Urteil vom Landgericht Verden (Aller) (1. Strafkammer) - 1 KLs 17/09

Tenor

Der Angeklagte wird wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von

2 Jahren und 6 Monaten

verurteilt.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Staatsanwaltschaft Verden hat dem Angeklagten in ihrer Anklageschrift vom 17. September 2009 zur Last gelegt, am 13. Mai 2009 und in einem nicht näher bestimmbaren Zeitraum zuvor in L. Betäubungsmittel in nicht geringer Menge hergestellt zu haben, indem er am 13. Mai 2009 in seiner Wohnung A. 64 in L. insgesamt ca. 915 g Metamfetamin mit einem Metamfetamin-Hydrochlorid-Gehalt von 99,5 %, mithin 911 g Metamfetamin-Hydrochlorid, aufbewahrt habe, das er zuvor in dem in seinem Haus befindlichen Chemielabor produziert habe (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 BtMG i. V. m. Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG). Im Hauptverhandlungstermin vom 29. Januar 2010 hat die Kammer mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Strafverfolgung durch einen Beschluss gem. § 154a Abs. 1 und 2 StPO auf den Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 4 BtMG i. V. m. Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG) beschränkt. Wegen dieses Tatvorwurfs hat die Kammer den Angeklagten auf der Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme für schuldig befunden und auf die aus dem Tenor ersichtliche Strafe erkannt. Bereits im Hauptverhandlungstermin vom 29. Januar 2010 hatten sich der Angeklagte und sein Verteidiger mit der außergerichtlichen Einziehung der anlässlich der Durchsuchungen des Wohnhauses des Angeklagten am 13. und 20. Mai 2009 sichergestellten Betäubungsmittel sowie der anlässlich der Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten am 20. Mai 2009 sichergestellten Chemikalien einverstanden erklärt.

II.

2

Der Angeklagte wurde am 16. Januar 1949 in S bei C. geboren. Er ist deutscher Staatsangehöriger und verheiratet. Der Angeklagte hat einen jüngeren und einen älteren Bruder, zu denen er auch heute noch Kontakt hat. Die Eltern des Angeklagten stammen aus Ostpreußen. Sein Vater verstarb im Jahr 1955 an den Folgen einer Kriegsverletzung. Der Angeklagte wuchs bei seiner Mutter auf, zu der er jedoch kein einfaches Verhältnis unterhielt, weil seine Mutter durch die familiäre Situation psychisch stark belastet war und mit dem recht lebhaften Angeklagten nicht zurecht kam. Der Angeklagte verbrachte daher viel Zeit bei seiner Großmutter und seiner Tante mütterlicherseits, bei denen er auch oft nächtigte. Das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Mutter blieb zeitlebens angespannt. Sie lebt heute in einem Altenheim. Im Jahr 1996 heiratete der Angeklagte seine Ehefrau, die von den Philippinen stammt. Aus einer vorehelichen Beziehung hat der Angeklagte eine heute 21-jährige Tochter und einen heute 22-jährigen Sohn, zu denen regelmäßiger Kontakt besteht. Der Angeklagte, der seinen Beruf als „Rentner“ und „selbständiger Kaufmann“ angibt, bestreitet seinen Lebensunterhalt aus einer kleinen Rente von monatlich 300,00 €. Seine Ehefrau verdient als Altenpflegerin ca. 1.500,00 € netto monatlich. Zusätzlich bessern die Eheleute ihr Einkommen mit einem Nebenverdienst aus dem Verkauf thailändischer Schnitzereien auf. Der Angeklagte hat noch ca. 40.000,00 bis 60.000,00 € Schulden aus von ihm früher getätigten, nachteiligen Devisengeschäften sowie aus einer Bürgschaft für einen seiner beiden Brüder. Sein vormaliges Haus S. 1 in L. musste der Angeklagte aus finanziellen Gründen verkaufen. In der Folge war er zeitweise als Hausmeister für den neuen Eigentümer des Gebäudes, in dem der Angeklagte mit seiner Ehefrau zunächst noch weiter wohnte, tätig. Zu Beginn des Jahres 2009 zog der Angeklagte sodann mit seiner Ehefrau in das Haus A. 64 in L. um. Das Haus hatte seine Ehefrau Ende 2008 gekauft.

3

Der Angeklagte wurde im Jahr 1955 in S eingeschult. Im Jahr 1968 erlangte er im naturwissenschaftlichen Zweig eines Gymnasiums in C. das Abitur. Da sich der Angeklagte außer für Literatur und Philosophie auch für Chemie interessierte, begann er noch im selben Jahr ein Studium der Mikrobiologie am Institut für Milchwirtschaft in Kiel. Nach dem Vordiplom wechselte er in das Lehramtsstudium mit den Fächern Geografie, Sport und Soziologie über, weil er das Studium der Mikrobiologie - nicht jedoch das Fach selbst - als „trocken“ und seine Beziehungen zu seinen Kommilitonen als unbefriedigend empfand. Zudem entwickelte der Angeklagte im Zuge der aufkommenden „68er-Bewegung“ ein Interesse für Geisteswissenschaften. Dennoch blieb die Chemie immer seine Leidenschaft. Neben seinem Lehramtsstudium besuchte der Angeklagte noch zahlreiche Veranstaltungen im Fach Sozialpsychologie, schloss dieses Studium jedoch nicht ab. Im Jahr 1974 legte der Angeklagte das Erste Staatsexamen ab. Im Anschluss war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Kiel tätig und promovierte im Jahr 1978 im Fach Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bremen, obwohl er in diesem Fach über kein Diplom verfügte. Der Angeklagte leistete sodann sein Referendariat in Bremen ab, das er erfolgreich mit dem Zweiten Staatsexamen für das höhere Lehramt abschloss. Der Angeklagte ging für 3 oder 4 Jahre einer Lehrtätigkeit an der Hochschule für Wirtschaft und Sozialpädagogik in Bremen nach. Daneben baute er ein „Projekt gemeinsamen Lebens und Arbeitens“ in seinem Haus in L. auf, zu dem u.a. eine Tischlerei, ein Zimmerei und ein Planungsbüro gehörten. Dieses Projekt musste der Angeklagte im Jahr 1988 nach einem Brand aufgeben. Nach seiner Haftzeit in den Jahren 1999 bis 2001, welcher eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zugrunde lag (s. unten), gelang es dem Angeklagten wegen seines Alters und aus gesundheitlichen Gründen nicht, beruflich wieder Fuß zu fassen. Zudem war die Wiederaufnahme einer Lehrtätigkeit wegen seiner Vorstrafe ausgeschlossen.

4

Bei dem Angeklagten wurde im Jahr 2005 ein Prostatakarzinom mit zwei Kapseldurchbrüchen diagnostiziert. Der Angeklagte musste sich daraufhin einer Operation und einer Strahlentherapie unterziehen. Infolge der durch die Strahlentherapie bedingten Schwächung seines Immunsystems erkrankte der Angeklagte im Jahr 2006 an einer bakteriellen Entzündung des 3. und 4. Halswirbelkörpers, die von heftigen Schmerzen begleitet war und mehr als einen Monat lang stationär im Krankenhaus behandelt werden musste. Als Dauerschaden blieb bei dem Angeklagten eine um 50 % verminderte Drehbeweglichkeit des Halses zurück. Zudem hat der Angeklagte als Folge seines Krebserkrankung eine Verminderung der Lebenserwartung zu gegenwärtigen, weil die durchgeführte Entfernung der Prostata nicht radikal, sondern nerven- und blutgefäßerhaltend erfolgte. Dennoch leidet der Angeklagte unter Harninkontinenz bei körperlicher Anstrengung und psychischer Belastung sowie unter einen erektilen Dysfunktion, deretwegen der Angeklagte Viagra oder andere potenzsteigernde Mittel benötigt, die er sich jedoch finanziell nicht leisten kann, weil seine Krankenkasse die entsprechenden Kosten nicht übernimmt. Zudem leidet der Angeklagte an einem medikamentös behandelten Bluthochdruck. Angesichts der Vorerkrankung des Angeklagten besteht bei ihm im Falle körperlichen und psychischen Stresses eine erheblich gesteigerte Gefahr von Infektionskrankheiten und die Gefahr eines Wiederauflebens seiner derzeit ruhenden Krebserkrankung.

5

Der Angeklagte ist nicht betäubungsmittelabhängig. Heroin, Kokain und Ecstasy hat er nie konsumiert, weil er es ablehnt, Betäubungsmittel zu sich zu nehmen, die die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Wirklichkeit einschränken. Während seiner Studienzeit erlebte der Angeklagte drei so genannte „Trips“ mit einer LSD-ähnlichen Substanz. Vereinzelt, aber keineswegs regelmäßig, konsumierte er Cannabis. In Zeiten hoher Arbeitsbelastung trank der Angeklagte in Maßen Alkohol. Seit der Verhängung eines Fahrverbots im Jahr 1986 verzichtete er weitgehend auch hierauf. Dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Amphetamine konsumierte der Angeklagte grundsätzlich nicht; jedoch stellte er in den 90er Jahren in seinem eigenen Labor über acht Jahre hinweg Forschungen zu nicht verbotenen Amphetaminen an, wobei er die von ihm gefundenen Substanzen auch an sich selbst testete. Vom 1. Januar 1995 bis zum 1. Juni 2001 hatte der Angeklagte ein entsprechendes Gewerbe für „Patentforschung und Vermarktung von pharmakologischen Produkten, insbesondere von euphorisierenden Amfetaminderivaten“ angemeldet und war deshalb auch wiederholt in den Fokus staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen geraten. Seit dem 9. Januar 2009 ist auf den Namen des Angeklagten ein Gewerbe betreffend die „Entwicklung von und [den] Handel mit Duftstoffen“ angemeldet.

