichen Überprüfung - bis hin zu der mangels entsprechenden Tatsachenvortrags hier nicht relevanten Frage einer möglichen Sittenwidrigkeit - entzogen ist.
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f) In diesem Zusammenhang können sich die Kläger schließlich nicht auf eine mangelnde Transparenz der Kalkulation des Individualbeitrags berufen. Eine Hauptpreisabrede unterliegt gerade nicht der Kontrolle ihrer Angemessenheit. Die Kalkulation wird von einem Vertragspartner intern vorgenommen, der andere kann annehmen oder ablehnen. Er hat aber keinen gesetzlichen Anspruch darauf, dass seine Gegenleistung exakt dem Wert der Leistung entspricht, dass sie nicht zu anderen Zwecken verwendet wird und dass ihm das alles offen dargelegt wird. Eine solche Offenlegungsverpflichtung ergibt sich weder allgemein aus dem Bürgerlichen Recht noch speziell aus dem Recht der Verbraucherdarlehensverträge (vgl. BGH Urteil vom 04.06.1997 - VIII ZR 312/96; Urteil vom 28.01.2003 - XI ZR 156/02; Urteil vom 07.12.2010 - XI ZR 3/10). Die Kläger können sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29.11.02 - V ZR 105/02 und das dort in Bezug genommene Urteil vom 20.03.1985 - VIII ZR 342/83 berufen. Unabhängig davon, dass keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen, ging es in diesen beiden Urteilen um die Frage, ob eine punktuell unangemessene Benachteiligung durch einen Vorteil an anderer Stelle ausgeglichen werden kann. Dass es jemandem, der sich auf einen solchen Ausgleich berufen will, im Einzelfall obliegen kann, die Berechnung verschiedener Vor- und Nachteile offenzulegen, steht außer Frage. Darum geht es hier aber nicht, eine unangemessene Benachteiligung ist bei der Hauptleistungsverpflichtung nämlich nicht zu prüfen und ggf. auszugleichen.
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3. Die Kammer hält das mit ähnlicher Argumentation ergangene Urteil des Landgerichts Mainz vom 18.11.2015 (3 S 47/15) für zutreffend, auf die dortige Begründung wird Bezug genommen. Die Rechtsprechung des Landgerichts Düsseldorf zum Individualbeitrag ist dagegen nicht geeignet, die Kammer zu einer anderen Bewertung der Rechtslage zu veranlassen.
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a) Aus hiesiger Sicht zutreffend erkennt die 8. Berufungskammer des Landgericht Düsseldorf (z.B. im Beschluss vom 02.06.2015 - 8 S 58/14), dass sich die Beklagte in dem abgeschlossenen Individual-Kreditvertrag „nicht nur zur Überlassung der Darlehensvaluta verpflichtet [habe], sondern darüber hinaus zur Erbringung weiterer Leistungen“; dieses Leistungspaket grenze den Individual-Kredit von anderen Verbraucherdarlehen ab und stelle dem Kunden zusätzliche Leistungen zur Verfügung. Nicht für überzeugend hält die Kammer dagegen die dort folgende Argumentation, die zusätzlichen Leistungen seien unbeachtlich, weil es sich ungeachtet der Zusatzleistungen eben doch nur um einen Verbraucherdarlehensvertrag handele. Dass es sich mit und ohne Zusatzleistungen um einen Verbraucherdarlehensvertrag handelt, ist zwar sicher richtig und zwischen den Parteien - jedenfalls hier - auch nicht umstritten. Das ist aber nicht das entscheidende Kriterium. Vielmehr ist die Frage zu beantworten, ob die angebotenen Zusatzleistungen eine Gegenleistung für den Individualbeitrag darstellen (das war auch beim Bearbeitungsentgelt die relevante Fragestellung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs: Urteile vom 13.05.2014 - XI ZR 170/13 u.a.). Die Formulierung des Landgerichts Düsseldorf „ungeachtet der Zusatzleistungen“ konstatiert nur, dass die Zusatzleistungen unbeachtlich seien, begründet aber nicht warum. Deswegen ist es der hiesigen Kammer nicht möglich, sich mit dieser Argumentation, auf die sich die Kläger berufen, näher auseinanderzusetzen. Die später folgenden Ausführungen im Düsseldorfer Beschluss zu der Bewertung und Abwägung der Zusatzleistungen und des Individualbeitrags finden ersichtlich