Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 15 U 25/20
Tenor
A.
Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird – unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel – das am 18.06.2020 verkündete Urteil der 4c Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1.
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen von bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist,
zu unterlassen, sanitäre Einsetzeinheiten zum Einsetzen in eine Auslaufarmatur mit einem im wesentlichen kegelförmigen Vorsatzsieb, dem in Durchströmrichtung ein Durchflussmengenregler und ein Strahlregler nachgeordnet sind, wobei das Vorsatzsieb mit dem Strahlregler-Gehäuse lösbar verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchflussmengenregler ein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes derart im Wesentlichen formangepasstes Querschnittsprofil aufweist, dass der Durchflussmengenregler in dem Innenraum unterhalb des am Strahlregler-Gehäuse befestigten Vorsatzsiebes angeordnet ist, und derart, dass eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert wird, und der Durchflussmengenregler einen zentralen Kernbereich aufweist, der von einem ringförmigen Drosselkörper umgeben ist, und zwischen dem Drosselkörper und der Auflaufschräge ein Steuerspalt gebildet ist, dessen Durchtrittsquerschnitt durch den sich unter der beim Durchströmen bildenden Druckdifferenz verformenden Drosselkörper veränderbar ist,
in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
2.
der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie
(die Beklagte) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 29.10.2014 begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer,
b) der Namen und Anschriften der gewerblichen Abnehmer,
c) der Menge der hergestellten, erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Preise, die für die betreffenden Erzeugnisse bezahlt wurden (Einkaufspreise);
wobei zum Nachweis der Angaben die entsprechenden Rechnungen, hilfsweise (für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind) Lieferscheine in Kopie vorzulegen sind, wobei geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen;
3.
der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie (die Beklagte) die zu Ziffer 1 bezeichneten Handlungen seit dem 21.01.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe:
a) der Herstellungsmengen und -zeiten,
b) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten, -preisen und Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,
e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
wobei
- die Angaben zu e) nur für die Zeit seit dem 29.11.2014 zu machen sind;
- der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten, in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen, vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
4.
die unter 1. bezeichneten, seit dem 29.10.2014 in den Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich (Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18.06.2020; Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11.11.2021) festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige bereits gezahlte Kaufpreise zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und
Lagerkosten zu übernehmen,
wobei die Beklagte der Klägerin den Rückruf durch die Vorlage eines Musters ihrer Rückrufschreiben sowie einer Liste mit den Namen und Anschriften der Empfänger der Rückrufschreiben oder durch Kopien sämtlicher versendeter Rückrufschreiben nachzuweisen hat;
5.
die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen unter 1. bezeichneten Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.
II.
Es wird festgestellt,
1.
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für die zu I.1. bezeichneten, in der Zeit vom 21.01.2006 bis zum 28.11.2014 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
2.
dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu I.1. bezeichneten, seit dem 29.11.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
III.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
B.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz haben die Beklagte 92 % und die Klägerin 8 % zu tragen.
C.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 450.000,00 EUR abzuwenden, falls nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten wegen ihrer Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
D.
Die Revision wird nicht zugelassen.
E.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt, wovon 450.000,00 EUR auf die Berufung der Beklagten und 50.000,00 EUR auf die Anschlussberufung der Klägerin entfallen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 60XXA (Klagepatent, Anlage rop 1), das eine sanitäre Einsetzeinheit betrifft. Aus diesem Schutzrecht nimmt sie die Beklagte auf Unterlassung, Rechnungslegung, Auskunftserteilung, Vernichtung und Rückruf der als patentverletzend angegriffenen Gegenstände sowie Feststellung ihrer Verpflichtung zum Schadensersatz und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung in Anspruch.
4Die dem Klagepatent zugrunde liegende Anmeldung wurde am 11.03.2004 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 21.03.2003 eingereicht und am 21.12.2005 im Patentblatt veröffentlicht. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 29.10.2014 im Patentblatt bekannt gemacht. Der deutsche Teil des Klagepatents wird beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Registernummer DE 50 2004 0XXB geführt.
5Der deutsche Teil des Klagepatents war Gegenstand eines von der Beklagten angestrengten Nichtigkeitsverfahrens, in dem dieser vom Bundespatentgericht durch rechtskräftiges Urteil vom 14.02.2019 (Az.: 7 Ni 15/17 (EP); Anlage rop 1b) im eingeschränkten Umfang aufrechterhalten wurde. Nach Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens ist eine geänderte Patentschrift (DE 50 2004 0XXB C5; Anlage rop 1c) veröffentlicht worden.
6In der vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhaltenen Fassung lautet der Patentanspruch 1 wie folgt (Änderungen gegenüber dem erteilten Patentanspruch 1 in Kursivschrift hervorgehoben):
7„Sanitäre Einsetzeinheit (1) zum Einsetzen in eine Auslaufarmatur mit einem im wesentlichen kegelförmigen Vorsatzsieb (2), dem in Durchströmrichtung ein Durchflussmengenregler (3) und ein Strahlregler (4) nachgeordnet sind, wobei das Vorsatzsieb (2) mit dem Strahlregler-Gehäuse lösbar verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchflussmengenregler (3) ein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes (2) derart im Wesentlichen formangepasstes Querschnittsprofil aufweist, dass der Durchflussmengenregler (3) in dem Innenraum (6) unterhalb des am StrahlreglerGehäuse (5) befestigten Vorsatzsiebes (2) angeordnet ist, und derart, dass eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert wird, und dass der Durchflussmengenregler (3) einen zentralen Kernbereich (7) aufweist, der von einem ringförmigen Drosselkörper umgeben ist, und zwischen dem Drosselkörper (8) und der Auflaufschräge (9) ein Steuerspalt gebildet ist, dessen Durchtrittsquerschnitt durch den sich unter der beim Durchströmen bildenden Druckdifferenz verformenden Drosselkörper (8) veränderbar ist.“
8Die nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 der Klagepatentschrift erläutern die Erfindung anhand eines bevorzugten Ausführungsbeispiels, wobei Figur 1 eine teilweise im Schnitt gehaltene Seitenansicht einer erfindungsgemäßen Einsetzeinheit zeigt. Figur 2 zeigt eine Aufsicht auf den Durchflussmengenregler der Einsetzeinheit.
9Die Beklagte stellt her und vertreibt sanitäre Einsetzeinheiten mit der Bezeichnung „A“ mit der Bestellnummer 03.001C(angegriffene Ausführungsform), die sie in einem Katalog bewirbt. Die Klägerin hat zur angegriffenen Ausführungsform einen Auszug aus dem Produktkatalog (Anlage rop 4) der Beklagten vorgelegt. Außerdem hat sie als Anlage rop 5a zwei Muster (eines davon zerlegt) der angegriffenen Ausführungsform überreicht.
10Die nachfolgend in vergrößerter Form wiedergegebene Abbildung (Anlage B 1) stammt aus dem Katalog der Beklagten, wobei die Beschriftungen von der Beklagten hinzugefügt worden sind:
11Die Klägerin sieht in Herstellung und Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform eine wortsinngemäße Verletzung des Klagepatents. Sie hat vor dem Landgericht geltend gemacht:
12Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1. Sie verfüge insbesondere über eine „Auflaufschräge“ im Sinne des Klagepatents. Patentgemäß sei es nicht erforderlich, dass die schräge Auflauffläche bis zum Steuerspalt ansteigend verlaufe. Es sei vielmehr ausreichend, wenn die Auflauffläche in einem äußeren Bereich des Durchflussmengenreglers eine aufsteigende Form habe, dann aber zum Steuerspalt hin in eine ebene Ringzone übergehe. Dass das bei der angegriffenen Ausführungsform über die Auflaufschräge am Durchflussmengenregler zugeführte Wasser vor seinem Eintritt in den Steuerspalt noch über eine diesen unmittelbar umgebende Ringzone mit horizontaler Ausrichtung laufe, sei daher unerheblich. Bei der angegriffenen Ausführungsform seien die Auflaufschräge des Durchflussmengenreglers und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet. Ein Kontaktrand zwischen dem Durchflussregler und dem Vorsatzsieb sei nicht vorhanden. Dies zeigten CT-Aufnahmen eines Musters der angegriffenen Ausführungsform. Der Durchflussmengenregler sei hiernach vom Innenumfang des Vorsatzsiebes derart ausreichend beabstandet, dass auch an der steilen Randabschrägung des Durchflussmengenreglers Wasser auflaufen und die steile Randabschrägung als Auflaufschräge wirken könne. Untersuchungen zum Strömungsverlauf, die mithilfe von in den freien Raum zwischen Vorsatzsieb und Auflaufschräge eingebrachter Lebensmittelfarbe durchgeführt worden seien, hätten ferner gezeigt, dass die eingebrachte Farbe entlang der Auflaufschräge in Richtung des Steuerspalts aufgespült worden sei (Anlagen rop 6a, 6b). Soweit das Klagepatent verlange, dass der Durchflussmengenregler ein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes im Wesentlichen angepasste Form aufweise, komme es nur darauf an, dass der Durchflussmengenregler im Innenraum des Vorsatzsiebes angeordnet werden könne. Der Durchflussmengenregler müsse hingegen nicht zwingend seinerseits kegelförmig gestaltet sein
13Die Beklagte, die Klageabweisung beantragt hat, hat eine Verletzung des Klagepatents in Abrede gestellt und geltend gemacht:
14Bei der „Auflaufschräge“ handele es sich um eine Schräge, die ein Auflaufen von Wasser in Richtung radial einwärts unter dem Vorsatzsieb ermögliche. Dazu sei zwingend notwendig, dass die Auflaufschräge mit Abstand unter dem Vorsatzsieb angeordnet sei. Der Steuerspalt werde patentgemäß (innen) durch den Drosselkörper und (außen) durch die Auflaufschräge begrenzt. Die Auflaufschräge bilde damit unmittelbar die radial äußere Begrenzung des Steuerspalts. Die angegriffene Ausführungsform weise eine Durchflussreglerscheibe auf, die an ihrem Umfang oberseitig einen erhöhten Kontaktrand mit einer Kontaktkante habe, an welcher das Vorsatzsieb anliege, so dass sich zwischen Durchflussreglerscheibe und Sieb eine linienförmige Berührung entlang des Umfangs ergebe. Radial auswärts des Kontaktrands sei die Durchflussreglerscheibe steil abgeschrägt. Zwischen der steilen Abschrägung und dem weit weniger steilen Sieb ergebe sich ein kleiner Hohlraum („Zwickelraum“). An diesem könne wegen der linienförmigen Berührung des Scheibenrahmens mit dem Sieb kein Durchfluss von Wasser am Kontaktrand vorbei in den zentralen Raum zwischen Sieb und Durchflussreglerscheibe stattfinden. Das Vorsatzsieb liege an dem Kontaktrand an und werde von dem Strömungsdruck auch gegen diesen gedrückt. Der Farbversuch der Klägerin zeige nur, dass zwischen der Randausnehmung der Drosselscheibe und dem Rand des Siebes eingebrachte Farbe im Randbereich hervor sickere. Ein Farbfluss vom Rand radial einwärts zum Drosselspalt trete hingegen nicht in Erscheinung. Da sich zwischen der Randkante (Kontaktrand) und dem Sieb keine Dichtung befinde, sei klar, dass durch die vor der Durchflussreglerscheibe gestaute und überdies turbulente Strömung, die auch von dem Raum radial innerhalb des Hauptraums radial auswärts in die „Hohlkehle“ hineindrücke, die dortige Farbe heraus spüle. Für eine Benutzung der patentgemäßen Lehre reiche es nicht aus, dass – mangels einer Dichtung – ein Wasseraustausch zwischen dem Raum innerhalb der „Hohlkehle“ am Rand der Durchflussreglerscheibe und dem Hauptraum unter dem Sieb stattfinden könne, und zwar in beiden Richtungen. Der Abstand zwischen dem Sieb und einer Auflaufschräge müsse patentgemäß größer sein als die Lochgröße des Vorsatzsiebes, damit durch die Löcher des Siebes hindurchtretende Schmutzpartikel nicht zwischen dem Sieb und der Auflaufschräge stecken blieben und eine Verstopfung bewirkten. Bei der angegriffenen Ausführungsform betrage die Lochweite des Siebes jedoch ein Vielfaches des Fugenspalts zwischen dem Rand der Durchflussreglerscheibe und dem Vorsatzsieb. Außerdem bilde bei der angegriffenen Ausführungsform der randabgeschrägte Bereich der Durchflussreglerscheibe auch nicht die radial äußere Begrenzung des Steuerspalts. Vielmehr werde diese durch einen Bereich der Durchflussreglerscheibe begrenzt, der sich horizontal vom Kontaktrand aus über den größten Teil der radialen Ausdehnung der Durchflussreglerscheibe radial einwärts erstrecke. Schließlich weise der Durchflussmengenregler auch kein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes im Wesentlichen formangepasstes Querschnittsprofil auf. Vielmehr beschränke sich der Durchflussmengenregler auf eine im Wesentlichen flache Platte, die nur über den Bereich eines Bruchteils der Höhenausdehnung des Kegelraums unter dem Sieb in diesen Raum hineinrage.