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Strafrechtlich ist der Angeklagte bislang wie folgt in Erscheinung getreten:

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1. Am 13. Februar 1997 verhängte das Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck gegen gen Angeklagten wegen Beleidigung in Tatmehrheit mit übler Nachrede eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 150,00 DM (Az.: 5 Cs 4 Js 20759/96).

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2. Am 6. März 1998 verhängte das Amtsgericht Verden gegen den Angeklagten wegen Steuerhehlerei eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 60,00 DM (Az.: 4 Cs 3 Js 4690/98). Es wurde eine Nebenfolge gem. § 375 Abs. 2 Nr. 1 AO ausgesprochen.

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3. Am 10. November 1998 verurteilte das Landgericht Verden den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in fünf Fällen unter Einbeziehung der Entscheidungen des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck vom 13. Februar 1997 und des Amtsgerichts Verden vom 6. März 1998 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten (Az.: KLs 2 Js 1329/98 (1-26/98)). Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück vom 4. April 2001 (Az.: 17 StVK 199/01) wurde der Strafrest bis zum 17. April 2004 zur Bewährung ausgesetzt und mit Wirkung vom 8. Mai 2004 erlassen. Der Verurteilung lagen die folgenden Straftaten zugrunde (vgl. Ziff. II. des Urteils):

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„Etwa Mitte des Jahres 1996 faßte der Angeklagte zumindest gemeinsam mit dem gesondert verfolgten S. den Entschluß, Rauschgift, und zwar Haschisch und Kokain, aus Holland nach Deutschland einzuführen. Die künftigen Drogenfahrten sollten jeweils mit zwei Fahrzeugen durchgeführt werden, wobei das Rauschgift jeweils in dem Fahrzeug des S. verstaut und abtransportiert werden sollte.

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1. Die erste „Drogenfahrt“ erfolgte um die Jahreswende 1996/97. Der Angeklagte fuhr mit einer weiteren Person in einem Fahrzeug nach Amsterdam. Nach Angaben des Angeklagten soll es sich bei dieser weiteren Person um den gesondert verfolgten P. gehandelt haben. Der gesondert verfolgte S. fuhr nach Amsterdam mit einem anderen Fahrzeug. In Amsterdam erwarben sie von einem Mann, dessen Identität nicht festgestellt werden konnte, 2 kg Kokain. Der Preis für 1 kg Kokain betrug 58.000,00 DM. Das Kokain wurde in dem von dem gesondert verfolgten S. geführten Fahrzeug verstaut. Sodann fuhren der Angeklagte und sein Begleiter sowie der gesondert verfolgte S. zurück nach Deutschland. Nach Angaben des Angeklagten soll letztlich der gesondert verfolgte P. dort das Kokain übernommen haben.

12

2. Etwa Mitte des Jahres 1997 lernte der Angeklagte anlässlich eines Besuchs von Freunden in Bremen den - wahrscheinlich spanischen Staatangehörigen - gesondert verfolgten G. P. kennen. Dieser wurde auch mit dem Namen „Cäsar“ angeredet. Der G. P. kannte ebenfalls in Holland wohnende Personen, von denen man Kokain in großen Mengen erwerben konnte. Am 19./20.11.1997 fuhren der Angeklagte, der G. P. und der S. nach Holland. Der gesondert verfolgte S. benutzte wiederum ein eigenes Fahrzeug. Von einem dortigen Dealer erwarben sie 3 kg Kokain von recht guter Qualität. Der Kilopreis betrug etwa 56.000,00 bis 58.000,00 DM. In dem Fahrzeug des S. wurden die 3 kg Kokain nach Deutschland gefahren. Nach Angaben des Angeklagten soll dort der gesondert verfolgte Jürgen R. das Kokain übernommen haben.

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3. Am 24.12.1997 fuhr der Angeklagte wieder mit dem G. P. nach Holland. Der gesondert verfolgte S. begleitete sie wiederum in einem eigenen Fahrzeug. Dort erwarben sie von einem holländischen Dealer 1 kg Kokain. Dieses führten sie nach Deutschland ein. Dort will es der Angeklagte - so hat er sich eingelassen - zu dem in V. wohnenden gesondert verfolgten Jürgen R. gebracht haben.

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4. In der Zeit zwischen dem 29.12.1997 und dem 31.12.1997 fuhren der Angeklagte, der G. P. und der gesondert verfolgte S. wiederum nach Holland. Sie erwarben dort wiederum 1 kg Kokain. Dieses führten sie nach Deutschland ein. Nach Angaben des Angeklagten soll der gesondert verfolgte P. dieses Kokain in L. abgeholt haben.

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5. Am 20.2.1998 fuhr der Angeklagte mit einer weiteren Person, wobei es sich nach den Angaben des Angeklagten um den gesondert verfolgten P. gehandelt haben soll, sowie dem S. erneut nach Amsterdam. Sie erwarben dort von einem Dealer ein weiteres Kilogramm Kokain. Das Rauschgift wurde wiederum in dem Fahrzeug des  S. verstaut. Auf diese Art und Weise wurde das Kokain nach Deutschland eingeführt. Nach Angaben des Angeklagten sollen wiederum die gesondert verfolgten P. und R. letztlich das Kilogramm Kokain übernommen haben.

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Als Entgelt für die Durchführung dieser Kurierfahrten will der Angeklagte - so hat er sich eingelassen - von den gesondert verfolgten R. und P. ca. 10 % des jeweiligen Einkaufspreises, also etwa 5.000,00 DM pro Kilogramm Kokain, erhalten haben.“

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Der Angeklagte wurde am 20. Mai 2009 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Verden (Aller) vom selben Tage (Az.: 9a Gs 1545/09) vorläufig festgenommen und befand sich sodann in dieser Sache vom 20. Mai 2009 bis zur Außervollzugsetzung des Haftbefehls durch den weiteren Beschluss des Amtsgerichts Verden (Aller) vom 28. Mai 2009 in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl wurde durch Beschluss des Landgerichts Verden vom 8. Dezember 2009 aufgehoben.

III.

18

Wie bereits geschildert, war vom 1. Januar 1995 bis zum 1. Juni 2001 auf den Namen des Angeklagten ein Gewerbe für „Patentforschung und Vermarktung von pharmakologischen Produkten, insbesondere von euphorisierenden Amphetaminderivaten“ angemeldet. Dieses Gewerbe gab Ende der 90er Jahre Anlass für diverse Ermittlungsverfahren wegen unerlaubter Herstellung von verbotenen Amfetaminderivaten. Unter anderem führte die Staatsanwaltschaft Bremen gegen den Angeklagten ein Verfahren unter dem Az. 540 Js 21611/99. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde auf Grund des Durchsuchungsbeschlusses des Amtsgerichts Bremen vom 25. November 1999 am 29. November 1999 das damalige Wohnhaus des Angeklagten in 2... L., S. 1, durchsucht. Zu diesem Zeitpunkt wurde gegen den Angeklagten bereits seit Juli 1999 die Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Verden vom 10. November 1998 vollstreckt. Bei der Durchsuchung wurde in dem Wohnhaus des Angeklagten ein komplett eingerichtetes Chemie-Labor aufgefunden. Unter anderem wurden zahlreiche Kisten mit Glasgeräten (Laboreinrichtung) sichergestellt, ohne dass die Ermittlungsbehörden eine Einzelauflistung der sichergestellten Gegenstände erstellt hätten. Zugunsten des Angeklagten ist, was im Folgenden noch näher erläutert werden wird, davon auszugehen, dass sich in einem der damals sichergestellten Glasgeräte auch das Metamfetamin-Hydrochlorid befand, welches Grundlage des vorliegenden Strafverfahrens ist. Die Kisten mit den sichergestellten Glasgeräten wurden in der Folge nur stichprobenartig von dem Sachverständigen Dr. M., Landeskriminalamt Bremen, Kriminaltechnik/Chemie, in Augenschein genommen. Eine Untersuchung der Gegenstände fand hingegen nicht statt, obwohl andere Asservate aus dem Ermittlungsverfahren gründlich und mit zum Teil positivem Befund auf Metamfetamin untersucht worden waren. Am 21. Dezember 1999 wurden die bei dem Angeklagten sichergestellten Laborgegenstände durch den zuständigen Staatsanwalt, Dr. P., Staatsanwaltschaft Bremen, in Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Einstellung des gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO freigegeben. Am 23. Dezember 1999 wurden die Kisten mit den Glasgeräten sodann auf der Grundlage eines Pfändungsbeschlusses des Amtsgerichts Osterholz-Scharmbeck durch den Gerichtsvollzieher B. bei der Bremer Polizei für die Kreissparkasse Osterholz gepfändet und in Besitz genommen. Zugunsten des Angeklagten ist davon auszugehen, dass sich hierbei auch das Glasgerät mit dem verfahrensgegenständlichen Metamfetamin-Hydrochlorid befand. Die Geräte wurden in der Folgezeit bei der Firma P. in Osterholz-Scharmbeck eingelagert. Nachdem die Kreissparkasse Osterholz die Gerätschaften zwischenzeitlich freigegeben hatte, nahm sie der Angeklagte nach seiner Haftentlassung im September 2001 wieder in Besitz. Ein Wiederaufbau des Labors erfolgte im Haus S. 1 in L., das der Angeklagte mit seiner Ehefrau weiterhin bewohnte, das er jedoch nunmehr aus finanziellen Gründen teilweise vermietet hatte, aus Platzmangel nicht. Die zurückgegebenen Kisten mit den Glasgeräten wurden stattdessen in ihrer Mehrzahl im Elternhaus des Angeklagten in C. unausgepackt eingelagert. Dem Angeklagten fiel daher nicht auf, dass sich in einem der zurückgegebenen Glasgeräte Metamfetamin-Hydrochlorid befand.

