Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 Kart 894/18

Tenor

Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 30.11.2018 wird der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 10.10.2018, BK8-18/0007-A, aufgehoben. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin und der Bundesnetzagentur tragen diese jeweils zur Hälfte. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.

Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf … Euro festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


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bsatzLinks">Freiwillige Vereinbarungen oder ein gesetzlich angeordneter Kontrahierungszwang müssten der Indienstnahme der Kraftwerke nicht vorgehen, da ein System freiwilliger Vereinbarungen nicht hinreichend sicher für die Aufrechterhaltung der Systemstabilität sei. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Vergütung einer Eigenkapitalverzinsung oder eines Ersatzes ihrer Personalkosten würde zu einer Doppelkompensation führen, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Atomausstieg gerade ablehne. Der Gesetzgeber habe sich für den Kraftwerksmarkt bewusst für einen Energy-Only-Markt anstelle eines Kapazitätsmarktes entschieden und unter diesem Gesichtspunkt mit § 13a EnWG eine andere Wertung im Vergleich zu den Regelungen für die nicht am Markt agierenden Übertragungsnetzbetreiber vorgenommen, da den Kraftwerkbetreibern grundsätzlich eine Finanzierung über den Strommarkt möglich sei. Es handele sich beim Redispatch gerade nicht um eine wirtschaftliche, gewinnorientierte Tätigkeit und somit auch nicht um ein Geschäftsmodell. Falls sich der Betrieb eines Kraftwerks aufgrund von Redispatch-Maßnahmen nicht mehr lohne, könne dieses stillgelegt und ggfs. in die Netzreserve einbezogen werden. Es sei auch unklar, warum die „Kraftwerkssubstanz“ zu einem späteren Zeitpunkt für Markteinsätze nicht mehr zur Verfügung stehe. Dies sei nur hypothetisch der Fall, wenn das Kraftwerk nicht gewartet oder instandgehalten werde, was in der Hand der Beschwerdeführerin liege. Zusätzlich nachgewiesene Instandhaltungskosten seien als Erzeugungsanlagen anerkennungsfähig. Gegenstand des BDEW-Leitfadens sei nur die Kompensation konkret auftretender und nicht ungewisser, von einer Vielzahl hypothetischer Kausalitäten abhängiger wirtschaftlicher Nachteile. Insbesondere sei eher anzunehmen, dass der Redispatch-Bedarf wegen des fortschreitenden Netzausbaus mittel- bis langfristig sinke. Bei ihren Ausführungen zum Unionsrecht verkenne die Beschwerdeführerin, dass sich marktbezogene Maßnahmen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 2 EnWG nach der Wirkweise der Maßnahme bestimmten, also auch Redispatch-Maßnahmen umfassten, und deshalb weiter zu fassen seien als „marktbasierte“ Redispatch-Maßnahmen i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 2019/943, die auf das „Wie“ des Beschaffungsvorgangs abstelle. Der deutsche Gesetzgeber habe sich gerade für einen kostenbasierten Beschaffungsvorgang entschieden. Durch Art. 13 Abs. 7 Verordnung (EU) Nr. 2019/943 solle zudem ein hoher und damit ceteris paribus marktbeeinflussender finanzieller Ausgleich gerade vermieden werden. Die dort vorgesehene Mindestvergütung sei deutlich geringer als die in § 13a EnWG gewährte.

36 37 38 39 40 41 42 n class="absatzRechts">43 44 45 46 47 48 49 50 52 53 lass="absatzRechts">54 55 56 57 58 59 zRechts">60

class="absatzLinks">§ 13 Abs. 2 bis 4 EnWG sei auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, da etwaige Ungleichbehandlungen gerechtfertigt wären. Kraftwerks- und Netzbetreiber seien auch dann nicht vergleichbar, wenn man Redispatch als Netzersatz einstufe. Der Netzbetrieb unterliege den gesetzlichen Verpflichtungen aus § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 3 S. 1 EnWG, die Netzentgelte seien streng reguliert. Dagegen investierten Kraftwerksbetreiber freiwillig in die Errichtung von Anlagen und könnten ihre Preise marktbezogen frei festlegen. Angesichts der unterschiedlichen Marktstellung sei auch eine unterschiedliche Vergütung sachlich gerechtfertigt. Ein Vergleich mit Anlagenbetreibern, die seltener Redispatch-Leistungen erbrächten, zwinge ebenfalls nicht zu einer höheren Vergütung, da die netztopologische Lage und die Merit Order eine Ungleichbehandlung rechtfertigten.

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s="absatzLinks">Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang und das Protokoll der Senatssitzung vom 28.05.2020 Bezug genommen.

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atzLinks">g>ine">2.   Eine materielle Beschwer für zum Verfahren vor der Regulierungsbehörde beigeladene Personen oder Personenvereinigungen liegt aber auch vor, wenn diese geltend machen können, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen zu sein. Hierfür reichen erhebliche wirtschaftliche Interessen aus (BGH, Beschluss v. 09.07.2019, EnVR 5/18 – Lichtblick, Rn. 13, 16 f., juris; Beschluss v. 11.11.2008, EnVR 1/08 - citiworks, BeckRS 2009, 01766, Rn. 16 f.; vgl. auch BGH, Beschluss v. 07.11.2006, KVR 37/05 - pepcom, BGHZ 169, 370 Rn. 11, 18 ff. für das Kartellverwaltungsverfahren). Eine solche Auslegung der materiellen Beschwer stimmt mit Art. 37 Abs. 17 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.07.2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ElektrizitätsRL) überein. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass auf nationaler Ebene geeignete Verfahren bestehen, die einer betroffenen Partei das Recht geben, gegen eine Entscheidung einer Regulierungsbehörde bei einer von den beteiligten Parteien und Regierungen unabhängigen Stelle Beschwerde einzulegen (BGH, Beschluss v. 09.07.2019, EnVR 5/18 – Lichtblick, Rn. 13, juris).