15Durch Urteil vom 18.06.2020 hat das Landgericht dem Klagebegehren überwiegend entsprochen, wobei es in der Sache wie folgt erkannt hat:
16„I.
17Die Beklagte wird verurteilt,
181.
19es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,-, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen von bis zu insgesamt zwei Jahren, wobei die Ordnungshaft an dem jeweiligen Geschäftsführer der Beklagten zu vollziehen ist, zu unterlassen,
20sanitäre Einsetzeinheiten zum Einsetzen in eine Auslaufarmatur mit einem im wesentlichen kegelförmigen Vorsatzsieb, dem in Durchströmrichtung ein Durchflussmengenregler und ein Strahlregler nachgeordnet sind, wobei das Vorsatzsieb mit dem Strahlregler-Gehäuse lösbar verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass der Durchflussmengenregler ein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes derart im Wesentlichen formangepasstes Querschnittsprofil aufweist, dass der Durchflussmengenregler in dem Innenraum unterhalb des am Strahlregler-Gehäuse befestigten Vorsatzsiebes angeordnet ist, und derart, dass eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert wird, und der Durchflussmengenregler einen zentralen Kernbereich aufweist, der von einem ringförmigen Drosselkörper umgeben ist, und zwischen dem Drosselkörper und der Auflaufschräge ein Steuerspalt gebildet ist, dessen Durchtrittsquerschnitt durch den sich unter der beim Durchströmen bildenden Druckdifferenz verformenden Drosselkörper veränderbar ist,
21im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland herzustellen, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen;
222.
23der Klägerin unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig Rechnung zu legen und Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter Ziffer
24I.1. bezeichneten Handlungen seit dem 21.01.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
25a) der Herstellungsmengen und -zeiten und, wobei nachfolgende Angaben erst ab dem 29.10.2014 geschuldet sind, der Menge der erhaltenen oder bestellten Erzeugnisse sowie der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer sowie der Einkaufspreise,
26b) der einzelnen Lieferungen und Bestellungen, aufgeschlüsselt nach Liefer- und Bestellmengen, -zeiten und -preisen, den jeweiligen Typenbezeichnungen sowie den Namen und Anschriften der Abnehmer,
27c) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -zeiten und -preisen, der jeweiligen Typenbezeichnungen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,
28d) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet, und
29e) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,
30wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) mit Ausnahme der Herstellungszeiten Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, Lieferscheine vorzulegen hat,
31 wobei die Angaben zu lit. e) nur für die Zeit seit dem 29.11.2014 zu machen sind,
wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen nur für die Zeit seit dem 30.04.2006 zu
33machen sind,
34 wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, der Klägerin gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
3.
36die vorstehend unter Ziff. I.1 bezeichneten, seit dem 29.10.2014 in den Besitz Dritter gelangten und dort befindlichen oder noch in den Besitz Dritter gelangenden sanitären Einsetzeinheiten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt worden ist oder noch eingeräumt wird, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des EP 1 60XXA B1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an die Beklagte zum Zwecke der auf Kosten der Beklagten durchzuführenden Vernichtung herauszugeben, und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird;
374.
38die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen oder noch gelangenden, unter Ziff. I.1. bezeichneten sanitären Einsetzeinheiten an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der auf Kosten der Beklagten durchzuführenden Vernichtung herauszugeben.
39II.
40Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist,
411. der Klägerin für die vorstehend unter Ziff. I.1 bezeichneten in der Zeit vom 21.01.2006 bis zum 28.11.2014 begangenen Handlungen eine angemessene Entschädigung zu zahlen;
422. der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unter Ziff. I.1 bezeichneten, seit dem 29.11.2014 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.
43III.
44Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
45Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
46Unter einem „dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes im Wesentlichen formangepassten Querschnittsprofil“ verstehe das Klagepatent, dass der Durchflussmengenregler so gestaltet sei, dass er sich vollständig in den vom Querschnittsprofil des Vorsatzsiebs gebildeten Innenraum einfüge. Eine Kegelform werde für den Durchflussmengenregler nicht verlangt. Die Gestaltung des Durchflussmengenreglers müsse nur passend sein, um die ihr zugewiesene Lage innerhalb des Innenraums des Vorsatzsiebes einnehmen zu können. Bei einer „Auflaufschräge“ handele es sich um ein unterhalb des Vorsatzsiebes und radial vom Drosselkörper beabstandetes Element, das, indem es abgeschrägte Flächen aufweise, über das Vorsatzsieb im Randbereich des Durchflussmengenreglers auf es auftreffendes Wasser in Richtung des zentralen Kernbereichs zum Steuerspalt transportiere. Dabei berühre es (nach oben hin) das Vorsatzsieb nicht bzw. bei angeordneten Nuten allenfalls partiell; es blieben jedenfalls Zuströmkanäle zum Steuerspalt frei, damit der Wasserdurchfluss nicht behindert werde. Hinsichtlich der räumlich-körperlichen Ausgestaltung der Auflaufschräge seien weder dem Anspruchswortlaut noch der Klagepatentbeschreibung konkrete Vorgaben zu entnehmen. Es werde nur insoweit ein Zusammenhang zwischen dem Drosselkörper und der Auflaufschräge hergestellt, als dass zwischen diesen beiden Vorrichtungselementen ein Steuerspalt gebildet sei. Die Formulierung „gebildet zwischen“ besage nicht, dass eine Schrägfläche bis in den Steuerspalt führen müsse. Vielmehr lokalisiere sie nur den Steuerspalt innerhalb des Durchflussmengenreglers bzw. im Innenraum unter dem Vorsatzsieb.
47Hiervon ausgehend mache die angegriffene Ausführungsform von Lehre des Klagepatents Gebrauch. Sie verwirkliche auch die zwischen den Parteien streitigen Anspruchsmerkmale. Die angegriffene Einsetzeinheit weise einen im Wesentlichen formangepassten Durchflussmengenregler auf. Das ergebe sich aus dem Umstand, dass der Durchflussmengenregler vollständig im Innenraum des Vorsatzsiebes angeordnet sei. Seine mehr horizontale, denn kegelförmige Ausgestaltung stehe der Merkmalsverwirklichung nicht entgegen. Die angegriffene Ausführungsform verfüge auch über eine „Auflaufschräge“, welche in den Randbereichen des Durchflussmengenreglers auftreffendes Wasser radial nach innen in Richtung des Steuerspalts leite. Ein linienförmiger Kontaktrand, der in den äußeren Randbereichen zur Bildung von Hohlkehlen führen und dem Wasserdurchfluss entgegenstehen könnte, liege nicht vor. Die Klägerin habe mithilfe von Untersuchungen nachvollziehbar aufgezeigt, wie der Strömungsverlauf und Wasserdurchfluss in der angegriffenen Ausführungsform stattfänden. Eine von ihr vorgelegte CT-Aufnahme zeige einen sichtbaren Abstand zwischen dem Vorsatzsieb und der Auflaufschräge. Die gegen diese Aufnahme geäußerte Kritik der Beklagten sei unerheblich und verfange nicht. Es sei unstreitig, dass den CT-Scans eine Einsetzeinheit der Beklagten zugrunde gelegen habe und dass die Untersuchungen ordnungsgemäß durchgeführt worden sind. Die Bezugnahme der Beklagten auf die Anlage B1 sei demgegenüber untauglich, weil diese nur auf einer Katalogabbildung beruhe. Selbst wenn es sich bei dieser Darstellung aber um einen Auszug einer digitalen technischen Zeichnung handele, gelte nichts anderes, weil die Grafik insgesamt verpixelt sei, so dass sie keinen eindeutigen Eindruck der inneren Konstruktion vermitteln könne. Nach dem Vortrag der Klägerin betrage das festgestellte Spaltmaß an der engsten Stelle 0,2 mm. Dies sei für den Durchfluss von in der Ringzone auflaufendem Wasser ausreichend und von der Beklagten unbeanstandet geblieben. Das Klagepatent fordere weder ein Mindestmaß einer Beabstandung noch eine Fließgeschwindigkeit vom äußeren Rand zum Steuerspalt. Auch die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht in Augenschein genommenen Modelle der angegriffenen Ausführungsform wiesen einen Abstand zwischen Vorsatzsieb und Durchflussmengenregler auf. Dieser sei mit bloßem Auge erkennbar gewesen. Ferner habe die Klägerin die von ihr vorgelegten Farbversuche plausibel erläutert. Den aus den überreichten Lichtbildern zu erkennenden Farbverlust habe die Klägerin damit erläutert, dass in die Randbereiche vom Vorsatzsieb aus eindringendes Wasser in Richtung des Steuerspalts transportiert werde und dort abfließen könne. Dass dies möglich sei, bestätige die Beklagte selbst. Sie habe schriftsätzlich vorgetragen, dass keine Dichtung am Hohlkehlenraum vorgesehen sei. Dies habe sie im Verhandlungstermin wiederholt und bekräftigt, dass Wasser von den radial äußeren Randbereichen des Durchflussmengenreglers zum Steuerspalt fließen könne.