19

Anfang des Jahres 2009 zog der Angeklagte mit seiner Ehefrau in sein gegenwärtiges Wohnhaus A. 64 in 2... L. um. Da der Angeklagte beabsichtigte, das teilweise noch unfertige Haus auszubauen und darin nunmehr wieder ein Chemielabor, jetzt für die Duftstoff-Forschung, einzurichten, holte er zu diesem Zweck die in seinem Elternhaus in C. eingelagerten Chemikalien und Laborausrüstungsgegenstände nach L. zurück. Anlässlich dessen sichtete er die vorhandenen Gegenstände, sortierte sie in eine Vielzahl von Transportkisten um und lagerte sie im Keller und auf dem Dachboden über der Doppelgarage seines neuen Wohnhauses ein. Dabei fiel dem Angeklagten ein Rundkolben auf, in dem sich ein kristallin blinkender Einschluss befand. Dieser Rundkolben war unter jenen Glasgeräten, die von der Staatsanwaltschaft Bremen im Verfahren 540 Js 21611/99 sichergestellt und später wieder an den Angeklagten herausgegeben worden waren. Der Angeklagte hielt es mit Blick auf die von ihm in den 90er Jahren mit den Laborgeräten durchgeführten Forschungsarbeiten zumindest für möglich, dass es sich bei dem kristallinen Einschuss um Metamfetamin-Hydrochlorid handeln könnte. Dies nahm er billigend in Kauf, weil er sich vor dem Hintergrund seiner gesundheitlichen Probleme infolge der Prostata-Karzinom-Operation und der Strahlenbehandlung, vor allem seiner Potenz- und Rückenprobleme, von dem Konsum der Substanz Entspannung und eine Potenzsteigerung versprach. Zudem erkannte der Angeklagte, dass es sich von der Menge der aufgefundenen Substanz her gesehen um eine nicht geringe Menge Metamfetamin-Hydrochlorid handeln würde. Nachdem der Angeklagte die kristalline Masse in Wasser gelöst, vorsichtig erwärmt, in kleinere Messbecher umgefüllt und eine Schmelzpunktbestimmung durchgeführt hatte, probierte er die Substanz, indem er eine Probe erwärmte und mittels eines Glasröhrchens inhalierte. Die Wirkung empfand er, wie erhofft, als „angenehm, blutdruck- und sinnsteigernd und vor allem [...] erektionsfördernd“, woraufhin er den Konsum noch mehrfach wiederholte, die Substanz in Klemmtütchen verpackte und im Schlafzimmer seines Wohnhauses deponierte. Sechs Klemmtüten mit Metamfetamin-Hydrochlorid verwahrte der Angeklagte in einem Schrank neben der Matratze, drei Klemmtüten mit dem Betäubungsmittel versteckte er im Bezug einer auf dem Bett liegenden Nackenrolle.

20

Am 13. Mai 2009 fand auf der Grundlage zweier Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hannover vom 5. Februar 2009 und des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 1. April 2009 jeweils wegen des Verdachts von Straftaten nach § 184b StGB (Verbreitung und Besitz kinderpornografischer Schriften) eine Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten, A. 64, in L. statt. Anlässlich dieser Durchsuchung wurde kinderpornografisches Material auf DVD´s sichergestellt. An dieser Ermittlungsmaßnahme nahmen wegen der Größe des zu durchsuchenden Objekts außer der beim Polizeikommissariat Osterholz für Kinderpornografie zuständigen Polizeibeamtin, KHK´in F. als Leiterin, und den für die Spurensicherung zuständigen Beamten, KTA St. und KOK´in A., noch KHK N. aus dem Betrugsdezernat, PK´in z.A. L. als Praktikantin, Frau W. von der Gemeinde L. als Zeugin sowie zwei Beamte aus dem Betäubungsmitteldezernat des Polizeikommissariats Osterholz, nämlich die Zeugen KK´in A. und KOK S., teil. Das Grundstück des Angeklagten hat eine Größe von etwa 600 bis 700 m 2 . Auf dem Grundstück befinden sich neben dem Wohnaus mit ca. 240 m 2 Wohnfläche und einer Doppelgarage mit Dachboden noch ein kleiner Schuppen und ein Pavillonhäuschen. Die beiden Beamten aus dem Betäubungsmitteldezernat des Polizeikommissariats Osterholz waren von der Zeugin KHK´in F. routinemäßig gefragt worden, ob sie an der Durchsuchung teilnehmen würden, weil wegen der Größe des zu durchsuchenden Objekts noch die Unterstützung weiterer Beamter benötigt wurde und zudem Vorerkenntnisse bezüglich des Angeklagten aus dem Betäubungsmittelbereich vorlagen. Ein Chemiker war bei der Durchsuchung nicht hinzugezogen worden. Auch war vor der Durchsuchung nicht beim Landeskriminalamt Niedersachsen nachgefragt worden, wie im Falle eines Auffindens von Chemikalien zu verfahren sein würde. Bei der Durchsuchung wurden sodann im Keller des Wohnhauses und auf dem Dachboden der Doppelgarage die dort von dem Angeklagten gelagerten Laborutensilien und Chemikalien aufgefunden. Nach Rücksprache mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen wurden diese Gegenstände zunächst dort belassen. Sie wurden erst bei einer zweiten Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten am 20. Mai 2009, die auf der Grundlage eines am 18. Mai 2009 vom Amtsgericht Verden (Aller) erlassenen Durchsuchungsbeschlusses erfolgte, sichergestellt. Außer den Laborutensilien und Chemikalien wurden bei der ersten Durchsuchung am 13. Mai 2009 von der Zeugin KOK´in A. im Obergeschoss des Wohnhauses im dortigen Schlafbereich insgesamt 9 Klemmtüten mit einer weißen Substanz aufgefunden, deren Inhalt bei einem so genannten ESA-Schnelltest positiv auf Amphetamine getestet wurde. 6 der 9 Klemmtüten befanden sich in einem Schrank neben der Matratze. Drei Klemmtüten waren in dem Bezug einer dort befindlichen Nackenrolle versteckt. Zudem wurden im Schlafbereich zahlreiche zurechtgeschnittene Streifen Alufolie aufgefunden, die offenkundig dazu dienten, den aufgefundenen Stoff zu erhitzen und zu inhalieren.

21

Die nähere Analyse der aufgefundenen Substanz durch den Sachverständigen Dr. H., Diplom-Chemiker, Landeskriminalamt Niedersachsen, Hannover, ergab, dass es sich bei der aufgefundenen Substanz um ein Metamfetamin-Hydrochlorid-Gemisch mit einem Reinheitsgehalt von 99,5 % handelte. Nach Trocknung ergab sich ein Gesamtgewicht des Gemisches von 915,8 g, woraus sich ein Metamfetamin-Hydrochlorid-Anteil von 911 g errechnet. Umgerechnet (im Wege einer Division durch den Faktor 1,2446) ergibt dies gerundet eine Menge von 731,96 g Metamfetaminbase. Im Wege einer ergänzenden gutachterlichen Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. D., Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, Bundeskriminalamt, Wiesbaden, wurde festgestellt, dass es sich bei der aufgefundenen Substanz stereochemisch um sogenanntes Metamfetaminracemat ( = (RS)-Metamfetamin = (RS)-(Methyl) (1-phenylpropan-2-yl)azan ) und nicht um eines der reinen Enantiomere des Metamfetamins (d.h. Metamfetamin (= (2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin) oder Levmetamfetamin (= (R)-(Methyl) ( 1-phenylpropan-2-yl)azan )) handelt, wobei in dem Racemat die beiden Enantiomere zu gleichen Teilen vertreten sind.

IV.

1.

22

Die Feststellungen der Kammer zur Person sowie zu den erweiterten persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben, insbesondere auf der vom Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Erklärung des Angeklagten zur Sache vom 1. Dezember 2009 (Anlage 1 zum Hauptverhandlungsprotokoll), deren inhaltliche Richtigkeit der Angeklagte auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat und die er sich als die Seine zu eigen gemacht hat, sowie auf der vom Angeklagten selbst in der Hauptverhandlung verlesenen schriftlichen Erklärung zu seinen persönlichen Verhältnissen vom 5. Januar 2010 (Anlage 2 zum Hauptverhandlungsprotokoll). Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung seine Biografie, die Situation in seinem Elternhaus, seine derzeitigen familiären Verhältnisse, seine gegenwärtige berufliche und finanzielle Lebenssituation, seinen schulischen, akademischen und beruflichen Werdegang, seine Interessenschwerpunkte, sein Konsumverhalten bezüglich Alkohol und Betäubungsmitteln sowie die seinem Konsumverhalten zugrunde liegenden Wertvorstellungen und seine Erkrankung an einem Prostatakarzinom mit den sich daraus ergebenden Folgen (Operation, Strahlentherapie, bakterielle Wirbelsäulenentzündung als Folgeerkrankung, Komplikationen wie Harninkontinenz und erektile Dysfunktion) im Wesentlichen so geschildert, wie von der Kammer festgestellt. Die Angaben des Angeklagten zu den von ihm angemeldeten Gewerben werden durch den Inhalt der in der Hauptverhandlung verlesenen Auszüge aus der Betriebekartei der Gemeinde L. vom 8. Oktober 2008 (Bl. 69 Bd. I d. HA) und 19. Mai 2009 (Bl. 29 Bd. I d. HA) bestätigt. Die Feststellungen der Kammer zum Gesundheitszustand des Angeklagten beruhen zudem auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen, glaubhaften Attest des Dr. med. A. A., dem langjährigen Hausarzt des Angeklagten, der die bei dem Angeklagten bestehenden Erkrankungen, deren Behandlung und die Krankheitsfolgen detailliert, schlüssig und nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit den Angaben des Angeklagten im Wesentlichen so beschrieben hat wie von der Kammer festgestellt (vgl. Anlage 3 zum Hauptverhandlungsprotokoll). Die Feststellungen der Kammer zu den Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf dem in der Hauptverhandlung verlesenen Bundeszentralregister-Auszug bezüglich des Angeklagten vom 18. September 2009. Das Urteil des Landgerichts Verden vom 10. November 1998 (Az.: KLs 2 Js 1329/98 (1-26/98), Bl. 157 ff. Bd. I d. HA) wurde in der Hauptverhandlung auszugsweise, u.a. zu den dortigen Feststellungen zur Sache (vgl. Ziff. II. des Urteils), verlesen.

