Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 Kart 845/19
Tenor
Der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 13.09.2019, Az.: BK7-08-009-E2, wird aufgehoben, soweit der Beschwerdeführerin zu 1) (Betroffenen zu 2) in Tenorziffer 3. mit sofortiger Wirkung untersagt worden ist, auf Grundlage des Vergleichsvertrages vom 25./26./28.11.2016 bereits gebuchter teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten entsprechende Nominierungen abzugeben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur tragen die Beschwerdeführerinnen.
Der Beschwerdewert wird auf … Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
2A.
3Die A-Gruppe produziert, transportiert und vertreibt russisches Erdgas und ist zudem im Bereich der Gasspeicherung tätig. Zum Zwecke des Vertriebs in Deutschland und anderen europäischen Staaten nutzt sie unter anderem die zwischen dem russischen Vyborg und Lubmin bei Greifswald an der Deutschen Ostseeküste verlaufende Offshore-Gastransportleitung „Nord Stream“ als kürzeste Verbindung zwischen russischen Erdgasvorkommen und Zentraleuropa. Diese verfügt über eine Transportkapazität von … cbm/a. Der Weitertransport erfolgt entweder über die Norddeutsche Erdgasleitung (NEL) oder über die Ostseepipeline-Anbindungsleitung (OPAL), die auf einer Länge von 472 km vom Anlandepunkt der Ostseepipeline Nord Stream in Lubmin bei Greifswald bis zum Netzkopplungspunkt Brandov an der deutsch-tschechischen Grenze verläuft. Die Einspeisungskapazität in Lubmin/Greifswald beträgt … cbm/a, die Ausspeisekapazität in Brandov … cbm/a. Der Netzkopplungspunkt in der Mitte der OPAL in Groß Köris hat eine Kapazität von … cbm/a.
4Die OPAL wurde von einer Bruchteilseigentümergemeinschaft, bestehend aus der … errichtet. Aktuell steht sie im Bruchteilseigentum der …. Für den Betrieb sind je zwei Netzbetreiber zuständig. Die Beschwerdeführerin zu 3) ist einer der beiden Fernleitungsnetzbetreiber der OPAL. Die Beschwerdeführerin zu 2), eine zum A-Konzern gehörende, nach russischem Recht gegründete GmbH mit Sitz in P, liefert in großem Umfang russisches Erdgas für den deutschen sowie europäischen Markt und bucht hierfür Kapazitäten auf der Nord Stream sowie der OPAL. Die Beschwerdeführerin zu 1) ist die Muttergesellschaft der A-Gruppe mit Sitz in Moskau und mittelbar Miteigentümerin der Beschwerdeführerin zu 3) sowie unmittelbare alleinige Gesellschafterin der Beschwerdeführerin zu 2).
5Mit Beschluss vom 25.02.2009 (BK 7-08-009) nahm die Bundesnetzagentur auf Antrag der Beschwerdeführerin zu 3) die auf Grundlage des Miteigentumsanteils der … an der OPAL geschaffenen Kapazitäten in Höhe von rund … für eine Einspeisung in Deutschland und eine Ausspeisung in der Tschechischen Republik für eine Dauer von 22 Jahren ab tatsächlicher Inbetriebnahme von der Anwendung der §§ 20-25 EnWG aus und legte diese Freistellungsgenehmigung am 13.03.2009 der Europäischen Kommission vor. Die Kommission forderte die Bundesnetzagentur mit Schreiben vom 12.06.2009 zur Änderung ihrer Entscheidung innerhalb von vier Wochen auf, um eine Verbesserung des Wettbewerbs bei der Gasversorgung in der Tschechischen Republik zu gewährleisten. Mit Beschluss vom 07.07.2009 änderte die Bundesnetzagentur ihre Entscheidung vom 25.02.2009 nach Maßgabe der Stellungnahme der europäischen Kommission ab und beschränkte in der neu aufgenommenen Bestimmung unter lit. j) zu Ziffer I. des Tenors der Entscheidung vom 25.02.2009 die Buchungsmöglichkeit der ausgenommenen Kapazitäten durch Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung auf den relevanten tschechischen Gasmärkten auf 50 % der jährlichen Ausspeisekapazität. Diese Kapazitätsobergrenze durfte jedoch überschritten werden, wenn das betroffene marktbeherrschende Unternehmen auf der OPAL eine Gasmenge von … cbm/a in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren anbietet und die entsprechenden Kapazitätsrechte freigibt (sog. Gas-Release- und Capacity-Release-Programm).
6Mangels Durchführung des Verfahrens führten die Buchungsbeschränkungen in den folgenden Jahren dazu, dass substantielle Teile der OPAL nicht genutzt wurden. Auch vor dem Hintergrund dieser wirtschaftlichen Konsequenzen der Nebenbestimmungen entschied das WTO Panel in dem Streitschlichtungsverfahren Russian Federation / European Union and its Member States am 10.08.2018, dass die Nebenbestimmungen nicht mit Art. XI Abs. 1 des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) 1994 vereinbar seien. Die Europäische Union hat hiergegen Rechtsmittel eingelegt, über das die WTO-Berufungsinstanz bislang nicht entschieden hat.
7Bereits am 31.10.2013 schlossen die Beschwerdeführerinnen mit der Bundesnetzagentur einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag und änderten ihn durch Nachtragsvereinbarungen aus April und Juli 2014 ab. § 1 des ursprünglichen Vergleichsvertrages sah Änderungen der Freistellungsentscheidung 2009 vor, um die Unternutzung zu beenden und nicht genutzte Transportkapazitäten für den Wettbewerb und für Buchungen durch Unternehmen der A-Gruppe zu öffnen. Der Vertrag wurde nicht wirksam, da die in § 3 Abs. 2 des Vertrages enthaltene aufschiebende Bedingung der Zustimmung durch die Europäische Kommission (nachfolgend: Kommission) nicht fristgerecht eintrat.
8Am 11.05.2016 schlossen die Vertragsparteien einen neuen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag, der durch Nachtragsvereinbarungen aus Juli und September 2016 geändert wurde. Die Bundesnetzagentur informierte am 13.05.2016 auf ihrer Internetseite über den unter Vorbehalt der Zustimmung der Kommission geschlossenen Vergleichsvertrag. Zugleich teilte sie der Kommission den Abschluss dieses Vergleichsvertrages mit. Mit Beschluss vom 28.10.2016 (C (2016) 6950) genehmigte die Kommission unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Art. 36 Abs. 9 der Richtlinie 2009/73/EG die mit dem neuen Vergleichsvertrag verbundenen und der Kommission vorgelegten Änderungen der Freistellungsentscheidung zugunsten der OPAL vorbehaltlich der in dem Beschluss geforderten Änderungen.
9Unter Umsetzung der von der Kommission geforderten Änderungen schlossen die Beschwerdeführerinnen und die Bundesnetzagentur am 25./26./28.11.2016 den streitgegenständlichen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag (nachfolgend: Vergleichsvertrag). Während die von der Freistellungsentscheidung vom 25.02.2009 in der Fassung vom 07.07.2009 erfassten Kapazitäten bis dato vollständig von den Vorschriften der Netzzugangsregulierung befreit waren, sieht der Vergleichsvertrag vor, dass 50 % dieser Kapazitäten nach Maßgabe der Regelungen des Vergleichsvertrages der Netzzugangsregulierung unterliegen. Anstelle einer vollständigen Ausnahme der Transitkapazitäten von der Anwendung der §§ 20-25 EnWG bei gleichzeitiger Beschränkung der über 50 % hinausgehenden Buchungskapazitäten für marktbeherrschende Unternehmen unterfallen nach den Bestimmungen des Vergleichsvertrages nunmehr 50 % der Kapazitätsrechte der Zugangsregulierung. Diese Kapazitäten (rund … kWh/h) sollen gemäß den regulierungsrechtlichen Vorschriften auf der Primärkapazitätsplattform „PRISMA primary“ (nachfolgend: PRISMA) versteigert werden. Auf dieser Grundlage versteigerte die Beschwerdeführerin zu 3) Ein- und Ausspeisekapazitäten auf der Opal und schloss mit der Beschwerdeführerin zu 2) zwischen Juli 2018 und August 2019 privatrechtliche Kapazitätsbuchungsverträge ab, die Monats –, Quartals – und Jahresprodukte zum Gegenstand haben und deren Leistungszeiträume ganz überwiegend nach dem … beginnen und zu großen Teilen bis ins Jahr … reichen. Für die weiteren 50 % der Transitkapazitäten verbleibt es dabei, dass hieran weiterhin die Beschwerdeführerin zu 2) ein exklusives Nutzungsrecht hat.
10Auf Veranlassung der Bundesnetzagentur nahm die Beschwerdeführerin zu 3) in ihre Geschäftsbedingungen Regelungen auf, die es ihr im Fall einer Untersagung der Durchführung von Erdgastransporten zur Erfüllung von Kapazitätsbuchungen durch die Bundesnetzagentur ermöglichen, Erdgastransportverträge zu kündigen, die auf dem Vergleichsvertrag basieren.
11§ 7 der ergänzenden Geschäftsbedingungen der Beschwerdeführerin zu 3) lautet:
12„(1) Sollte aufgrund einer Entscheidung oder einer rechtsverbindlichen Vorgabe nationaler oder europäischer Gerichte oder Behörden (unabhängig von der Rechtskräftigkeit und Rechtmäßigkeit) die Erfüllung bzw. Durchführung der Ein- und Ausspeiseverträge für teilregulierte Kapazitäten untersagt oder verhindert werden (nachfolgend gemeinsam „Entscheidung“ genannt), behält sich … das Recht vor, die zum Zeitpunkt der Entscheidung bestehenden Ein- oder Ausspeiseverträge für teilregulierte Kapazitäten mit sofortiger Wirkung zu kündigen.
13(2) das Recht der Kündigung bezieht sich auf
14(a) Ein- oder Ausspeiseverträge für teilregulierte Kapazitäten, für welche der Leistungszeitraum entsprechend § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AGB („Leistungszeitraum“) zum Zeitpunkt der Entscheidung angefangen hat, - für den restlichen Leistungszeitraum; und
15(b) auf Ein- oder Ausspeiseverträge für teilregulierte Kapazitäten, für welche der Leistungszeitraum noch in der Zukunft liegt, - für den ganzen Leistungszeitraum.
16(3) Sollte … aufgrund einer vollziehbaren aber noch nicht rechtskräftigen bzw. nicht abschließenden Entscheidung an der Erfüllung bzw. Durchführung der Ein- und Ausspeiseverträge für teilregulierte Kapazitäten gehindert werden, das Kündigungsrecht nach Z. 1 und 2 aber nicht ausüben, werden die Vertragspartner von ihren Vertragspflichten mit sofortiger Wirkung befreit, soweit und solange … aufgrund von der Entscheidung an der Erfüllung bzw. Durchführung ihrer Pflichten gehindert ist.
17…“
18Mit Schreiben vom 28.11.2016 ersuchten die P und ihre deutsche Handelstochter, die …, bei der Bundesnetzagentur erstmals um Rechtsschutz und beantragten unter dem 07.12.2016 ergänzend, dass die Bundesnetzagentur die rechtsgestaltende Wirkung des Vergleichsvertrages durch geeignete Maßnahmen aussetze. Mit Beschluss vom 20.12.2016 (BK7-16-167) lehnte die Bundesnetzagentur diese Anträge ab. Am 15.12.2016 legten die P vor dem Senat Beschwerde gegen den Vergleichsvertrag ein (Az.: VI-3 Kart 1203/16 [V] – über das Verfahren ist noch nicht entschieden) und ersuchten zugleich um vorläufigen Rechtsschutz in Form einer vorläufigen Anordnung. Zudem reichten sie am 04.12.2016 bzw. 01.03.2017 Nichtigkeitsklagen gegen den Beschluss der Kommission vom 28.10.2016 unter Hinweis auf ihre unmittelbare und individuelle Betroffenheit durch die Veränderung der Transportflüsse nach Freistellung der OPAL bei dem Gericht der Europäischen Union ein und beantragten die einstweilige Aussetzung der Vollziehbarkeit der Kommissionsentscheidung (Rs.: T-130/17 R und T-849/16 R). Zur Begründung ihrer Anträge machten sie geltend, dass die Erhöhung der Transportkapazitäten auf der OPAL eine Verringerung des Gastransportes über die Gasleitungen JAMAL und BRUDERSCHAFT zur Folge haben werde, wodurch die Versorgungssicherheit Polens gefährdet und der Wettbewerb geschädigt werde. Auch die Republik Polen erhob Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union (Rs: T-883/16). Mit Zwischenverfügungen vom 23.12.2016 setzte das Gericht der Europäischen Union den Vollzug der Entscheidung der Kommission vom 28.10.2016 bis zur Entscheidung über die Anträge auf einstweilige Anordnung aus, woraufhin der Senat mit Beschluss vom 30.12.2016 die Bundesnetzagentur bis zur Entscheidung über die Eilanträge verpflichtete, die Wirkungen des streitgegenständlichen Vergleichsvertrages zu suspendieren. Die Bundesnetzagentur untersagte daraufhin mit Beschluss vom 30.12.2016 (Az.: BK7-08-009E1) der Beschwerdeführerin zu 3) mit sofortiger Wirkung weitere Versteigerungen von Transportkapazitäten auf der OPAL.
