Urteil vom Landgericht Wuppertal - I-9 U 100/13
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertals vom 18.04.2013 teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Beklagte den Kläger über den Betrag von 5.000,00 € hinaus wegen weitergehender Aufwendungen zu entschädigen hat, die zur Sanierung der auf dem Schadensereignis vom 25. – 29.10.2006 beruhenden Schäden des Gebäudes H… in 4… M… erforderlich sind, welche nicht in dem Gutachten des Sachverständigen G… vom 19.05.2008 aufgeführt sind.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten der ersten Instanz werden zu 72 % dem Kläger und zu 28 % der Beklagten auferlegt. Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Streithelferin hat der Kläger zu 72 % zu tragen, im Übrigen zu 28 % diese selbst.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 36 % und dem Kläger zu 64 % auferlegt, der auch die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 64 % trägt. Im Übrigen trägt die Streitverkündete diese zu36 % selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Wuppertal |
Verkündet am 18.07.2014 L…, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
3IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4In dem Rechtsstreit
5pp.
6hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 02.06.2014 durch die Richterin am Oberlandesgericht Dr. S…, den Richter am Oberlandesgericht R… und die Richterin am Oberlandesgericht V…
7für R e c h t erkannt:
8Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertals vom 18.04.2013 teilweise abgeändert:
9Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.01.2010 zu zahlen.
10Es wird festgestellt, dass der Beklagte den Kläger über den Betrag von 5.000,00 € hinaus wegen weitergehender Aufwendungen zu entschädigen hat, die zur Sanierung der auf dem Schadensereignis vom 25. – 29.10.2006 beruhenden Schäden des Gebäudes H… in 4… M… erforderlich sind, welche nicht in dem Gutachten des Sachverständigen G… vom 19.05.2008 aufgeführt sind.
11Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
12Die Kosten der ersten Instanz werden zu 72 % dem Kläger und zu 28 % der Beklagten auferlegt. Die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Streithelferin hat der Kläger zu 72 % zu tragen, im Übrigen zu 28 % diese selbst.
13Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Beklagten zu 36 % und dem Kläger zu 64 % auferlegt, der auch die außergerichtlichen Kosten der Streithelferin zu 64 % trägt. Im Übrigen trägt die Streitverkündete diese zu36 % selbst.
14Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
15Die Revision wird nicht zugelassen.
16Gründe:
17Die nach Rücknahme des Rechtsmittels durch die Streithelferin verbleibende Berufung des Beklagten ist zulässig, führt jedoch nur teilweise zum Erfolg.
181.
19Der Beklagte ist dem Kläger gegenüber aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog i. H. v. 5.000 € ersatzpflichtig. Ein weitergehender Zahlungsanspruch steht dem Kläger nicht zu.
20Der verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 S. 2 BGB besteht nach gefestigter Rechtsprechung regelmäßig dann, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Nutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müssen, der betroffene Eigentümer jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist, solche Störungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden, und die dadurch entstehenden Nachteile das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten (vgl. BGH NJW 1984, 2207, 2208 m. w. N.). Der Ausgleichsanspruch ist dabei nicht auf die Folgen der Zuführung unwägbarer Stoffe beschränkt, sondern hat auch andere Störungen, insbesondere Beschädigungen wegen einer unzulässigen Vertiefung (§ 909 BGB) oder Erschütterungen zum Gegenstand. Die Voraussetzungen eines solchen Ausgleichsanspruchs sind hier erfüllt.
21a.
22Der Ersatzanspruch kommt auch in Fällen sog. faktischer Duldung zur Anwendung, wenn der Eigentümer eines Grundstückes wesentliche Beeinträchtigungen beispielsweise durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück deshalb hinnehmen muss, weil ihm eine rechtzeitige Abwehr dieser Beeinträchtigung unverschuldet nicht möglich ist (OLG Frankfurt MDR 2010, 22). Vorliegend sind die Beschädigungen durch Risse im Mauerwerk an Wänden bzw. Bodenfliesen eine wesentliche, nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks. Die Erdbohrarbeiten auf dem Gelände des Beklagten-Grundstücks, welche vorliegend bis zu 100 m in die Tiefe gingen und die Erdsenkung auf dem dortigen Grundstück hervorriefen, stellen eine vom anderen Nachbargrundstück stammende Einwirkung dar. Diese konnte der Kläger aufgrund der fehlenden Vorhersehbarkeit nicht rechtzeitig abwehren.