2.

23

a) Die Feststellungen der Kammer zu den gegen den Angeklagten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bremen, Az.: 540 Js 21611/99, ergriffenen Maßnahmen, d.h. zu der Sicherstellung und dem weiteren Verbleib der am 29. November 1999 im damaligen Wohnhaus des Angeklagten, S. 1 in L., sichergestellten Laboreinrichtung sowie zur weiteren Verwahrung der Laboreinrichtung nach ihrer Rückgabe an den Angeklagten bis zu ihrer Einlagerung unter dessen neuer Wohnanschrift A. 64 in L. beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten, den glaubhaften Angaben der Zeugin KK´in A. sowie auf dem in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Inhalt der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bremen. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, dass er im Juli 1999 seine Haftstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Verden vom 10. November 1998 angetreten habe. Vor seiner Haftzeit habe er sämtliche in seinem Labor befindliche und von ihm synthetisierte Substanzen vernichtet sowie installiertes Laborgerät abgebaut und verstaut. Das Laborzubehör und die Laborräume seien jedoch für dritte Personen - das Haus S. 1 sei damals von mehreren Parteien bewohnt worden - offen zugänglich gewesen. Im November 1999, also während seiner Haftzeit, habe die Staatsanwaltschaft Bremen eine Hausdurchsuchung durchgeführt, in deren Rahmen diverse Laborgegenstände sichergestellt und anschließend kriminaltechnisch untersucht worden seien. Dabei sei u.a. an verschiedenen Glasgeräten Metamfetamin als Hydrochlorid nachgewiesen worden. Nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts seien die umfangreichen Laborutensilien, die zunächst sichergestellt worden waren, ihm, dem Angeklagten, nach seiner Haftentlassung wieder ausgehändigt worden.

24

Diese Einlassung des Angeklagten wird von den jeweils durch Verlesen in die Hauptverhandlung eingeführten Bestandteilen der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Bremen, Az. 540 Js 21611/99, bestätigt. Das Amtsgericht Bremen hat durch Beschluss vom 25. November 1999 die Durchsuchung der damaligen Wohnung des Angeklagten, S. 1 in L., angeordnet (Bl. 18 f. SH StA Bremen 540 Js 21611/99). Ausweislich des polizeilichen Sicherstellungsprotokolls vom 29. November 1999 (Bl. 24 f. SH) wurden bei der Durchsuchung des damaligen Wohnhauses des Angeklagten am selben Tage u.a. diverse Kisten mit nicht im Einzelnen aufgelisteten Glasteilen sichergestellt. Der Sachverständige Dr. M., Landeskriminalamt Bremen, Kriminaltechnik/Chemie, hat hierzu in seinem Behördengutachten vom 1. Dezember 1999 (Bl. 29 SH) vermerkt, dass die in Plastikklappkisten verpackten und auf der Ladepritsche eines Lastwagens, der sich in einer Garage des Polizeipräsidiums Bremen befunden habe, abgestellten sichergestellten Laborglasgeräte von ihm lediglich stichprobenartig in Augenschein genommen und nicht weiter untersucht worden seien. Dem weiteren Behördengutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 14 Februar 2000 (Bl. 35 f. SH) ist zu entnehmen, dass bei der Untersuchung einiger anderer Asservate aus dem Chemielabor im damaligen Wohnhaus des Angeklagten Metamfetamin in der Form des Hydrochlorids nachgewiesen werden konnte (dort Ziff. 1., 2., 3., 6., 7., 9., 10., 11. und 12.).

25

Aus den in der Hauptverhandlung mit Zustimmung des Angeklagten, seines Verteidigers und des Vertreters der Staatsanwaltschaft jeweils auf der Grundlage eines Beschlusses der Kammer gem. § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO verlesenen Vermerken und Verfügungen des Staatsanwalts Dr. P., Staatsanwaltschaft Bremen, vom 7. Dezember 1999 (Bl. 31 SH), 21. Dezember 1999 (Bl. 32 SH) und 13. Januar 2000 (Bl. 33 SH) sowie aus dem Vermerk des KK F., Polizei Bremen, vom 22. Februar 2000 (Bl. 37 SH) ergibt sich weiter, dass die im damaligen Wohnhaus des Angeklagten sichergestellten Glasteile zu Ziff. 34 bis 40 und 47 des Sicherstellungsprotokolls vom 29. November 1999 - die Ziff. 47 ist darin nicht explizit aufgeführt; gemeint ist aber zweifelsohne die Gesamtheit der nach Ziff. 46 im Protokoll aufgeführten Asservate - im Hinblick auf die beabsichtigte Einstellung des Ermittlungsverfahrens gem. § 170 Abs. 2 StPO wieder an den Angeklagten herausgegeben werden sollten und am 21. Dezember 1999 auch tatsächlich freigegeben wurden, jedoch am 23. Dezember 1999 aufgrund eines durch die Kreissparkasse Osterholz beim Amtsgericht Osterholz-Scharmbeck erwirkten Beschlusses durch den zuständigen Gerichtsvollzieher B. bei der Polizei Bremen gepfändet wurden, was durch den Vermerk des KK F. vom 22. Februar 2000 aktenkundig gemacht wurde. Die Zeugin KK´in A. hat insoweit glaubhaft bekundet, dass die Glasgeräte sodann bei der Firma P. in Osterholz-Scharmbeck gelagert worden seien. Aus dem in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesenen Schriftsatz des Rechtsanwalts K. als Vertreter des von dem Angeklagten beauftragten Rechtsanwalts F. vom 17. September 2001 (Bl. 50 f. SH) ist zu entnehmen, dass der Angeklagte sein eingelagertes Labor nach dessen Freigabe durch die Kreissparkasse Osterholz im September 2001 wieder in Besitz genommen hatte. Ausweislich des in der Hauptverhandlung verlesenen Schreibens der Kreissparkasse Osterholz vom 9. Mai 2001 an den Gerichtsvollzieher B. (Anlage 5 zum Hauptverhandlungsprotokoll) hatte die Kreissparkasse Osterholz zuvor ihren Zwangsvollstreckungsauftrag vom 30. November 1999 zurückgenommen und die Laborgeräte aus der Pfändung freigegeben. Aus alledem ergibt sich, dass zugunsten des Angeklagten davon auszugehen ist, dass er das sichergestellte Metamfetamin-Hydrochlorid anlässlich der Rückgabe der Asservate im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bremen zum Az. 540 Js 21611/99 zurückerhalten hat.

26

b) Die Feststellungen der Kammer zur jahrelangen Einlagerung der an den Angeklagten zurückgegebenen Laborutensilien in dessen Elternhaus in C., zur Rücküberführung des Chemielabors in das neue Wohnhaus des Angeklagten A. 64 in L., zu den insoweit von dem Angeklagten verfolgten Plänen und zur Sichtung und Einlagerung der Laborgegenstände in seinem Wohnhaus beruhen auf der glaubhaften Einlassung des Angeklagten, der den Sachverhalt im Wesentlichen so wie von der Kammer festgestellt geschildert hat. Die diesbezüglichen Angaben des Angeklagten wurden zudem von den Zeugen KK´in A., KHK´in F. und POK S. insoweit bestätigt, als sie jeweils glaubhaft bekundet haben, anlässlich der Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten am 13. Mai 2009 im Keller des Wohnhauses und auf dem Dachboden über der Doppelgarage des Wohnhauses zahllose Laborgegenstände und Chemikalien, teilweise in Transportkisten verpackt, aufgefunden zu haben. Die aufgefundenen Gegenstände und Chemikalien sowie die Auffindesituation werden weiter durch die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder aus dem Bildbericht Bl. 15 ff. SH „Asservate - Durchsuchungsprotokoll - Lichtbilder“ sowie aus den von dem Zeugen KTA S. gefertigten Bildberichten Bl. 1 ff. und 52 ff. SH „Bildbericht Asservate“ dokumentiert.

27

Soweit der Verteidiger in der Hauptverhandlung der Verwertung der Angaben der Zeugen KK´in A., KHK´in F. und POK S. bezüglich des Auffindens der Chemikalien und Laborgeräte im Wohnhaus des Angeklagten anlässlich der Durchsuchung vom 13. Mai 2009 widersprochen hat, kommt es hierauf nicht an, weil der Angeklagte den Sachverhalt geständig eingeräumt hat. Im Übrigen ist dieser Widerspruch auch unbegründet. Ein Verwertungsverbot besteht insoweit nicht. Der Verteidiger macht insofern geltend, dass es sich bei den aufgefundenen Laborgegenständen und Chemikalien (sowie erst recht den aufgefundenen Betäubungsmitteln, s. unten) nicht um „Zufallsfunde“ anlässlich einer wegen des Verdachts des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften durchgeführten Wohnungsdurchsuchung gehandelt habe, sondern dass vielmehr unter dem Vorwand des § 184b StGB bei dem Angeklagten, gegen den bekanntermaßen Vorerkenntnisse wegen Betäubungsmitteldelikten vorgelegen hätten, unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt (§ 105 Abs. 1 Satz 1 StPO, Art. 13 Abs. 2 GG) gezielt nach „Zufallsfunden“ gesucht worden sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme haben sich jedoch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten am 13. Mai 2009 tatsächlich aus anderen Gründen als wegen der Suche nach Beweismitteln betreffend den Tatvorwurf des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften durchgeführt worden wäre.