19Mit Beschluss vom 21.07.2017 wies das Gericht der Europäischen Union die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung der Kommission zurück und hob die mit Beschluss vom 23.12.2016 angeordnete Aussetzung der Vollziehung der Entscheidung der Kommission auf. Mit Beschluss vom 27.07.2017 hob auch der Senat den Beschluss vom 30.12.2016 mit der Begründung auf, dass infolge der Aufhebung der Zwischenentscheidung des Gerichts der Europäischen Union das dem Vollzug bzw. der Umsetzung des streitgegenständlichen Vergleichsvertrags entgegenstehende rechtliche Hindernis und damit der tragende Grund für diese die Vertragswirkungen suspendierende Zwischenentscheidung entfallen sei. In der Folge widerrief die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 28.07.2017 (BK7-08-009-E1-W1) ihre vorläufige Anordnung vom 30.12.2016 mit sofortiger Wirkung. Mit Urteilen vom 14.12.2017 bzw. 15.03.2018 wies das Gericht der Europäischen Union die Klagen der P als unzulässig ab, bestätigt durch den Europäischen Gerichtshof (Rs C-117/18 P und C-342/18 P). Der Nichtigkeitsklage der Republik Polen gab das Gericht der Europäischen Union demgegenüber mit Urteil vom 10.09.2019 statt und erklärte die Kommissionsentscheidung für nichtig. Zur Begründung wird angeführt, die Kommission habe es unterlassen, das in Art. 194 Abs. 1 AEUV verankerte Solidaritätsprinzip in der europäischen Energiepolitik zu prüfen. Die Kommissionsentscheidung sei daher wegen Verstoßes gegen das Prinzip der Energiesolidarität nichtig (Rs. T-883/16). Gegen dieses Urteil legte die Bundesrepublik Deutschland mit Schriftsatz vom 20.11.2019 Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof ein (Rs. C-848/19 P). Über das Rechtsmittel hat der Europäischen Gerichtshof noch nicht entschieden.
20Nach Erlass des Urteils informierte die Bundesnetzagentur die Beschwerdeführerinnen in einem Schreiben über die Konsequenz der Nichtigerklärung der Kommissionsgenehmigung. Mit Schreiben vom 10.09.2019 wies die Bundesnetzagentur die Beschwerdeführerinnen erneut auf die Folgen hin, die die EuG-Entscheidung ihrer Meinung nach hat. Die Beschwerdeführerinnen erklärten daraufhin mit Schreiben vom 12.09.2019, dass sie die Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur nicht teilten und ohne behördliche Anordnungen weder die Versteigerung teilregulierter Kapazitäten noch die Erfüllung bestehender Ein- und Ausspeiseverträge unterlassen würden. Die Beschwerdeführerin zu 3) setzte am 12.09.2019 noch auf der Verbindungsplattform PRISMA eine Auktion von teilregulierten Kapazitäten für den Monat Oktober an und führte auch nach dem 10.09.2019 weiterhin Transporte auf Grundlage des Vergleichsvertrages durch. Auch Beschwerdeführerin zu 2) führte nach dem EuG-Urteil weiterhin Nominierungen auf Basis der im Vorfeld gebuchten teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten durch.
21Mit dem hier angegriffenem Beschluss vom 13.09.2019 hat die Bundesnetzagentur der Beschwerdeführerin zu 3) in Tenorziffer 1. und 2. mit sofortiger Wirkung untersagt, Versteigerungen von auf Grundlage des Vergleichsvertrages teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten auf der OPAL und entsprechende Transporte der Kapazitätsbuchungen vorzunehmen. In Tenorziffern 2. und 3. wird den Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) untersagt, auf Grundlage des Vergleichsvertrages bereits gebuchter teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten entsprechende Nominierungen abzugeben. In Tenorziffer 4. behält sich die Bundesnetzagentur ein Widerrufsrecht vor. Zur Begründung führt die Bundesnetzagentur unter anderem aus: „Wird an Stelle eines Verwaltungsakts ein Vertrag geschlossen, der unter dem Vorbehalt der Genehmigung einer anderen Behörde steht, so bestimmt § 58 Abs. 2 VwVfG, dass dieser Vertrag erst wirksam wird, nachdem die andere Behörde in der entsprechenden Form mitgewirkt hat. Mit der Nichtigkeit des Beschlusses der Kommission zum Vertrag fehlt es an diesem Mitwirkungsakt. Der Vertrag ist damit nicht wirksam. […] Sind die materiellen Regelungen des Vergleichsvertrages nicht mehr anwendbar, bleibt das vor Vertragsschluss für die OPAL geltende Rechtsregime in Kraft. Von daher ist das untersagte Verhalten – zumindest zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung - nicht anhand des Vergleichsvertrages, sondern anhand der Freistellungsentscheidung zu treffen.“ Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beschwerdeführerinnen mit ihren Beschwerden.
22Die Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) sind der Ansicht, der angegriffene Beschluss sei rechtswidrig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 EnWG, auf den die Bundesnetzagentur ihre Entscheidung stütze, seien bereits nicht erfüllt. Weder stellten weitere Versteigerungen noch weitere Transporte und Nominierungen von teilregulierten Verbindungskapazitäten auf der OPAL einen (drohenden) Normverstoß dar. Der maßgebliche Rechtsrahmen werde unverändert durch den Vergleichsvertrag abgebildet, der trotz des EuG-Urteils uneingeschränkt wirksam und durchführbar sei. Die gegenteilige Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur beruhe auf einem unzutreffenden Verständnis der im Rahmen der Regulierungsfreistellung nach § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 RL 73/2009/EG maßgeblichen Befugnis- und Kompetenzverteilung zwischen nationaler Ebene und EU-Ebene. Aus der Struktur des in drei Verfahrensabschnitte gegliederten Freistellungsverfahrens in Art. 36 RL 73/2009/EG und § 28a EnWG folge, dass Freistellungen weder einem Genehmigungsvorbehalt der Kommission unterlägen, noch ein Durchführungsverbot bis zum Abschluss des Kommissionsverfahrens auf EU-Ebene bestehe. Der in Art. 36 RL 73/2009/EG normierte mehrstufige Entscheidungsvorgang enthalte kein Entscheidungsmonopol der Kommission, sondern weise das Verfahren zur Freistellung den nationalen Regulierungsbehörden zu. Folglich sei der in Art. 36 Abs. 9 UAbs. 4 RL 73/2009/EG genannte Begriff der „Genehmigung“ nicht im Sinne eines Wirksamkeitsvorbehalts zu verstehen. Vielmehr sei die Ausnahmegenehmigung einer nationalen Behörde vorläufig anwendbar. Vor diesem Hintergrund sei auch die Verwendung des Genehmigungsbegriffs in Art. 1 der Kommissionsentscheidung ohne Aussagekraft.
23Weitere systematische Erwägungen bestätigten den Befund, dass eine nationale Freistellungsentscheidung im Rahmen des Art. 36 RL 73/2009/EG in ihrer Wirksamkeit nicht von der Erteilung einer positiven Kommissionsentscheidung abhänge und insoweit auch kein Durchführungsverbot bestehe. Für die Regulierungsfreistellung von Stromverbindungsleitungen nach Art. 63 VO (EU) 2019/943 sei anerkannt, dass die in Abs. 7 geregelte Mitteilungspflicht, die der in Art. 36 Abs. 8 RL 73/2009/EG entspreche, nicht als präventiver Kontrollmechanismus ausgestaltet sei, so dass Befreiungen bis zu einer Bestätigung durch die Kommission keinem Durchführungsverbot unterlägen. Diese Rechtsansicht werde durch die Ausführungen des Gericht der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10.09.2019 (Rn. 57) und des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 04.12.2019 (Rn. 47, 51) bestätigt. Ein Vergleich zu der abweichenden Kompetenzverteilung im Beihilferecht bestätige die von ihnen vertretene Auffassung.
24Der Vergleichsvertrag sei ordnungsgemäß abgeschlossen worden, ohne dass die Parteien die Änderungen des Freistellungsregimes für die OPAL von der Erteilung und/oder dem Bestand einer Kommissionsrechnung abhängig gemacht hätten. Er sei damit ohne Genehmigungsvorbehalt wirksam geworden. Es liege auch keine Kommissionsentscheidung vor, die der Bundesnetzagentur die Aufhebung oder Änderung des Vergleichsvertrages aufgeben würde. Die durch den Vergleichsvertrag geschaffene Rechtslage sei daher weiterhin maßgeblich und die Durchführung weiterer Versteigerungen sowie die Vornahme von Transporten und entsprechenden Nominierungen seien durch diese Rechtslage gedeckt. Es wäre an der Kommission, das Freistellungsverfahren auf der dritten Stufe wieder aufzugreifen, stehe indes nicht der Bundesnetzagentur zu, ein Aufhebungs- oder Änderungsverlangen der Kommission selbstständig zu ersetzen und einen Genehmigungs- oder Durchführungsvorbehalt anzuordnen. Mit ihrem Beschluss greife die Bundesnetzagentur in unzulässiger Weise in das durch Art. 36 RL 73/2009/EG geschaffene Kompetenzgefüge ein und verstoße gegen Unionsrecht. Sollte der Senat zu der Auffassung gelangen, dass die richtige Auslegung des Unionsrechts für die hier streitgegenständliche Konstellation noch nicht hinreichend geklärt sei, werde angeregt, Vorlagefragen mit dem im Antrag zu 2. (erster Hilfsantrag) formulierten Inhalt an den Europäischen Gerichtshof zu richten und dieses Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszusetzen.
25Der angegriffene Beschluss setze darüber hinaus ein falsches EuG-Urteil um. Rechtsfehlerhaft entnehme das Gericht der Europäischen Union mit der Energiesolidarität nach Art. 194 Abs. 1 AEUV einen spezifischen Rechtsgrundsatz an, der zu beachten und separat zu prüfen sei. Aus dem in Art. 194 AEUV formulierten Leitgedanken des Geistes der Energiesolidarität ergebe sich indes keine allgemeine Verpflichtung der Union und der Mitgliedstaaten, bei Ausführungen ihrer Befugnisse die Interessen der anderen Akteure zu berücksichtigen. Sollte der Senat die Unionsrechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses nicht feststellen können, sei er verpflichtet, die primärrechtskonforme Auslegung des Grundsatzes der Energiesolidarität durch den Europäischen Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens entsprechend ihres Antrags zu 3. (zweiter Hilfsantrag) feststellen zu lassen. Hierfür spreche auch, dass die Beschwerdeführerinnen keinerlei Möglichkeit hätten, direkt auf EU-Ebene gegen das sie – durch Erlass des angegriffenen Beschlusses – im Ergebnis belastende Urteil des Gerichts der Europäischen Union Rechtsschutz zu suchen.
26Eine Untersagung der Durchführung des Vergleichsvertrages komme jedenfalls erst mit einer rechtskräftigen Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung in Betracht. Dies zeige ein Vergleich zu den Regelungen hinsichtlich der EU-Fusionskontrolle, die einen Genehmigungsvorbehalt für die Kommission für bestimmte Unternehmenszusammenschlüsse vorsähen und dennoch einen Vollzug nach Freigabe durch die Kommission ermöglichten, auch wenn die Kommissionsentscheidung angegriffen werde. Erst nach rechtskräftiger Entscheidung prüfe die Kommission eine Entflechtungsanordnung und ordne gegebenenfalls eine Rückabwicklung an.
27Jedenfalls sei die Durchführung der privatrechtlichen Kapazitätsbuchungsverträge wirksam. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 65 Abs. 1 EnWG seien hinsichtlich des Transport- und Nominierungsverbotes aus den Tenorziffern 2. und 3. selbst bei unterstellter schwebender Unwirksamkeit des Vergleichsvertrages nicht erfüllt. Es fehle an einem rechtswidrigen, gegen das EnWG verstoßenden Verhalten. Für die rechtliche Beurteilung der privatrechtlichen Kapazitätsverträge komme es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses an. Sie seien wirksam und rechtmäßig vor Verkündung des EuG-Urteils geschlossen worden. Selbst wenn derzeit keine weiteren Versteigerungen stattfinden könnten, hindere dies nicht die Abwicklung bereits in der Vergangenheit abgeschlossener privatrechtlicher Kapazitätsbuchungsverträge. Weder Art. 36 RL 73/2009/EG noch das Unionsrecht im Übrigen enthielten bestimmte rechtliche Vorgaben, denen die Regulierungsbehörde beim einstweiligen Fortfall der Kommissionsentscheidung im Freistellungsverfahren nachkommen müsse.
28Der angegriffene Beschluss leide zudem an gravierenden Ermessensfehlern. Die Ermessensentscheidung der Bundesnetzagentur gehe offensichtlich von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, da sie fälschlicherweise unterstelle, dass die Beschwerdeführerin zu 1) teilregulierte Verbindungskapazitäten auf der OPAL gebucht habe.
29Fehlerhaft gehe die Bundesnetzagentur zudem davon aus, die in den Tenorziffern 1.-3. ausgesprochenen Untersagungen seien zwingend, weil eine Duldung weiterer Versteigerungen, Transporte und Nominierungen angesichts des EuG-Urteils einen Ermessensfehlgebrauch darstellen würde. Der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts verlange es in der vorliegenden Konstellation nicht zwingend, durch Transport- und Nominierungsverbote in wirksam geschlossene privatrechtliche Kapazitätsverträge einzugreifen. Wenn man Art. 36 RL 73/2009/EG einen Genehmigungsvorbehalt für nationale Freistellungsentscheidungen entnehmen wollte, hätte es einer abwägenden Gegenüberstellung und Gewichtung von für und gegen die Aussetzung der Vermarktung und die Aussetzung der Kapazitätsbuchungsverträge sprechenden Gesichtspunkten bedurft. Selbst auf dem strengen Gebiet der Beihilfeaufsicht würde sich das behördliche Ermessen nicht ohne weiteres auf null reduzieren. Vorliegend wäre zudem zu berücksichtigen gewesen, dass einerseits das EuG-Urteil nicht rechtskräftig sei, andererseits durch den angegriffenen Beschluss irreversible Fakten geschaffen werden.
