Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - II-7 UF 114/15
Tenor
I.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Teilbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Neuss vom 22.04.2015 wird zurückgewiesen.
II.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt dem Schlussbeschluss des Amtsgerichts vorbehalten.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
IV.
Der Beschwerdewert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller und die Antragsgegnerin heirateten am 01.04.1987. Der Scheidungsantrag wurde am 11.03.2013 zugestellt.
4Die Beteiligten streiten in II. Instanz um die Frage, ob der Antragsteller in der Folgesache Güterrecht Auskunft über sein Vermögen zum 06.11.2013 zu erteilen hat.
5Der Trennungszeitpunkt war zwischen den Beteiligten streitig. Während der Antragsteller die Auffassung vertrat, die Trennung sei bereits am 01.04.2012 erfolgt, hat die Antragsgegnerin vorgetragen, man habe noch bis Dezember 2012 unter der Adresse G. 11 in M. zusammen gelebt. Am 25. Hochzeitstag, dem 01.04.2012, habe es zwar einen Streit gegeben, weil sie zuvor von mehreren Affären des Antragstellers erfahren habe. Danach habe man nicht mehr das Bett miteinander geteilt. Gewirtschaftet habe man aber noch zusammen. Sie habe weiter den Haushalt versorgt, eingekauft und die Wäsche gewaschen.
6Auf die widerstreitenden Feststellunganträge der Beteiligten zum Trennungszeitpunkt hat das Amtsgericht mit Zwischenbeschluss vom 05.11.2014 nach Durchführung einer Beweisaufnahme festgestellt, dass die Trennung der Beteiligten am 05.11.2012 erfolgte.
7In der Sache Güterrecht verlangte die Antragsgegnerin neben Auskunft zum Anfangsvermögen Auskunft zum Trennungszeitpunkt, Auskunft zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages am 11.03.2013 und zusätzlich Auskunft zum 06.11.2013, dem Tag nach Ablauf des Trennungsjahres ausgehend vom festgestellten Trennungstermin 05.11.2012.
8Sie hat vorgetragen, der Antragsteller habe den Scheidungsantrag vom 19.02.2013 rechtsmissbräuchlich vorzeitig eingereicht, um ihr im Rahmen des Zugewinnausgleichs wesentliche Vermögenszuwächse vorenthalten zu können. Deshalb sei für die Auskunft auf den Tag abzustellen, der bei verfahrensrechtlich richtiger Einreichung des Scheidungsantrages nach Ablauf des Trennungsjahres maßgeblich gewesen sei.
9Dem ist der Antragsteller entgegengetreten.
10Mit seinem Teilbeschluss vom 22.04.2015 hat das Amtsgericht den Auskunftsantrag der Antragsgegnerin zum Vermögen des Antragstellers am 06.11.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der für die Erteilung der Auskunft zum Zugewinn maßgebliche Stichtag sei nach § 1384 BGB der 11.03.2013, an dem der Scheidungsantrag der Antragsgegnerin zugestellt worden sei. Eine Modifikation des Auskunftsanspruches sei weder gesetzlich vorgesehen, noch gebe es diesbezüglich einschlägige obergerichtliche Rechtsprechung. Soweit die Frage aufgeworfen werde, werde dazu in der Rechtsprechung ein restriktiver Standpunkt vertreten. Im vorliegenden Fall komme eine Verlegung des Stichtages nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich sei, dass der Antragsteller seinen Scheidungsantrag tatsächlich rechtsmissbräuchlich vorzeitig eingereicht habe. Es fehle deshalb an einem besonderen Ausnahmefall, für den der Bundesgerichtshof eine Modifikation des Stichtags erwogen habe. Zwar habe der Antragsteller eine Trennung am 01.04.2012 nicht beweisen können. Unstreitig habe es jedoch an diesem Tag eine erhebliche Auseinandersetzung gegeben, in deren Folge der Antragsteller davon ausgegangen sei, man lebe seit diesem Zeitpunkt in der Ehewohnung getrennt, so dass er im Februar 2013 die Scheidung eingereicht habe. Diese Bewertung sei auch nicht besonders fernliegend. Ein zu Lasten der Antragsgegnerin treuwidriges Verhalten liege nicht vor. Auch sei nicht ersichtlich, inwieweit der Antragsteller sich davon wirtschaftliche Vorteile habe erhoffen können. Soweit die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 24.02.2014 davon ausgehe, zu einem späteren Stichtag seien zusätzlich sechsstellige Eurobeträge auf den Konten des Antragstellers zu berücksichtigen, erfolge dieser Vortrag ersichtlich ins Blaue, da hierzu jeglicher Sachvortrag fehle.
11Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde und macht geltend, nachteilige Auswirkungen habe der vorzeitige Scheidungsantrag schon im Hinblick auf den Versorgungsausgleich. Der Antragsteller habe im Trennungsjahr ein Bruttoeinkommen von 900.000 € gehabt. Aus Billigkeitsgründen sei hier deshalb der Stichtag zu verändern. Es ergebe sich bereits aus dem Datum des Scheidungsantrages (19.02.2013), der am 11.03.2013 zugestellt worden sei, dass der Antrag aus taktischem Kalkül bewusst vorzeitig gestellt worden sei. Die Unangemessenheit einer vorzeitigen Beendigung der Zugewinngemeinschaft folge daraus, dass der Antragsteller für den Zeitraum nach Zustellung des Scheidungsantrages Gesamtschuldnerausgleichsansprüche ihr gegenüber wegen Sondertilgungsleistungen auf Immobilienkredite in Höhe von über 204.993,73 € geltend mache, die er im Zusammenhang mit der gemeinsam erfolgten Bebauung eines Hausgrundstückes in Heiligenhaus erbracht habe. Stelle man auf den richtigen Bewertungsstichtag - den 06.11.2013 - ab, höben sich vermeintliche Ausgleichsansprüche mit entsprechend höheren Zugewinnausgleichsansprüchen auf ihrer Seite auf. Ihre Zugewinnausgleichsansprüche erhöhten sich um 204.993,73 €.
12Gerade deshalb, weil sie ihren Schaden nicht beziffern könne, sei sie auf den Auskunftsanspruch angewiesen.
13Ein Schaden sei ihr zudem entstanden, weil sie nicht mehr an den aus den Einkünften des Antragstellers erwirtschafteten Vermögenszuwächsen teilhabe.
14Der Anspruch ergebe sich auch aus § 826 BGB.
15Die Antragsgegnerin beantragt,
16den Antragsteller unter Abänderung des Teilbeschlusses des Amtsgerichts Neuss vom 22.04.2015 zu verpflichten, ihr über die zuerkannten Auskunftsansprüche hinaus auch Auskunft zu erteilen über den Bestand seines Vermögens zum 06.11.2013 und die insoweit zu erteilenden Auskünfte durch einzelne Nachweise zu belegen.
17Der Antragsteller beantragt,
18die Beschwerde zurückzuweisen.
19Der Antragsteller verteidigt die Entscheidung des Amtsgerichts. Er verweist darauf, dass weder eine gesetzliche Anspruchsgrundlage bestehe, von dem Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages abweichend Auskunft für einen späteren Zeitpunkt zu erteilen, noch es eine Rechtsprechung gebe, nach der der Stichtag zu verschieben sei. Der Scheidungsantrag sei nicht rechtsmissbräuchlich zu früh gestellt. Für ihn sei immer klar gewesen, dass die eheliche Gemeinschaft nach dem 01.04.2012 aufgehoben gewesen sei. Eine eheliche Gemeinschaft wie zuvor habe es nicht mehr gegeben. Die Antragsgegnerin selbst habe bereits – wie unstreitig ist - im Juli 2012 Anwälte beauftragt, die im Zusammenhang mit der Trennung stehende Fragen hätten klären sollen. Deshalb habe er den Scheidungsantrag kurz vor Ablauf des Trennungsjahres am 19.02.2013 eingereicht, der dann am 11.03.2013 zugestellt worden sei. Taktische Gründe seien nicht ausschlaggebend gewesen. Erst durch das Feststellungsurteil habe sich der Antrag als verfrüht dargestellt.