28

Ausweislich der in der Hauptverhandlung verlesenen Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hannover vom 5. Februar 2009 (Az.: 170 Gs 231/09, StA Hannover 3884 Js 8605/09, Bl. 5 Bd. I d. HA) und des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 1. April 2009 (Az.: 4863 Js 214311/009 - 931 Gs, Bl. 4 Bd. I d. HA) lagen der Durchsuchung vom 13. Mai 2009 zwei richterliche Durchsuchungsanordnungen wegen des Verdachts einer Straftat nach § 184b StGB zugrunde, die ausweislich ihrer Gründe jeweils auch einen konkreten Tatvorwurf und konkrete Verdachtsmomente gegen den Angeklagten enthielten. Nach den übereinstimmenden und deshalb glaubhaften Angaben der polizeilichen Zeugen KK´in A., KOK´in A., KHK´in F., KHK N., POK S. und KTA S. wurde die Durchsuchung von der für Sexualdelikte zuständigen Dezernentin, Frau KHK´in F., geleitet. Tatsächlich ist bei der Durchsuchung nach den glaubhaften Angaben der Zeugin KHK´in F. auch kinderpornografisches Material in Gestalt von DVDs sichergestellt worden. Zwar haben an der Durchsuchung nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen KHK´in F., KK´in A., KOK´in A., POK S., KHK N. und KTA S. auf Seiten der Polizei insgesamt acht Personen mitgewirkt, nämlich außer der Zeugin KHK´in F. als Leiterin die für die Spurensicherung zuständigen Beamten KTA S. und KOK´in A., ferner KHK N. aus dem Betrugsdezernat, KK´in A. und POK S. aus dem Betäubungsmitteldezernat sowie PK´in z. A. L. als Praktikantin und Frau W. von der Gemeinde L. als Zeugin. Aus der bloßen Anzahl der beteiligten Personen lässt sich jedoch nicht die Schlussfolgerung ziehen, dass die Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten anderen Zielen als der Auffindung von Kinderpornografie gedient habe. Angesichts der Größe des zu durchsuchenden Objekts - die diesbezüglichen Feststellungen der Kammer beruhen auf den detaillierten und glaubhaften Angaben des Angeklagten - erscheint die Anzahl der eingesetzten Beamten nicht als unangemessen, zumal, wie bereits ausgeführt, es sich bei einer der beteiligten Personen um eine Praktikantin und bei einer weiteren um eine Zeugin von der Gemeinde L. handelte. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass an der Durchsuchung zwei Beamte aus dem Betäubungsmitteldezernat des Polizeikommissariats Osterholz beteiligt waren. Die Zeugen KHK´in F., KK´in A. und KHK N. haben insoweit übereinstimmend und deshalb glaubhaft ausgeführt, dass es angesichts der personellen Ausstattung des vergleichsweise kleinen Polizeikommissariats Osterholz dem dort üblichen Vorgehen entspreche, dass bei einer größeren Durchsuchung auch Polizeibeamte aus anderen Dezernaten, sofern diese zeitlich frei seien, hinzugezogen würden. Dies wird vorliegend auch durch den Umstand bestätigt, dass nicht nur zwei Beamte aus dem Betäubungsmitteldezernat, sondern mit dem Zeugen KHK N. auch ein Beamter aus dem Betrugsdezernat an der Durchsuchung mitgewirkt haben. Die Zeugin KHK´in F. hat ihrem eigenen glaubhaften Bekunden zufolge die Zeugen KK´in A. und POK S. aus dem Betäubungsmitteldezernat neben anderen Beamten lediglich deshalb angesprochen, weil im Bereich des Polizeikommissariats Osterholz aus den Ende der 90er Jahre gegen den Angeklagten geführten Ermittlungsverfahren naturgemäß bekannt war, dass bei ihm Vorerkenntnisse wegen Betäubungsmitteldelikten bestanden, sodass man für Eventualitäten gewappnet sein wollte. Nach den übereinstimmenden und glaubhaften Angaben der Zeugen KK´in F. und POK S. war an der Durchsuchung jedoch kein Chemiker beteiligt, was nahe gelegen hätte, wenn gezielt nach Chemikalien, Betäubungsmitteln und deren Vorläufersubstanzen gesucht worden wäre. Auch haben die beiden Zeugen übereinstimmend bekundet, dass im Vorfeld der Durchsuchung keine Rücksprache mit der zuständigen Abteilung des Landeskriminalamts Niedersachsen darüber genommen worden sei, wie im Falle eines Auffindens von Chemikalien verfahren werden sollte. Nach den übereinstimmenden und deshalb glaubhaften Angaben der Zeugen KK´in A. und POK S. wurde vielmehr erst nach dem Auffinden der Chemikalien diesbezüglich Kontakt mit dem Landeskriminalamt Niedersachsen aufgenommen, woraufhin die Entscheidung getroffen worden sei, die Chemikalien und Laborgegenstände (mit Ausnahme der im Schlafzimmerbereich aufgefundenen Betäubungsmittel, s. unten) zunächst in dem Wohnhaus an ihrem Auffindeort zu belassen.

29

c) Die Feststellungen der Kammer zu dem Auffinden des Rundkolbens mit dem kristallinen Einschluss durch den Angeklagten, dessen Sicherstellung und Wiederherausgabe an den Angeklagten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bremen zum Az.: 540 Js 21611/99, zu der von dem Angeklagten bezüglich der kristallinen Masse durchgeführten Schmelzpunktbestimmung, zu dem Konsum der Substanz durch den Angeklagten und den von ihm dabei verspürten Empfindungen sowie zu dem Motiv des Angeklagten, durch den Konsum der Substanz seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Folge der Prostataoperation und Strahlenbehandlung zu mildern, Entspannung zu finden und eine Potenzsteigerung zu erreichen, beruhen auf der insoweit glaubhaften Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, der den Sachverhalt diesbezüglich im Wesentlichen so geschildert hat wie von der Kammer festgestellt. Die Einlassung des Angeklagten, dass der Rundkolben mit dem kristallinen Einschluss sich unter den von der Staatsanwaltschaft Bremen im Ermittlungsverfahren 540 Js 21611/99 am 29. November 1999 in seinem damaligen Wohnhaus sichergestellten Laborgerätschaften befunden habe und ihm im Jahr 2001 im Zuge der Rückgabe der Laborutensilien wieder ausgehändigt worden sei, wobei er diese Masse nicht selbst hergestellt habe, sondern sie von dritten Personen stammen müsse, die während seiner Haftzeit ohne sein Wissen sein Labor benutzt hätten, lässt sich aufgrund der von der Kammer getroffenen Feststellungen zu dem Verbleib der Glasgeräte des Angeklagten in den Jahren 1999 bis 2001 nicht widerlegen (s. vorstehend zu a)).

30

d) Soweit sich der Angeklagte jedoch weiter dahingehend eingelassen hat, dass er sich aufgrund der von ihm durchgeführten Schmelzpunktbestimmung bezüglich der kristallinen Masse, die einen Schmelzpunkt von 140 bis 145 °C ergeben habe, sicher gewesen sei, dass es sich dabei nicht um Metamfetamin, das einen Schmelzpunkt von 170 bis 175 °C aufweise, gehandelt habe, sondern vielmehr geglaubt habe, dass es sich bei der Substanz um ein Hydrochloridsalz eines Cyclopentens handeln würde, das als Seitenkette eine in Iso-Stellung N-ethylierte Propylgruppe aufweise, weil ihm aus seinen Studien Ende der 90er Jahre bekannt gewesen sei, dass es ungesättigte Cyclopenten-Methyl/Ethyl-Aminopropane gebe, deren Schmelzpunkte bei etwa 140 °C lägen und deren physiologische Wirkung hinsichtlich einer libidinösen Steigerung der Durchblutung und der genitalen Blutversorgung dem Metamfetamin ähnlich sei, und dass er deshalb davon überzeugt gewesen sei, dass es sich bei der vorliegenden Masse nicht um einen den Beschränkungen des Betäubungsmittelgesetzes unterliegenden Stoff handeln würde, ist diese Einlassung zur sicheren Überzeugung der Kammer als Schutzbehauptung anzusehen. Die Kammer ist vielmehr davon überzeugt, dass es der Angeklagte zumindest für möglich gehalten hat, dass es sich bei der von ihm aufgefundenen Substanz um Metamfetamin-Hydrochlorid handeln könnte, und dass er diese Möglichkeit sodann billigend in Kauf nahm, um die mit einem Konsum von Metamfetamin verbundenen, von ihm als positiv empfundenen Auswirkungen auf seine Potenz und sein körperliches Wohlbefinden im Allgemeinen genießen zu können.