30Der angegriffene Beschluss leide des Weiteren deshalb an Ermessensfehlern, weil er dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widerspreche und Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht hinreichend würdige. Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz folge bereits aus Tenorziffer 4. Indem die Bundesnetzagentur bei Aufhebung des EuG-Urteils die Aufhebung des angegriffenen Beschlusses lediglich in ihr Ermessen stelle, setze sie nicht das mildeste Mittel ein. Die in Tenorziffern 2. und 3. enthaltenen Transport- bzw. Nominierungsverbote stünden schließlich außer Verhältnis zum angestrebten Zweck. Sie griffen in die Nutzung schon erworbener und damit nach Art. 14 GG und Art. 17 Grundrechtscharta (GRCh) geschützter obligatorischer Rechte ein. Mit Abschluss des Vergleichsvertrages und nach ordnungsgemäßem Durchlaufen des Freistellungsverfahrens gemäß Art. 36 RL 73/2009/EG sei ein Vertrauensschutz hinsichtlich der endgültig erworbenen Rechtspositionen in Form der privatrechtlichen Kapazitätsbuchungsverträge begründet worden. Dieser entfalle auch nicht dadurch, dass die Beschwerdeführerin zu 3) zum Schutz vor Schadensersatzansprüchen einen Vorbehalt in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen habe oder Rechtsschutz gegen die Kommissionsentscheidung ersucht worden sei. Die Bundesnetzagentur habe als Vertragspartnerin die Wirksamkeit des Vertrages auch nicht unter die Bedingung einer wirksamen Kommissionsentscheidung gestellt. Diesen schwerwiegenden Beeinträchtigungen zulasten der Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) stünden keine hinreichend gewichtigen öffentlichen Interessen an der einstweiligen Nichtdurchführung der privatrechtlichen Kapazitätsbuchungsverträge gegenüber, zumal die Buchungsbeschränkungen völkerrechtswidrig seien.
31Darüber hinaus sei es möglich, dass die Kommission, auch wenn sich der Europäischen Gerichtshof der Argumentation des Gerichts der Europäischen Union anschlösse, eine inhaltsgleiche Entscheidung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Energiesolidarität erlasse, mit der Folge, dass der Vergleichsvertrag von Anfang an Wirksamkeit erlange.
32Die Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) beantragen,
33- 34
1. den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 13.09.2019 (BK7-08-009-E2) aufzuheben;
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2. hilfsweise, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszusetzen und diesem Fragen mit folgendem Inhalt zur Entscheidung vorzulegen:
- Ist Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG (i.V.m. dem unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile) so auszulegen, dass im Fall einer nicht rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung einer Kommissionsentscheidung i.S.v. Art. 36 Abs. 9 UAbs. 1 RL 2009/73/EG eine im Einklang mit dem Verfahren nach Art. 36 Abs. 8 RL 2009/73/EG und den inhaltlichen Anforderungen der Kommissionsentscheidung erteilte nationale Regulierungsfreistellung weiterhin wirksam und durchführbar ist?
37- Steht Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG (i.V.m. dem unionsrechtlichen Grundsatz des effet utile) einer Auslegung entgegen, wonach im Fall einer nicht rechtskräftigen gerichtlichen Aufhebung einer Kommissionsentscheidung i.S.v. Art. 36 Abs. 9 UAbs. 1 RL 2009/73/EG privatrechtliche Kapazitätsbuchungsverträge, die aufgrund einer nationalen Regulierungsfreistellung im o.g. Sinne geschlossen worden sind, weiterhin durchgeführt werden dürfen?
38- 39
3. weiter hilfsweise, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszusetzen und diesem Fragen mit folgendem Inhalt zur Vorabentscheidung vorzulegen:
- Ist Art. 194 Abs. 1 AEUV so auszulegen, dass aus dem dort erwähnten „Geiste der Solidarität“ unmittelbare rechtliche Verpflichtungen der Unionsorgane und der Mitgliedstaaten in nationalen und europäischen Verwaltungsverfahren resultieren?
41Falls diese Frage zu bejahen ist:
42- Ist die Auslegung eines solchen „Grundsatzes der Energiesolidarität“ in dem Sinn, dass er als selbständiger Prüfungsmaßstab neben ihn konkretisierenden Sekundärrechtsbestimmungen bei der Regulierungsfreistellung gemäß Art. 36 RL 2009/73/EG zwingend von der Europäischen Kommission zu berücksichtigen ist, mit dem Unionsrecht vereinbar?
43- 44
4. äußerst hilfsweise, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-848/19 P auszusetzen.
Die Beschwerdeführerin zu 3) ist der Ansicht, die von der Bundesnetzagentur erlassenen Versteigerungs-, Transport- und Nominierungsverbote seien rechtswidrig. Die durch das EuG-Urteil erfolgte Nichtigerklärung der OPAL-Kommissionsentscheidung stehe der weiteren Durchführung des Vergleichsvertrages nicht entgegen. Nach Art. 36 RL 2009/73/EG erfordere die Wirksamkeit einer durch die nationale Regulierungsbehörde erteilten Ausnahmegenehmigung keiner Genehmigung oder Bestätigung durch die Kommission. Art. 36 Abs. 9 S. 1 RL 2009/73/EG verleihe der Kommission nur die Kompetenz, innerhalb der genannten Fristen die Änderung oder den Widerruf der Entscheidung über die Gewährung der Ausnahme zu verlangen. Art. 36 RL 2009/73/EG enthalte auch weder ein Durchführungsverbot noch einen „Geltungsvorbehalt“. Daher sei für den Vergleichsvertrag nicht gem. § 58 Abs. 2 VwVfG „die Genehmigung, die Zustimmung oder das Einvernehmen einer anderen Behörde“ erforderlich. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des Art. 36 RL 2009/73/EG, wonach ausschließlich und allein die nationalen Regulierungsbehörden für den Erlass einer Ausnahmeentscheidung zuständig seien. Erst nach Entscheidung durch die Regulierungsbehörde erhalte die Kommission die Entscheidung mit der Möglichkeit, diese zu überprüfen und binnen 2 Monaten nach Eingang Aufsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Ein positiver Mitwirkungsakt in Form einer Genehmigung oder Entscheidung sei nicht erforderlich. Da Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG keine Regelung zu den Rechtsfolgen im Fall einer Untätigkeit der Kommission treffe, erlösche das Eingriffsrecht mit Zeitablauf. Auch sehe die Vorschrift nicht vor, dass die Ausnahmegenehmigung der nationalen Regulierungsbehörde während der Zweimonatsfrist keine Wirksamkeit entfalte. Ein Vergleich zu den Vorschriften im Beihilferecht und über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen zeige ebenfalls deutlich, dass ein positiver Mitwirkungsakt der Kommission nicht erforderlich sei. Etwas anderes folge auch nicht aus der Entstehungsgeschichte oder dem Regelungszweck der Vorschrift. Art. 36 RL 2009/73/EG entspreche Art. 22 der Vorgängerrichtlinie 2003/55/EG, deren Gesetzesbegründung ebenfalls nicht von einer „Genehmigung“, sondern lediglich von einer „Kontrolle“ spreche. Auch das Gericht der Europäischen Union habe zu Art. 22 RL 2003/55/EG bestätigt, dass keine Genehmigung erforderlich sei, sondern mit den Eingriffsmöglichkeiten der Kommission nur nationale Entscheidungen verhindert werden sollten. Mit Einführung von Art. 36 Abs. 9 UAbs. 4 RL 2009/73/EG sei kein Systemwechsel hin zu einem „Genehmigungserfordernis“ erfolgt, sondern es seien lediglich punktuelle Änderungen vorgenommen worden. Zu einer anderen Auslegung gebe auch der Beschluss des Präsidenten des Gerichts der Europäischen Union vom 21.07.2017 im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen Anlass. Eine vollständige rechtliche Prüfung sei in dem Verfahren nicht erfolgt. Die zitierte These zu den vermeintlichen Wirkungen einer Nichtigerklärung werde auch nicht begründet. Im Übrigen habe das Gericht der Europäischen Union die Kommissionsentscheidung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen für nichtig erklärt. Der Vergleichsvertrag sei daher ungeachtet der Nichtigerklärung wirksam und durchführbar.
46Jedenfalls seien der Erlass des Transport- und des Nominierungsverbots in Ziffern 2. und 3. des Tenors ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Entgegen der Vorgabe in § 65 EnWG habe die Bundesnetzagentur keine Ermessenserwägungen angestellt bei Erlass des Verbots, Transporte von bereits gebuchten teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten vorzunehmen. Die Bundesnetzagentur sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, zur Untersagung der streitgegenständlichen Transporte rechtlich gezwungen zu sein. Fehlerhaft gehe sie davon aus, dass ein Fortfall der Anwendbarkeit des Vergleichsvertrages das Angebot von teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten und die Vornahme der streitgegenständlichen Transporte in gleicher Weise betreffe. Rechtliche Grundlage für die streitgegenständlichen Transporte seien allein die Ein- und Ausspeiseverträge über die streitgegenständlichen Transporte, die vor Erlass der EuG-Entscheidung geschlossen worden seien. Diese blieben auch dann wirksam, wenn die Anwendbarkeit des OPAL-Vergleichsvertrages nachträglich mit Rückwirkung entfiele. Die Transporte verstießen daher nur dann gegen die Freistellungsentscheidung, wenn diese konkrete Regelungen enthielte, die der Durchführung der Ein- und Ausspeiseverträge entgegenstünden. Dies werde im angegriffenen Beschluss indes nicht dargelegt. Selbst unterstellt, dass eine europarechtliche Pflicht der Bundesnetzagentur zur Abstellung von Verstößen bestehe, folge aus dem EuG-Urteil kein Zwang zur Untersagung der Transporte. Der Grundsatz des effet utile beanspruche keine absolute Geltung. Die mit ihm verfolgten Gemeinschaftsinteressen seien mit den jeweils betroffenen Individualinteressen in Einklang zu bringen. Dabei seien insbesondere der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Es gelte der allgemeine Grundsatz, dass die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen der Kommission zu vermuten sei, so lange sie nicht gerichtlich für nichtig erklärt worden seien. Die Ein- und Ausspeiseverträge seien daher in berechtigtem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit und den Bestand der OPAL-Freistellungsentscheidung geschlossen worden. Dem stehe auch die Kenntnis der Beschwerdeführerinnen von den Klagen gegen die Kommissionsentscheidung nicht entgegen. Die Bundesnetzagentur hätte daher im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens prüfen müssen, ob der Vertrauensschutz und die Rechtssicherheit vorliegend einer Untersagung entgegenstehen. Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hätte zudem vorausgesetzt, dass die Bundesnetzagentur die Gründe für eine Untersagung der streitgegenständlichen Transporte untersucht und gewichtet. Hierbei hätte sie das laufende Rechtsmittelverfahren gegen die EuG-Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof berücksichtigen müssen. Zudem habe das Gericht der Europäischen Union die Kommissionsentscheidung allein aus verfahrensrechtlichen Gründen für nichtig erklärt und könne die Kommission bei erneuter Entscheidung den Grundsatz der Energiesolidarität berücksichtigen. Bei entsprechender Bestätigung würde der Vergleichsvertrag ex tunc wirksam. Käme die Bundesnetzagentur bei einer entsprechenden rechtlichen Vorab-Prüfung zu dem Ergebnis, dass es bei der Kommissionsentscheidung bliebe werde, dürfte eine Untersagung der Transporte im Ergebnis ausscheiden. Im Übrigen habe das WTO-Panel in dem WTO-Streitschlichtungsverfahren Russian Federation ./. European Union and its Member States die Nebenbestimmungen zu Buchungsbeschränkungen für nicht vereinbar mit Art. XI:1 des GATT 1994 erklärt. Hiermit hätte sich die Bundesnetzagentur im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens ebenfalls inhaltlich auseinandersetzen müssen.
47Die dargelegten Grundsätze gälten in gleicher Weise für das Nominierungsverbot, das daher aus denselben, zuvor genannten Gründen rechtswidrig sei. Soweit der Tenor die Beschwerdeführerin zu 1) adressiere, sei der Beschluss bereits wegen Ungeeignetheit unverhältnismäßig, da diese zu keiner Zeit Nominierungen abgegeben habe.
48Sollte der Senat die dargelegte Rechtsauffassung zur Auslegung des Art. 36 RL 2009/73/EG nicht teilen und die Beschwerde (teilweise) zurückweisen, wäre er gehalten, das Beschwerdeverfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs auszusetzen und im Falle einer Bestätigung des EuG-Urteils durch den Europäischen Gerichtshof die sich zur Auslegung von Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG stellenden Fragen gem. Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen.
49Jedenfalls sei der in Ziffer 4. tenorierte Widerrufsvorbehalt rechtswidrig. Zur Erreichung des Ziels, neue Erkenntnisse z.B. auch aus dem erwarteten EuGH-Urteil berücksichtigen zu können, sei die Aufnahme eines Widerrufsvorbehalts nicht erforderlich. Ausschließlich belastende Verwaltungsakte könnten jeder Zeit von der Behörde auch ohne Widerrufsvorbehalt widerrufen werden. Ein milderes Mittel wäre es gewesen, das Versteigerungs-, das Transport- und das Nominierungsverbot unter die auflösende Bedingung der Aufhebung des EuG-Urteils durch den Europäischen Gerichtshof zu stellen. Nur so werde sichergestellt, dass die Beschwerdeführerinnen den Vergleichsvertrag unmittelbar nach Wiederherstellung seiner Wirksamkeit durchführen könnten.
50Die Beschwerdeführerin zu 3) beantragt,
51den zu dem Geschäftszeichen BK7-08-009-E2 ergangenen Beschluss der Beschlusskammer 7 der Bundesnetzagentur vom 13.09.2019 aufzuheben.
52Die Bundesnetzagentur beantragt,
53die Beschwerde zurückzuweisen.
