Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-12 U 27/14
Tenor
Der Antrag des Beklagten vom 06.05.2014 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger macht einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen den Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der L. Handels-GmbH (Schuldnerin) i.H.v. 30.000 EUR aufgrund von Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geltend. Vorangegangen war ein Prozess vor belgischen Gerichten über die Rückzahlung eines – nach Darstellung des Beklagten von der Schuldnerin im Insolvenzeröffnungsverfahren unter Missachtung eines Verfügungsverbots gezahlten – Betrages von rund 45.000 EUR. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2, Alt. 1 BGB zu, da er einen Betrag in der geltend gemachten Höhe zur Abwendung der Vollstreckung aus dem Urteil des Handelsgerichts Brügge gezahlt habe und der Rechtsgrund hierfür durch die nachfolgende Aufhebung dieses Urteils in der Berufungsinstanz weggefallen sei. Der Beklagte habe nicht wirksam mit Gegenforderungen, insbesondere nicht mit Ansprüchen gemäß §§ 143, 130 Abs. 1 Nr. 2, 134 Abs. 1 InsO aufgerechnet. In Bezug auf eine Deckungsanfechtung habe er schon nicht substantiiert behauptet, dass der Kläger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin oder dem Eröffnungsantrag gehabt habe. Sein Vorbringen zu einer Anfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO sei bereits unschlüssig, da er unter Beweisantritt vorgetragen habe, dass die Schuldnerin aufgrund vertraglicher Beziehungen zum Kläger geleistet habe.
4Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, der seine Angriffe gegen das Urteil des Landgerichts ausdrücklich auf die Feststellungen der Kammer zur Insolvenzanfechtung und zu der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung beschränkt und um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bittet. Er macht geltend, die angefochtene Entscheidung beruhe sowohl auf fehlerhaft festgestellten Tatsachen (§ 529 ZPO) als auch auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO). Das Landgericht habe sich seiner Aufgabe, die Auslegung und die Bestimmung des Vertragspartners anhand der vorliegenden Dokumente (etwa den Rechnungen des Klägers) vorzunehmen, entzogen, indem es seinen Vortrag zu § 134 InsO als unschlüssig angesehen habe. Richtigerweise habe er sich den Vortrag des Klägers zur Frage des Vertragspartners hilfsweise zu Eigen gemacht, woraus sich ein Anspruch aus § 134 InsO ergeben habe, denn in diesem Fall habe die Schuldnerin mit den Zahlungen, die unstreitig aus ihrer Barkasse erfolgt seien, fremde Forderungen getilgt, die nicht werthaltig gewesen seien. Die L. GmbH sei nicht werbend tätig gewesen und ihr hätten deshalb – wie unter Beweis gestellt – jegliche liquiden Mittel gefehlt; sie sei zahlungsunfähig gewesen, weil sie weder die Forderungen des Klägers noch Forderungen des Finanzamts Krefeld über insgesamt 3.985,11 EUR aus Körperschaftssteuer nebst Solidaritätszuschlag für die Veranlagungsjahre seit 2001 habe ausgleichen können. Hätten Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Schuldnerin bestanden, hätte der Kläger die Geldmittel aus deren Barkasse nach dem Eröffnungsantrag und der Anordnung des Zustimmungsvorbehalts erhalten. Im Zeitpunkt der Übergabe habe er Kenntnis des Insolvenzantrags der Schuldnerin gehabt. Ohnehin habe der Kläger wegen des absolut wirkenden Verfügungsverbots gemäß §§ 21 Abs. 1 Z. 2, Alt. 2, 24, 81 f. InsO nicht wirksam Eigentum an dem Bargeld erwerben können. Eine anschließende Vermischung der Barmittel habe einen Bereicherungsanspruch der Insolvenzmasse zur Folge, welcher die erklärte Aufrechnung gegen den Bereicherungsanspruch des Klägers gleichermaßen rechtfertige.
5II.
6Die zulässige Berufung hat in der Sache keine Aussicht auf Erfolg, weshalb dem Beklagten Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen ist (§ 114 Abs. 1 ZPO).
7Dem Kläger steht nach den Feststellungen des Landgerichts gegen den Beklagten wegen der Zahlungen zur Abwendung der Vollstreckung aus dem Urteil des Handelsgerichts Brügge vom 26.10.2006 ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung i.H.v. 30.000 EUR zu (§ 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB). Dies wird vom Beklagten ausdrücklich nicht angegriffen. Die Anwendung der Bereicherungsvorschriften des Bürgerlichen Rechts wird durch § 717 Abs. 2 ZPO nicht ausgeschlossen, sie sind vielmehr nach Abschluss des Rechtsstreits daneben anwendbar (BGH, Urt. v. 26.10.2006 – IX ZR 147/04 = NZI 2007, 740, 742 Tz. 23).
8Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte gegen den Anspruch nicht mit Ansprüchen aus dem Sachverhalt, der Gegenstand der aufgehobenen Entscheidung des Handelsgerichts Brügge war, nämlich den behaupteten Zahlungen von insgesamt 45.420,08 EUR durch die Schuldnerin an den Kläger im Zeitraum vom 03.09.2003 bis 12.09.2003, aufrechnen kann. Dem steht zwar nicht die vom Kläger erhobene Verjährungseinrede entgegen, denn auch im Anwendungsbereich des § 146 Abs. 1 InsO hindert die Verjährung nicht die Aufrechnung des Insolvenzverwalters gegen eine für sich insolvenzbeständige Forderung eines Gläubigers, sofern die Aufrechnungslage schon während des Laufs der Anfechtungsfrist bestanden hat (§ 215 BGB) (vgl. MüKoInsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 146 Rn. 10; Kreft, in: HK-InsO, 6. Aufl., § 146 Rn. 13; Schmidt/Rogge/Leptien, Hamb. Komm. z. Insolvenzrecht, 4. Aufl., § 146 Rn. 7). Die Aufrechnung scheitert indessen daran, dass aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Berufungsgerichts Gent feststeht, dass dem Beklagten aus dem vorgenannten Sachverhalt kein Anspruch gegen den Kläger zusteht.