48Aus der festgestellten Verletzung des Klagepatents ergäben sich die der Klägerin zuerkannten Ansprüche. Weitergehende Ansprüche bestünden jedoch nicht.
49Gegen dieses Urteil haben die Beklagte Berufung und die Klägerin Anschlussberufung eingelegt.
50Mit ihrer Berufung erstrebt die Beklagte eine vollständige Abweisung Klage. Zur Begründung führt sie aus:
51Das Landgericht habe bei seiner Auslegung des Klagepatents den maßgeblichen Stand der Technik außer Acht gelassen. Von besonderer Bedeutung sei die DE 100 27 XXD, aufgrund derer der erteilte Anspruch 1 im Nichtigkeitsverfahren als nichtig angesehen worden sei. Die in der Klagepatentschrift formulierte Aufgabe sei durch diesen Stand der Technik bereits gelöst. Objektiv bleibe das Ziel, die Bauhöhe weiter zu verbessern, d.h. den Innenraum des Vorsatzsiebes besser zu nutzen als bisher, und dabei weiter zu gewährleisten, dass der Wasserfluss von den äußeren Randbereichen hin zu dem Steuerspalt ungehindert möglich sei. Das Klagepatent sehe vor, dass das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers aufs Ganze gesehen der Form des Vorsatzsiebes angepasst sei. Damit sei zwar nicht notwendigerweise ein Querschnittprofil gemeint, das mit dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes exakt übereinstimme. Die Ausgestaltung des Durchflussmengenreglers müsse aber das Ziel des Klagepatents bestmöglich verfolgen. Das betreffende Anspruchsmerkmal sei daher dahingehend zu verstehen, dass durch die angepasste Form des Querschnittsprofils der Raum unter dem Vorsatzsieb bestmöglich ausgenutzt werde. Ähnlich verhalte es sich mit dem die „hundertprozentige geometrische Kompatibilität“ betreffenden Merkmal. Die anderweitige Auslegung des Landgerichts sei unzutreffend. Weder die Lage des Durchflussmengenreglers noch sein nahtloses Einfügen in den Innenraum führe zu einer geringeren Bauhöhe, sondern die an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes angepasste Form des Querschnittsprofils des Durchflussmengenreglers. Unter einer „Auflaufschräge“ verstehe das Klagepatent eine schräge Fläche, die eine geringere Bauhöhe der Einsetzeinheit trotz Durchflussmengenregler ermögliche, die ausreichend zum Vorsatzsieb beabstandet sei, damit ein ungehinderter Zulauf des Wassers vom Außenbereich hin zum Steuerspalt möglich sei, und die zusammen mit dem Drosselkörper einen Steuerspalt bilde. Da das Klagepatent gegenüber vorbekannten sanitären Einsetzeinheiten eine geringere Bauhöhe ermöglichen wolle, müsse gerade die Auflaufschräge dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Die Auflaufschräge nutze den ungenutzten Raum unter dem Vorsatzsieb und verringere dadurch die Bauhöhe der Einsetzeinheit. Die Auflaufschräge müsse ferner zum Vorsatzsieb ausreichend beabstandet sein. Der Abstand diene dazu, dass ein „ausreichender Wasserstrom“ in den Steuerspalt gelange, wenn das Vorsatzsieb sich zugesetzt habe. Der Abstand müsse groß genug sein, um stets und insbesondere bei Verunreinigungen einen ausreichend „ungehinderten“ Wasserstrom zu gewährleisten. Damit sehe das Klagepatent zwangsläufig auch Anforderungen an das Maß des Abstands vor. Dieser müsse größer sein als die Sieböffnungen des Vorsatzsiebes. Weiter müsse die Auflaufschräge gemeinsam mit dem Drosselkörper den Steuerspalt bilden, weshalb die Auflaufschräge bis zum Steuerspalt reichen müsse. Die Auflaufschräge dürfe keine Abflachung, auch nicht an deren Ende aufweisen.
52Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche hiervon ausgehend die streitigen Anspruchsmerkmale nicht. Das Querschnittsprofil ihres Durchflussmengenreglers weise kein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes im Wesentlichen angepasste Form auf. Wie das Landgericht selbst zutreffend festgestellt habe, weise Durchflussmengenregler der angegriffenen Ausführungsform vielmehr eine „mehr horizontale, denn kegelförmige Ausgestaltung“ auf. Der Durchflussmengenregler erreiche auch nicht das Ziel des Klagepatents. Denn im Innenraum unter dem Vorsatzsieb blieben über zwei Drittel seiner Höhe leer. Damit sei die Bauhöhe der sanitären Einsetzeinheit wegen des Einsatzes des Durchflussmengenreglers höher als es ohne den Einsatz des Durchflussmengenreglers nötig wäre. Der Platz unter dem Vorsatzsieb werde mithin nicht bestmöglich ausgenutzt. Die an den Hohlraum angrenzende abgerundete Fläche der Durchflussreglerscheibe, welche das Landgericht als „Auflaufschräge“ identifiziere, sei nicht dazu geeignet, die Bauhöhe der Einsetzeinheit zu verringern. Die sei auch nicht ihr Zweck. Die Einbuchtung in Gestalt der Hohlkehle solle vielmehr eine elastische Verformung des Vorsatzsiebes beim Einklipsen in das Strahlregler-Gehäuse ermöglichen. Die vom Landgericht als „Auflaufschräge“ bezeichnete Fläche sei auch vom Vorsatzsieb nicht (ausreichend) beabstandet. Denn das Vorsatzsieb liege an der Fläche der vermeintlichen Auflaufschräge der Ausführungsform an. Ein Abstand oder Spalt zwischen Vorsatzsieb und Kontaktrand sei konstruktiv nicht vorgesehen. Jedenfalls sei der Abstand zwischen vermeintlicher Auflaufschräge und Vorsatzsieb nicht groß genug, um einen ausreichenden oder ungehinderten Wasserstrom sicherzustelle. Sie habe den von der Beklagten behaupteten Abstand in erster Instanz bestritten. Falsch sei, dass sie im Verhandlungstermin „bekräftigt“ habe, dass bei der angegriffenen Ausführungsform „Wasser von den radial äußeren Randbereichen des Durchflussmengenreglers zum Steuerspalt fließen“ könne. Zugestanden worden sei allein, dass zwischen Kontaktrand und Vorsatzsieb keine Dichtung eingebaut sei und daher ein Sickerwasseraustausch (Durchsickern) zwischen dem Raum innerhalb der Hohlkehle und dem Hauptraum unter dem Vorsatzsieb stattfinden könne. Die vermeintlichen Strömungsbilder und -videos belegten keinen ungehinderten Wasserfluss. Das Landgericht würdige diese unzutreffend. Die Ausschwemmversuche der Klägerin könnten nicht belegen, dass der Kontaktrand der angegriffenen Ausführungsform mehr als ein Durchsickern von Wasser erlaube. Die Versuche spiegelten die realen Verhältnisse nicht wider. Die vermeintliche CTAufnahme der Klägerin belege ebenfalls keinen ungehinderten Wasserfluss. Die Klägerin habe nichts dazu vorgetragen, wie diese Abbildungen zustande gekommen seien, insbesondere wie die originalen CT-Aufnahmen aussähen und in welcher Weise sie bearbeitet worden seien. Die Aufnahmen zeigten die angegriffene Ausführungsform zudem nicht in dem einer Wasserströmung ausgesetzten Betriebszustand, welcher allein relevant sei. Spätestens im Betriebszustand lege sich das Vorsatzsieb linienförmig an den Kontaktrand an. Wenn schon, wie die Abbildung gemäß Anlage B1, die mittels des Konstruktionsprogramms E erstellt worden sei und exakt der angegriffenen Ausführungsform entspreche, sowie die Aufnahmen der Klägerin zeigten, im Ruhezustand allenfalls ein minimales Spiel zwischen Kontaktrand und Vorsatzsieb vorhanden sein könne, dann sei erst recht im Betriebszustand, wenn der Strömungsdruck des Wassers das Vorsatzsieb in Strömungsrichtung drücke und damit in Anlage an den Kontaktrand zwinge, eine ausreichende bzw. ungehinderte Wasserströmung zwischen Kontaktrand und Vorsatzsieb nicht möglich. Die Inaugenscheinnahme der Modelle im Verhandlungstermin belege deshalb ebenfalls keinen
53ungehinderten Wasserfluss. Zudem habe die Kammervorsitzende bei der Besichtigung des Strahlreglers im Termin geäußert, es sei aufgrund des kleinen Bauteils nicht klar zu erkennen, ob ein Spalt zwischen Vorsatzsieb und der Durchflussreglerscheibe vorhanden sei. Der tatsächlich vorhandene Kontaktrand lasse einen ungehinderten Wasserfluss nicht zu. Es fehle ferner an einem ausreichend großen Abstand. Selbst wenn ein minimaler Spalt vorhanden sein sollte, habe dieser nur eine Größe von allenfalls einem geringen Bruchteil des Lochdurchmessers des Vorsatzsiebs. Daher sei ein ungehinderter Wasserfluss nicht möglich. Das gelte erst recht, wenn sich in dem äußersten Randbereich Schmutzpartikel angesammelt hätten. Schließlich bilde die schräge Fläche keinen Steuerspalt. Zwischen der vermeintlichen „Auflaufschräge“ und dem Steuerspalt sei eine horizontale Fläche ausgebildet, die erheblich größer sei als die „Auflaufschräge“. Damit bildeten der Drosselkörper und das Ende der horizontalen Fläche den Steuerspalt, nicht aber das Drosselkörper und das Ende der Auflaufschräge.
54Die Beklagte beantragt,
55das Urteil des Landgerichts Düsseldorf abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit das Landgericht die Beklagten verurteilt hat,
56hilfsweise, die Sache zur Beweisaufnahme, erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
57Die Klägerin beantragt,
58die Berufung zurückzuweisen,
59und auf ihre Anschlussberufung das Urteil des Landgerichts zu Tenor II. 2. bis I. 4.
60abzuändern und die Beklagte insoweit zu verurteilen,
612.
62ihr – der Klägerin – unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses vollständig darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die zu Ziffer 1.1 bezeichneten Handlungen seit dem 21.01.2006 begangen hat, und zwar unter Angabe
63a) wie vom Landgericht tenoriert
64b) wie vom Landgericht tenoriert
65c) wie vom Landgericht tenoriert
66d) wie vom Landgericht tenoriert
67e) wie vom Landgericht tenoriert
68- wobei die Beklagte hinsichtlich der Angaben zu lit. a) mit Ausnahme der Herstellungszeiten und zu lit. b) mit Ausnahme der Bestellungen die Rechnungen und für den Fall, dass keine Rechnungen vorhanden sind, die Lieferscheine vorzulegen hat,
69- wobei die Angaben zu lit. e) nur für die Zeit seit dem 29.11.2014 zu machen sind,
70- wobei die Angaben zu den Einkaufspreisen nur für die Zeit seit dem 30.04.2006 zu machen sind,
71- wobei es der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nichtgewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von ihr zu bezeichnenden, der Klägerin zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland mitzuteilen, sofern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;
723.