20Ein Schaden sei der Antragsgegnerin nicht entstanden. Die von ihm ab dem 11.03.2013 bezahlten Rechnungen für den Hausbau in Heiligenhaus über insgesamt 161.978,46 € seien gesamtschuldnerisch auszugleichen. Das gleiche gelte für die Sondertilgungen von 248.000 € auf das Konto bei der …-Bank. Er habe daher einen Anspruch auf Gesamtschuldnerausgleich in Höhe von 204.993,73 € (161.978,46 € + 248.000 € = 409.978,46 € : 2 = 204.993,73 €).
21II.
22A
23Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
24Die Antragsgegnerin hat keinen von den gesetzlichen Regeln abweichenden Auskunftsanspruch zum 06.11.2013, also bezogen auf den Zeitpunkt 1 Jahr nach der Trennung (deren Datum rechtskräftig auf den 05.11.2012 festgestellt wurde).
251.)
26Jeder Ehegatte kann gemäß § 1379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB nach der Einreichung des Scheidungsantrages Auskunft über das Vermögen des anderen verlangen, soweit es für die Berechnung des Anfangs- und Endvermögens von Bedeutung ist. Stichtag für das Endvermögen ist grundsätzlich das Datum der Zustellung des Scheidungsantrages, hier der 11.03.2013, §§ 1375, 1384 BGB. Die Bestimmung der Rechtshängigkeit und damit des Endtermins unterliegt einer generalisierenden, streng formal ausgestalteten Regelung, die um der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit willen die Einzelfallgerechtigkeit vernachlässigt. Von der gesetzlichen Regelung kann daher nur unter besonderen Umständen abgewichen werden, um gleichsam unerträgliche Ergebnisse zu vermeiden.
27Maßgeblich ist der Scheidungsantrag, der zur Scheidung der Ehe führt (führen wird). Dies ist hier der am 11.03.2013 zugestellte Scheidungsantrag, da das Trennungsjahr zwischenzeitlich selbst nach der auf den 05.11.2012 festgestellten Trennung abgelaufen ist und der Antrag nicht zurückgewiesen wurde.
28Zutreffend hat das Amtsgericht deshalb den Antragsteller mit dem Teilbeschluss vom 22.04.2015 verpflichtet, der Antragsgegnerin Auskunft über sein Vermögen zum 11.03.2013 zu erteilen.
292.)
30Anlass dafür, ausnahmsweise daneben einen Auskunftsanspruch zum 06.11.2013 zuzuerkennen, besteht nicht.