31

Zwar kann dem Angeklagten nicht widerlegt werden, dass er zum Zeitpunkt der von ihm vorgenommenen Schmelzpunktbestimmung keine Kenntnis davon hatte, dass der Schmelzpunkt von Metamfetamin in Abhängigkeit davon variiert, ob es sich um ein reines Enantiomer (dann 170 bis 175 °C) oder aber um ein Racemat (dann 131 bis 135 °C, nach anderen Quellen auch 137 oder 140 °C) handelt, weil sich die allgemein zugänglichen Quellen im wissenschaftlichen Schrifttum fast ausnahmslos auf das reine S-Enantiomer des Metamfetamins beziehen und den Schmelzpunkt dementsprechend mit 170 bis 175 °C angeben, während sich Hinweise auf den niedrigeren Schmelzpunkt des Racemats nur in ganz entlegenen Quellen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts finden lassen, von denen der Angeklagte erst im Rahmen der laufenden Hauptverhandlung im vorliegenden Strafverfahren Kenntnis erlangt haben will. Die Angaben des Angeklagten zu den unterschiedlichen Schmelzpunkten und den diesbezüglichen Literaturquellen sind von dem Sachverständigen Dr. D., Bundeskriminalamt, glaubhaft bestätigt worden. Der Sachverständige Dr. D. hat insoweit für die Kammer nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass sich das wissenschaftliche Schrifttum, zumal in Deutschland, aus historischen Gründen fast ausschließlich mit dem reinen S-Enantiomer des Metamfetamins ((2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin) beschäftige, weil nur dieses industriell hergestellt werde und die anderen Formen des Metamfetamins deshalb jedenfalls in der Vergangenheit auf dem Markt nicht anzutreffen gewesen sei. Auch unterstellt es die Kammer in Übereinstimmung mit der Einlassung des Angeklagten als wahr, dass es Cyclopentene mit den von dem Angeklagten beschriebenen Wirkungen gibt, deren Schmelzpunkt bei etwa 140 °C liegt. Dennoch steht mit Blick auf die Auffindesituation des Metamfetamin-Gemischs in dem Wohnhaus des Angeklagten und auf das Aussageverhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung zur sicheren Überzeugung der Kammer fest, dass der Angeklagte jedenfalls Eventualvorsatz dahingehend hatte, dass es sich bei der von ihm in den Rundkolben aufgefundenen kristallinen Substanz um Metamfetamin handelte:

32

aa) Die Feststellungen der Kammer dazu, dass anlässlich der Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten am 13. Mai 2009 insgesamt neun Klemmtüten mit einer weißen Substanz gefunden worden waren, von denen sich sechs in einem Schrank neben der Matratze im Schlafbereich des Wohnhauses befanden und drei Klemmtüten in dem Bezug einer ebendort befindlichen Nackenrolle versteckt waren, beruhen auf den übereinstimmenden und deshalb glaubhaften Angaben der Zeuginnen KK´in A. und KOK´in A., die den Sachverhalt so geschildert haben wie von der Kammer festgestellt. Die Angaben der Zeuginnen werden zudem von den Lichtbildern Bl. 20 ff. aus dem Bildbericht Bl. 15 ff. SH „Asservate - Durchsuchungsprotokolle - Lichtbilder“ bestätigt, die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurden und die Auffindesituation dokumentieren. Die Angaben der Zeuginnen sind aus den vorstehend zu b) erörterten Gründen auch nicht unverwertbar. Hierauf kommt es indes letztlich nicht an, weil der Angeklagte den Sachverhalt in der Hauptverhandlung in objektiver Hinsicht eingeräumt hat.

33

Die Kammer ist auch zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte zumindest bedingt vorsätzlich handelte. Soweit der Angeklagte sich diesbezüglich dahingehend eingelassen hat, dass er die drei Klemmbeutel in den Bezug der Nackenrolle gesteckt habe, weil er nicht gewollt habe, dass Besucher, die in den offenen Schlafbereich seines Wohnhauses hätten gelangen können, die Klemmtüten mit der weißen Substanz hätten sehen können, weil er - zumal im Hinblick auf seine frühere Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten - kein „Gerede“ hätte provozieren wollen, und dass er bei alledem nicht gewusst habe, dass es sich bei der kristallinen Substanz um etwas Verbotenes handeln würde, ist dieses Vorbringen nicht nachvollziehbar und deshalb nicht glaubhaft. Hätte der Angeklagte die Klemmtüten lediglich dem Blick möglicher Besucher entziehen wollen, so hätte er sie beispielsweise in einer Dose in einem Schrank ablegen können. Dass er dies nicht getan hat, sondern sie vielmehr teilweise in dem Bezug einer Nackenrolle versteckt hat, zeigt, dass sich der Angeklagte sehr wohl der Tatsache bewusst war, dass er etwas Verbotenes tat und deshalb etwas zu verbergen hatte. Die Kammer hält es für eine bloße theoretische, nicht ernstlich in Betracht kommende Möglichkeit, dass der Angeklagte für ein nicht unter das Betäubungsmittelgesetz fallendes Hydrochloridsalz eines Cyclopentens, das als Seitenkette eine in Iso-Stellung N-ethylierte Propylgruppe aufweist, ein derartiges Versteck ausgesucht hätte. Nachvollziehbare Gründe hierfür sind nicht ersichtlich. Ein solcher Grund liegt insbesondere auch nicht darin, dass sich der Angeklagte dahingehend eingelassen hat, dass er die drei Klemmbeutel in den Bezug der Nackenrolle gesteckt habe, weil er nicht gewollt habe, dass Besucher, die in den offenen Schlafbereich seines Wohnhauses hätten gelangen können, die Klemmtüten mit der weißen Substanz hätten sehen können, weil er - zumal im Hinblick auf seine frühere Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten - kein „Gerede“ hätte provozieren wollen. Da der Angeklagte das Versteck seiner Einlassung zufolge gerade aus dem Grund ausgesucht hat, um kein Gerede im Hinblick auf seine frühere Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten zu provozieren, ist der sichere Schluss dahingehend zu ziehen, dass er sich bei dem Verstecken Gedanken darüber gemacht hat, dass es sich bei der weißen Substanz um eine dem Betäubungsmittelgesetz unterfallende Substanz handelt. Das Verstecken ist ein sicheres Indiz dafür, dass der Angeklagte es billigend in Kauf genommen hat, dass es sich bei der versteckten Substanz um ein Betäubungsmittel handelte. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Angeklagte eine Substanz, von der er annimmt, es sei kein Betäubungsmittel, in der Art und Weise wie erfolgt in einer Nackenrolle versteckt, um kein Gerede wegen seiner früheren Verurteilung wegen Betäubungsmitteldelikten zu provozieren. Im Übrigen hatte der Angeklagte die Wirkung der von ihm im Wege des Inhalierens des beim Erhitzen der Masse entstehenden weißen Dampfes konsumierten Substanz seinen Angaben zufolge „angenehm, blutdruck- und sinnsteigernd und [...] erektionsfördernd“ empfunden. Wenn er jedoch eine euphorisierende Wirkung verspürt hat, so ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte in Ermangelung weiterer von ihm durchgeführter Untersuchungen, um welche Substanz es sich denn nun genau handeln könnte, und angesichts seiner Kenntnisse aus seiner Amfetaminderivate betreffenden Forschungstätigkeit in den 90er Jahren jedenfalls mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass es sich um eine unter die Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes fallende Substanz, insbesondere auch um Metamfetamin, handeln könnte und dies sodann billigend in Kauf genommen hat.

34

bb) Soweit sich der Angeklagte in der von ihm im Hauptverhandlungstermin vom 18. März 2010 verlesenen schriftlichen „2. Erklärung zur Sache“ dahingehend eingelassen hat, dass er konkret gedacht habe, es würde sich bei der kristallinen Masse aus dem Rundkolben um das Hydrochloridsalz eines Cyclopentens handeln, das als Seitenkette eine in Iso-Stellung N-ethylierte Propylgruppe aufweisen würde, und das nicht den Beschränkungen des Betäubungsmittelgesetzes unterliegen würde, ist diese Einlassung im Hinblick auf das Aussageverhalten des Angeklagten nicht glaubhaft. Noch in seiner ersten Erklärung zur Sache im ersten Hauptverhandlungstermin am 1. Dezember 2009 hatte der Angeklagte zwar in Übereinstimmung mit seiner späteren zweiten Erklärung angegeben, dass er nicht davon ausgegangen sei, dass es sich bei der von ihm gefundenen Substanz um Metamfetamin handeln könnte. Abweichend von seiner zweiten Erklärung hatte sich der Angeklagte jedoch damals einer konkreten Benennung der Substanz, um die es sich nach seiner Vorstellung zum Tatzeitpunkt bei der von ihm aufgefundenen kristallinen Masse sodann vermeintlich gehandelt haben sollte, enthalten. Die in seiner zweiten Erklärung am Ende der Beweisaufnahme „nachgeschobene“ Erklärung, er sei von einem nicht den Bestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes unterfallenden Cyclopenten ausgegangen, ist insoweit nicht konsistent und erscheint als den von dem Angeklagten in der Beweisaufnahme während der laufenden Hauptverhandlung gewonnenen neuen Erkenntnissen angepasst. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte sich bereits in einem früheren Verfahrensstadium, insbesondere im Rahmen der ersten verlesenen schriftlichen Einlassung, und nicht erst im Rahmen seiner erst am 18. März 2010 verlesenen Erklärung dahingehend eingelassen hätte, dass er geglaubt habe, bei der sichergestellten Substanz habe es sich um das Hydrochloridsalz eines Cyclopentens, das als Seitenkette eine in Iso-Stellung N-ethylierte Propylgruppe aufweist, gehandelt. Die Kammer hatte die Beweisaufnahme bereits am 10. März 2010 geschlossen und ist am 18. März 2010 wieder in die Beweisaufnahme eingetreten, welche im Wesentlichen aus der erwähnten verlesenen Erklärung bestand. Die Kammer hält es für eine bloße theoretische, ernstlich nicht in Betracht kommende Möglichkeit, dass der Angeklagte diese für ihn hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes günstige Tatsache, wenn sie der Wahrheit entsprechen sollte, über die Dauer von acht Hauptverhandlungstagen hinweg verschweigt und erst nach bereits erfolgter Schließung der Beweisaufnahme und nach erneutem Eintritt in die Beweisaufnahme benennt. Die Kammer verkennt hierbei nicht, dass ein Angeklagter im Strafverfahren sich zu jedem Zeitpunkt der Hauptverhandlung einlassen kann. Die Strafprozessordnung sieht jedoch als Regel in § 244 Abs. 1 StPO vor, dass die Vernehmung des Angeklagten vor der Beweisaufnahme erfolgt. Eine später der Beweisaufnahme angepasste Einlassung, zumal wie hier in einem zentralen Punkt wie dem subjektiven Tatbestand, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Kammer gemäß § 261 StPO.