54Die Bundesnetzagentur verteidigt den angegriffenen Beschluss. Sie ist der Ansicht, die auf § 65 Abs. 1 S. 1 EnWG gestützte Untersagung der Durchführung weiterer Versteigerungen sei rechtmäßig. Die Nichtigerklärung der Genehmigung der Kommission habe dazu geführt, dass der Vergleichsvertrag bis zu einer Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof nicht angewendet werden könne. Nach dem Wortlaut des Art. 36 Abs. 9 UA 1 RL 2009/73/EG könne die Kommission beschließen, von der nationalen Regulierungsbehörde eine Änderung oder den Widerruf der beabsichtigten Freistellungsentscheidung zu verlangen. Dem Änderungsverlangen müsse die nationale Regulierungsbehörde gem. Art. 36 Abs. 9 UA 3 RL 2009/73/EG auch nachkommen. Dies stelle eine Eingriffsmöglichkeit in den nationalen Entscheidungsprozess dar. Die nationale Entscheidung stehe daher immer unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Kommission. Auch aus Art. 36 Abs. 9 UA 4 RL 2009/73/EG folge ein Genehmigungserfordernis durch die Kommission. Dass es im Bereich des Art. 36 RL 2009/73/EG anders als im Beihilferecht und bei Fusionskontrollen keine ausdrückliche Genehmigungsfiktion gebe, zeige, dass eine solche vom europäischen Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sei. Daraus ließe sich kein fehlendes Genehmigungserfordernis schließen. Vielmehr könne die nationale Ausnahmeentscheidung nicht umgesetzt werden, so lange die Genehmigung nicht erteilt worden sei. Ohne Zustimmung der Kommission bleibe die nationale Ausnahmeentscheidung schwebend unwirksam. Selbst wenn man entgegen des Wortlauts „Genehmigung“ davon ausgehen wolle, dass die Kommission ausschließlich Kontroll- und Eingriffsbefugnisse habe, habe sie diese durch ihr Änderungsverlangen ausgeübt. Es könne daher nach der EuG-Entscheidung nicht der Vergleichsvertrag in der Form vor seiner Abänderung gelten. Ebenso scheide eine Anwendung der unterzeichneten Version des Vergleichsvertrages aus, da diese erst nach der Durchführung des vom Gericht der Europäischen Union verworfenen Kommissionsverfahrens entstanden sei.
55Für ihre Auffassung spräche auch die einschlägige Rechtsprechung. Das Gericht der Europäischen Union habe in seiner Entscheidung vom 21.07.2017 (T-883/16R) erläutert, die angeordnete Aussetzung der Kommissionsgenehmigung führe dazu, dass die Regelungen des zugrunde liegenden Vergleichsvertrages, selbst Verpflichtungen aus vor Erlass der Zwischenverfügung durchgeführten Auktionen, nicht mehr ausgeführt werden dürften. Auch der Senat sei in seiner Zwischenentscheidung im Verfahren VI-3 Kart 1203/16 davon ausgegangen, dass der Vergleichsvertrag nicht anwendbar sei, wenn die Wirkung der Zustimmung der Kommission fehle. Dem stehe nicht der Charakter des Eilverfahrens entgegen, da auch bei summarischen Verfahren eine umfassende rechtliche Beurteilung vorgenommen werde und es sich bei den genannten Passagen um Aussagen zur Beurteilung der Rechtslage handele, auf die eine summarische Prüfung keinen Einfluss habe. Wenn schon die Zwischenentscheidung des Gerichts der Europäischen Union, die lediglich den Vollzug der Kommissionsentscheidung ausgesetzt habe, diese Wirkung auslöse, gelte diese Folge erst Recht für eine endgültige Entscheidung des Gericht der Europäischen Union in der Hauptsache, die die Entscheidung der Kommission für nichtig erkläre. Würde der Vergleichsvertrag angewendet werden, würden die Nichtigerklärung durch das Gericht der Europäischen Union und damit die fehlende Zustimmung der Kommission missachtet. Dies stelle einen Verstoß gegen das Effektivitätsprinzip gemäß Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV dar. Aufgrund der Nichtanwendung des Vergleichsvertrages trete die Rechtslage ein, die vor Abschluss des Vergleichsvertrages gegolten habe.
56Im Zeitpunkt des angegriffenen Beschlusses vom 13.09.2019 habe auch ein Verstoß gegen die demnach maßgebliche Freistellungsentscheidung 2009 unmittelbar bevor gestanden, indem – insoweit unstreitig - für den 16.09.2019 eine Aktion von teilregulierten Kapazitäten für Oktober auf der Vermarktungsplattform PRISMA angesetzt gewesen sei.
57Ihr grundsätzlich nach § 65 EnWG bestehendes Ermessen sei im vorliegenden Fall gebunden gewesen. Durch die Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung sei der Vergleichsvertrag unanwendbar geworden. Rechtsfehlerfrei habe sie daher allein die Entscheidung treffen können, die Durchführung des Vergleichsvertrages und damit die Versteigerung von teilregulierten, entkoppelten Verbindungskapazitäten zu untersagen. Ein Zuwarten sei angesichts der bevorstehenden Auktion am 16.09.2019 nicht möglich gewesen. Sie habe auch nicht ermessensfehlerhaft die (noch nicht wirksame) Aussage des WTO-Panels aus dem Jahr 2018 nicht beachtet. Diese Aussage beziehe sich auf die Begrenzung von Kapazitätsbuchungen von marktbeherrschenden Unternehmen aus Ziffer 1j) und nicht auf die hier streitentscheidende Ziffer 1a). Im Übrigen seien die Entscheidungen des Panels und des Appellate Body nur Empfehlungen und von der Annahme durch den Dispute Settlement Body abhängig. Sie seien daher von ihr nicht unmittelbar zu beachten.
58Sie habe der Beschwerdeführerin zu 3) auch rechtmäßig die Durchführung von Transporten untersagt. Dem stehe nicht entgegen, dass die bereits vergebenen Transporte auf vor dem Erlass des EuG-Urteils abgeschlossenen Ein- und Ausspeiseverträgen beruhten und nicht auf dem Vergleichsvertrag. Mit einer Fortsetzung der Durchführung von Transporten auf der OPAL würden die Wirkungen des Vergleichsvertrages perpetuiert, obwohl die Nutzung der Transportrechte nach Aufhebung der Kommissionsgenehmigung ohne Rechtsgrundlage erfolge. Nach der Rechtsprechung des Senats bestehe im Übrigen auch kein schützenswertes Interesse an der Umsetzung eines Vertrages, für den keine Kommissionsgenehmigung bestehe.
59Auch hinsichtlich der Untersagung von Transporten auf der OPAL sei ihr Ermessen durch die EuG-Entscheidung gebunden gewesen. Ein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beschwerdeführerinnen, den sie im Rahmen der Ermessensentscheidung hätte beachten müssen, habe nicht bestanden. Diese hätten Kenntnis von den anhängigen Nichtigkeitsklagen gegen die Kommissionsentscheidung und dem Risiko einer dadurch entstehenden Unwirksamkeit des Vergleichsvertrages gehabt. Die Beschwerdeführerin zu 3) habe aus diesem Grund auch einen Vorbehalt in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen. Eine Durchführung der Transporte wäre durch den Eintritt nicht reversibler Zustände offensichtlich rechtswidrig gewesen.
60Sie habe den Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) auch rechtsfehlerfrei die Nominierung teilregulierter entkoppelter Kapazitäten auf Grundlage des § 65 Abs. 1 S. 1 EnWG untersagt. Drohende weitere Nominierungen hätten sich aus deren Stellungnahme vom 12.09.2019 ergeben. Eine Untersagung auch gegenüber der Beschwerdeführerin zu 1) als Muttergesellschaft sei erforderlich gewesen, um eine Umgehung des Nominierungsverbots durch eine andere Tochtergesellschaft zu verhindern und so der EuG-Entscheidung zu einer umfassenden Geltung zu verhelfen. Ein Ermessensdefizit wegen unzureichender Sachverhaltsaufklärung bestehe nicht. Ihr sei bewusst gewesen, dass die Beschwerdeführerin zu 1) selbst keine Nominierungen vorgenommen habe. Die EuG-Entscheidung habe zu einem gebundenen Ermessen geführt. Im Übrigen dürfe das Nominierungsverbot die Beschwerdeführerin zu 1) nicht belasten, wenn sie ohnehin nicht beabsichtige, selbst Nominierungen durchzuführen.
61Der Widerrufsvorbehalt in Tenorziffer 4. habe seine Grundlage in § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG. Neue Erkenntnisse könnten sich insbesondere aus weiteren gerichtlichen Entscheidungen ergeben. Aufgrund ihres gebundenen Ermessens im Falle der Aufhebung der EuG-Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof – auch hinsichtlich der unverzüglichen Umsetzung - stelle eine auflösende Bedingung keinen milderen Eingriff dar. Ein Verlust von Rechten aus dem Vergleichsvertrag durch Zeitablauf sei nicht zu befürchten.
62Die Anträge der P, dieses Verfahren mit dem Verfahren VI-3 Kart 1203/16 [V] zu verbinden, hilfsweise sie zu diesem Verfahren beizuladen, hat der Senat mit Beschlüssen vom 07.11.2019 und 20.11.2019 (Bl. 37 ff GA und 172 ff GA) abgelehnt.
63Wegen des weiteren Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze mit Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
64B.
65Die zulässigen Beschwerden der Beschwerdeführerinnen zu 1) bis 3) haben nur in geringem Umfang Erfolg, soweit der Beschwerdeführerin zu 1) (Betroffenen zu 2) in Tenorziffer 3. mit sofortiger Wirkung untersagt worden ist, auf Grundlage des Vergleichsvertrages vom 25./26./28.11.2016 bereits gebuchter teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten entsprechende Nominierungen abzugeben. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen.
66I. Im Ergebnis zu Recht hat die Bundesnetzagentur der Beschwerdeführerin zu 3) in Tenorziffer 1. des angegriffenen Beschlusses gestützt auf § 65 Abs. 1 EnWG untersagt, Versteigerungen von aufgrund des Vergleichsvertrages teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten auf der OPAL durchzuführen.
67Gemäß § 65 Abs. 1 EnWG kann die Regulierungsbehörde Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen verpflichten, ein Verhalten abzustellen, das den Bestimmungen dieses Gesetzes sowie den auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Rechtsvorschriften entgegensteht. Sie kann hierzu alle erforderlichen Abhilfemaßnahmen verhaltensorientierter oder struktureller Art vorschreiben, die gegenüber der festgestellten Zuwiderhandlung verhältnismäßig und für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung erforderlich sind. Im Rahmen der allgemeinen Aufsichtsbefugnis kann die Regulierungsbehörde entweder das Abstellen einer Unternehmenspraxis verlangen, sog. Verbotsverfügung (Abs. 1) oder bestimmte Maßnahmen anordnen, sog. Gebotsverfügung (Abs. 2), wenn Unternehmen oder Vereinigungen von Unternehmen gegen unmittelbar aus dem EnWG folgende Pflichten oder gegen aufgrund des EnWG erlassene Rechtsvorschriften verstoßen (Theobald/Werk in: Theobald/Kühling, 108. EL September 2020, § 65 EnWG Rn. 4).
68Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
691. Das Verhalten der Beschwerdeführerin zu 3), noch mit PRISMA Veröffentlichung vom 12.09.2019 für die bevorstehende Monatsauktion für den Monat Oktober am 16.09.2019 verbindliche teilregulierte entkoppelte Verbindungskapazitäten auf der OPAL anzubieten, stellt einen im Sinne dieser Vorschrift genannten drohenden Rechtsverstoß gegen das EnWG, hier gegen § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG dar.
701.1. Nach § 28a Abs. 1 EnWG können unter anderem Verbindungsleitungen zwischen Deutschland und anderen Staaten von der Regulierung unter den dort im Einzelnen genannten Voraussetzungen freigestellt werden. In dem Antragsverfahren zur Erteilung der Freistellung von der Regulierung unterliegt die Entscheidung der Regulierungsbehörde nach § 28a Abs. 3 S. 2 i.V. m. Art. 36 Abs. 8 und 9 RL 2009/73/EG einem europäischen Kontrollverfahren durch die Kommission. Eingeleitet wird das EU-Beteiligungsverfahren durch einen an die Bundesnetzagentur zu richtenden Antrag des die Infrastrukturanlage betreibenden Gasversorgungsunternehmens. Der Kommission ist bereits eine Kopie des Befreiungsantrags zuzuleiten, sobald dieser bei der Regulierungsbehörde gestellt worden ist, um dieser eine frühzeitige Einflussnahme zu ermöglichen. Nach Vorlage der Ausnahmeentscheidung sowie aller die Entscheidung tragenden, in Art. 36 Abs. 8 lit. a) bis e) RL 2009/73/EG näher aufgelisteten Informationen kann die Kommission binnen einer Frist von 2 Monaten eine Änderung oder den Widerruf der Befreiung gemäß Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG direkt durch Beschluss verlangen. § 28a Abs. 3 S. 3 EnWG regelt korrespondierend die Verpflichtung der Regulierungsbehörde, die endgültige Entscheidung der Kommission umzusetzen und setzt damit Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG um, wonach die Regulierungsbehörde dem Beschluss der Kommission zur Änderung oder zum Widerruf der Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme innerhalb von einem Monat nachzukommen und die Kommission hiervon in Kenntnis zu setzten hat. Verlangt die Kommission Änderungen oder die Aufhebung der Entscheidung, so ist die Regulierungsbehörde an dieses Verlangen gebunden und muss ihre vorläufige Entscheidung entsprechend anpassen oder gar aufheben. Die §§ 48 und 49 VwVfG bleiben neben § 28a Abs. 3 S. 3 EnWG anwendbar.
71Auch wenn weder § 28a EnWG noch Art. 36 RL 2009/73/EG ausdrückliche Bestimmungen für die Änderung bestehender Freistellungsentscheidungen enthalten, können diese Gegenstand einer Überprüfung sein und an geänderte Bedingungen und Verhältnisse angepasst werden. Ein solches Bedürfnis ist, worauf auch die Kommission in der Entscheidung vom 28.10.2016 abstellt, schon angesichts der langfristigen Auswirkungen von Freistellungsentscheidungen anzuerkennen. Ebenso wie die Freistellungsentscheidung als solche unterliegt auch die Änderung oder Modifizierung nationaler Freistellungsentscheidungen der Kontrolle durch die Kommission. Insoweit kann es keine Rolle spielen, ob die Änderung in Form einer behördlichen Entscheidung durch Verwaltungsakt oder durch den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags vorgenommen wird. Unabhängig davon, ob die Änderung einer Freistellungsentscheidung durch öffentlich-rechtlichen Vertrag zulässig ist, kann jedenfalls nicht mittels der Rechtsformwahl das Erfordernis der Kontrolle der Entscheidung durch die Kommission umgangen werden.