73die vorstehend unter Ziffer 1.1 bezeichneten, ab dem 29.10.2014 in den Besitz Dritter gelangten und dort befindlichen oder noch in den Besitz Dritter gelangenden sanitären Einsetzeinheiten aus den Vertriebswegen zurückzurufen, indem diejenigen gewerblichen Abnehmer, denen durch die Beklagte oder mit deren Zustimmung Besitz an den Erzeugnissen eingeräumt worden ist oder noch eingeräumt wird, unter Hinweis darauf, dass das Gericht mit dem hiesigen Urteil auf eine Verletzung des EP 160XXA B 1 erkannt hat, ernsthaft aufgefordert werden, die Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der auf Kosten der Beklagten durchzuführenden Vernichtung herauszugeben,
74hilfsweise, an die Beklagte herauszugeben,
75und ihnen für den Fall der Rückgabe der Erzeugnisse eine Rückzahlung des gegebenenfalls bereits gezahlten Kaufpreises sowie die Übernahme der Kosten der Rückgabe verbindlich zugesagt wird, wobei
76- die Beklagte ihr (der Klägerin) den Rückruf durch die Vorlage eines Musters ihrer Rückrufschreiben sowie einer Liste mit den Namen und Anschriften der Empfänger der Rückrufschreiben oder durch Kopien sämtlicher versendeter Rückrufschreiben nachzuweisen hat,
77- ihr (der Klägerin) durch Vorlage eines Verzeichnisses, das nach den Namen und Anschriften der Empfänger der Rückrufschreiben geordnet ist, Auskunft zu erteilen hat über den Umfang der an die Beklagte zurückgegebenen Erzeugnisse, und zwar jeweils unter Angabe der Typenbezeichnungen und Stückzahlen und des Datums der Rückgabe;
784.
79die im unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder im Eigentum der Beklagten befindlichen oder noch gelangenden, vorstehend unter Ziffer 1.1 bezeichneten sanitären Einsetzeinheiten an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum
80Zwecke der auf Kosten der Beklagten durchzuführenden Vernichtung herauszugeben
81und – soweit die Beklagte bereits eine Vernichtung der Erzeugnisse vorgenommen und/oder durch Dritte veranlasst hat – der Klägerin die Vernichtung der Erzeugnisse durch Vorlage eines Protokolls mit der Angabe der Typenbezeichnungen und Stückzahlen der vernichteten Erzeugnisse sowie Ort, Zeit und Art der Vernichtung nachzuweisen, das unter Angabe des Namens und der Anschrift von derjenigen Person unterzeichnet ist, die die Vernichtung durchgeführt hat.
82Sie verteidigt das angefochtene Urteil, soweit das Landgericht ihrer Klage stattgegeben hat, als zutreffend und macht unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vortrags geltend:
83Erfindungsgemäß werde allein angestrebt, die mit einem Strahlregler ausgerüstete sanitäre Einsetzeinheit so auszugestalten, dass ihre Auslegung mit oder ohne einen Durchflussmengenregler keinen Einfluss auf die Bauhöhe der Einsetzeinheit habe. In welchem Ausmaß der Innenraum für die Aufnahme des Durchflussmengenreglers genutzt werde, sei dann von dessen Konstruktion abhängig. Die „Auflaufschräge“ sei kein Mittel zur Reduzierung der Bauhöhe. Ihren in erster Instanz schriftsätzlich erhobenen Einwand, es fehle bei der angegriffenen Ausführungsform schon deshalb an einer patentgemäßen Auflaufschräge, weil der Wasserzufluss aus dem Bereich der „Hohlkehle" zum Steuerspalt abgedichtet sei, habe die Beklagte im Verhandlungstermin vor dem Landgericht aufgegeben. Soweit die Beklagte nunmehr vortrage, dass bei der angegriffenen Ausführung im Bereich des vermeintlichen „Kontaktrandes" ein Durchsickern von Wasser auftrete, stelle sie damit nicht in Abrede, dass das in den äußeren Randbereich des Durchflussmengenreglers zugeströmte Wasser über die von der „Hohlkehle" gebildete Schräge bis hin zu diesem vermeintlichen „Kontaktrand" auf- und durch ihn hindurch(sickernd) über den Steuerspalt ablaufe. Damit sei unstreitig, dass es auch bei der angegriffenen Ausführungsform zu einer gewissen Fließgeschwindigkeit komme. Den Abstand zwischen Durchflussmengenregler und Vorsatzsieb erkenne man u.a. aus den von ihr – der Klägerin – vorgelegten Bildern. Der Abstand könne auch anhand des Musters gemäß Anlage rop5a durch Inaugenscheinnahme nachvollzogen werden. Ein Abstand zwischen dem Durchflussmengenregler und dem Vorsatzsieb sei auch durch einen weiteren Versuch nachgewiesen worden, bei dem roter Tennissand in die „Hohlkehle“ eingelegt worden sei (Anlagen rop 9 und rop 9a). Die Kritik der Beklagten an ihren Versuchen sei unbegründet. Dies belegten weitere Versuche, bei denen das Vorsatzsieb nicht entfernt worden sei und bei denen dieselben Ergebnisse erzielt worden seien (Anlagen rop 11a und 11b sowie Anlagen rop 12a und 12b). Eine bis unmittelbar an den Rand des Steuerspalts herangeführte Auflaufschräge werde nicht verlangt. Figur 1 des Klagepatents schließe selbst in der schematischen Darstellung einen horizontal ausgerichteten Bereich zwischen der Auflaufschräge und dem Steuerspalt nicht aus. Das Klagepatent offenbare dem Fachmann in den Figuren 1 und 2, dass die Auflaufschräge – je nach Sichtweise – entweder eine erfindungsgemäße Auflaufschräge mit einem horizontal ausgerichteten Übergangsbereich zum Steuerspalt nicht ausschließe oder aber weder im Bereich der Stege noch im Bereich der Nuten unmittelbar an den Steuerspalt angrenze. Damit sei es unerheblich, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die Auflaufschräge über einen horizontal ausgerichteten Abschnitt des Durchlaufmengenreglers an den Steuerspalt angrenze.
84Mit ihrer Anschlussberufung erstrebt die Klägerin eine Änderung bzw. Erweiterung der Urteilsaussprüche zu II. 2. bis II. 4., wobei sie zur Begründung u.a. ausführt:
85Der Tenor zu I. 2 lit. b) des landgerichtlichen Urteils betreffe die nach § 140b PatG geschuldete Auskunft über den Vertriebsweg. Dieser Anspruch umfasse die Belegvorlage. Sie könne ferner zur Kontrolle der Anspruchserfüllung die Vorlage von Kopien der Rückrufschreiben verlangen. Ebenso könne sie einen Rückruf an den Gerichtsvollzieher beanspruchen. Dadurch werde besser sichergestellt, dass die Verletzungsgegenstände auch nicht dadurch ihrer Vernichtung entgingen, dass sie auf dem Weg zum Vernichtungsort verloren gingen. Jedenfalls habe sie Anspruch auf eine belegte Auskunft über den Umfang der an die Beklagte zurückgegebenen Verletzungsgegenstände. Durch Rückruf erhaltene Verletzungsgegenstände seien Teil der nach § 140b PatG geschuldeten Auskunft und Belegvorlage betreffend ihrer Herkunft. Die begehrte Belegvorlage zur Vernichtung bei der Beklagten ermögliche es ihr (der Klägerin) wirkungsvoll, die Vernichtung aller Verletzungsgegenstände verlässlich sicherzustellen, wenn die Vernichtung durch die Beklagte selbst durchgeführt werde bzw. bereits durchgeführt worden sei. Zu Unrecht verweise das Landgericht sie auf Kontrollmöglichkeiten, die ihr das Zwangsvollstreckungsverfahren biete. Es bleibe insoweit schon unberücksichtigt, dass nur vollstreckt werden könne, was auch tenoriert sei.
86Die Beklagte beantragt,
87die Anschlussberufung zurückzuweisen.
88Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil als zutreffend, soweit das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Die Beklagte ist der Auffassung, dass für alle geltend gemachten Ansprüche gleichermaßen gilt, dass die ausdrücklichen gesetzlichen Vorgaben in § 140b und § 140c PatG über den Tenor des landgerichtlichen Urteils hinausgehende Ansprüche nicht vorsehen, und tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen.
89Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten nebst Anlagen sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 07.10.2021 Bezug genommen.
90II.
91Die zulässige Berufung der Beklagten ist im Wesentlichen unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung, Auskunftserteilung, zum Rückruf, zur Vernichtung sowie zur Rechnungslegung und zum Schadensersatz verurteilt. Die angegriffene Ausführungsform macht von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch. Auf die Berufung der Beklagten ist lediglich der Tenor teils geringfügig einzuschränken bzw. zu modifizieren gewesen. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist überwiegend unbegründet. Erfolg hat sie lediglich betreffend den von der Klägerin auch begehrten Nachweis des von der Beklagten geschuldeten Rückrufs der patentverletzenden Erzeugnisse. Weitergehende Ansprüche wegen der Verletzung des Klagepatents stehen der Klägerin gegen die Beklagte aber nicht zu. Da der Tenor des landgerichtlichen geringfügig einzuschränken bzw. zu modifizieren und auf die Anschlussberufung, soweit diese Erfolg hat, teilweise zu ergänzen gewesen ist, hat der Senat das landgerichtliche Urteil zur besseren Übersichtlichkeit insgesamt neu gefasst.
92A.
93Das Klagepatent betrifft eine sanitäre Einsetzeinheit.
94Wie die Klagepatentschrift in ihrer Einleitung ausführt, sind sanitäre Einsetzeinheiten in verschiedenen Ausführungen bekannt. Sie werden regelmäßig in ein Auslaufmundstück an einer sanitären Auslaufarmatur eingesetzt, das an der Auslaufarmatur lösbar gehalten ist. Mit Hilfe solcher Einsetzeinheiten soll ein homogener, weicher und nichtspritzender Wasserstrahl geformt werden (Anlage rop 1, Abs. [0002]; die nachfolgenden Bezugnahmen betreffen jeweils die Klagepatentschrift [B1-Schrift]).
95Die Klagepatentschrift gibt an, dass es bei derartigen, einen zuströmseitigen Durchflussmengenregler und einen abströmseitigen Strahlregler aufweisenden Einsetzeinheiten zu Einbauproblemen aufgrund der Einbaugaugröße kommen kann. Problematisch sei insbesondere der nachträgliche Einbau in eine Auslaufarmatur, in die zuvor eine Einsetzeinheit mit lediglich einem Strahlregler, d.h. ohne Durchflussmengenregler, eingebaut gewesen sei, da eine solche Einsetzeinheit eine geringere Einbauhöhe als eine Einsetzeinheit mit einem Durchflussmengenregler habe (Abs. [0003]).