31a)
32Der Bundesgerichtshof hat sich in der in FamRZ 1997, 347 veröffentlichten Entscheidung vom 13.11.1996 mit der Frage befasst, ob ein erstinstanzlicher Beschluss, mit dem ein vor Ablauf des Trennungsjahres gestellter Scheidungsantrag abgewiesen worden ist, im Beschwerdeverfahren bestätigt werden muss, wenn in 2. Instanz die Voraussetzungen der Scheidung gemäß § 1565 Abs. 1 BGB eingetreten sind. Dies hat der Bundesgerichtshof abgelehnt. In einem obiter dictum hat er dann unter Bezugnahme auf eine frühere Entscheidung (BGH FamRZ 1986, 335, bei juris Rn. 9) darauf hingewiesen, dass es aus Gründen übergeordneter allgemeiner Rechtsgrundsätze in besonderen Ausnahmefällen gerechtfertigt sein kann, die Stichtage des Gesetzes im Hinblick auf eine verfrühte Antragstellung zu modifizieren (vgl. BGH FamRZ 1997, 347, bei juris Rn. 14;17; so auch BGH FamRZ 2006, 260, bei juris Rn. 7; BGH FamRZ 2004, 1364; OLG Naumburg, FamRZ 2009, 2019, bei juris Rn. 7; siehe auch Wick, Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn. 133: wenn Manipulation bezweckt). Die Entscheidung BGH FamRZ 1986, 335 bezog sich auf ein Zugewinnausgleichsverfahren, in dem die Eheleute nach Zustellung des Scheidungsantrags das Ehescheidungsverfahren übereinstimmend – irrig – als erledigt angesehen und langfristig (6 Jahre) wieder ehelich zusammen gelebt hatten, bevor der Ehemann das Scheidungsverfahren wieder aufgenommen hat. Für diesen Fall wurde es als treuwidrig angesehen, dass sich der ausgleichspflichtige Ehegatte später auf das durch die Zustellung des Scheidungsantrags bestimmte Ehezeitende berief, weil beide Parteien während der jahrelangen Fortführung der ehelichen Lebensgemeinschaft darauf vertraut hatten, dass sie an der nunmehr weiter aufgebauten Alterssicherung gemeinsam teilhaben würden. In Abgrenzung dazu hat der Bundesgerichtshof auf den Stichtag des ersten Scheidungsantrages für den Fall abgestellt, dass das Ehescheidungsverfahren bewusst in der Schwebe gehalten wurde und so die Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft nur als Versuch oder jedenfalls nicht dauerhaft erschien (BGH FamRZ 1986, 335, bei juris Rn. 9).
33Soweit ersichtlich war eine Korrektur des Stichtages für den Versorgungsausgleich allerdings davon abhängig, dass es sich um eine erhebliche zeitliche Verschiebung handeln musste. Insbesondere berührte ein längeres Ruhen des Scheidungsverfahrens den Stichtag nicht (vgl. OLG Hamm, FamRZ 1992,1180; KG NJW-RR 1996, 1090).
34Eine Verschiebung des Stichtages kommt – wie eingangs ausgeführt – allenfalls in besonderen Ausnahmefällen in Betracht, wenn übergeordnete Gesichtspunkte wie Treu und Glauben oder die Sittenwidrigkeit einer verfrühten Antragstellung dies gebieten. Bei der Beantwortung der Frage, wann eine Verschiebung des Stichtages vorzunehmen ist, müssen auch die Regelungen des neu gefassten § 1375 Abs. 2, 3 BGB in die Bewertung einbezogen werden. Danach kommt es zu Hinzurechnungen wegen Verschwendung des Vermögens oder Handlungen in Benachteiligungsabsicht. Diese Fallgestaltungen sind aber letztlich ebenfalls nur Ausprägungen der allgemeinen Grundsätze des § 242 BGB, Treu und Glauben (“illoyales Verhalten“), und der Sittenwidrigkeit, §§ 134, 826 BGB und geben so keinen anderen Maßstab vor, an dem Manipulationen zu messen sind.
35b)
36Hier besteht keine Veranlassung zu einer Verschiebung des Stichtages für die Auskunft nach § 242 BGB. Insbesondere stehen vermeintliche Manipulationsversuche des Antragstellers nicht fest, noch liegen solche nahe. Überdies geht es nur um eine Verschiebung des Stichtages um relativ kurze Zeit. Dies gilt auch, soweit die Antragsgegnerin ihr Auskunftsbegehren auf einen Ersatzanspruch nach § 826 BGB stützt. Ob ein solcher Anspruch überhaupt dem Verbundverfahren unterfällt, bedarf keiner Entscheidung.