72Damit unterlag auch der Vertrag vom 11.05.2016 der Inhaltskontrolle der Kommission und durfte nur bei Vorliegen einer bestätigenden oder genehmigenden Entscheidung umgesetzt werden.
731.2. Die Kommission hat mit Beschluss vom 28.10.2016 den zwischen der Bundesnetzagentur und den Beschwerdeführerinnen im Mai 2016 geschlossenen Freistellungsvertrag über die Freistellung der OPAL von der Netzregulierung vorbehaltlich weiterer, im Kommissionsbeschluss geforderter Änderungen genehmigt. Die Bundesnetzagentur und die Beschwerdeführerinnen haben mit Abschluss des Vergleichsvertrages am 25./26./28.11.2016 die Kommissionsentscheidung umgesetzt und vollzogen. Es lag mithin zunächst eine wirksame Freistellung der OPAL von der Regulierung vor. Das Gericht der Europäischen Union hat jedoch mit Entscheidung vom 10.09.2019 den dem Vergleichsvertrag zugrundeliegenden Kommissionsbeschluss mit sofortiger Wirkung für nichtig erklärt (T-883/16). Damit sind die Rechtswirkungen der Kommissionsentscheidung vom 28.10.2016 für den OPAL-Vergleichsvertrag entfallen. Eine bestätigende, endgültige Entscheidung im Sinne des § 28a Abs. 3 S. 3 EnWG, die die Bedingung für die rechtmäßige Umsetzung des Vergleichsvertrages bildet, liegt somit nicht mehr vor. Es fehlt an der für die rechtmäßige Umsetzung eines nationalen Rechtsakts erforderlichen inhaltlichen Übereinstimmung mit einer Entscheidung der Kommission, wenn eine bestätigende Entscheidung aufgehoben wird. Eine weitere Umsetzung und Vollziehung des Vergleichsvertrages ist damit nicht mehr rechtmäßig (Senat, Beschluss v. 30.12.2016, VI-3 Kart 1203/16 [V], Rn. 46 ff, juris).
741.2.1. Dieses Ergebnis lässt sich entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur nicht zweifelsfrei auf die rechtliche Einordnung der Kommissionsentscheidung als Genehmigung entsprechend § 184 BGB stützen mit der Folge, dass die Freistellungsentscheidung der Bundesnetzagentur gemäß Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG bis zu einer bestätigenden Kommissionsentscheidung schwebend unwirksam wäre und nach Aufhebung einer solchen wieder schwebend unwirksam werden würde. Die Bundesnetzagentur hat in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt, der Vergleichsvertrag stehe nach Aufhebung der Kommissionsentscheidung wieder unter dem Änderungs- und Widerrufsvorbehalt der Kommission und damit unter dem Vorbehalt einer Genehmigung, so dass der Vergleichsvertrag erst gem. § 58 Abs. 2 VwVfG wirksam werde, wenn die Kommission mitgewirkt habe. Eine solche rechtliche Einordnung des in Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG geregelten „Widerrufs- und Änderungsverlangens“ lassen jedoch weder Wortlaut der streitentscheidenden Vorschriften oder die Gesetzessystematik, noch die Historie oder bereits ergangene nationale und europäische Gerichtsentscheidungen eindeutig zu, auch wenn die Kommission selbst in Artikel 1 ihrer Entscheidung vom 28.10.2016 beschlossen hat, die von der Bundesnetzagentur mit der notifizierten Entscheidung vom 13.05.2016 vorgelegten Änderungen der Freistellung der OPAL von den in der Richtlinie festgelegten Anforderungen bezüglich des Netzzugangs Dritter und der Entgeltregulierung vorbehaltlich der im Beschluss geforderten Änderungen zu genehmigen (S. 45, Unterstreichung durch den Senat).
751.2.1.1. Bereits der Wortlaut der Norm ist hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der Kommissionsentscheidung nicht eindeutig. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG, der die Überprüfungs- und Eingriffsbefugnis der Kommission regelt, räumt der Kommission das Recht ein, innerhalb einer – einseitig verlängerbaren Frist – von 2 Monaten eine Änderung oder den Widerruf der Entscheidung über die Ausnahme zu verlangen. Der Begriff des „Widerrufs“ knüpft, wie unter anderem die Regelung in § 49 VwVfG und die Vorschriften zum Verbraucherschutz zeigen, an eine bereits wirksam gewordene Entscheidung oder einen wirksam geschlossenen Vertrag an und ermöglicht deren nachträgliche Beseitigung. Das Wort „Widerruf“ spricht daher eher für eine unabhängig von der Kommissionsentscheidung wirksame Freistellungsentscheidung. Demgegenüber ist in Art. 36 Abs. 9 UAbs. 3 RL 2009/73/EG geregelt, wann die durch die Kommission erfolgte Genehmigung einer Entscheidung zur Gewährung einer Ausnahme unwirksam wird (Unterstreichung durch den Senat). Ob der Begriff der „Genehmigung“ bewusst im Sinne des deutschen Rechtsverständnisses dahingehend gewählt worden und einzuordnen ist, dass die Freistellungsentscheidung erst mit einer bestätigenden Kommissionsentscheidung die volle Wirksamkeit erlangt und bis dahin schwebend unwirksam ist, darf bezweifelt werden. Hiergegen spricht bereits, dass Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG weder Vorgaben dazu macht, ob und wie – zum Beispiel in Form einer „Entscheidung“ - die Kommission ihr Prüfungsverfahren zu beenden hat, noch Regelungen zu den rechtlichen Folgen im Falle eines unterbliebenen Tätigwerdens der Kommission binnen des Zweimonatszeitraums trifft. Eine solche Regelung wäre aber denklogisch erforderlich gewesen, wollte man die Eingriffsbefugnis der Kommission als „Genehmigung“ im Rechtssinne verstehen, um bei Untätigkeit der Kommission Gewissheit über den Bestand der nationalen Ausnahmeentscheidung zu haben. Gleiches gilt hinsichtlich einer rechtlichen Vorgabe zu den Wirkungen der nationalen Ausnahmeentscheidung im Zeitraum zwischen der Vorlage der nationalen Entscheidung und dem Änderungs- und Widerrufsverlangen durch die Kommission. Denn ebenfalls nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, ob ein Durchführungsverbot bis zum Ablauf der Prüffrist besteht, oder ob die Ausnahmeentscheidung der Regulierungsbehörde auch ohne Kommissionsentscheidung wirksam ist und schon vollzogen werden kann.
761.2.1.2. Eine systematische Betrachtung führt ebenfalls nicht zu einem eindeutigen Befund. Zunächst ergibt sich zwar aus Art. 36 Abs. 3 RL 2009/73/EG, dass die nationale Regulierungsbehörde über Ausnahmen hinsichtlich der Regulierungsvorgaben in Art. 9, 32, 33 und 34 sowie Art. 41 Abs. 6, 8 und 10 RL 2009/73/EG entscheidet. Aus dem Zusammenspiel mit Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG folgt jedoch, dass die Freistellung nicht in der alleinigen Entscheidungskompetenz der nationalen Regulierungsbehörden liegt, sondern eine Beteiligung der Kommission in Form einer Widerrufs- und Änderungsbefugnis und eine hiermit korrespondierende Verpflichtung der nationalen Regulierungsbehörden vorsieht, geforderte Änderungen umzusetzen. Die nationalen Regulierungsbehörden kommen gemäß Art. 36 Abs. 9 UAbs. 2 RL 2009/73/EG dem Beschluss der Kommission zur Änderung oder zum Widerruf der Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme nach und setzen die Kommission hierüber in Kenntnis.
77Es handelt sich mithin um einen dreistufigen Prozess, auf dessen erster Stufe die nationale Regulierungsbehörde zwar zunächst ohne Mitwirkung der Kommission eine Entscheidung trifft, auf dessen dritter Stufe sie indes ihre Entscheidungen im Hinblick auf die Forderungen der Kommission anpassen muss. Dies spricht dafür, der Befugnis der Kommission eine konstitutive Wirkung zuzusprechen. Im Vergleich zu den Beihilferegelungen fällt jedoch auf, dass diese ausdrücklich den Abschluss des Prüfverfahrens durch einen Beschluss der Kommission in Art. 4 VO (EU) 2015/1589 und für den Fall, dass die Kommission einen solchen Beschluss nicht erlässt, eine Genehmigungsfiktion regeln. Art 3 VO (EU) 2015/1589 sieht korrespondierend vor, dass anmeldungspflichtige Beihilfen nicht eingeführt werden dürfen, bevor die Kommission einen diesbezüglichen Genehmigungsbeschluss erlassen hat. Ähnlich ist die Rechtslage in der Verordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen VO (EG) Nr. 139/2004 ausgestaltet. Auch hier ist in Art. 6 und 8 ausdrücklich der Abschluss des Prüfverfahrens durch eine positive sowie eine negative Entscheidung, in Art. 10 eine Vereinbarkeitsfiktion für den Fall einer fehlenden Entscheidung und in Art. 7 ein Durchführungsverbot bis zu einer Entscheidung der Kommission bzw. dem Eintritt der Vermutungswirkung geregelt. Das Fehlen entsprechender Regelungen in Art. 36 RL 2009/73/EG legt den Schluss nahe, dass die Änderungs- und Widerrufsentscheidung in regulierungsrechtlichen Freistellungsverfahren bewusst anders und damit nicht als Genehmigung ausgestaltet werden sollte. Denkbar wäre zwar auch, worauf die Bundesnetzagentur verweist, dass der europäische Verordnungsgeber bewusst von der Regelung einer Genehmigungsfiktion abgesehen hat, weil die regulierungsbehördliche Ausnahmeentscheidung ohne eine innerhalb der Frist erklärte Kommissionsentscheidung nicht wirksam werden soll. Im Hinblick auf die detaillierten Ausgestaltungen im Beihilfe- und Fusionskontrollrecht sowie im Hinblick darauf, dass dann für Art. 36 RL 2009/73/EG ein strengeres Regelungsregime gelten würde als für Regelungen im sensibleren Beihilfe- und Fusionskontrollrecht, ist diese Auffassung jedoch wenig nachvollziehbar.
78Auch ein Vergleich mit Art. 17 VO (EG) Nr. 714/2009 (StromHVO), inzwischen abgelöst durch Art. 63 VO (EU) 2019/943 gibt keine eindeutige Antwort. Zwar wurde zu der dem Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG gleichlautenden Regelung in Art. 17 Abs. 8 VO (EG) Nr. 714/2009 in der Literatur vertreten, Befreiungen unterlägen dort bis zu einer Bestätigung durch die Kommission keinem Durchführungsverbot (Pritzsche/Reimers in: BerlKEnR, 4. Auflage, Art. 17 StromHVO, Rn. 26, 34). Diese Auffassung kann jedoch für die vorliegende Frage nicht fruchtbar gemacht werden. Denn zu dem hier einschlägigen § 28a EnWG findet sich in der Literatur ebenfalls die gegenteilige Auffassung, dass es richtig erscheine, die Zustimmung der Kommission als konstitutives Element einer Entscheidung über die Ausnahme zu begreifen (Thole in BerlK-EnR, 4. Auflage, § 28a EnWG, Rn. 30). Im Übrigen enthält auch die Nachfolgeverordnung in Art. 63 Abs. 8 UAbs. 5 VO (EU) 2019/943, die noch nicht kommentiert worden ist, nunmehr den Begriff der „Genehmigung“, entspricht mithin dem Wortlaut des Art. 36 Abs. 8 UAbs. 5 RL 2009/73/EG.
791.2.1.3. Die Gesetzeshistorie spricht ebenfalls nicht für eine eindeutige Einordnung des Widerrufs- und Änderungsverlangens als Genehmigung. Die Vorgängerregelung des Art. 36 RL 2009/73/EG, Art. 22 der RL 2003/55/EG, entspricht im Wesentlichen den hier einschlägigen Regelungen. In der Stellungnahme des Rates zur Vorgängernorm ist lediglich davon die Rede, dass „Ausnahmen […] einer Kontrolle seitens der Kommission unterliegen“ (Nr. 6/2003 v. 03.02.2003 (2003/C 50 E/03). Allerdings fehlt in der Vorgängerregelung noch der letzte Unterabsatz, der von einer „durch die Kommission erfolgten Genehmigung einer Entscheidung“ spricht. Ob hierin indes eine festlegende Einordnung der „Änderungs- und Widerrufsbefugnis“ als Genehmigung zu sehen ist, muss bezweifelt werden. Hiergegen spricht bereits, dass es anderenfalls nahe gelegen hätte, gleichzeitig auch in Absatz 9 der Norm das Wort „genehmigen“ zu verwenden, eine entsprechend den beihilferechtlichen Vorgaben normierte Genehmigungsfiktion und Rechtsfolgen für ein Untätigbleiben der Kommission aufzunehmen.