23b.
24Die Beeinträchtigungen auf dem klägerischen Grundstück rühren, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, von den Tiefbauarbeiten auf dem Beklagten-Grundstück her und bilden die Ursache für die Schäden des Klägers.
25Zwar konnte der Kläger den Vollbeweis für die Verursachung der Risse durch die vom Beklagten veranlassten Arbeiten nicht führen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil verwiesen. Zu Recht hat das Landgericht jedoch die Grundsätze des Anscheinsbeweises, der den fehlenden Kausalzusammenhang vermuten lässt, für anwendbar gehalten. Der gewohnheitsrechtlich anerkannte Beweis des ersten Anscheins erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs ohne exakte Tatsachengrundlage auf der Grundlage von Erfahrungssätzen. Er setzt einen typischen Geschehensablauf voraus, der in den Fällen angenommen werden kann, in denen ein bestimmter Tatbestand nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (BGH NJW 2010, 1072, 1073 Tz. 8 m. w. N.). Typizität bedeutet in diesem Zusammenhang allerdings nur, dass der Kausalverlauf so häufig vorkommen muss, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH a.a.O.). Steht das zur Herbeiführung des Schadens geeignete Verhalten des in Anspruch Genommenen fest und ist der entstandene Schaden eine typische Folge eines solchen Verhaltens, greift zunächst der Anscheinsbeweis und es ist Sache des in Anspruch genommenen, den Anschein durch die Behauptung und den Beweis konkreter Tatsachen zu entkräften. Bereits bei der Bestimmung des typischen Lebenssachverhalts muss allerdings mit einbezogen werden, ob für andere Ursachen als die, die der Geschädigte vorgetragen hat, keine Anhaltspunkte bestehen. Dann, wenn bei einem bestimmten Erfolg für eine Ursache feste Anhaltspunkte bestehen, die diese Ursache als möglich erscheinen lassen, während für andere infrage kommende Ursachen solche Anhaltspunkte tatsächlicher Art völlig fehlen, spricht der Beweis des ersten Anscheins für die erste Ursache (BGH a.a.O. Tz. 13). Genau ein solcher Fall liegt hier vor.
26Unstreitig sind auf dem Grundstück des Beklagten Bohrungen von bis zu 100 m Tiefe für die Installation von Sonden für eine Erdwärmepumpe zur Beheizung seines Hauses durchgeführt worden. Der Ort der streitgegenständlichen Bohrung lag auf der vom Haus des Klägers abgewandten Seite des Hauses Nr. …, dort im Bereich der Zufahrt zur angebauten Garage (Bohrung B 1). Dabei setzte die vom Beklagten eingesetzte Firma G… K… GmbH in Anbetracht der örtlich vorherrschenden Bodenverhältnisse jedoch ein ungeeignetes Bohrverfahren ein, insbesondere fehlte es bei der Bohrung an einer ausreichenden voreilenden Stützung des Bohrlochs, was die Gefahr eines unkontrollierten Austrags von Bohrgut und damit die Gefahr des Entzugs größerer Bodenmassen bewirkte. Dies führte daher am 29.10.2006 (Antragsschrift, BL. 3 der BA 7 OH 15/07), dem letzten Tag der Arbeiten, unmittelbar zu starken Setzungen im Bereich der Pflasterung vor der Garage bis zu 1 m Tiefe, zugleich stellten sich erhebliche Rissbildungen im Klinker und an Trennfugen der Doppelhaushälfte des Beklagten ein. Die Schäden, insbesondere die Rissbildungen im Hause des Beklagten verstärkten sich, insbesondere konnte wenige Tage später festgestellt werden, dass die Hausanschlussleitung abgerissen