96Aus der EP 0 733 XXE (Anlage rop 2) ist eine sanitäre Einsetzeinheit bekannt, die zum Einsetzen in ein Auslaufmundstück bestimmt ist. Diese vorbekannte Einsetzeinheit weist abströmseitig einen Strahlregler (3) auf, dem in Durchflussrichtung ein Durchflussmengenregler (4) sowie ein zuströmseitiges Vorsatzsieb (5) vorgeschaltet sind. Das Vorsatzsieb (5) soll eventuell zuströmende Schmutzpartikel vom Durchflussmengenregler (4) fernhalten, die ansonsten zu Fehlleistungen und insbesondere zu geringen Literleistungen des Durchflussmengenreglers (4) führen könnten. Der Strahlregler (3), der Durchflussmengenregler (4) und das zuströmseitige Vorsatzsieb (5) weisen an ihren einander zugewandten enden jeweils zueinander passende Anschlussmittel zum lösbaren Verbinden dieser Bestandteile auf. Durch die gleiche bzw. komplementäre Ausbildung der Anschlussmittel besteht die Möglichkeit, das Vorsatzsieb (5) entweder auf dem Durchflussmengenregler (4) oder direkt auf dem Strahlregler (3) anzubringen (Abs. [0004]).
97Zur besseren Verdeutlichung dieses Standes der Technik wird nachfolgend die Figur 1 der EP 0 733 XXE wiedergegeben.
98Die Klagepatentschrift beanstandet hieran als nachteilig, dass die aus dieser Druckschrift vorbekannte Einsetzeinheit, da der Strahlregler mit dem Durchflussmengenregler und dieser wiederum mit dem Vorsatzsieb lösbar verbunden ist und da die Einbaulänge der Einsatzeinheit im Wesentlichen durch die Bauhöhe ihrer einzelnen Bestandteile bestimmt wird, im Vergleich zu einem üblichen Strahlregler eine entsprechend überhöhte Einbaulänge aufweist (Abs. [0005]).
99Vor diesem Hintergrund bezeichnet es das Klagepatent insbesondere als seine Aufgabe, eine sanitäre Einsetzeinheit zu schaffen, bei der Einbauprobleme aufgrund der Einbauhöhe auch in Umgebungen mit begrenzten Platzverhältnissen vermieden werden (Abs. [0005]).
100Zur Lösung dieser Problemstellung schlägt Patentanspruch 1 in seiner durch das Bundespatentgericht im Nichtigkeitsverfahren beschränkt aufrechterhaltenen Fassung eine Vorrichtung mit folgenden Merkmalen vor:
1011. Sanitäre Einsetzeinheit (1) zum Einsetzen in eine Auslaufarmatur mit einem im Wesentlichen kegelförmigen Vorsatzsieb (2).
1021.1 Dem Vorsatzsieb (2) sind in Durchströmrichtung ein Durchflussmengenregler (3) und ein Strahlregler (4) nachgeordnet.
1031.2 Das Vorsatzsieb (2) ist mit dem Strahlregler-Gehäuse lösbar verbunden.
1042. Der Durchflussmengenregler (3) weist ein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes (2) derart im Wesentlichen formangepasstes Querschnittsprofil auf, dass
1052.1 der Durchflussmengenregler (3) in dem Innenraum (6) unterhalb des am Strahlregler-Gehäuse (5) befestigten Vorsatzsiebes (2) angeordnet ist, und derart dass,
1062.2 eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler (3) realisiert wird.
1073. Der Durchflussmengenregler (3) weist einen zentralen Kernbereich auf, der von einem ringförmigen Drosselkörper (8) umgeben ist.
1084. Zwischen dem Drosselkörper (8) und „der“ Auflaufschräge (9) ist ein Steuerspalt
109(10) gebildet.
1105.1. Der Durchtrittsquerschnitt des Steuerspalts (10) ist durch den sich unter der beim Durchströmen bildenden Druckdifferenz verformenden Drosselkörper veränderbar.
111Im Hinblick auf den Streit der Parteien bedürfen die Merkmale 2 und 4 näherer Erläuterung.
1121.
113Soweit der Patentanspruch 1 vorgibt, dass das Querschnittprofil des Durchflussmengenreglers im Wesentlichen an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes formangepasst ist (Merkmal 2), ergeben sich bereits unmittelbar aus dem Anspruchswortlaut zwei wesentliche Erkenntnisse.
114Zum einen muss das Querschnittprofil des Durchflussmengenreglers nur „im Wesentlichen“ an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes formangepasst sein. Eine strenge Formanpassung wird nicht gefordert.
115Zum anderen ist der technische Zweck der Formanpassung dem Patentanspruch selbst zu entnehmen. Denn in Patentanspruch 1 heißt es, dass „der Durchflussmengenregler ein dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes derart im Wesentlichen formangepasstes Querschnittsprofil aufweist, dass der Durchflussmengenregler in dem Innenraum unterhalb des am Strahlregler-Gehäuse befestigten Vorsatzsiebes angeordnet ist, und derart, dass eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert wird“. Das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers soll hiernach so an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes angepasst sein, dass (1.) der Durchflussmengenregler in dem Innenraum unterhalb des am Strahlregler-Gehäuse befestigten kegelförmigen Vorsatzsiebes angeordnet werden kann und dass (2.) eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert wird.
a)
116Das Klagepatent will dadurch in Abgrenzung zu dem von ihm erwähnten Stand der Technik den Innenraum unterhalb des im Wesentlichen kegelförmigen Vorsatzsiebes funktional für den Durchflussmengenregler nutzen (Abs. [0007]). Aus diesem Grunde soll das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers derart an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes angepasst sein, dass der Durchflussmengenregler der Einsetzeinheit nunmehr in dem Innenraum unterhalb des am Strahlregler-Gehäuse befestigten kegelförmigen Vorsatzsiebes angeordnet werden kann. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, bedeutet dies für die Gestaltung des Durchflussmengenreglers, dass diese derart passend sein muss, dass der Durchflussmengenregler die ihm zugewiesene Lage in dem Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes einnehmen kann. Daraus folgt jedoch nicht, dass der Durchflussmengenregler an seiner dem Vorsatzsieb zugewandten Stirnseite ebenfalls ein im Wesentlichen kegelförmiges Querschnittsprofil aufweisen muss. Das Klagepatent will – wie ausgeführt – den Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes funktional für den Durchflussmengenregler nutzen. Hierfür ist es nicht zwingend erforderlich, das Querschnittsprofil ebenso kegelförmig auszugestalten wie das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes. Der Raum unter dem Vorsatzsieb kann vielmehr zur Unterbringung des Durchflussmengenreglers auch dann genutzt werden, wenn der Durchflussmengenregler an seiner Außenkontur kein im Wesentlichen kegelförmiges Querschnittsprofil aufweist (BPatG, Urt. v.
11714.02.2019 – 7 Ni 15/17 (EP), Anlage rop 1b [nachfolgend: NU], S. 9).
118Der im Nichtigkeitsverfahren beschränkt aufrechterhaltene Patentanspruch 1 verlangt zwar im Gegensatz zum erteilten Patentanspruch 1 nunmehr zwingend, dass der Durchflussmengenregler eine „Auflaufschräge“ aufweist. Dies ergibt sich jedoch erst aus dem Merkmal 5. Für die Verwirklichung des Merkmals 2.1 reicht es aus, dass das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers derart an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes angepasst ist, dass er in dem Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes untergebracht werden kann. Aus Merkmal 2.2 ergibt sich darüber hinaus nur, dass das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers ferner derart an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes angepasst ist, dass eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert werden kann. Letzteres bedeutet, dass die Bauhöhe der Einsetzeinheit gegenüber der Bauhöhe der Einsetzeinheit ohne den Durchflussmengenregler nicht erhöht ist. Aus Merkmal 2 folgt damit nur, dass das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers dergestalt an das Querschnittprofil des Vorsatzsiebes angepasst ist, dass der Durchflussmengenregler in dem Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes untergebracht (Merkmal 2.1) und dass die Bauhöhe der unter Schutz gestellten Einsetzeinheit mit Durchflussmengenregler gegenüber der Bauhöhe der Einsetzeinheit ohne Durchflussmengenregler nicht erhöht ist (Merkmal 2.2). Dabei reicht es zur Verwirklichung des Merkmals 2 jedenfalls aus, wenn die Bauhöhe des Durchflussmengenreglers im Mittelbereich höher und radial außerhalb des Mittelbereichs niedriger ist (vgl. BPatG, NU, S. 9). Darüber hinausgehende Formanforderungen stellt der Anspruch nicht zwingend auf.
119Wie auch die Figur 1 der Klagepatentschrift verdeutlicht, verlangt der Patentanspruch 1 insbesondere nicht zwingend, dass der Durchflussmengenregler vollständig innerhalb des durch das Vorsatzsieb gebildeten Kegels untergebracht ist. Zu dem in Merkmal 2.1 angesprochenen Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes ist vielmehr auch der Raum unterhalb des Kegels und innerhalb des Strahlreglergehäuses zu rechnen, der sich in Strömungsrichtung des Wassers bis zu einem quer dazu angeordneten Element (z. B. einem Strömungszerteiler) erstrecken kann (BPatG, NU, S. 9/10). Jedenfalls genügt es aber, dass der Durchflussmengenregler im Wesentlichen innerhalb des durch das Vorsatzsieb gebildeten Kegels angeordnet ist.
b)
120Weitergehende Anforderungen in Bezug auf die von Merkmal 2 geforderte Formanpassung lassen sich auch aus der Patentbeschreibung nicht herleiten. Dieser lässt sich nicht entnehmen, dass auch der Durchflussmengenregler zwingend ein im Wesentlichen kegelförmiges Querschnittsprofil aufweisen muss.