801.2.1.4. Ein ebenso uneinheitliches Bild ergibt sich schließlich bei der Betrachtung der einschlägigen Rechtsprechung. So hat das Gericht der Europäischen Union in einer Entscheidung vom 24.11.2010 zur Vorgängerrichtlinie zwar ausgeführt: „Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass die Richtlinie 2003/55 den nationalen Regulierungsbehörden, die zur Entwicklung des Erdgasbinnenmarkts und zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen durch transparente Zusammenarbeit untereinander und mit der Kommission beitragen, eine zentrale Rolle zuteilen wollte. So benötigen diese Behörden zum einen für die Ausübung ihrer sich aus dem Unionsrecht ergebenden Befugnisse keine Genehmigung der Kommission (Unterstreichung durch den Senat), und zum anderen sollen mit den Eingriffsmöglichkeiten der Kommission nur nationale Entscheidungen verhindert werden, die negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben können.“ (EuG, Beschluss v. 24.11.2010, T-317/09 – Concord Power Nordal GmbH / Europäische Kommission, Rn. 45). Zu beachten ist indes, dass Art. 22 RL 2003/55/EG – wie zuvor ausgeführt - in der Nachfolgerichtlinie um einen Unterabsatz erweitert wurde, der nunmehr ausdrücklich das Wort der „Genehmigung“ enthält. Fraglich ist daher, ob die zitierte Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union überhaupt übertragbar ist.
81Demgegenüber ist in dem Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 21.07.2017 (T-883/16 R) in Rn. 8 die Rede von einer erteilten „Genehmigung“ der Ausnahme der Gasfernleitung OPAL von den Anforderungen an den Netzzugang Dritter und in Rn. 44 von „wie sie durch diesen (angefochtenen) Beschluss genehmigt wurden […]“. Allerdings findet sich im Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 10.09.2019 unter Rn. 57 wiederum folgende Formulierung: „In beiden Fällen hat die Kommission lediglich die ihr durch Art. 22 Abs. 4 Unterabs. 3 der Richtlinie 2003/55 und dann durch Art. 36 Abs. 9 der Richtlinie 2009/73 eingeräumte Kontrollbefugnis ausgeübt, indem sie die BNetzA aufgefordert hat, an ihren Entscheidungen Änderungen vorzunehmen“. Der Europäische Gerichtshof spricht in seiner Entscheidung vom 04.12.2019 – in der deutschen Übersetzung - von „genehmigen“, was aber auch „billigen“ heißen kann, wenn man das französische Wort „approuver“ allein übersetzt (EuGH v. 04.12.2019, C-117/18 P, Rn. 36 ff). Da sich die europäischen Gerichte im Übrigen nie konkret mit der Frage beschäftigt haben, welche rechtlichen Konsequenzen eine nachträglich aufgehobene „Billigung“ der Kommission hat, ergeben sich auch aus der Rechtsprechung keine nennenswerten, belastbaren Anhaltspunkte zu der hier streitgegenständlichen rechtlichen Einordnung als Genehmigung. Denn Formulierungen in den Beschlüssen und Urteilen wie „Genehmigung“ oder Billigung“ sind möglicherweise – da es nicht hierauf ankam - nicht im rechtstechnischen Sinne gewählt worden oder beruhen schlicht auf Übersetzungsfehlern.
82Jedenfalls lassen sich eindeutig systematische, historische und Wortlautargumente für oder gegen die Einordnung der Kommissionsentscheidung als Genehmigung nicht finden. Da der streitgegenständliche Vergleichsvertrag erst im November 2016 und damit nach Beschlussfassung durch die Kommission am 28.10.2016 in Vollzug der von der Kommission geforderten Änderungen geschlossen worden ist, wäre es im Übrigen auch rechtstechnisch verfehlt, von einer „Genehmigung“ bzw. einem bis zur Kommissionsentscheidung „schwebend unwirksamen“ Vertrag zu sprechen.
831.2.2. Vorliegend kommt es auf die Frage, ob der Widerrufs- und Änderungsvorbehalt als „Genehmigung“ zu qualifizieren ist, nicht an. Auch ohne rechtliche Einordnung der Kommissionsentscheidung als Genehmigung verstößt eine Durchsetzung des Vergleichsvertrages in Form der Versteigerung von teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten nach Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung gegen § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG.
84Hierfür spricht das in Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG geregelte, 3-stufige Zusammenspiel zwischen der Freistellungsentscheidung der Regulierungsbehörde und der Entscheidung durch die Kommission. Zuständig für die Erteilung einer Ausnahme von der Regulierung ist zwar zunächst die nationale Regulierungsbehörde gemäß Art. 36 Abs. 3 RL 2009/73/EG. Diese ist jedoch an ein Widerrufs- oder Änderungsverlangen der Kommission gebunden und muss ihre (vorläufige) Entscheidung entsprechend den Vorgaben in der Kommissionsentscheidung ändern oder sogar aufheben, wie sich aus Art. 36 Abs. 9 UAbs. 2 RL 2009/73/EG und § 28a Abs. 3 S. 3 EnWG ergibt. Der nationalen Regulierungsbehörde wird kein Ermessen bei der Umsetzung der Kommissionsentscheidung eingeräumt. Vorliegend haben die Parteien diesen Regelungen folgend auch nicht den der Kommission vorgelegten Vertrag aus Mai 2016 sofort vollzogen, sondern eine Entscheidung der Kommission abgewartet und nach Erklärung eines entsprechenden Änderungsverlangens durch die Kommission mit Beschluss vom 28.10.2016 den diese Änderungen einbeziehenden Vergleichsvertrag im November 2016 neu geschlossen. Indem der Vergleichsvertrag das Änderungsverlangen der Kommission nachvollzogen und umgesetzt hat, lag eine nationale Freistellungsentscheidung in Gestalt eines öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrags vor, wie sie die Kommission nach Abschluss des Prüfverfahrens gebilligt hatte.
85Nach Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung fehlt der nationalen Freistellungsentscheidung damit die diese inhaltlich billigende Entscheidung der Kommission, die ein konstitutives Element für die Rechtmäßigkeit der Umsetzung bildet. Das Schicksal der Kommissionsentscheidung und das Schicksal des Vergleichsvertrages sind dergestalt miteinander verbunden, dass das Fehlen einer billigenden Kommissionsentscheidung ein Umsetzungshindernis für die Durchführung des Vergleichsvertrages bzw. der Freistellungsentscheidung begründet. So lange der Kontrollmechanismus durch die Kommission nicht abgeschlossen ist, ist auch die Freistellungsvereinbarung – hier der Vergleichsvertrag - nicht rechtmäßig durchführbar. Nach Wegfall der Kommissionsentscheidung besteht daher für die Durchführung des Vergleichsvertrages wieder ein Umsetzungshindernis. Eine weitere Vollziehung des Vergleichsvertrages ist damit nicht mehr rechtmäßig.
86Die Ansicht der Beschwerdeführerin, der Vergleichsvertrag sei so lange weiter durchführbar, bis die Kommission das Verfahren wieder aufgreife und eine andere bzw. das Prinzip der Energiesolidarität berücksichtigende formal rechtmäßige Entscheidung treffe, verkennt das in Art. 36 RL 2009/73/EG angeordnete Regelungssystem in mehrfacher Hinsicht. Zunächst ist es rechtlich anders zu bewerten, ob eine nationale Freistellungsentscheidung vor Ablauf der zweimonatigen Entscheidungsfrist der Kommission vollzogen wird, oder ob eine nationale Freistellungsentscheidung, die eine für nichtig erklärte Kommissionsentscheidung umsetzt, weiter vollzogen wird. Während in erstgenanntem Fall zwar unklar ist, wie die Kommission entscheidet, der Vollzugshandlung aber jedenfalls kein Abänderungsverlangen entgegensteht, ist die Rechtswidrigkeit des Vollzugs der Freistellungsentscheidung im letztgenannten Fall offensichtlich. Die Durchführung einer Freistellungsentscheidung, in die ein nichtiges Änderungsverlangen implementiert wurde, perpetuiert einen zumindest rechtswidrigen Zustand. Es liegt auf der Hand, dass der Vollzug einer solchen Freistellungsentscheidung gesetzeswidrig ist. Im Übrigen sind die Parteien selbst von einem Durchführungsverbot bis zu einer die Freistellung billigenden Entscheidung durch die Kommission ausgegangen, denn sie haben erst nach Vorlage des Kommissionsbeschlusses den nun streitgegenständlichen Vergleichsvertrag geschlossen und zuvor keine Versteigerungen von Kapazitäten und die darauf beruhenden Nominierungen und Transporte durchgeführt.
87Des Weiteren unterstellen die Beschwerdeführerinnen, dass die Kommission nach Nichtigerklärung ihres Beschlusses das Verfahren wieder aufzugreifen hat. Dies wäre nur dann zutreffend, wenn das Verfahren über die Freistellung nach Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung wieder in den Zustand nach Eingang der Meldung durch die nationale Regulierungsbehörde versetzt wird und ein erneuter zweimonatiger Prüfzeitraum für die Kommission beginnt. Für eine solche, erneute automatische Prüfpflicht der Kommission finden sich in der Richtlinie indes keine klaren Anhaltspunkte. Rechtstechnisch ließe sie sich auch allein mit der Genehmigungswirkung der Kommissionsentscheidung erklären. Ebenso denkbar und mit den Verordnungsvorgaben in Einklang steht daher die Annahme, dass der Freistellungsvorgang nach Aufhebung der Kommissionsentscheidung durch einen Antrag des Gasversorgungsunternehmens erneut in Gang gesetzt werden muss und die Kommission erst auf entsprechenden Antrag hin wieder tätig wird. Die Beschwerdeführerinnen können sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Vergleichsvertrag so lange durchführbar ist, bis die Kommission von sich aus eine anderweitige Entscheidung trifft. Unabhängig davon, ob eine Umsetzung der nationalen Freistellungsentscheidung schon während des (erstmaligen) Prüfungszeitraums rechtmäßig wäre, liegt es auf der Hand, dass dies jedenfalls nach Aufhebung einer rechtswidrigen Kommissionsentscheidung nicht mehr angenommen werden kann. Nach der Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung fehlt es an einer erneuten Prüfung – gegebenenfalls auch auf erneuten Antrag – unter Einschluss des Aspekts der Energiesolidarität, die zu einem die nationale Freistellungsentscheidung inhaltlich billigenden Abschluss geführt hat. Da bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof auch eine erneute Prüfung nicht zweckmäßig ist, bleibt es jedenfalls bis zur EuGH-Entscheidung bei einem Umsetzungshindernis des Vergleichsvertrages. Damit verstößt ein gleichwohl vorgenommener Vollzug gegen § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 Abs. 3-9 RL 2009/73/EG.
88Auch das Gericht der Europäischen Union bestätigt in seiner Eilentscheidung vom 21.07.2017 die hier vertretene Ansicht, indem es ausführt: „Im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sind die Bedingungen für die Nutzung der in Rede stehenden Gasfernleitung, wie sie durch diesen Beschluss genehmigt wurden, nicht mehr anzuwenden.“
89Damit tritt der Rechtszustand ein, wie er vor der Änderung durch den Vergleichsvertrag bestanden hat. Die Rechtslage wird durch die bestandskräftige Freistellungsentscheidung der Bundesnetzagentur vom 25.02.2009 in Gestalt des Beschlusses vom 07.07.2009 determiniert.
901.3. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist auch die Ansicht, der angegriffene Beschluss setze ein falsches Urteil des Gerichts der Europäischen Union um, zurückzuweisen. So lange es keine das EuG-Urteil aufhebende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs gibt, ist von der Nichtigkeit des Kommissionsbeschlusses und der daraus folgenden Nichtdurchführbarkeit des Vergleichsvertrages auszugehen.
91Ein Abwarten auf eine rechtskräftige Nichtigkeitsentscheidung ist nicht erforderlich, da die Entscheidungen des Gerichts der Europäischen Union gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichts der Europäischen Union i.V.m. Art. 60 der Satzung des Europäischen Gerichtshofs sofort wirksam werden und hiergegen eingelegte Rechtsmittel unbeschadet der Art. 278 und Art. 279 AEUV oder des Art. 157 EAG-Vertrag keine aufschiebende Wirkung haben. Der Verweis der Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) auf das Regelungsregime der VO (EG) Nr. 139/2004, das eine Entflechtungsanordnung durch die Kommission gem. Art. 8 Abs. 4 VO (EG) Nr. 139/2004 erst nach einer rechtskräftigen Nichtigerklärung vorsieht, überzeugt bereits deshalb nicht, weil Art. 36 RL 2009/73/EG eine entsprechende Regelung nicht enthält. Dies spricht dafür, es beim allgemeinen Grundsatz der sofortigen Wirksamkeit der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union zu belassen. Zum einen handelt es sich bei der Rückabwicklung von Unternehmenszusammenschlüssen um eine einschneidendere Maßnahmen als bei der Nichtdurchführung von Gastransporten. Zum anderen hat die Bundesnetzagentur vorliegend auch nur die Durchführung des Vergleichsvertrages vorläufig untersagt, hingegen nicht die Aufhebung des Vergleichsvertrages angeordnet.
92Schließlich ist die Bundesnetzagentur auch nicht gehalten, eine Entscheidung der Kommission zu der Freistellungsentscheidung abzuwarten. Da Art. 36 RL 2009/73/EG der Kommission kein Aufhebungsrecht im Fall der Nichtigerklärung ihrer Entscheidung einräumt und sie auch nicht die Möglichkeit hat, die Rückabwicklung anzuordnen oder die Durchführung zu verbieten (anders in Art. 8 Abs. 4 VO (EG) Nr. 139/2004), kann sie nicht von sich aus die Änderung der Ausnahmeentscheidung verlangen oder den Vertrag kündigen.
931.4. Mit der Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung tritt der Rechtszustand ein, wie er vor der Änderung durch den Vergleichsvertrag bestanden hat. Die Rechtslage wird durch die bestandskräftige Freistellungsentscheidung der Bundesnetzagentur vom 25.02.2009 in Gestalt des Beschlusses vom 07.07.2009 determiniert (vgl. Senat, Beschluss v. 30.12.2016, VI-3 Kart 1203/16 [V], Rn. 50, juris). Ziffer 1a) der Freistellungsentscheidung 2009 nimmt lediglich Verbindungskapazitäten in Gestalt von beschränkt zuordenbaren Entry- und Exit-Kapazitäten (BZK), die nur gebündelt angeboten werden, vollständig von der Regulierung aus. Dies hat zur Folge, dass alle sonstigen Kapazitätsprodukte nur vollreguliert angeboten werden können.