war und sich die Setzungen am Haus offensichtlich weiter fortsetzten (Zustandsfeststellung des Diplom-Ingenieurs G… vom 10.11.2006, BA 7 OH 15/07 BL. 13 - 33). Das Absacken des Erdreichs im Bereich der Garage und die sich anschließenden nicht unerheblichen Setzungen unterhalb der Doppelhaushälfte des Beklagten lassen es als allgemein geeignet erscheinen, den bei der Doppelhaushälfte des Klägers eingetretenen Schaden in Form von Rissbildungen, die sich im Gegensatz zum Haus des Beklagten deutlich schwächer ausbildeten, hervorzurufen. Dabei muss zu Grunde gelegt werden, dass die beiden Doppelhaushälften - zwar getrennt von einer Trennfuge- aber naturgemäß unmittelbar nebeneinander liegen und auf einer durchgehenden, gemeinsamen Betonbodenplatte aufgestellt sind. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass bei einem solchen Schadensereignis die räumliche Nähe der beiden Häuser und insbesondere die gemeinsame Verbindung über die Bodenplatte dazu führen können, dass Setzungen und Ausschwemmungen in dem unter der Bodenplatte befindlichen Bodengrund zu Spannungsumlagerungen im Untergrund und zu – wenn auch abgeschwächten – Rissbildungen im Nachbarhaus des Klägers führen können. Dieser Zusammenhang wird deshalb sehr wahrscheinlich, da es keinen erkennbaren anderen Grund gibt, der die plötzlichen Rissbildungen im Hause des Klägers, die ebenso am und im Doppelhaus des Beklagten, zwar zeitlich früher, aber in paralleler Art und Weise aufgetreten sind, erklärbar macht. Insoweit besteht zwischen der Erdbohrung als möglicher Schadensursache und den Rissbildungen im Wohngebäude des Klägers auch ein enger zeitlicher Zusammenhang. Der Kläger hatte – nach der persönlichen Vernehmung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2013 (BL. 324 d. A.) inzwischen unstreitig - dem Beklagten bereits zwei Wochen nach den fehlerhaft vorgenommenen Erdbohrungen erstmalig mitgeteilt, dass sich auch in seinem Wohnhaus nunmehr Risse zeigten, die sich fortlaufend ausbreiteten. Ein Zeitraum von zwei Wochen stellt noch eine enge zeitliche Verbindung zum Schadensereignis her, da Spannungsprobleme im Rahmen der Gebäudestatik, hier infolge der Bodenauflockerungen, erst mit zeitlicher Verzögerung zu sichtbaren Auswirkungen in Form von Rissen im Mauerwerk führen können. Entscheidend für die Annahme eines typischen Lebenssachverhaltes spricht jedoch das Fehlen von vernünftigen Anhaltspunkten für andere Ursachen. Zwar hat der Beklagte alternative Schadensursachen vorgetragen. Es fehlt jedoch an hinreichenden Anknüpfungstatsachen, diese ernsthaft in Betracht zu ziehen oder gar als wahrscheinlich anzusehen.
27Soweit der Beklagte Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück H… im Jahre 1991 als Alternativursache angibt, ist kein nachvollziehbarer Grund erkennbar, warum ein Geschehnis, welches im Jahre 1991 zu einem völlig anderen Schadensbild, nämlich einem alleinigen Abkippen der klägerischen Garage nach links bewirkt und durch Auffüllung der Fundamente zur Schadensbeseitigung geführt hat, nach einer Zeitspanne von 15 Jahren ohne hinzutretende weitere Gründe zu einem völlig anderen Schadensbild, nämlich zu einer Rissbildung im daneben liegenden Haus und Keller des klägerischen Doppelhauses hätte führen sollen. Dies führt der Beklagte selbst auch nicht aus.