9Ein Urteil, das eine Leistungsklage abweist, stellt grundsätzlich fest, dass die begehrte Rechtsfolge aus dem Lebenssachverhalt unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hergeleitet werden kann, selbst wenn das Gericht nicht alle in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen geprüft hat (BGH, Urt. v. 18.07.2000 – X ZR 62/98 = NJW 2000, 3492, 3494). Eine ausländische Entscheidung entfaltet im Inland diese Wirkung, wenn sie anerkannt wird (vgl. BeckOK ZPO/Gruber, 14. Ed., § 322 Rn. 6; MüKoZPO/Gottwald, 4. Aufl., § 322 Rn. 35). Die Voraussetzungen der Rechtskraftwirkung eines klageabweisenden Urteils liegen hier vor, denn das Berufungsgericht in Gent hat die seinerzeitige Klage des Beklagten, gerichtet auf Rückzahlung der angeblich von der Schuldnerin gezahlten insgesamt 45.420,08 EUR letztendlich abgewiesen, da der Beklagte schon nicht bewiesen hatte, dass die Zahlungen durch die Schuldnerin erfolgt waren (Bl. 54 ff. GA). Dabei ist dem Urteil des Handelsgerichts Brügge zu entnehmen, dass der Beklagte in jenem Verfahren sowohl die Unwirksamkeit der Zahlungen wegen eines Verstoßes gegen die vom Insolvenzgericht angeordneten Verfügungsbeschränkungen gemäß §§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 24 Abs. 1, 81 InsO, als auch eine Anfechtbarkeit gemäß § 130 InsO geltend gemacht hat. Da das Berufungsgericht Gent den seinerzeitigen Antrag des Beklagten für unbegründet erklärt hat, ist er gehindert, dem Bereicherungsanspruch des Klägers dieselben Ansprüche aus demselben Sachverhalt entgegenzuhalten.
10Das Urteil des Berufungsgerichts Gent ist auch in Deutschland anzuerkennen. Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen richtet sich bei EU-Mitgliedsstaaten nach Art. 25 Abs. 1, Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), soweit Insolvenzanfechtungsklagen betroffen sind. Danach werden Entscheidungen, die unmittelbar aufgrund des Insolvenzverfahrens ergehen oder in engem Zusammenhang damit stehen, ohne weitere Förmlichkeiten anerkannt. Zu den Annexverfahren im Sinne dieser Vorschrift gehören Insolvenzanfechtungsklagen (EuGH, Urt. v. 12.02.2009 - C-339/07 [Deko Marty] = NJW 2009, 2189 f.; MüKoBGB/Kindler, 5. Aufl., Art. 25 EuInsVO Rn. 18). Es spricht einiges dafür, einen derartig engen Zusammenhang auch für die Klage des Insolvenzverwalters wegen der Unwirksamkeit einer Verfügung des Schuldners gemäß §§ 24, 81 InsO anzunehmen. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, da bei Verneinung eines solchen Zusammenhangs die Anerkennung aus Art. 33 Abs. 1 VO (EG) Nr 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVO) folgt (Art. 25 Abs. 2 EuInsVO). Anerkennungshindernisse i.S. von Art. 34, 35 EuGVO bzw. Art. 25 Abs. 3, 26 EuInsVO liegen nicht vor. Insbesondere hat der Beklagte einen Verstoß der Entscheidung gegen den ordre public nicht dargelegt. Soweit er in der Klageerwiderung zur Rechtfertigung der Streitverkündung an seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt C. ausführt, das Berufungsgericht Gent habe „den erforderlichen Beweisantritt“ (für die behaupteten Zahlungen durch die Schuldnerin) „durch Zeugnis des Geschäftsführers L. offenbar nicht feststellen können“ – „sollte das belgische Verfahrensrecht den Zeugenbeweis nicht zulassen, so wäre dies ein Verstoß gegen den ordre public“, fehlt es bereits an konkretem Sachvortrag, dass ein derartiger Beweisantritt in dem Vorprozess erfolgt ist. Das belgische Zivilprozessrecht sieht jedenfalls den Zeugenbeweis in Art. 915 ff. Code Judiciaire (Gerechtelijk Wetboek) grundsätzlich vor, weshalb nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein solcher Beweisantritt, wäre er erfolgt, unberücksichtigt geblieben wäre.
11Ob der Kläger die Anfechtungsvoraussetzungen der §§ 130 Abs. 1 Nr. 2, 134 Abs. 1 InsO schlüssig dargelegt hat, kann danach ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob daneben ein Anspruch des Klägers aus § 717 Abs. 2 ZPO besteht.
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Referenzen
- InsO § 146 Verjährung des Anfechtungsanspruchs 1x
- ZPO § 717 Wirkungen eines aufhebenden oder abändernden Urteils 1x
- X ZR 62/98 1x (nicht zugeordnet)
- 1 VO (EG) Nr 44/20 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 143 Rechtsfolgen 1x
- InsO § 134 Unentgeltliche Leistung 5x
- InsO § 24 Wirkungen der Verfügungsbeschränkungen 1x
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 2x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- ZPO § 546 Begriff der Rechtsverletzung 1x
- InsO § 130 Kongruente Deckung 2x
- IX ZR 147/04 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 81 Verfügungen des Schuldners 1x
- ZPO § 114 Voraussetzungen 1x
- BGB § 215 Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht nach Eintritt der Verjährung 1x