94Gegen diese Rechtslage drohte die Beschwerdeführerin zu 3) am 12.09.2019 zu verstoßen, indem sie teilregulierte FZK-Verbindungskapazitäten und teilregulierte DZK-Verbindungskapazitäten auf der Handelsplattform PRISMA noch am 12.09.2019 für die bevorstehende Monatsauktion am 16.09.2019 für den Monat Oktober zur Versteigerung anbot, obwohl die Bundesnetzagentur sie bereits mit Schreiben vom 10.09.2019 darauf hingewiesen hatte, dass der Vergleichsvertrag nach der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 10.09.2019 nicht mehr durchführbar sei. Auktionen teilregulierter Kapazitäten, die nach den Regelungen des Vergleichsvertrages durchgeführt werden, stehen nicht im Einklang mit Ziffer 1a) der Freistellungsentscheidung 2009, der nur die Versteigerung vollregulierter Kapazitäten zulässt. Gleichzeitig hat die Beschwerdeführerin zu 3) mit Schreiben vom 12.09.2019 gegenüber der Bundesnetzagentur erklärt, ohne weitergehende Anordnung die Versteigerung teilregulierter Kapazitäten nicht einstellen zu werden.
95Ebenso wie § 32 GWB ist auch § 65 Abs. 1 EnWG nicht erst dann anwendbar, wenn die (erste) Zuwiderhandlung des Unternehmens bereits stattgefunden hat. Ausreichend ist die drohende Erstbegehungsgefahr, die dann vorliegt, wenn die ernsthafte Besorgnis einer drohenden Gesetzesverletzung besteht (sog. Erstbegehungsgefahr) (Theobald/Werk, in: Theobald/Kühling, 108. EL September 2020, § 65 EnWG, Rn. 22; Wende, in BerlKEnR, 4. Auflage, § 65 EnWG, Rn. 14; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, 6. Aufl. 2020, GWB § 32 Rn. 9). Eine solche Erstbegehungsgefahr lag zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung vor. Am 12.09.2016 musste die Bundesnetzagentur davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin zu 3) ohne ausdrückliche Untersagungsverfügung die Versteigerung am 16.09.2019 durchgeführt hätte.
962. Die Bundesnetzagentur hat auch das ihr gemäß § 65 Abs. 2 EnWG eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausgeübt.
97Liegt ein den Bestimmungen des EnWG und den aufgrund des EnWG erlassenen Rechtsvorschriften entgegenstehendes Verhalten vor, steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Regulierungsbehörde („kann“), eine Verpflichtung zur Abstellung dieses Verhaltens auszusprechen bzw. eine Maßnahme anzuordnen. Dabei hat sie, wie bei belastendem Verwaltungshandeln generell, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Zu berücksichtigen ist dabei, dass die Regulierungsbehörde im öffentlichen Interesse anhand der Ziele des § 1 EnWG tätig wird, nicht im Interesse eines privaten Dritten (Senat, Beschluss v. 12.12.2012, VI-3 Kart 137/12 [V], Rn. 91, juris). Das Gebot der Verhältnismäßigkeit wird in § 65 Abs. 1 S. 2 ausdrücklich vorgeschrieben und „konkretisiert“ (BT-Drucks. 17/6072, S. 92). Die als Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung ohnehin vorzunehmende Prüfung der Erforderlichkeit wird vom Gesetzgeber gesondert erwähnt und dabei der Prüfungsmaßstab leicht verschoben: Es kommt nicht darauf an, ob ein milderes und ebenso effektives Mittel vorhanden ist, sondern allgemeiner, ob das Mittel für „eine wirksame Abstellung“ erforderlich ist. Falls also mildere Mittel existieren, die zwar nicht gleich effektiv sind, aber dennoch eine wirksame Abstellung der Zuwiderhandlung ermöglichen, sind diese zu wählen (Paul, in: Berlk-EnR, § 65 EnWG, Rn. 16; Hanebeck, in Britz/Hellermann/Hermes, 3. Aufl. 2015, EnWG § 65 Rn. 7).
98Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens kann das Gericht nur prüfen, ob die Behörde „die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten (Ermessensüberschreitung), ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt (Ermessensnichtgebrauch) oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensfehlgebrauch)“.
99Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabs ist die Entscheidung der Bundesnetzagentur nicht zu beanstanden. Gemäß Art. 4 Abs. 3 UA 2 EUV ergreifen die Mitgliedstaaten alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben (sog. effet utile, Effektivitätsprinzip). Da mit Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung ein Umsetzungshindernis besteht und die weitere Durchführung des Vergleichsvertrages europarechtswidrig ist, bleibt als einzig verbleibendes Mittel zur wirksamen Abstellung dieses europarechtswidrigen Verhaltens die Untersagung weiterer Versteigerungen. Durchgeführte Transporte können nicht rückgängig gemacht werden, wodurch sich Schadensersatzansprüche ergeben könnten. Solchen weitreichenden Folgen kann nur durch die Untersagung weiterer Versteigerungen als einzig verbleibendem Mittel zur wirksamen Abstellung der Zuwiderhandlung begegnet werden (vgl. bereits Senat, Beschluss v. 30.12.2016, VI-3 Kart 1203/16 [V], Rn. 51, juris). Die Bundesnetzagentur ist daher zu Recht von einem gebundenen Entschließungs- und Auswahlermessen ausgegangen. Ein etwaiges Vertrauen der Beschwerdeführerinnen, nach der Nichtigkeitserklärung des Gerichts der Europäischen Union weiter Versteigerungen der Transportkapazitäten auf der OPAL durchführen zu können, besteht nicht und war von der Bundesnetzagentur auch nicht zu berücksichtigen.
100Auch das Gericht der Europäischen Union bestätigt in seiner Eilentscheidung vom 21.07.2017 die hier vertretene Ansicht, indem es ausführt: „Im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sind nämlich die Bedingungen für die Nutzung der in Rede stehenden Gasfernleitung, wie sie durch diesen Beschluss genehmigt wurden, nicht mehr anzuwenden“, (EuG, Beschluss v. 21.07.2017, T-883/16 R, Rn. 27, 41 ff juris).
101Die Ermessensentscheidung der Bundesnetzagentur ist auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie im Rahmen der Ermessensentscheidung nicht die Aussage des WTO-Panels berücksichtigt hat, die vertraglichen Buchungsbeschränkungen aus dem Jahre 2009 verstießen gegen Art. XI Abs. 1 GATT. Eine abschließende, letztinstanzliche Entscheidung liegt bereits nicht vor. Im Übrigen würde selbst eine finale WTO-Entscheidung keine unmittelbar zu beachtende Bindungswirkung auslösen.
102II. Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat die Bundesnetzagentur der Beschwerdeführerin zu 3) in Tenorziffer 2. des angegriffenen Beschlusses untersagt, Gastransporte der Kapazitätsbuchenden von auf Grundlage des Vergleichsvertrages vom 25./26./28.11.2016 bereits vermarkteter teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten vorzunehmen.
103Auch im Hinblick auf die Untersagung der Durchführung von Transporten liegen die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 S. 1 EnWG vor, denn die drohende Durchführung des Transports von auf Grundlage des Vergleichsvertrages vermarkteter teilregulierter Verbindungskapazitäten verstößt ebenfalls – auch wenn insoweit entsprechende Ein- und Ausspeiseverträge auf Grundlage des Vergleichsvertrages geschlossen worden sind – gegen § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG.
1041. Zu den rechtlichen Auswirkungen der Nichtigkeitserklärung des Kommissionsbeschlusses kann auf die Ausführungen zu Ziffer I.1. Bezug genommen werden. Es gilt die Rechtslage, wie sie durch die Freistellungsentscheidung der Bundesnetzagentur aus dem Jahre 2009 determiniert wird, mit der auch der Transport bereits vermarkteter teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten unvereinbar ist.
105Die Bundesnetzagentur hat in dem angegriffenen Beschluss im Einzelnen und ausführlich dargelegt, dass sich anhand der Lastflussveröffentlichungen der Beschwerdeführerin zu 3) vom 13.09.2019, 9:30 Uhr auf der entsog transparancy platform am Einspeisepunkt Greifswald die Durchführung des Transports von teilregulierten, entkoppelten Verbindungskapazitäten belegen lasse. Diesem Vorbringen hat die Beschwerdeführerin nicht widersprochen, so dass die Bundesnetzagentur zu Recht insoweit einen Rechtsverstoß gegen Art. 28a EnWG i.V.m. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG angenommen hat.
106Die Beschwerdeführerin zu 3) kann dem nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Kapazitätsbuchungen beruhten auf privatrechtlichen Kapazitätsbuchungsverträgen, die ungeachtet der Nichtigkeitserklärung des Kommissionsbeschlusses weiter Bestand hätten. Die in Ziffer I.1. dargelegte, mit Fortfall der Kommissionsentscheidung entstandene Undurchführbarkeit des Vergleichsvertrages wirkt sich auf die auf seiner Grundlage abgeschlossenen privatrechtlichen Kapazitätsbuchungsverträge aus. Die teilweise bis ins Jahr … laufenden Kapazitätsbuchungsverträge setzen für ihre rechtmäßige Durchführbarkeit eine Umsetzbarkeit des Vergleichsvertrages voraus. Mit der Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung verstößt eine den Bedingungen des Vergleichsvertrages entsprechende Nutzung der OPAL und damit auch ein Transport von teilregulierten entkoppelten Verbindungsleitungen gegen das Freistellungsregime. Es liegt auf der Hand, dass damit auch die Durchführung der Kapazitätsbuchungsverträge, die im Ergebnis nur der Umsetzung des Vergleichsvertrages dienen, gegen § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG verstößt. Nur so kann der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union Wirksamkeit verschafft werden. Anderenfalls würde ein trotz Nichtigkeitserklärung durch das Gericht der Europäischen Union als rechtswidrig festgestelltes Verhalten durch den Zwischenschritt der „Kapazitätsbuchungsverträge“ unter Umständen bis ins Jahr 2031 fortgesetzt werden können. Eine Durchführung weiterer Transporte wäre, die vollständige rechtliche Unabhängigkeit der Kapazitätsbuchungsverträge unterstellt, selbst bei Bestätigung der Nichtigkeit der Kommissionsentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof weiterhin möglich. Um der Nichtigkeitserklärung die erforderliche nationale Geltung zu verschaffen, muss ein Umsetzungshindernis wie die fehlende Kommissionsentscheidung auch auf die Kapazitätsbuchungsverträge durchgreifen. In diesem Sinne führt auch das Gericht der Europäischen Union aus:
107„Im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses sind die Bedingungen für die Nutzung der OPAL-Gasfernleitung, wie sie durch diesen Beschluss genehmigt wurden, nicht mehr anzuwenden. Folglich wird kein privatrechtliches Rechtsgeschäft, das auf diesen Bedingungen beruht, durchgeführt werden können. Zu Recht haben sowohl die Kommission als auch die Bundesrepublik Deutschland diesen Gesichtspunkt in ihren Schriftsätzen sowie bei der Anhörung vom 5. Juli 2017 hervorgehoben“, (EuG, Beschluss v. 21.07.2017, T-883/16 R, Rn. 44, juris).
1082. Die Bundesnetzagentur hat auch das ihr im Rahmen der Missbrauchsaufsicht gemäß § 65 EnWG zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Wie bereits unter Ziffer I.2. ausgeführt, ist die Bundesnetzagentur zu Recht von einem gebundenen Ermessen ausgegangen. Um den (drohenden) Verstoß gegen die Vorschriften der § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 RL 2009/73/EG abzustellen und den Eintritt irreversibler Zustände zu vermeiden, blieb der Bundesnetzagentur, wie sie zutreffend ausgeführt hat, als effektives Mittel nur die Untersagung auch des Transports bereits gebuchter Kapazitäten. Andere, gleich effektive, aber weniger einschneidendere Mittel standen nicht zur Verfügung und werden auch nicht von den Beschwerdeführerinnen benannt. In nicht zu beanstandender Weise hat die Bundesnetzagentur sich bei ihrer Entscheidung auch von den zuvor unter Ziffer II.1. genannten Ausführungen des Gerichts der Europäischen Union im Beschluss vom 21.07.2019 leiten lassen und demgemäß zur Untersagung weiterer auf den Vergleichsvertrag zurückzuführender Transporte auf der OPAL verpflichtet gesehen.
109Unabhängig davon hat die Bundesnetzagentur im Rahmen der Ermessenserwägungen des angegriffenen Beschlusses die Interessen der Parteien trotz der Annahme, insoweit gebunden zu sein, knapp gegeneinander abgewogen. Dabei hat sie zu Recht die Untersagungsverfügung als einzig verbleibendes Mittel erkannt und berücksichtigt, dass die Beschwerdeführerin zu 3) einen entsprechenden, im Tatbestand näher dargelegten Widerrufsvorbehalt in ihre Geschäftsbedingungen aufgenommen hatte. Dieser war allen Beteiligten bekannt und im Hinblick auf eine mögliche Aufhebung des Kommissionsbeschlusses erfolgt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesnetzagentur zu Recht ein schutzwürdiges Vertrauen der Beschwerdeführerinnen, das die Interessen an der Durchsetzung des Transportverbots überwiegen könnte, verneint. Schließlich hat sie durch Aufnahme des Widerrufsvorbehalts in Tenorziffer 4. dem Umstand Rechnung tragen, dass die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union möglicherweise vor dem Europäischen Gerichtshof keinen Bestand hat und auch insoweit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachtet.
110Im Ergebnis hat auch der Senat bereits in der Eilentscheidung diese Ansicht bestätigt und in seinem Beschluss vom 30.06.2016 zu dem Az.: 1203/16 (V) ein rechtlich schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerinnen daran, einen Vertrag umzusetzen, für den eine endgültige, d.h. wirksame und vollziehbare Genehmigung bzw. Bestätigung der Kommission nicht besteht, abgelehnt (Rn. 51, juris).