28Soweit der Beklagte alterungsbedingte Setzrisse als Ursache anführt, kann auch diese vermutete Ursache nicht mit tatsächlichen Anknüpfungstatsachen untermauert werden. Hierzu hat der Sachverständige Prof. Dr. P… in seinem Gutachten vom 21.05.2010 ausgeführt, dass die von ihm durchgeführte Baugrunderkundung ergeben habe, dass der Baugrund, der überwiegend aus gewachsenen feinsandigen Grobschluffen von steifer bis halbfester Konsistenz bestehe, eine ausreichende Tragfähigkeit für die Bebauung mit Gebäuden (BA 1 OH 39/10 BL. 263 unten) aufweise. Der vom Sachverständigen festgestellte tiefe Grundwasserstand wurde dabei ebenso für die nachteilige Beeinträchtigung auf Setzungen nicht für maßgeblich gehalten (Gutachten vom 21.05.2010, BL. 261 BA 1 OH 39/10 BL. 261). Soweit die Fertigteilgarage von Rissen betroffen ist, sind nach Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P… diese auf eine geringe Lagerungsdichte und die Zusammensetzung der Arbeitsraumverfüllung, in der die Garage gegründet ist, zurückzuführen (BA 1 OH 39/10 BL. 264). Damit konnten alterungsbedingte Setzungsrisse für diesen Bereich schon nicht untermauert werden. Die in den Beweissicherungsverfahren eingeholten Gutachten enthalten ebenso keinerlei Anknüpfungspunkte für die genannte Alternativursache. Zwar werden vom Sachverständigen Prof. Dr. P… in seinem Gutachten vom 21.05.2010 (BA 1 OH 39/10, BL. 264 d. A.) „andere Gründe“ für die Rissschäden im klägerischen Haus erwähnt, allerdings ohne diese näher einzugrenzen. Entscheidend gegen alterungsbedingte Setzrisse spricht aus Sicht des Senats allerdings, dass diese nicht erklären können, warum die unstreitig gewordenen Risse im klägerischen Wohnhaus nebst Keller und Garage nahezu zeitgleich und parallel zum Nachbargrundstück so plötzlich und massiv aufgetreten sind.
29Die eingeholten Gutachten, insbesondere die von Prof. Dr. P… vom 29.02.2012 und Dipl.-Ing. J… vom 12.10.2011 (Anlage hinten), die die Bohrarbeiten auf dem Beklagten-Grundstück und die dadurch entstandenen Schäden am Wohnhaus des Beklagten für die Beeinträchtigungen im Wohnhaus des Klägers nicht verantwortlich sehen, können die Grundlage des Anscheinsbeweises ebenso wenig in Zweifel ziehen. Hierzu hat das Landgericht völlig zutreffend ausgeführt, dass die Berechnungen des Sachverständigen sich auf „idealtypische“ Grundlagen entsprechend den vorliegenden Plänen beziehen, wie z. B. den Umstand, die Trennfuge zwischen den beiden Doppelhaushälften habe zu einer vollständigen Entkopplung der beiden aufstehenden Gebäudeteile geführt. Ob dies tatsächlich der Fall ist oder ob vielmehr eine unerkannte mangelhafte Bauausführung, andere unerkannte Einflüsse atypische Folgen auf die gemeinsame Bodenplatte oder die aufsteigenden Wände des klägerischen Wohngebäudes, welches ausweislich der gutachterlichen Erläuterung von Dipl.-Ing. D… vom 07.09.2010 (BL. 182 f d. A.) wegen des Fehlens einer zweiten Querwand etwas ungünstigere statische Verhältnisse im Treppenbereich als im Nachbarhaus aufweist, haben hervorrufen können, ist nicht rekonstruierbar. Die tatsächlichen Bewegungen der aufsteigenden Gebäudeteile sind weder dokumentiert noch ermittelbar.
30Da der Beklagte den Anscheinsbeweis mit den oben genannten Ausführungen nicht entkräften kann, da es an hinreichenden Anknüpfungstatsachen für eine alternative Ursache fehlt, war hierzu auch nicht dem Antrag des Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Dies gilt auch für seinen Beweisantrag im Schriftsatz vom 14.05.2014, der darauf abzielt, durch den Sachverständigen weitere Alternativursachen ermitteln zu lassen. Davon abgesehen, dass dieser Beweisantrag nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt und daher gemäß §§ 530, 296 Abs. 1 ZPO verspätet ist, liefe er auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus.