aa)
121In der allgemeinen Patentbeschreibung heißt es in Absatz [0007]:
122„Somit wird der bislang bei vorbekannten Einsetzeinheiten ungenutzte Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes funktional für den Durchflussmengenregler genutzt, so dass die Bauhöhe der erfindungsgemäßen Einsetzeinheit mit Durchflussmengenregler gegenüber der Bauhöhe einer herkömmlichen Einsetzeinheit ohne Durchflussmengenregler nicht erhöht ist. Es ist somit eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen zwei derartigen Einsetzeinheiten realisiert, so dass der wechselweise Austausch der Einsetzeinheiten oder der wahlweise Einbau des Durchflussmengenreglers problemlos möglich ist.“
123In der besonderen Patentbeschreibung wird in Bezug auf das in den Figuren gezeigte einzige Ausführungsbeispiel ferner ausgeführt:
124„Unterhalb des im Wesentlichen kegelförmig ausgebildeten Vorsatzsiebes 2 ist ein Innenraum 6 gebildet, in dem der Durchflussmengenregler 3 angeordnet ist.“ (Abs. [0016])
125„Der zentrale Kernbereich 7, der Drosselkörper 8 und die Auflaufschräge 9 sind derart dimensioniert, dass das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers 3 dem Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes 2 im Wesentlichen formangepasst ist, wobei die Auflaufschräge 9 und das Vorsatzsieb 2 voneinander beabstandet sind. Durch die Anordnung des Durchflussmengenreglers 3 innerhalb des unterhalb des Vorsatzsiebes 2 gebildeten Innenraums 6 ergibt sich für die Einsetzeinheit 1 eine gegenüber herkömmlichen Einsetzeinheiten reduzierte Bauhöhe beziehungsweise es kann für eine Einsetzeinheit mit Durchflussmengenregler eine Bauhöhe realisiert werden, die bislang nur für Einsetzeinheiten ohne Durchflussmengenregler möglich war. Somit kann die erfindungsgemäße Einsetzeinheit 1 problemlos in Umgebungen integriert werden, in denen zuvor Strahlregler ohne Durchflussmengenregler verwendet wurden oder die nur begrenzte Platzverhältnisse aufweisen.“ (Abs. [0017])
126Der angesprochene Fachmann – als solcher kann im Anschluss an die von den Parteien hingenommene Definition des Bundespatentgerichts (NU, S. 8) ein Techniker im Sanitärbereich mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung von Sanitärarmaturen angesehen werden – entnimmt diesen Beschreibungsstellen, dass dem Klagepatent die Erkenntnis zugrunde liegt, dass der Innenraum unterhalb des kegelförmigen Vorsatzsiebes, welcher bei dem Stand der Technik gemäß der EP 0 733 XXE ungenutzt bleibt, für die Unterbringung des Durchflussmengenreglers genutzt werden kann. Zu diesem Zweck soll das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers an das Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes angepasst sein. Dadurch, dass der Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes funktional für die Unterbringung des Durchflussmengenreglers genutzt wird, kann eine Bauhöhe der Einsetzeinheit mit Durchflussmengenregler realisiert werden, die gegenüber der Bauhöhe einer Einsetzeinheit ohne Durchflussmengenregler nicht erhöht ist. Im Unterschied zu dem Stand der Technik gemäß der EP 0 733 XXE zeichnet sich die unter Schutz gestellte Einsetzeinheit ferner dadurch aus, dass ihre Auslegung mit und ohne Durchflussmengenregler keinen Einfluss auf die Bauhöhe der Einsetzeinheit hat.
127„Nur“ dies strebt das Klagepatent mit dem Merkmal 2 an. Hingegen geht es dem Klagepatent nicht um eine „bestmögliche“ Ausnutzung des Innenraums unterhalb des Vorsatzsiebes. Die in der Klagepatentschrift angegebene Aufgabe, eine sanitäre Einsetzeinheit zu schaffen, bei der Einbauprobleme aufgrund der Einbauhöhe auch in Umgebungen mit begrenzten Platzverhältnissen vermieden werden kann, wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass das Querschnittsprofil des Durchflussmengenreglers derart an das Querschnittprofil des Vorsatzsiebes angepasst ist, dass der Durchflussmengenregler in dem Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes untergebracht werden kann, und dass die Bauhöhe der Einsetzeinheit mit Durchflussmengenregler gegenüber der Bauhöhe der Einsetzeinheit ohne Durchflussmengenregler nicht erhöht ist. Für die Einsetzeinheit mit Durchflussmengenregler kann so eine Bauhöhe realisiert werden, wie bei einer Einsetzeinheit ohne Durchflussmengenregler. Dadurch wird es möglich, die Einsetzeinheit trotz ihrer Ausrüstung mit einem Durchflussmengenregler in Umgebungen zu integrieren, in denen zuvor Einsetzeinheiten, welche lediglich einen Strahlregler, jedoch keinen Durchflussmengenregler aufweisen, verwendet wurden. Ebenso kann so eine gegenüber einer herkömmlichen Einbaueinheit mit Durchflussmengenregler, wie sie in der EP 0 XXF beschrieben ist, reduzierte Bauhöhe realisiert werden, was die Möglichkeit eröffnet, die Einsetzeinheit auch in Umgebungen mit nur begrenzten Platzverhältnissen zu integrieren.
bb)
128Ohne Erfolg verweist die Beklagte in diesem Zusammenhang auf die DE 100 27 XXD (Anlage B 1), die den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nach dem Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts neuheitsschädlich vorwegnimmt. Zwar offenbart diese Druckschrift nach der Würdigung des Bundespatentgerichts bereits eine sanitäre Einsetzeinheit mit den Merkmalen 1 bis 2.2. An dem gefundenen Auslegungsergebnis ändert dies jedoch nichts.
129Dabei kann an dieser Stelle zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass diese weder in der Patentbeschreibung noch auf dem Deckblatt des Klagepatents erwähnte Druckschrift bei der Auslegung des Klagepatents zu berücksichtigen ist, sei es, weil die nach Abschluss des Nichtigkeitsverfahrens veröffentlichte geänderte Patentschrift (C5-Schrift; Anlage rop 1c), deren Beschreibungsteil sich in einem Hinweis auf das Urteil des Bundespatentgerichts und einer Wiedergabe des Tenors zu I. dieses Urteils erschöpft, das Nichtigkeitsurteil des Bundespatentgerichts erwähnt und das Klagepatent durch eben dieses Urteil aufgrund der DE 100 27 XXD teilvernichtet worden ist, sei es, weil – unabhängig von letzterem Gesichtspunkt – die Ausführungen des Bundespatentgerichts zu dieser Druckschrift als Gründe für die Beschränkung des Patentanspruch 1 die Beschreibung ergänzen.
130Auch der Durchflussmengenregler des in der DE 100 27 XXD offenbarten Einbauteils hat kein im Wesentlichen kegelförmiges Querschnittsprofil. Der dortige Durchflussmengenregler (24) weist vielmehr nur einen höheren kronenförmigen Mittelbereich und radial nach außen weitere Bereiche mit niedrigerer Bauhöhe auf (darunter ein Regelorgan 25), wobei der höhere Mittelbereich bis nahe an die Kegelspitze des Vorsatzsiebes heranreicht. Aus der DE 100 27 XXD ergibt sich nur, dass bereits bei diesem Stand der Technik der Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebs funktional für den Durchflussmengenregler genutzt wird. Der in der DE 100 27 XXD offenbarte Durchflussmengenregler ist damit im Sinne der Merkmale 2 und 2.1 mit seinem Querschnittsprofil an das kegelförmige Querschnittsprofil des Vorsatzsiebes im Wesentlichen formangepasst (vgl. BPatG, NU, S. 9). Er ist ferner entsprechend dem Merkmal 2.2 derart angepasst und angeordnet, dass eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler realisiert werden kann (BPatG, NU, S. 9). Daraus folgt jedoch nur, dass aus der DE 100 27 XXD bereits eine sanitäre Einsetzeinheit im Sinne des Merkmals 1 bekannt ist, die (auch) die Merkmale 2 bis 2.1 verwirklicht, und zwar obwohl das Querschnittsprofil ihres Durchflussmengenreglers nicht (im Wesentlichen) kegelförmig ist (vgl. BPatG, NU, S. 10/11).
131Richtig ist, dass dem Klagepatent bei Berücksichtigung der DE 100 27 XXD objektiv eine modifizierte Aufgabe zugrunde liegt. Die Aufgabe der Erfindung bestimmt sich danach, was diese gegenüber dem dargelegten Stand der Technik tatsächlich leistet (vgl. BGH, GRUR 2010, 602 Rn. 27 – Gelenkanordnung; GRUR 2011, 607 Rn. 12 – Kosmetisches Sonnenschutzmittel III GRUR 2012, 1130 Rn. 9 – Leflunomid; GRUR 2012, 1123 Rn. 22 – Palettenbehälter III; GRUR 2015, 352 Rn. 11 – Quetiapin; GRUR 2018, 390 Rn. 32 – Wärmeenergieverwaltung). Dies ist durch Auslegung des Patentanspruchs unter Heranziehung von Beschreibung und Zeichnungen zu entwickeln. Aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs ist abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen. In der Beschreibung enthaltene Angaben zur Aufgabenstellung können zwar einen Hinweis auf das richtige Verständnis enthalten, entheben aber nicht davon, den Patentanspruch anhand der dafür maßgeblichen Kriterien auszulegen und aus der Funktion der einzelnen Merkmale im Kontext des Patentanspruchs abzuleiten, welches technische Problem diese Merkmale für sich und in ihrer Gesamtheit tatsächlich lösen. Hiervon ausgehend ergibt sich vorliegend bei Berücksichtigung der DE 100 27 XXD als das dem Klagepatent in der nunmehr geltenden Fassung zugrunde liegende Problem, eine sanitäre Einsetzeinheit bereitzustellen, bei der nicht nur Einbauprobleme aufgrund der Einbauhöhe auch in Umgebungen mit begrenzten Platzverhältnissen vermieden werden, sondern bei der auch ein Wasserstrom selbst bei partiell zugesetztem Vorsatzsieb im Zentralbereich sichergestellt wird (Merkmal 4; dazu sogleich). Dass letzteres Problem nunmehr eine Teil-Aufgabe des Klagepatents in der Fassung des Urteils des Bundespatentgerichts ist, ergibt sich für den Fachmann im Übrigen auch ohne eine Heranziehung der DE 100 27 XXD aus dem in den Hauptanspruch aufgenommenen Merkmal 4. An dem oben dargetanen Verständnis des Merkmals 2 ändert dies freilich nichts. Denn dem Klagepatent geht es nicht darum, den Innenraum unter dem Vorsatzsieb besser bzw. sogar „bestmöglich“ zu nutzen.
c)
132Dass die Klägerin im Nichtigkeitsverfahren die Auffassung vertreten hat, von einer Formangepasstheit im Sinne des Klagepatents könne nur die Rede sein, wenn der Durchflussmengenregler an seiner dem kegelförmigen Vorsatzsieb zugewandten Stirnseite ebenfalls ein kegelförmiges Querschnittprofil aufweise (vgl. BPatG, NU S. 9), ist – worauf bereits an dieser Stelle hingewiesen werden soll – unerheblich.
133Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann es zwar gegen die Grundsätze von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung verstoßen, wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren erklärt, für eine bestimmte Ausführungsform keinen Patentschutz zu begehren, im Verletzungsstreitverfahren aber gleichwohl gegenüber einem am Einspruchsverfahren Beteiligten Ansprüche aus dem Patent wegen dieser Ausführungsform geltend macht, wenn seine Erklärung Grundlage für die Erteilung des Patents oder dessen Fassung war und wenn der in Anspruch Genommene auf die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Patentinhabers vertrauen durfte (BGH NJW 1997, 3377, 3379 f. – Weichvorrichtung II; GRUR 2021, 462 Rn. 44 – Fensterflügel). Wichtig ist hierbei jedoch, dass noch nicht jede Äußerung des Patentinhabers zum Stand der Technik, der dem Klagepatent entgegengesetzt wird, eine schutzbereichsbeschränkende Erklärung darstellt. Vielfach und in aller Regel wird es sich bloß um eine Meinungsäußerung handeln, die – auch wenn sie die Einspruchsabteilung aufgreift – keinen Einwand aus Treu und Glauben hervorbringen kann (vgl. BGH, NJW 1997, 3377, 3378 – Weichvorrichtung II; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.09.2014 – I-2 U 2/14, BeckRS 2014, 21941 Rn. 86). Erforderlich ist vielmehr eine Erklärung, die nach den gesamten Umständen für den Adressaten den hinreichenden Willen des Patentinhabers erkennen lässt, die Reichweite seines Patents in Bezug auf eine bestimmte Ausführungsform abzugrenzen (OLG Düsseldorf, BeckRS 2014, 21941 Rn. 86; Urt. v. 20.12.2017 – I-2 U 39/16, BeckRS 2017, 137480 Rn. 80 m.w.N.).