37aa)
38Ein Zeitraum von etwa 8 Monaten zwischen dem Datum der tatsächlichen Zustellung des Scheidungsantrages und dem Ablauf des Trennungsjahres, (Trennung hier rechtskräftig festgestellt am 05.11.2012) ist für diese Feststellung allein nicht ausreichend, zumal nicht selten Scheidungsanträge wenige Monate verfrüht gestellt werden, damit unmittelbar im Anschluss an den Ablauf des Trennungsjahres eine Scheidung erfolgen kann. Ein Zeitraum von 8 Monaten ist danach nicht so lang, dass allein wegen dieses Zeitablaufes eine Korrektur des Stichtages erforderlich würde. Es muss hinzu treten, dass mit dem verfrühten Scheidungsantrag subjektiv eine eklatante, nicht hinnehmbare Schlechterstellung des Ehepartners bezweckt wird, etwa weil ein außergewöhnlicher Vermögenszufluss zu erwarten ist, der durch den zu früh gestellten Antrag dem Zugewinnausgleich entzogen werden soll.
39Dies kann im Wege der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller zu Tage getretenen Umstände nicht festgestellt werden. Hier spricht nichts dafür, dass der Antragsteller aus Manipulationsgründen bewusst seinen Scheidungsantrag zu früh einreichte, worauf schon das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat.
40(1)
41Die Frage, ab wann man - im Rechtsinne - getrennt lebt, ist für Rechtslaien nur schwer zu beurteilen. Vorliegend haben sowohl der Antragsteller als auch die Antragsgegnerin – abweichend vom Amtsgericht – ein jeweils anderes Trennungsdatum angenommen. Während der Antragsteller von einer Trennung am 01.04.2012 ausging, hat die Antragsgegnerin in I. Instanz vorgetragen, die Trennung sei erst im Dezember 2012 erfolgt und sich hilfsweise auf eine Trennung am 28.11.2012 berufen.
42Tatsächlich war es am Hochzeitstag der Beteiligten, dem 01.04.2012, zu einem tiefgreifenden Zerwürfnis gekommen, weil der Antragsgegnerin Informationen zugespielt worden waren, die darauf schließen ließen, dass der Antragsteller ehewidrige Beziehungen unterhielt. Dies hatte zu einem derartigen Streit geführt, dass noch am Abend des 01.04.2012 selbst die damals 77-jährige Mutter des Antragstellers von Gelsenkirchen aus nach Meerbusch reiste, und den Versuch unternahm, zu schlichten. Dies deutet darauf hin, wie stark der Streit der Beteiligten an diesem Tag eskaliert sein muss. Die Antragsgegnerin zog aus dem ehelichen Schlafzimmer aus. Die noch fortdauernden Versorgungsleistungen, die dazu führten, dass das Amtsgericht den 05.11.2012 als Trennungstag feststellte, beschränkten sich auf die Säuberung des gesamten Hauses, bei der die Antragsgegnerin der Putzfrau half, und Lebensmitteleinkäufe, auf die der Antragsteller Zugriff hatte, wenn er im Haus weilte. Die Beteiligten verhandelten – jeweils anwaltlich vertreten - im Übrigen schon deutlich vor November 2012 über die Modalitäten der Trennung einschließlich der Vermögensauseinandersetzung und tauschten dazu Schriftsätze aus. So regten die früheren Bevollmächtigten der Antragsgegnerin bereits mit ihrem Bestellungsschriftsatz vom 04.07.2012 eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der im Zusammenhang mit der „anstehende(n) Trennung“ zu erörternden Fragen an und wiesen auf die schwere Krise der Ehe hin. Ziel der Regelung sollte der Abschluss einer Gütertrennungsvereinbarung sein (vgl. ebd.). Mit Schriftsatz vom 07.08.2012 bezifferten sie den Trennungsunterhaltsanspruch und skizzierten eine güterrechtliche Einigung. Abschließend wurde bemerkt, die Angelegenheit sollte im Hinblick auf Kaufinteressenten für die Immobilie G. in M., in der die Eheleute lebten, kurzfristig zum Abschluss gebracht werden. Weitere Vorschläge dazu folgten mit Schriftsatz vom 17.09.2012.