31c.
32(aa)
33Dem Kläger steht im Hinblick auf die in seinem Wohnhaus entstandenen Risseschäden ein Anspruch auf Geldentschädigung in Höhe von 5.000 € zu. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils verwiesen, denen sich der Senat anschließt. Soweit der Beklagte hiergegen anführt, es seien im Rahmen der Bemessung des Entschädigungsanspruchs auch die Kosten für die Entfernung der Raufasertapete als Sowieso-Kosten in Abzug zu bringen, so greift dieser Einwand nicht. Zwar hat der Kläger die turnusmäßigen Schönheitsreparaturen in den letzten Jahren unstreitig nicht durchgeführt. Zu den Schönheitsreparaturen gehört jedoch nicht zwingend die Entfernung alter Tapetenbeläge. Ob dies erforderlich ist, hängt davon ab, wie oft die Anstreicherarbeiten durchgeführt wurden und in welchem Zustand sich die Raufasertapete danach befindet. Auch bei mehrfachem Überstreichen der Raufasertapete kann diese noch in einem erhaltenswerten Zustand sein und ein weiteres Überstreichen mit Farbe rechtfertigen. Dass die Raufaser-Tapete in einem solch schlechten Zustand gewesen sein soll, trägt der Beklagte nicht konkret vor. Davon abgesehen hat der Kläger die Schönheitsreparaturen offensichtlich in nicht zu engen Zeitabständen durchgeführt, so dass ein zu häufiges Anstreichen bereits nicht auf der Hand liegt.
34(bb)
35Dem Kläger steht jedoch ein Anspruch auf Entschädigung wegen eines verbleibenden merkantilen Minderwertes nicht zu. Ein merkantiler Minderwert liegt vor, wenn nach erfolgter Mängelbeseitigung eine verringerte Verwertbarkeit gegeben ist, weil die maßgeblichen Verkehrskreise ein im Vergleich zur vertragsgemäßen Ausführung geringeres Vertrauen in die Qualität des Gebäudes haben (BGH Urteil vom 06.12.2012, VII ZR 84/10 ZfIR 2014, 58, 59). Die Wertminderung ist nur auf das konkrete Objekt bezogen und durch die individuellen Eigenschaften des geschädigten Objektes unter Berücksichtigung der konkreten Schadensursache und der zum Wertermittlungsstichtag herrschenden allgemeinen Marktbedingungen vorzunehmen. Dabei kann das Gericht im Rahmen der freien Überzeugung nach § 287 Abs. 1 ZPO den Minderwert schätzen (BGH a.a.O.). Diese führt hier zu dem Ergebnis, dass nach Sanierung der entstandenen Schäden kein Minderwert des Wohnhauses verbleibt. Erfahrungsgemäß führen nur besonders gravierende Mängel, die auch nach ihrer Beseitigung der Sache als Makel anhaften und in der allgemeinen Verkehrsanschauung weiterhin die Befürchtung eines Folgeschadens aufkommen lassen, zu dauerhaften Wertminderungen. Die auf dem klägerischen Grundstück eingetretenen Einwirkungen haben indes nicht das Ausmaß erreicht, die es für den maßgeblichen Verkehrskreis befürchten lassen, dass Folgeschäden entstehen könnten, zumal seit dem Schadensereignis mehr als sieben Jahre vergangen sind. Dementsprechend führt der zu dieser Sachfrage im Parallelverfahren zum Wohnhaus des Beklagten beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. D… auf Seite 12 seines Gutachtens vom 21.10.2009 (Grauer Anlagenband in Beiakte 7 OH 15/07) grundsätzlich aus, dass ein merkantiler Minderwert dann nicht zu berücksichtigen ist, wenn die Schadensbeseitigungskosten unter 10 % des mangelfreien Gebäudewerts liegen. Dieses Kostenausmaß wird jedoch vorliegend nicht erreicht.