134Dass die Klägerin im Nichtigkeitsverfahren eine solche schutzbereichsbeschränkende Erklärung in Bezug auf die angegriffene Ausführungsform abgegeben hat, zeigt die Beklagte nicht schlüssig auf. Die angesprochenen Ausführungen der Klägerin stellten offensichtlich lediglich Meinungsäußerungen dar, mit denen die Klägerin zum Ausdruck gebracht hat, wie das Merkmal 2 nach ihrer Auffassung zu verstehen ist. Darüber hinaus war die betreffende Meinungsäußerung der Klägerin hier auch nicht Grundlage für die eingeschränkte Aufrechterhaltung des Klagepatents. Das Bundespatentgericht ist vielmehr gerade der abweichenden Auslegung der Beklagten gefolgt (vgl. BPatG, NU, S. 9) und hat den Gegenstand des Klagepatents in seiner erteilten Fassung aufgrund eben dieses Verständnisses als durch die DE 100 27 XXD neuheitsschädlich vorweggenommen angesehen.
1352.
136Der Durchflussmengenregler weist gemäß Merkmal 3 einen zentralen Kernbereich auf, der von einem ringförmigen Drosselkörper umgeben ist. Nach dem Anspruchswortlaut ist zwischen diesem Drosselkörper und der Auflaufschräge ein Steuerspalt gebildet (Merkmal 4), wobei der Durchtrittsquerschnitt dieses Steuerspalts durch den sich unter der beim Durchströmen bildenden Druckdifferenz verformenden Drosselkörper veränderbar ist (Merkmal 4.1).
a)
137Soweit es im Patentanspruch 1 heißt, dass zwischen dem Drosselkörper und „der“ Auflaufschräge ein Steuerspalt gebildet ist, ist dies, da eine Auflageschräge im Patentanspruch zuvor nicht erwähnt ist, im Sinne von „zwischen dem Drosselkörper und einer Auflaufschräge“ zu verstehen (BPatG, NU, S. 12).
b)
138Unter einer „Auflaufschräge“ versteht das Klagepatent eine in einem äußeren (Rand)Bereich radial nach innen aufsteigende Fläche, die eine Zuführung von zuströmenden Wasser, das in dem radial äußeren Bereich durch das Vorsatzsieb in den Durchflussmengenregler gelangt, zu dem Steuerspalt hin ermöglicht.
aa)
139Aus dem Begriff „Auflaufschräge“ folgt zunächst nur, dass es sich um eine schräge
140Fläche handelt, auf welcher etwas (Wasser) auflaufen kann. Wozu diese schräge Fläche dient, geht aus der Patentbeschreibung hervor (vgl. insoweit auch BPatG, NU, S. 12), in der es im Absatz [0008] heißt:
141„Mit der Zeit kann sich das Vorsatzsieb durch Verunreinigungen oder Kalkablagerungen zusetzen. Um einen ausreichenden Wasserzustrom auch bei partiell zugesetztem Vorsatzsieb im Zentralbereich sicherzustellen, ist es vorteilhaft, wenn der Durchflussmengenregler in einem äußeren, insbesondere ringförmigen Randbereich eine radial nach innen aufsteigende Auflaufschräge aufweist, die zu einem Steuerspalt oder dergleichen mit dem Strahlregler in Durchgangsverbindung stehenden Durchströmöffnung führt, und wenn die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet sind. Zuströmendes Wasser kann so von den Außenbereichen des Vorsatzsiebes über die Auflaufschräge dem Durchflussmengenregler und in der Folge dem Strahlregler zugeführt werden. Damit ist auch bei einem partiell verstopften Vorsatzsieb die Funktionalität der erfindungsgemäßen Einsetzeinheit gewährleistet.“
142Ferner heißt es in der besonderen Patentbeschreibung in Bezug auf das in den Figuren gezeigte einzige Ausführungsbeispiel (Abs. [0016] bis [0018]):
143„[0016] … Zwischen dem Drosselkörper 8 und einer radial nach innen aufsteigenden Auflaufschräge 9 im äußeren Randbereich des Durchflussmengenreglers 3 ist ein
144Steuerspalt 10 gebildet, der in Durchflussverbindung mit dem darunter angeordneten Strahlregler 4 steht. …“
145„[0017] … wobei die Auflaufschräge 9 und das Vorsatzsieb 2 voneinander beabstandet sind. …“
146[0018] Wie insbesondere in Figur 2 erkennbar ist, weist die Auflaufschräge 9 oberseitig etwa radial verlaufende, gleichmäßig voneinander beabstandete Spülnuten oder dergleichen Nuten 11 zur Bildung einzelner Zuströmkanäle auf. Diese Zuströmkanäle ermöglichen ein gezieltes Zuströmen von Wasser, das durch den Bereich des Vorsatzsiebes 2 oberhalb der Auflaufschräge 9 in den Durchflussmengenregler 3 gelangt, hin zu dem Steuerspalt 10. Somit ist auch im Falle einer bereichsweisen Zusetzung des Vorsatzsiebes 2 im Zentralbereich, beispielsweise durch Verunreinigungen im zuströmenden Wasser oder durch Kalkablagerungen, ein ausreichender Wasserstrom in den Steuerspalt 10 und den nachgeordneten Strahlregler 4 vom Außenbereich her sichergestellt.“
147Dem Fachmann erschließt sich hieraus, dass es sich bei der „Auflaufschräge“ um eine in einem äußeren (Rand-)Bereich radial nach innen – in Richtung des zentralen Kernbereichs – aufsteigende Fläche handelt, die eine Zuführung von Wasser, das in dem äußeren Bereich durch das Vorsatzsieb in den Durchflussmengenregler gelangt, hin zu dem Steuerspalt und in der Folge zu dem Strahlregler ermöglicht. Der äußere (Rand-)Bereich ist dabei, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, von dem in Merkmal 3 angesprochenen zentralen Kernbereich abzugrenzen und umfasst alles, was von dem Kernbereich und den diesen umgebenden Drosselkörper radial beabstandet ist. Zuströmendes Wasser, das in dem betreffenden Bereich durch das Vorsatzsieb in den Durchflussmengenregler gelangt, kann so über die Auflaufschräge dem Steuerspalt und in der Folge dem Strahlregler zugeführt werden. Das Klagepatent will dadurch sicherstellen, dass auch im Falle einer bereichsweisen Zusetzung (Verstopfung) des Vorsatzsiebes im Zentralbereich, z.B. durch Verunreinigungen im zuströmenden Wasser oder durch Kalkablagerungen, Wasser in den Steuerspalt des Durchflussmengenreglers und den dem Durchflussmengenregler nachgeordneten Strahlregler gelangt (Abs. [0008], [0018]). Mit „Auflaufschräge“ meint das Klagepatent damit eine in einem äußeren (Rand-)Bereich des Durchflussmengenreglers radial nach innen aufsteigende Fläche, über die Wasser zum Steuerspalt fließen kann. Als „Auflaufschräge“ kommen dabei alle Formen von schräg gestellten Flächen in Betracht (vgl. auch BPatG, NU, S. 12).
bb)
148Dem Fachmann ist, auch wenn der Patentanspruch 1 dies nicht explizit verlangt und erst der Unteranspruch 2 eine entsprechende Vorgabe enthält, außerdem klar, dass die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb zwingend – zumindest teilweise – voneinander beabstandet sein müssen, weil andernfalls zuströmendes Wasser nicht über die Auflaufschräge dem Steuerspalt transportiert werden könnte. Um ihren Zweck erfüllen zu können, muss die Auflaufschräge nämlich zum Vorsatzsieb – zumindest teilweise bzw. bereichsweise – beabstandet sein (Abs. [0008]), wobei der Abstand so gewählt sein muss, dass Wasser zum Steuerspalt strömen, durch diesen fließen kann und so dem Strahlregler zugeführt wird.
cc)
149Wie weit die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet sein müssen, lässt das Klagepatent offen. Der Patentanspruch 1, der sich – wie erwähnt – ohnehin nicht ausdrücklich zu dem Abstand zwischen der Auflaufschräge und dem Vorsatzsieb verhält, macht hierzu keine Vorgaben. Ausreichend, aber auch erforderlich ist, dass zuströmendes Wasser über die Auflaufschräge zum Steuerspalt fließen kann. Weitergehende Anforderungen ergeben sich auch nicht aus der Patentbeschreibung. In dieser wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet sind (Abs. [0008], [0017]). Davon, dass der Abstand zwischen der Auflaufschräge und dem Vorsatzsieb mindestens so groß sein muss wie die Sieböffnungen des Vorsatzsiebes, ist auch in der Patentbeschreibung nicht die Rede. Der Fachmann wird den Abstand zwischen Auflaufschräge und Vorsatzsieb zwar zweckmäßigerweise möglichst so wählen, dass Verunreinigungen (Schmutzpartikel) im zuströmenden Wasser, die durch die Sieböffnungen des Vorsatzsiebes dringen könnten, den Spalt zwischen Auflaufschräge und Vorsatzsieb möglichst nicht verstopfen. Der Klagepatentanspruch macht insoweit jedoch keine zwingenden Vorgaben. Es reicht deshalb aus, dass der Abstand zwischen der Auflaufschräge und dem Vorsatzsieb so groß ist, dass zuströmendes Wasser über die Auflaufschräge zum Steuerspalt fließen kann.
dd)
150Als Auflaufschräge kommt – wie bereits erwähnt – jede Form einer schräg gestellten Fläche in Betracht. Zur Neigung bzw. zum Grad der Schrägstellung der – radial nach innen aufsteigenden – Auflaufschräge macht der Patentanspruch keine zwingenden Vorgaben. Gleiches gilt für die Länge der Auflaufschräge. Maßgeblich ist auch insoweit nur, dass die der Auflaufschräge zugedachte Funktion erfüllt wird. Dies kann je nach Ausgestaltung der jeweiligen Einsetzeinheit unterschiedlich sein.
ee)
151Der Hauptanspruch des Klagepatents ist schließlich auch nicht dahin zu verstehen, dass zwingend (nur) eine Auflaufschräge und der Drosselkörper einen Steuerspalt bilden, die Auflaufschräge sozusagen bis hin zum Spalt führt und das (eine) Ende bzw. die (eine) Begrenzung des Steuerspaltes bildet.