35

e) Die Feststellungen der Kammer zum Gewicht der bei dem Angeklagten anlässlich der Durchsuchung seines Wohnhauses am 13. Mai 2009 in den Klemmbeuteln sichergestellten Substanz, zu der Bestimmung dieser Substanz als Metamfetamin-Hydrochlorid-Gemisch, zu dessen Reinheitsgehalt und dem daraus errechneten Metamfetamin-Hydrochlorid-Anteil beruhen auf den schlüssigen und nachvollziehbaren diesbezüglichen gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. H., Diplom-Chemiker, Landeskriminalamt Niedersachsen, die sich die Kammer nach kritischer Würdigung zu eigen gemacht hat. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass er die ihm übergebenen Asservate durch Ausbreiten unter einem Abzug für 5 Tage getrocknet und im Anschluss das Gewicht bestimmt habe. Er habe sodann die Substanz gaschromatografisch-massenspektrometisch als Metamfetamin identifiziert und festgestellt, dass es sich um Metamfetamin-Hydrochlorid mit einem Reinheitsgehalt von 99,5 %, mithin reinstes Metamfetamin-Hydrochlorid, gehandelt habe. Aus dem Metamfetamin-Hydrochlorid-Anteil des vorliegenden Gemisches von 911,00 g hat die Kammer sodann durch Division mit dem Faktor 1,2446 (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 2008, Az. 2 StR 86/08, Rdnr. 4) das Gewicht des Metamfetaminbase-Anteils mit gerundet 731,96 g errechnet. Die Feststellungen der Kammer dahingehend, dass es sich bei dem vorliegenden Metamfetamin bei stereochemischer Betrachtung nicht um ein reines Enantiomer des Metamfetamins, sondern vielmehr um Metamfetaminracemat handelt, in dem die beiden Enantiomere zu jeweils gleichen Teilen vorhanden sind, hat die Kammer auf der Grundlage der schlüssigen und überzeugenden ergänzenden gutachterlichen Feststellungen des weiteren Sachverständigen Dr. D., Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, Kriminaltechnisches Institut des Bundeskriminalamts, Wiesbaden, getroffen, denen sich die Kammer nach kritischer Würdigung vollumfänglich angeschlossen hat. Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, dass er die stereochemische Form des ihm vorliegenden Metamfetamin-Hydrochlorid-Gemisches in sämtlichen ihm vorgelegten elf Proben mit der Methode der Kapillarelektrophorese als Metamfetaminracemat bestimmt habe. Dieses Ergebnis sei durch eine ergänzend durchgeführte Schmelzpunktbestimmung bestätigt worden, da hierbei ein Wert ermittelt worden sei, der innerhalb des Schmelzpunktbereichs des Metamfetaminracemats von 131 bis 135 °C gelegen habe.

36

f) Angesichts des Gesamtgewichts des bei dem Angeklagten sichergestellten Metamfetamin-Hydrochlorid-Gemisches von (nach Trocknung) 915,58 g steht zur sicheren Überzeugung der Kammer ferner fest, dass der Angeklagte zumindest mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass die Menge der in seinem Besitz stehenden Substanz als mögliches Metamfetamin den Grenzwert für eine nicht geringe Menge um ein Vielfaches übersteigen würde, und dass er auch diese Möglichkeit sodann billigend in Kauf genommen hat.

V.

37

Durch die vorstehend zu Ziff. III. beschriebene Tat hat sich der Angeklagte wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1, 29a Abs. 1 Nr. 2 Alt. 4 BtMG i. V. m. Anl. II zu § 1 Abs. 1 BtMG) strafbar gemacht.

1.

38

a) Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG führt als verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel sowohl das Metamfetamin (= (2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin) als auch das (RS)-Metamfetamin (= Metamfetaminracemat = ( RS)-(Methyl) (1-phenylpropan-2-yl)azan ) und - wenngleich nicht unter der Bezeichnung nach den Standards der International Nonproprietary Names (INN), sondern nur unter seinem Trivialnamen und dem chemischen Namen (IUPAC) - das Levmetamfetamin (= Levometamfetamin = (R)-(Methyl) ( 1-phenylpropan-2-yl)azan ) auf. Der Besitz von Metamfetamin ist folglich unabhängig davon strafbar, ob es sich bei stereochemischer Betrachtung um eines der reinen Enantiomere („S“ oder „R“) oder aber um das Racemat - d.h. um ein Gemisch beider Enantiomere - handelt.

39

b) Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 3. Dezember 2008 (Az.: 2 StR 86/08) den Grenzwert für das Vorliegen einer nicht geringen Menge von Metamfetamin auf 5 g Metamfetaminbase - dies entspricht 6,2 g Metamfetamin-Hydrochlorid - festgesetzt (vgl. Rdnrn. 14 ff.). Nach diesem Maßstab überschreitet die bei dem Angeklagten aufgefundene Menge Metamfetaminbase (731,96 g) den Grenzwert für die nicht geringe Menge um das 146,392-fache. Die vorgenannte Entscheidung des Bundesgerichtshofs bezieht sich allerdings ihrem ausdrücklichen Wortlaut zufolge lediglich auf das „Metamfetamin [chemische Bezeichnung: (2S)-N-Methyl-1-phenylpropan-2-amin]“ (vgl. Rdnr. 7). Hierbei handelt es sich stereochemisch um das reine S-Enantiomer, also die optisch „rechtsdrehende“ Form des Metamfetamins. Das R-Enantiomer des Metamfetamins ( Levmetamfetamin ), also dessen optisch „linksdrehende“ Form, und das Metamfetaminracemat finden hingegen in der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine Erwähnung. Die Kammer hatte daher in der Hauptverhandlung der Frage nachzugehen, ob der von dem Bundesgerichtshof im Hinblick auf das S-Enantiomer des Metamfetamins entwickelte Grenzwert für eine nicht geringe Menge von 5 g Metamfetaminbase (d.h. 6,2 g Metamfetamin-Hydrochlorid) unverändert auch für das Racemat (und das R-Enantiomer) übernommen werden kann. Zu den wissenschaftlichen Grundlagen dieser Rechtsfrage hat die Kammer sodann durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben und den Sachverständigen Dr. D., Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie, Kriminaltechnisches Institut des Bundeskriminalamtes, Wiesbaden, gehört.

40

aa) Der Sachverständige hat insoweit die Auffassung vertreten, dass eine Differenzierung des Grenzwertes für die nicht geringe Menge von Metamfetamin in Abhängigkeit davon, ob dessen S-Enantiomer, dessen R-Enantiomer oder aber das Metamfetaminracemat vorliege, dem besonderen Gefährdungspotenzial, wie es von allen drei stereochemischen Formen des Metamfetamins ausgehe, nicht gerecht werden würde.

41

(1) Der Sachverständige hat schlüssig, nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass weltweit aus dem historischen Grunde, dass die legale industrielle Herstellung von Metamfetamin stets aus Ephedrin oder Pseudo-Ephedrin erfolgt sei und noch erfolge, wobei jeweils nur das reine S-Enantiomer des Metamfetamins entstehe, klinische Studien zur toxikologischen Wirksamkeit des Metamfetamins fast ausschließlich nur anhand des S-Enantiomers durchgeführt worden seien. In der wissenschaftlichen Literatur gebe es, soweit ersichtlich, lediglich eine Studie, die sich mit dem Levmetamfetamin , also dem R-Enantiomer des Metamfetamins, beschäftige, das, soweit bekannt, nur in einem einzigen, in den USA erhältlichen Arzneimittelpräparat verwendet werde. Dieser Studie zufolge sei die Wirksamkeit des Levmetamfetamins gegenüber dem reinen S-Enantiomer des Metamfetamins um 1/3 bis 1/4 vermindert, was damit erklärt werden könne, dass das S-Enantiomer in höherem Maße als das Levmetamfetamin dazu in der Lage sei, an die für die Wirksamkeit der Substanz maßgeblichen Rezeptoren im Gehirn „anzudocken“. Das S-Enantiomer wirke daher stärker auf das Zentralnervensystem, was jedoch zu einem Teil wieder dadurch ausgeglichen werde, dass das Levmetamfetamin im Gegenzug in stärkerem Maße als das S-Enantiomer des Metamfetamins auf das periphär-sympathische Nervensystem wirke, weil es über Rezeptoren beispielsweise in Herz und Nieren aufgenommen werden könne. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich der Wirksamkeit und Toxizität speziell des Metamfetaminracemats, das bei dem Angeklagten aufgefunden wurde, gebe es nicht. Ob dessen Wirksamkeit durch eine rein rechnerische Addition der Wirksamkeit der beiden im Metamfetaminracemat zu jeweils 50 % vertretenen Enantiomere ermittelt werden könne, sei fraglich. Das vorhandene Wissen über die besonderen Struktur-Wirkungs-Beziehungen der beiden Enantiomere des Metamfetamins erlaube es jedoch, die Wirksamkeit des Metamfetaminracemats auf etwa 80 % des reinen S-Enantiomers zu schätzen. Jedenfalls sei die Wirksamkeit des Racemats mit deutlich mehr als 50 % des reinen S-Enantiomers anzugeben.