43Unter diesen Umständen spricht es jedenfalls nicht für eine Absicht sittenwidriger Schädigung des Antragstellers, dass er im Scheidungsantrag vortrug, das Trennungsjahr laufe bereits im April 2013 ab. Aus der Laiensphäre betrachtet war die Annahme einer Trennung am 01.04.2012 nicht fernliegend.
44An der Annahme, der Antragsteller sei nicht vorwerfbar davon ausgegangen, die Trennung sei bereits im April 2012 erfolgt, ändern Versöhnungsversuche des Antragstellers, auf die die Antragsgegnerin verweist, nichts. Die Erklärungen in der Geburtstagskarte des Antragstellers an die Antragsgegnerin aus September 2012 :„ Mein Liebling alles alles Liebe zum Geburtstag. Im nächsten Jahr feiern wir dann im neuen Haus! Ich freue mich schon darauf. In Liebe J.“ sind nichts als der Versuch, die Beziehung zu retten, nicht aber Beleg dafür, der Antragsteller sei zu dieser Zeit noch von einer bestehenden Ehe ausgegangen und habe den Scheidungsantrag bewusst zu früh gestellt. Tatsächlich bestand für die Hoffnung, man werde im Jahr 2013 im neuen Haus zusammen feiern, ersichtlich keine tragfähige Grundlage mehr, zumal zeitgleich die Verhandlungen über die Vermögensauseinandersetzungen stattfanden, die bei noch bestehender – wenn auch kriselnder – Ehe eher ungewöhnlich und aus Sicht des Rechtslaien eher den Eindruck zu stützen geeignet sind, man lebe schon getrennt und regele die entsprechenden Modalitäten. So hatte die Antragsgegnerin bereits Trennungsunterhalt verlangt. Versöhnungsversuche sprechen letztlich eher für eine Trennung der Eheleute.
45Reichte der Antragsteller nun den auf den 19.02.2013 datierenden Scheidungsantrag am 21.02.2013 bei dem Amtsgericht Neuss ein, ist dies unschwer mit dessen Wunsch nach frühestmöglicher Scheidung zu vereinbaren und nicht geeignet Zweifel zu wecken, der Antragsteller habe damit den güterrechtlichen Ausgleich zu seinen Gunsten beeinflussen oder die Antragsgegnerin schädigen zu wollen. Bei von ihm angenommener Trennung am 01.04.2012 war die Zustellung des Scheidungsantrages am 11.03.2013 unter Berücksichtigung des weiter zu erwartenden Verfahrensablaufs bis zu einem erhofften baldigen Scheidungsausspruch jedenfalls nicht verfrüht, sondern entsprach durchaus üblicher Vorgehensweise und deutet damit ebenfalls nicht auf einen Versuch hin, den Stichtag zu manipulieren.
46(2)
47Sonst ergibt sich ebenso wenig ein Anhaltspunkt, der es als gerechtfertigt erscheinen ließe, den Stichtag nach § 242 BGB zu verschieben und der Antragsgegnerin eine weitere Auskunft zuzugestehen. Eine bewusste oder gar geplante Minderung des Endvermögens durch „verfrühte“ Stellung des Scheidungsantrages in Benachteiligungsabsicht ist nicht ersichtlich. Die darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegnerin trägt hierzu nicht in genügender Weise vor.
48(a)
49Soweit sie sich darauf beruft, der Antragsteller mache Ausgleichsansprüche geltend, weil er nach der Zustellung des Scheidungsantrages am 11.03.2013 eine große Geldsumme zur Entschuldung des Hauses aufgewandt habe, verzerrt dies die Vermögensverteilung zwischen den Beteiligten nicht. Die Vermögensverteilung hat durch die Zahlung des Antragstellers nach dem 11.03.2013 keine Veränderung zu Lasten der Antragsgegnerin erfahren.