36Zur Ermittlung des möglichen merkantilen Minderwerts sind dabei zuerst die Kosten zu ermitteln, die für die Beseitigung des Schadens aufgebracht werden müssen. Diese liegen mit den obigen Ausführungen bei 5.000 € und ergeben unter Berücksichtigung der noch nicht mit abgegoltenen Aufwendungen für die nicht im Gutachten des Sachverständigen G… vom 19.05.2008 aufgeführten Schäden (vgl. positiven Feststellungsantrag mit einem Streitwert von 5.000 € (bei 1/3 Feststellungsabschlag von den geschätzten Kosten) = 7.500 €) in Höhe von 7.500 € für mögliche weitere Schäden insgesamt eine Schadenssumme von 12.500 €. Der Wert des unbeschädigten Gebäudes des Klägers kann dagegen auch ohne sachverständige Ermittlung auf weit über 200.000 € geschätzt werden (der mangelfreie Gebäudewert der Doppelhaushälfte des Beklagten wurde vom Sachverständigen Dipl.-Ing. D… auf 350.000 € ermittelt). Es bedarf daher insoweit keiner weiteren Klärung durch ein Sachverständigengutachten. Schadensbeseitigungskosten über 10 % des mangelfreien Gebäudewertes lassen sich jedenfalls nicht feststellen.
37Soweit sich der Kläger – wie auch das Landgericht - an der Schätzung des merkantilen Minderwerts beim Grundstück des Beklagten orientiert, liegt der Fall dort gänzlich anders. Der Schaden lag ausweislich des genannten Gutachtens von Dipl.-Ing. D… (Seite 17 seines Gutachtens) bei rund 143.000 € (135.000 + 8000 €) und erreichte damit einen Reparaturaufwand in Höhe von 1/3 des mangelfreien Gebäudewertes (350.000 €). Dies ist mit dem Schadensausmaß beim Kläger nicht zu vergleichen. Eine Sanierung der Bodenverhältnisse unterhalb der Bodenplatte des klägerischen Hauses wurde vom Sachverständigen Dipl.-Ing. G… – anders als beim Beklagtengrundstück – gerade nicht für erforderlich gehalten (1 OH 39/10 Gutachten vom 19.05.2008, BL. 91). Dementsprechend hat dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.11.2008 (1 OH 39/10, BL. 161) auch bestätigt, dass bei ordnungsgemäßer Sanierungsdurchführung beim klägerischen Objekt ein merkantiler Minderwert nicht verbleibe.
382.
39Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
403.
41Soweit sich der Beklagte auch gegen die ausgeurteilte Feststellung zur weiteren Entschädigungspflicht im Hinblick auf die über den Betrag von 5.000 € hinausgehenden Aufwendungen wendet, kann auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts verwiesen werden, denen sich der Senat anschließt. Dass sich ein größeres vorerst nicht abzuschätzendes Schadensausmaß, den der Feststellungstenor gerade abdecken will, allein durch höhere Material- und Lohnkosten ergeben kann, ergibt sich schon daraus, dass der Kläger nach den unwidersprochen gebliebenen Äußerungen im Termin vor dem Senat durch die inzwischen durchgeführten Sanierungsarbeiten Aufwendungen von mehr als 12.500 € hatte.
424.
43Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
44Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt.
45Der Streitwert wird auf 27.500 € (22.500 + 5000) festgesetzt.
46Dr. S… R… V…
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Referenzen
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- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- ZPO § 530 Verspätet vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel 1x
- VII ZR 84/10 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- 1 OH 39/10 6x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 906 Zuführung unwägbarer Stoffe 2x
- Urteil vom Landgericht Wuppertal - 1 O 416/09 1x
- BGB § 909 Vertiefung 1x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
- 7 OH 15/07 3x (nicht zugeordnet)
- 9 U 100/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- ZPO § 101 Kosten einer Nebenintervention 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- BGB § 291 Prozesszinsen 1x
- BGB § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x