77 78 79 80 ">81 class="absatzLinks">II.  Die Beschwerde hat teilweise Erfolg. Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit hat die Beschwerdeführerin nicht erhoben, solche sind auch nicht ersichtlich. Der Beschluss verstößt aber gegen materielles Recht. Zwar konnte die Bundesnetzagentur die Festlegung auf die von ihr gewählte Ermächtigungsgrundlage stützen (zu 1.). Die FSV und die diese bestätigende Festlegung verstoßen jedoch in einzelnen Punkten gegen die Vorgaben des § 13a EnWG (zu 2.), dessen Regelungen jedoch insgesamt verfassungsgemäß sind (zu 3.).

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ass="absatzLinks">Der Verweis auf die StromNZV kann danach auch in einem weiten, funktionalen Sinne verstanden werden. Ziel und Gegenstand der StromNZV ist ausweislich der Verordnungsbegründung, eine Rechtsgrundlage für die Arbeit der Regulierungsbehörde im Bereich der Regulierung des Zugangs zu Elektrizit8;tsversorgungsnetzen zu schaffen. Die Verordnung stellt für diesen Regulierungsbereich Rechtsklarheit für Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen und Netznutzer her (BR-Drs. 244/05, S. 19). Die StromNZV setzt also die am 13.07.2005 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 20 ff. EnWG, die den Zugang zum gesamten Elektrizitätsversorgungsnetz sichern, durch die nähere Bestimmung der Netzzugangsbedingungen um (Laubenstein in: BerlK-EnR, 4. Auflage, § 1 StromNZV, Rn. 3). Die in § 11 Abs. 2 S. 2 ARegV normierte Voraussetzung einer wirksamen Verfahrensregulierung der Maßnahmen nach der StromNZV kann bei einer diesen Regelungszweck in Blick nehmenden Auslegung deshalb dahingehend verstanden werden, dass es sich um eine Maßnahme handeln muss, die dem Netzzugangsregime der StromNZV unterfällt, ohne dass sämtliche diesbezüglichen Vorgaben in der StromNZV selbst geregelt sein müssten. Redispatch-Maßnahmen unterfallen dem Netzzugangsregime der StromNZV im dargestellten funktionalen Sinne, da § 15 Abs. 1 StromNZV die Verpflichtung der Übertragungsnetzbetreiber zur Verhinderung von Engpässen auch mittels Redispatch normiert. Mit dieser Verpflichtung korrespondiert zwangsläufig eine Berechtigung zur Durchführung dieser Maßnahmen, die sich ausdrücklich „im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren“ bewegen muss. § 15 StromNZV gibt damit bereits den wesentlichen Rahmen für eine wirksame Verfahrensregulierung vor. Dass dessen Konkretisierung sodann durch das EnWG als höherrangigem Recht erfolgt, steht bei diesem Verständnis einer wirksamen Verfahrensregulierung „nach der StromNZV“ nicht entgegen, da die StromNZV auf der Verordnungsermächtigung in § 24 EnWG beruht.

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="absatzLinks">1.2.3.  Für ein weites, funktionales Verständnis der wirksamen Verfahrensregulierung nach der StromNZV spricht zunächst eine gesetzeshistorische Betrachtung. In der Begr52;ndung zu § 11 Abs. 2 (BR-Drs. 417/07, S. 52) heißt es:

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Ein solches Verständnis ist mit der gesetzlichen Definition der Ausgleichsleistungen in § 3 Nr. 1 EnWG nicht vereinbar. Ausgleichsleistungen sind in § 3 Nr. 1 EnWG legaldefiniert als Dienstleistungen zur Bereitstellung von Energie, die zur Deckung von Verlusten und für den Ausgleich von Differenzen zwischen Ein- und Ausspeisung benötigt wird, zu denen insbesondere auch Regelenergie gehört. Die Vorschrift dient der Definition der Ausgleichsleistungen, die von der Netzzugangsregulierung nach §§ 20 ff. EnWG umfasst sind (BT-Drs. 15/3917, S. 48). Die Legaldefinition entspricht deshalb auch § 22 EnWG, der die Beschaffung der Energie zur Erbringung von Ausgleichsleistungen regelt und diese in Abs. 1 S. 1 als die Energie definiert, die die Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen zur Deckung von Verlusten und für den Ausgleich von Differenzen zwischen Ein- und Ausspeisung benötigen.

100 101 tzRechts">102 103 104 105 106 107 108 109 110 111 112<p class="absatzLinks">1.3. Die Ausgestaltung der FSV erfüllt des Weiteren die Anforderungen an die umfassende Verfahrensregulierung nach § 11 Abs. 2 S. 4 ARegV.

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="absatzLinks">Unter freiwilliger Selbstverpflichtung wird üblicherweise eine einseitige, nicht hoheitlich bindende Erklärung verstanden, etwas zu tun oder zu unterlassen (Englmann/Meyer in: Holznagel/Schütz, ARegV, 2. Auflage, § 11, Rn. 161). Eben dies ist Gegenstand der Erklärung der Übertragungsnetzbetreiber, die einen auf sich selbst bezogenen Inhalt hat. Die FSV regelt ausweislich ihrer Präambel – vor dem Hintergrund der Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber – die Prozesse der Eingriffsmöglichkeiten in die Fahrweise von Erzeugungsanlagen und Speichern und beschreibt die regulatorische Behandlung der daraus entstehenden Erlöse.

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