50Nach der Trennung der Ehepartner (vom Amtsgericht hier festgestellt auf den 05.11.2012) bestand für den Antragsteller keine Veranlassung mehr, die Antragsgegnerin nicht hälftig auf Ausgleich der ab dann aufgewandten Sondertilgungen in Anspruch zu nehmen, da nunmehr nichts anderes mehr vereinbart war im Sinne des § 426 I BGB. Aufgrund ihres Miteigentums an der Immobilie in Heiligenhaus steht ihrer Beteiligung an den Tilgungsleistungen eine entsprechende Werterhöhung ihres Anteils durch Minderung der Verbindlichkeiten gegenüber, die durch die Rückführung der Kredite ausgelöst wurde. Ob der Scheidungsantrag des Antragstellers verfrüht war, spielt keine Rolle, weil jedenfalls nach dem vom Amtsgericht festgestellten Trennungszeitpunkt gezahlt wurde.
51Wäre die Sondertilgung noch vor der Zustellung des Scheidungsantrages aber nach der Trennung erfolgt, wäre es materiell bei der Ausgleichsforderung des Antragstellers geblieben. Der Zugewinn wäre bei einer Zahlung vor dem Stichtag nicht zugunsten der Antragsgegnerin positiv beeinflusst worden.
52Auf die Vermögensbilanz auf Seiten der Antragsgegnerin ergibt sich kein manipulativer und für sie negativer Einfluss. Ihr Miteigentumsanteil erfuhr durch die Sondertilgung des Antragstellers eine Werterhöhung. Dem steht der Ausgleichsanspruch des Antragsgegners in gleicher Höhe entgegen.
53Der Antragsteller hat durch die teilweise Entschuldung des Hausgrundstückes für eine entsprechende (hälftige) Werterhöhung auf Seiten der Antragsgegnerin gesorgt. Zum Stichtag war der Betrag noch im Endvermögen des Antragstellers vorhanden und erhöhte dieses.
54(b)
55Ebenso wenig ergibt sich, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin einen etwaigen Wertzuwachs seines Vermögens durch das ihm zufließende Gehalt hat vorenthalten wollen. Neben fehlenden Anhaltspunkten für eine bewusst verfrühte Antragstellung ist zu berücksichtigen, dass in der Sache allenfalls eine Vermögensbildung über wenige Monate außen vor blieb, was zu vernachlässigen ist, betrachtet man unter anderem die gesamte Ehedauer von 1987 bis 2012. Die fehlende weitere Teilhabe an Vermögenszuwächsen durch das Einkommen des Antragstellers gibt keinen Anlass, den Stichtag wegen eines schier unerträglichen Ergebnisses nach § 242 BGB wertend zu verändern. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin selbst bereits vor November 2012 eine umfassende güterrechtliche Auseinandersetzung anstrebte, also auf die genaue Wertfestsetzung zum Stichtag zunächst keinen maßgeblichen Wert legte. Allein aus der Höhe des Gehalts des Antragstellers ist nicht auf eine Manipulationsabsicht zu schließen. Dies gilt auch, wenn aufgrund der Höhe des Erwerbseinkommens dieses nicht gänzlich dem Verbrauch, sondern auch der Vermögensbildung diente. Es liegt deshalb nicht nahe, dass sich der Antragsteller gerade darüber Gedanken gemacht haben sollte, als er seinen Scheidungsantrag stellte.
56Insgesamt besteht danach keine Veranlassung, abweichend von der gesetzlichen Regelung den Stichtag für die Berechnung des Endvermögens, zu dem Auskunft zu erteilen ist, zu verändern.
57B Nebenentscheidungen
58Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 ZPO, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG.
59Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1, 2 FamFG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Soweit ersichtlich, gibt es keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine zusätzliche Auskunft bei vermeintlicher Manipulation des Stichtags nach § 1379 BGB verlangt werden kann, in entscheidungsrelevanter Weise befasst hat.
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