im Rahmen der Inhaltskontrolle des § 307 Abs.1 S.1 BGB statt. Diese Norm ist aber nicht anwendbar, weil § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB solche Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von der Inhaltskontrolle ausnimmt, durch welche der Preis der vertraglichen Hauptleistung festgelegt wird, worunter auch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte zusätzlich angebotene Sonderleistung fallen (BGH aaO). Soweit die Kläger versuchen zu argumentieren, Leistung und Gegenleistung stünden in keinem angemessenen Verhältnis, deswegen sei die Leistung nichts wert, deswegen unterliege die Vereinbarung der Gegenleistung der Inhaltskontrolle, weswegen die Unangemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung mit der Folge der Unwirksamkeit der Vereinbarung festgestellt werden könne, handelt es sich um einen unzulässigen Zirkelschluss. Zunächst ist lediglich zu prüfen, ob eine Zusatzleistung von nicht unerheblichem wirtschaftlichen Wert angeboten wird. Ist das - wie hier - der Fall, dann findet eine Inhaltskontrolle der Gegenleistung nicht statt.
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Zu einer neuen Beurteilungen der Rechtlage gelangt die Kammer auch nicht durch den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17.07.2015 (8 S 20/15), welcher zwar die Divergenz zur Rechtsprechung der Landgerichte Mainz und Stuttgart erkennt und benennt, aber gleichwohl gem. § 522 Abs.2 ZPO verfährt und lediglich ausführt, der hiesigen Argumentation „vermag die Kammer … nicht beizutreten“.
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b) Die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf hat sich in dem hier relevanten Streitpunkt weitgehend der Rechtsprechung der dortigen 8. Zivilkammer angeschlossen; auch das Urteil vom 08.07.2015 (12 O 341/14) überzeugt deswegen die hier zur Entscheidung berufene Kammer nicht. Ebenso wenig kann die hiesige Kammer der semantischen Analyse, der Individualbeitrag sei nicht eindeutig die Gegenleistung für die Leistungen des Individual-Kredits, weil er nur „Individualbeitrag“ und nicht etwa „Individualkreditbeitrag“ heiße, folgen. Die Annahme, ein im Rahmen eines Darlehensvertrages mit zusätzlichem Individualpaket gesondert zu zahlender Individualbeitrag, heiße aus Sicht des Kunden nicht etwa so, weil er die Gegenleistung für die gleichnamige Extraleistung darstelle, sondern einfach nur deswegen, weil er individuell berechnet und vereinbart worden sei, ist im Sinne der BGH-Rechtsprechung zu § 305c BGB (BGH aaO) zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und daher nicht ernstlich in Betracht zu ziehen. Sollte es sich - auch aus Sicht des Kunden - hier um einen individuell vereinbarten Zusatzbetrag handeln, wäre zudem in Frage zu stellen, ob eine solche Individualvereinbarung überhaupt eine allgemeine Geschäftsbedingung sein kann. Jedenfalls springt der Zusammenhang zwischen dem Individual-Kredit in Abgrenzung zum Basis-Kredit und dem Individualbeitrag in einer Vertragsurkunde dermaßen ins Auge, dass jede andere Bedeutung als konstruiert und damit fernliegend anzusehen ist (s.o.2 c,d).
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4. Die Kläger haben mangels Hauptforderung auch keinen Anspruch gem. §§ 288, 291 BGB auf Ersatz der geltend gemachten Zinsen und der vorgerichtlichen Anwaltskosten als Verzugsschaden.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO; der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit des amtsgerichtlichen Urteils ergibt sich aus § 708 Nr.10 Satz 2 ZPO. Nachdem das Landgericht Düsseldorf wiederholt über einen vergleichbaren Sachverhalt zu entscheiden hatte und in dem streitentscheidenden Punkt zu einer von der Kammer und auch vom Landgericht Mainz abweichenden Rechtsauffassung gelangt ist, wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 ZPO die Revision zugelassen.

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