42

(2) Hiervon ausgehend sei für die Einschätzung der Gefährlichkeit des Metamfetaminracemats zu bedenken, dass bei einem missbräuchlichen Konsum von Metamfetamin gleich welcher stereochemischen Form die therapeutisch wirksame Dosis stets um ein Vielfaches - d. h. mindestens den Faktor 10 - pro Konsumeinheit überstiegen werde. Bei einer derart hohen Überdosierung spiele es im Ergebnis praktisch keine Rolle mehr, ob die in der einzelnen Konsumeinheit vorhandene Substanz eine Wirksamkeit von 100 % (wie beim reinen S-Enantiomer), 80 % - wie beim Metamfetaminracemat - oder auch „nur“ 66 bis 75 % - wie beim Levmetamfetamin - aufweise. In jedem Falle werde hier die Grenze zur Risikodosis bei Weitem überschritten. Die besondere Gefährlichkeit des Konsums aller stereochemischen Formen des Metamfetamins liege dabei darin, dass ein lineares Muster erhöhter Wirksamkeit in Abhängigkeit von der konsumierten Dosis nicht existiere. Dies liege zum Einen daran, dass die konkreten Auswirkungen des Metamfetaminkonsums im Einzelfall nicht nur von der aufgenommenen Menge der Substanz, sondern auch von in der Person des Konsumenten selbst („Set“) und seinem Umfeld („Setting“) liegenden und mithin einzelfallspezifischen Faktoren abhänge. Zum Anderen könne es zu unkalkulierbaren „Überschussreaktionen“ kommen, wenn nämlich - zumal bei einem Konsum von Metamfetaminracemat - die Rezeptoren des Zentralnervensystems gesättigt seien und die überschüssigen Wirkstoffmengen im Körper sodann auf das peripher-sympathische Nervensystem einwirken würden. Die konkreten Auswirkungen des Metamfetaminkonsums im Einzelfall seien daher schwer vorhersehbar. Die Gefahren des Konsums lägen dabei noch nicht einmal so sehr in der akuten Intoxikation (und den damit möglicherweise einhergehenden Komplikationen wie zum Beispiel einer Hyperthermie), sondern vielmehr in den Langzeitfolgen wie etwa einer unumkehrbaren Schädigung der Nervenstränge und der Verursachung von Depressionen. Dies wiege umso schwerer, als dass Metamfetamin gerade auch von Jugendlichen konsumiert werde. Das Metamfetaminracemat (und auch das Levmetamfetamin ) weise daher im Ergebnis und unabhängig von der konkreten Konsumform (oral, intravenös oder durch Inhalation) ein ebenso großes Gefahrenpotenzial auf wie das reine S-Enantiomer des Metamfetamins.

43

bb) Die vorgenannten, schlüssigen und nachvollziehbaren gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. D. hat sich die Kammer nach kritischer Würdigung vollumfänglich zu eigen gemacht. Die Kammer legt daher den Grenzwert für eine nicht geringe Menge von Metamfetaminracemat - Selbiges hätte für das vorliegend nicht entscheidungserhebliche Levmetamfetamin zu gelten - in Übereinstimmung mit der Empfehlung des Sachverständigen auf 5 g von dessen Base (entspricht 6,2 g von dessen Hydrochlorid) fest. Dabei hat sich die Kammer über die obigen Feststellungen zur Wirkungsweise und Toxikologie aller drei stereochemischen Formen des Metamfetamins hinaus auch von der Überlegung leiten lassen, dass nach den glaubhaften Angaben des Sachverständigen in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig sowohl auf der Anbieter- als auch auf der Konsumentenseite kein getrennter Schwarzmarkt für eines der beiden reinen Enantiomere des Metamfetamins oder aber für das Metamfetaminracemat existiert. Weder weiß daher der Konsument, welche stereochemische Form des Metamfetamins er erwirbt, noch werden die verschiedenen Formen zu unterschiedlichen Preisen gehandelt. Dies stützt nach Auffassung der Kammer den von dem Sachverständigen theoretisch begründeten Befund, dass beim missbräuchlichen Metamfetaminkonsum angesichts der hohen Überdosierung des Metamfetamins in der einzelnen Konsumeinheit, durch die die therapeutisch wirksame Dosis um ein Vielfaches überschritten wird, von den Endverbrauchern auch die Wirkung des Metamfetamingenusses unabhängig von der konkret konsumierten stereochemischen Form als gleich empfunden wird.

2.

44

Soweit der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung dahingehend eingelassen hat, dass die von ihm in dem Rundkolben aufgefundene kristalline Substanz nur deshalb sein Interesse geweckt habe und er diese Substanz sodann nur deshalb wiederholt konsumiert habe, weil für ihn die angesichts seiner Erektionsprobleme an sich medizinisch angezeigte regelmäßige Einnahme von Viagra oder einem vergleichbaren Medikament aus finanziellen Gründen - die Krankenkasse habe eine Übernahme der Kosten abgelehnt - nicht realisierbar sei, vermag dies den Besitz des Metamfetaminracemats durch den Angeklagten weder zu rechtfertigen noch zu entschuldigen.

VI.

1.

45

§ 29a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sieht für den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 1 Jahr bis zu 15 Jahren (vgl. § 38 Abs. 2 StGB) vor.

46

Eine Milderung dieses Strafrahmens gem. §§ 21, 49 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und Nr. 3 StGB auf einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 11 Jahren 3 Monaten kam nicht in Betracht, weil keine Anknüpfungstatsachen dafür erkennbar sind, dass der Angeklagte die Tat im Zustand der erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB begangen haben könnte. Der Angeklagte hat in seiner Einlassung glaubhaft bestritten, betäubungsmittelabhängig - insbesondere metamfetaminabhängig - zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass diese Einlassung unzutreffend sein könnte, oder dass der Angeklagte sonst an einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, einem Schwachsinn oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit leiden könnte, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben.

47

Unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles war indes ein minder schwerer Fall des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nach § 29a Abs. 2 BtMG anzunehmen, sodass sich der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren mildert. Ein „minder schwerer Fall“ ist gegeben, wenn der konkrete Einzelfall nach Art und Umständen der Tat und der Persönlichkeit des Täters deutlich „nach unten“ vom Durchschnittsfall abweicht. Insoweit war vorliegend zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen, dass er das bei ihm sichergestellte Metamfetamin nur für den Eigenbedarf besessen hat, um durch dessen Konsum die schwerwiegenden, sein Wohlbefinden erheblich beeinträchtigenden gesundheitlichen Folgen der Prostatakarzinomoperation und der nachfolgenden Strahlentherapie, insbesondere seine Harninkontinenz bei körperlicher Anstrengung und psychischer Belastung sowie seine erektile Dysfunktion, zu lindern. Auch besteht im vorliegenden Fall die den Schuldvorwurf mildernde Besonderheit, dass dem Angeklagten nicht zu widerlegen ist, dass er den Rundkolben mit dem kristallinen, nicht von ihm selbst hergestellten Einschluss nach dessen Sicherstellung in dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Bremen zum Az. 540 Js 21611/99 von dort wieder zurückerhalten hat (s. vorstehend zu Ziff. IV. 2. a)). Dass der Angeklagte durch das Urteil des Landgerichts Verden vom 10. November 1998 wegen Betäubungsmitteldelikten einschlägig vorbestraft und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden war, und dass durch die Menge des bei dem Angeklagten sichergestellten Metamfetamins die „nicht geringe Menge“ Metamfetaminbase um das 146,32-fache überschritten wurde, vermag innerhalb der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung von Tat und Täter gegenüber den hier gegebenen besonderen, den Schuldvorwurf mildernden Faktoren einen „minder schweren Fall“ nicht auszuschließen, sodass ein solcher anzunehmen war.

2.

48

Bei der konkreten Strafzumessung innerhalb des wie vorstehend bestimmten Strafrahmens von Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass dieser das objektive Tatgeschehen in der Hauptverhandlung von Anfang an geständig eingeräumt hat. Zudem hat der Angeklagte mit der vierten Tatbestandsalternative des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG (Besitz) die im Vergleich zu den anderen Tatbestandsalternativen der Norm (Handeltreiben, Herstellen oder Abgeben) mildeste Variante verwirklicht. Auch ist der Angeklagte angesichts seines vergleichsweise hohen Alters und seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen als in besonderem Maße strafempfindlich anzusehen. Ferner kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Angeklagte das Metamfetamin nur für den Eigenbedarf zum Zwecke der „Selbstmedikamentation“ seiner schwer wiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen infolge seiner Prostatakarzinomerkrankung besessen hat, und dass der Rundkolben mit dem Metamfetamineinschluss dem Angeklagten nach dessen nicht zu widerlegender Einlassung von der Staatsanwaltschaft Bremen wieder ausgehändigt worden war. Gegen den Angeklagten spricht demgegenüber, dass er einschlägig wegen Betäubungsmitteldelikten - einem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande in fünf Fällen - vorbestraft ist und wegen dieser Delikte durch das Urteil des Landgerichts Verden vom 10. November 1998 zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, die er sodann auch teilweise verbüßt hat. Allerdings darf andererseits auch nicht verkannt werden, dass diese Verurteilung zum Tatzeitpunkt mehr als zehn Jahre zurück lag. Gegen den Angeklagten spricht schließlich weiter, dass er vorliegend den Grenzwert für den Besitz einer „nicht geringen Menge“ von Metamfetaminbase um das 146,329-fache - also um ein Vielfaches - überschritten hat. Unter nochmaliger Würdigung aller für und gegen den Angeklagten sprechender tat- und schuldrelevanter Strafzumessungsgesichtpunkte hat die Kammer daher auf eine tat- und schuldangemessene

49

Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten

50

erkannt.

VII.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1 Satz 1 StPO.

 


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