111III. Die in Tenorziffer 3. vorgesehene Anordnung, mit der den Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) die Abgabe weiterer Nominierungen für auf Grundlage des Vergleichsvertrags bereits gebuchter, teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten auf der OPAL untersagt wird, ist nur im Hinblick auf die Beschwerdeführerin zu 2) zu Recht erfolgt. Hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu 1) sind die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 EnWG nicht erfüllt und ist die angegriffene Entscheidung daher aufzuheben.
1121. Zutreffend geht die Bundesnetzagentur davon aus, dass auch die Vornahme weiterer Nominierungen auf Grundlage des Vergleichsvertrages bereits gebuchter teilregulierter entkoppelter Verbindungskapazitäten gegen § 28a EnWG i.V.m. Art. 36 RL 2009/73/EG verstößt. Es gelten insoweit die zu Ziffern I. und II. gemachten Ausführungen. Die Bundesnetzagentur hat auch zu Recht einen drohenden Verstoß der Beschwerdeführerin zu 2) angenommen. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Bundesnetzagentur hat die Beschwerdeführerin zu 2) Nominierungen für den 11. und 12.09.2019 abgegeben und zudem mit Schreiben vom 12.09.2019 gegenüber der Bundesnetzagentur erklärt, ohne weitere verbindliche Anordnung der Bundesnetzagentur entfalte das EuG-Urteil keine Rechtsfolgen für sie.
1132. Gegenüber der Beschwerdeführerin zu 1) ist die Untersagungsanordnung in Tenorziffer 3. demgegenüber zu Unrecht erfolgt. Die Bundesnetzagentur hat nicht dargelegt, dass die Beschwerdeführerin zu 1) einen Rechtsverstoß im Sinne des § 65 EnWG begangen hat oder dass ein solcher droht. Die Beschwerdeführerin zu 1) hat nach den übereinstimmenden Angaben aller Parteien bislang keine Nominierungen abgegeben. Nominierungen wurden allein von der Beschwerdeführerin zu 2) abgegeben. Anhaltspunkte, dass sich hieran etwas ändert und auch die Vornahme von Nominierungen durch die Beschwerdeführerin zu 1) geplant ist, sind weder ersichtlich noch werden sie von der Bundesnetzagentur dargetan. Soweit die Bundesnetzagentur ausführt, sie habe die Untersagungsanordnung auch gegenüber der Beschwerdeführerin zu 1) als Muttergesellschaft ausgesprochen, um die Umgehung des Nominierungsverbots durch eine andere Tochtergesellschaft zu verhindern, begründet dies keine Erstbegehungsgefahr. Sollte eine weitere Tochtergesellschaft entsprechende Nominierungen vornehmen, müsste dieser rechtlich selbständigen Person gegenüber eine Untersagungsverfügung angeordnet werden. Die Untersagung gegenüber der Muttergesellschaft wäre insoweit ungeeignet. Zudem ist auch nicht ansatzweise erkennbar, dass eine Umgehung der angegriffenen Nominierungsanordnung durch eine andere Tochtergesellschaft geplant ist, kurz bevor steht oder die Beschwerdeführerin zu 1) bereits in der Vergangenheit Umgehungsversuche unternommen hat. Entsprechender Vortrag der Bundesnetzagentur hierzu fehlt vollständig. Ein für die wirksame Anordnung einer Aufsichtsmaßnahme erforderlicher Rechtsverstoß oder eine Erstbegehungsgefahr kann daher nicht festgestellt werden.
114IV. Der in Tenorziffer 4. angeordnete Widerrufsvorbehalt ist ebenfalls rechtmäßig. Insbesondere liegt insoweit keine ermessensfehlerhafte Entscheidung der Bundesnetzagentur vor. Gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG kann ein Verwaltungsakt mit einem Vorbehalt des Widerrufs erlassen werden. Da es sich bei dem angegriffenen Beschluss vom 13.09.2019 um einen Verwaltungsakt handelt, ist der Erlass des Widerrufsvorbehalts nicht zu beanstanden.
115Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Annahme der Beschwerdeführerinnen, der Widerrufsvorbehalt sei nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig, weil die Bundesnetzagentur den Beschluss mit einer auflösenden Bedingung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG als milderem Mittel hätte erlassen müssen, ist zurückzuweisen. Bereits dem Ansatz nach unzutreffend gehen die Beschwerdeführerinnen davon aus, dass es sich bei einer auflösenden Bedingung – jedenfalls in der vorliegenden Konstellation - um ein milderes Mittel handelt. Sollte der Europäischen Gerichtshof das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 10.09.2019 aufheben, wäre das Ermessen der Bundesnetzagentur hinsichtlich des Widerrufs der angegriffenen Untersagungsverfügung auf null reduziert und die Bundesnetzagentur verpflichtet, den Widerruf des Beschlusses mit sofortiger Wirkung auszusprechen. Es träte daher die gleiche Wirkung ein, die auch eine auflösende Bedingung auslöste. Ein solcher Widerruf ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen auch nicht in zeitlicher Hinsicht nachteiliger und deshalb für die Beschwerdeführerinnen belastender. Vielmehr kann und hat auch der Widerruf durch die Bundesnetzagentur unverzüglich mit Erlass des Urteils zu erfolgen, sollte das EuG-Urteil durch den Europäischen Gerichtshof kassiert werden.
116V. Der Senat ist auch nicht verpflichtet, die in den Hilfsanträgen der Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) genannten Fragen dem Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorzulegen und das Verfahren auszusetzen.
117Bei Zweifeln über die Auslegung von Unionsrecht besteht gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV nur für letztinstanzliche Gerichte eine Pflicht zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Darunter fällt im energiewirtschaftsrechtlichen Beschwerdeverfahren das Oberlandesgericht nicht. Als letztinstanzliches Gericht i.S.d. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nur das Gericht anzusehen, dessen getroffene Entscheidung nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann (EuGH, Urteil v. 04.06.2002, C-99/00, Rn. 15, juris). Der Qualifikation als Rechtsmittel i.S.d. Art. 267 AEUV steht es dabei nicht entgegen, dass die Einlegung des Rechtsmittels an eine Zulassung gebunden ist und über diese Zulassung ein höherinstanzliches Gericht entscheidet (EuGH, a.a.O. Rn. 16). Auch die Nichtzulassungsbeschwerde ist daher als Rechtsmittel im unionsrechtlichen Sinne zu sehen (BSG, Beschluss v. 08.04.2020, B 13 R 125/19 B, Rn. 18, juris; Schoch/Schneider/Marsch, VwGO, 39. EL Juli 2020, AEUV Art. 267 Rn. 38).
118Ein mitgliedstaatliches Gericht, dessen Entscheidung noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden kann, „kann“ nach Art. 267 Abs. 2 AEUV dem Europäischen Gerichtshof eine Frage über die Auslegung oder Gültigkeit des Unionsrechts vorlegen, wenn es die Entscheidung darüber zum Erlass seiner Entscheidung für erforderlich hält. Verpflichtet zu einer solchen Vorlage ist ein Instanzgericht lediglich dann, wenn sich das ihm insoweit eingeräumte Ermessen auf null reduziert. Dies ist indessen vorliegend sowohl hinsichtlich des 1. als auch hinsichtlich des 2. Hilfsantrags nicht der Fall.
1191. Der Senat hält es nicht für erforderlich, den Europäischen Gerichtshof vorab zur Auslegung des Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG zu ersuchen. Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG ist im Hinblick auf die hier zu entscheidende Frage, ob eine Freistellungsentscheidung oder ein entsprechender Vertrag nach Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung im Sinne von Art. 36 Abs. 9 weiter durchführbar ist, eindeutig. Der Senat hat hierzu in Ziffer I. umfangreich seine Auffassung dargelegt, wonach aus dem in Art. 36 RL 2009/73/EG angeordneten 3-stufigen Verfahren über die Freistellung von der Regulierung folge, dass mit Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung auch die nationale Freistellungsentscheidung sowie die auf dem Vergleichsvertrag beruhenden Kapazitätsbuchungsverträge nicht mehr rechtmäßig durchführbar sind. Auf die zwischen den Parteien ebenfalls umstrittene Frage, ob die Kommissionsentscheidung rechtlich als Genehmigung einzuordnen ist und eine diesbezügliche Auslegung des Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG kommt es nach der rechtlichen Würdigung des Senats nicht an.
120Auch der Grundsatz der Prozessökonomie führt nicht zu einer Ermessensreduzierung auf null und damit zu einer entsprechenden Vorlagepflicht des Senats. Durch Vorlage der hilfsweise gestellten Fragen zur Vorabentscheidung erhielten die Beschwerdeführerinnen nicht schneller oder einfacher Rechtsklarheit hinsichtlich der hier streitentscheidenden Frage der Vollziehbarkeit des Vergleichsvertrages und der auf diesem beruhenden Kapazitätsbuchungsverträge. Im Fall der Aussetzung des Verfahrens zur Einholung einer Vorabentscheidung bleibt der angegriffene Beschluss der Bundesnetzagentur weiterhin bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-848/18 vollziehbar. Erst mit der Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof wird das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 10.09.2019 entweder aufgehoben mit der Folge, dass die Kommissionsentscheidung wieder Wirksamkeit entfaltet und die Bundesnetzagentur ihr Widerrufsrecht in Tenorziffer 4. des angegriffenen Beschlusses ausüben müsste, oder das Urteil wird bestätigt und rechtskräftig, womit die Freistellungsentscheidung sowie die Kapazitätsbuchungsverträge auch nach Auffassung der Beschwerdeführerinnen nicht mehr durchführbar sind - sie haben die Vorlagefrage auf eine „nicht rechtskräftige gerichtliche Aufhebung der Kommissionsentscheidung“ begrenzt (Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2)) bzw. erklärt, es komme für die Entscheidung des anhängigen Beschwerdeverfahrens auf den Ausgang des laufenden Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof an (Beschwerdeführerin zu 3)). Eine zeitlich frühere Entscheidung der Vorlagefragen durch den Europäischen Gerichtshof, die zu einer Beendigung dieses Verfahrens vor dem Senat zeitlich vor der endgültigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-848/19 P führen könnte, ist im Hinblick auf den Verfahrensstand - der Generalanwalt hat am bereits 18.03.2021 seine Schlussanträge gestellt – nicht zu erwarten.
1212. Aus dem gleichen Grund ist auch eine Aussetzung dieses Verfahrens zur Vorabentscheidung über die von den Beschwerdeführerinnen zu 1) und 2) mit ihrem Hilfsantrag zu 2) gestellten Fragen nicht erforderlich.
122Die Entscheidung des Gerichts der Europäischen Kommission vom 10.09.2019 ist Gegenstand der Überprüfung beim Europäischen Gerichtshof, nachdem die Bundesrepublik Deutschland mit Schriftsatz vom 20.11.2019 Rechtsmittel eingelegt hat (Rs. C-848/19 P). Damit sind die im Hilfsantrag zu 2) aufgeführten Fragen nach der richtigen Auslegung des Grundsatzes der Energiesolidarität in Art. 194 AEUV bereits einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof zugänglich gemacht. Dies hindert zwar grundsätzlich nicht eine Vorlage eben dieser Fragen auch durch den Senat. Im Hinblick darauf, dass der Generalanwalt in dem Verfahren C-848/19 P bereits am 18.03.2021 seine Schlussanträge gestellt hat, ist mit einer Entscheidung über die Vorlagefragen nicht vor Beendigung des Verfahrens C-848/19 P vor dem Europäischen Gerichtshof zu rechnen. Die beantragte Vorlage zur Vorabentscheidung über die mit dem Hilfsantrag zu 2. gestellten Fragen ist daher insgesamt unökonomisch.
1233. Schließlich ist auch der hilfsweise gestellte Antrag, das Verfahren bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache C-848/19 P analog § 94 VwGO, § 148 ZPO auszusetzen, unbegründet. Die Frage, ob ein Verfahren bei Vorliegen der Voraussetzung des § 94 VwGO bzw. § 148 ZPO analog auszusetzen ist, steht grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Auch wenn die Fragen, die der Europäische Gerichtshof in der Rechtssache C-848/19 zu entscheiden hat, für das vorliegende Verfahren vorgreiflich sein mögen, hält der Senat eine Aussetzung dieses Verfahrens wie zuvor ausgeführt weder zur Klärung von Rechtsfragen noch aus prozessökonomischen Gründen für erforderlich und sieht daher von einer Verfahrensaussetzung ab.
124C.
125Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 1 EnWG. Es entspricht der Billigkeit, sämtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens insgesamt den Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen. Die Beschwerdeführerin zu 1) war zwar mit ihrem Hauptantrag zu 1) im Hinblick auf Tenorziffer 3. des angegriffenen Beschlusses erfolgreich. Da jedoch auch sie sich mit ihrer Beschwerde gegen den angegriffenen Beschluss insgesamt gewendet und als Muttergesellschaft selbst ein wirtschaftliches Interesse an der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses hat, ist ihr Obsiegen als verhältnismäßig gering zu bewerten (§ 92 Abs. 2 ZPO entsprechend).
126Den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren setzt der Senat im Einvernehmen mit den Parteien auf … Euro fest (§ 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO).
127D.
128Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständlichen Fragen grundsätzliche Bedeutung haben (§ 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG).
129Rechtsmittelbelehrung:
130Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Rechtsbeschwerde kann auch durch Übertragung eines elektronischen Dokuments an die elektronische Poststelle des Gerichts erhoben werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Es muss mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden. Die für die Übermittlung und Bearbeitung geeigneten technischen Rahmenbedingungen bestimmen sich nach näherer Maßgabe der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung) vom 24.11.2017 (BGBl. I, S. 3803). Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 Satz 2, 80 Satz 2 EnWG).
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