152Der (eingeschränkte) Anspruchswortlaut fordert, dass „zwischen“ dem Drosselkörper und der Auflaufschräge ein Steuerspalt gebildet ist (ehemals Unteranspruch 6). Patentanspruch 1 spricht hingegen nicht von einem durch den Drosselkörper und die Anlaufschräge gebildeten Steuerpalt und er gibt auch nicht vor, dass die Auflaufschräge zum Steuerspalt führt. Aus dem maßgeblichen Anspruchswortlaut folgt daher nicht, dass die Auflaufschräge und der Drosselkörper einen Steuerspalt bilden. Vielmehr ergibt sich aus diesem nur, dass es neben dem in Merkmal 4 erwähnten Drosselkörper eine Anlaufschräge gibt und dass räumlich zwischen diesen Bauteilen ein Steuerspalt gebildet, d.h. vorhanden ist. Letzteres betrifft – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – allein die Lokalisierung des Steuerspalts. Die Angabe „gebildet zwischen“ besagt hingegen nicht, dass der Steuerspalt von dem Drosselkörper und der Auflaufschräge gebildet wird.
153Nach seinem Wortlaut schließt Patentanspruch 1 damit nicht per se eine sich an die Auflaufschräge radial nach innen anschließende Fläche aus. Zwischen dem Steuerspalt und der schrägen Fläche der Auflaufschräge kann deshalb prinzipiell z.B. noch eine horizontale Fläche vorhanden sein. Im Hinblick auf den technischen Zweck der Auflaufschräge sieht der Fachmann angesichts des offeneren Wortlauts des Patentanspruchs 1 eine solche horizontale Fläche als unproblematisch an, soweit und solange diese so gestaltet ist, dass sie der Funktion der Auflaufschräge nicht entgegensteht.
154Für den Unteranspruch 2 gilt dies zwar nicht bzw. jedenfalls nicht uneingeschränkt. Dieser Unteranspruch beansprucht Schutz für eine Ausgestaltung nach Patentanspruch 1, bei der der Durchflussmengenregler in einem äußeren, insbesondere ringförmigen Randbereich eine radial nach innen aufsteigende Auflaufschräge aufweist, die zu einem Steuerspalt oder dergleichen mit dem Strahlregler in Durchgangsverbindung stehenden Durchströmöffnung führt, und dass die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet sind. Die Angabe „die zu einem Steuerspalt … führt“ wird – entgegen der Auffassung des Landgerichts – dahin verstehen sein, dass hiermit nicht nur die Ausrichtung der Auflaufschräge, sondern auch beschrieben wird, dass die Auflaufschräge bis zum Steuerspalt führt, so dass über die Auflaufschräge strömendes Wasser von der Auflaufschräge in den Steuerspalt fließt. Die Figuren 1 und 2 stehen diesem Verständnis nicht zwingend entgegen. Auch wenn die dort gezeigte Ausführungsform aus Sicht des Durchschnittsfachmanns so ausgestaltet ist, wie sich dies aus der von der Klägerin im Verhandlungstermin überreichten Zeichnung und dem von der Klägerin ferner vorgelegten Muster ergibt, folgt hieraus nur, dass es ggf. unschädlich ist, wenn die Auflaufschräge an ihrem radial inneren Ende zum Steuerspalt hin noch eine geringfügige Abflachung aufweist bzw. in einen kurzen horizontalen Bereich übergeht. Abgesehen davon ist es auch nach der von der Klägerin vorgelegten Zeichnung und dem von ihr gefertigten Muster so, dass der Steuerspalt bereichsweise unmittelbar durch die Auflaufschräge begrenzt wird. Die Auflaufschräge weist oberseitig radial verlaufende, gleichmäßig voneinander beabstandete Nuten auf, die Zuströmkanäle für das Wasser bilden. Diese Nuten verlaufen radial nach innen aufsteigend. An ihrem radial inneren Ende weist die Auflaufschräge flache halbkreisförmige Vorsprünge auf. Diese variieren allerdings und erstrecken sich deshalb nicht bei jeder Nut über die gesamte Breite der Nut, so dass der Steuerpalt bereichsweise unmittelbar durch die radial nach innen aufsteigende Nut begrenzt wird. Darauf, wie der Unteranspruch 2 zu interpretieren ist, kommt es hier jedoch letztlich nicht an. Der Hauptanspruch des Klagepatents ist jedenfalls breiter bzw. offener formuliert als dieser Unteranspruch. Im Unterschied zu diesem verlangt er keine „zum Steuerspalt führende“ Auflaufschräge.
155Letzteres Erfordernis wird der Fachmann auch nicht in den Patentanspruch 1 hineinlesen. Zwar handelt es sich – wie ausgeführt – bei der in Patentanspruch 1 angesprochenen Auflaufschräge um eine „radial nach innen aufsteigende“ Auflaufschräge und sind „die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet“, wie dies in Unteranspruch 2 beschrieben ist. Diese Ausgestaltung ergibt sich jedoch aus dem Begriff „Auflaufschräge“ und der dem so bezeichneten Element zugewiesenen technischen Funktion. Wie ausgeführt, folgt aus der Bezeichnung „Auflaufschräge“, dass es sich bei dieser um eine schräge Fläche handelt, auf der Wasser auflaufen kann. Da das Wasser auf dieser schrägen Fläche „aufläuft“ und die besagte Schrägfläche die Funktion hat, zuströmendes Wasser dem Steuerspalt zuzuführen, handelt es sich bei ihr um eine radial nach innen aufsteigende Fläche. Wie die Beklagte im Verhandlungstermin eingeräumt hat, kommt als „Auflaufschräge“ allein eine radial nach innen aufsteigende Fläche in Betracht. Zur Erfüllung der ihr zugedachte Funktion muss die Auflaufschräge außerdem zwingend von dem Vorsatzsieb – zumindest teilweise – beabstandet sein. Hingegen muss sich die Auflaufschräge hierfür nicht notwendig unmittelbar bis zum Steuerspalt erstrecken bzw. zusammen mit dem Drosselkörper den Steuerspalt bilden.
156Andernfalls wäre die Lehre des Unteranspruchs 2 – wie die Beklagte im Verhandlungstermin ebenfalls zugestanden hat – auch vollständig in der Lehre des Hauptanspruchs des Klagepatents enthalten, d.h. der Gegenstand des Unteranspruchs 2 und der Gegenstand des Patentanspruchs 1 wären vollkommen identisch. Davon wird der Fachmann indes nicht ausgehen. Ebenso wie Ausführungsbeispiele umreißen nämlich auch Unteransprüche regelmäßig nur eine mögliche Teilmenge der vom Anspruchswortlaut des Hauptanspruchs erfassten Konstruktionen, weshalb sie prinzipiell nur den Schluss zulassen, dass dasjenige, was im Unteranspruch beschrieben ist, unter den Hauptanspruch fällt; ihnen kommt jedoch keine technische Lehre des Hauptanspruchs einengende Bedeutung zu (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 63 m.w.N.). Die Ermittlung des Sinngehalts eines Unteranspruchs kann zwar grundsätzlich zur richtigen Auslegung des Hauptanspruchs beitragen (BGH, GRUR 2016, 1031 Rn. 15 – Wärmetauscher). Denn Unteransprüche gestalten die im Hauptanspruch unter Schutz gestellte Lösung weiter aus und können daher – mittelbar – Erkenntnisse über deren technische Lehre zulassen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass sie regelmäßig den Gegenstand des Hauptanspruchs nicht einengen, sondern, nicht anders als Ausführungsbeispiele, lediglich – ggf. mit einem zusätzlichen Vorteil verbundene – Möglichkeiten seiner Ausgestaltung aufzeigen (BGH, GRUR 2016, 1031 Rn. 15 – Wärmetauscher).
157Die vorstehenden Erwägungen gelten entsprechend für den Absatz [0008] der Patentbeschreibung, in dem ebenfalls davon die Rede ist, dass die Anlaufschräge zum Steuerspalt führt. Diese Beschreibungsstelle bezieht sich – wovon auch die Beklagte ausgeht (vgl. Bl. 234 eA) – augenscheinlich auf den Unteranspruch 2, dessen Wortlaut dort eingangs (Sp. 2 Z. 15-22) wiedergegeben wird. Die Angaben in den Absätzen [0015] bis [0019] beziehen sich auf das in den Figuren 1 und 2 gezeigte Ausführungsbeispiel, das der Lehre des Unteranspruchs 2 entspricht.
158Dass in der Patentbeschreibung keine Ausführungsform mit einer sich an die Anlaufschräge anschließenden horizontalen Fläche beschrieben ist bzw. in den Figuren der Patentschrift allenfalls eine Ausführungsform mit einem sich an die Anlaufschräge anschließenden kurzen abgeflachten Übergangsbereich gezeigt ist, führt den Fachmann nicht zu dem Verständnis, dass eine horizontale Fläche bzw. eine horizontale Fläche, die nicht lediglich einen kurzen Übergangsbereich darstellt, nicht vorhanden sein darf. Es ist nicht erforderlich, dass jede erfindungsgemäße Ausführungsvariante explizit in einer Patentschrift beschrieben und/oder gezeigt ist.
ee)
159Der Senat verkennt in diesem Zusammenhang nicht, dass das Bundespatentgericht offenbar davon ausgegangen ist, dass der Drosselkörper und die Anlaufschräge zusammen den Steuerspalt bilden. Denn das Bundespatentgericht hat in seinem Nichtigkeitsurteil ausgeführt (NU, S. 12):
160„Zwar ist die Formulierung in Merkmal i) („zwischen dem Drosselkörper (8) und der Auflaufschräge (9)“) nicht selbsterklärend, weil eine Auflaufschräge in den vorhergehenden Merkmalen a) bis g) nicht beansprucht wird. Was mit der Auflaufschräge gemeint ist, geht jedoch aus der Streitpatentschrift (Figur 1 i. V. m. Absätzen [0016] bis [0018] sowie Absätze [0008] und [0009]) hervor. Das Merkmal i) ist daher i. S. v. „zwischen dem Drosselkörper (8) und einer Auflaufschräge (9)“ zu verstehen und schließt alle Formen von schräg gestellten Flächen im Bereich des Durchflussmengenreglers ein, sofern sie geeignet sind, zusammen mit dem Drosselkörper einen Steuerspalt zu bilden.“
161Den letzten Halbsatz dieser Urteilspassage, den das Landgericht nicht gewürdigt hat, wird man dahin zu verstehen haben, dass die Anlaufschräge zusammen mit dem Drosselkörper den Steuerspalt bildet. Dafür spricht auch, dass das Bundespatentgericht im Weiteren auch ausgeführt hat, dass sich aus der Entgegenhaltung K2 keine Anregung entnehmen lasse, eine Auflaufschräge vorzusehen „und diese mit einem Drosselkörper so zu kombinieren, dass ein Steuerspalt gebildet“ wird (NU, S. 12).
162Dieses Verständnis ist für den Senat jedoch nicht rechtlich bindend. Die vorliegende Stellungnahme des Bundespatentgerichts ist lediglich als – erhebliche – sachverständige Äußerung zu würdigen (vgl. BGH, GRUR 1996, 757, 759 – Zahnkranzfräse; GRUR 1998, 895 – Regenbecken; BGH, GRUR 2010, 950 Rn. 14 – Walzenformgebungsmaschine). Der Senat berücksichtigt die Stellungnahme des Bundespatentgerichts bei seiner Entscheidung; er vermag ihr aus den vorstehenden Gründen jedoch nicht zu folgen.
163Die vorzitierten Entscheidungsgründe sind hingegen nicht ihrem Inhalt nach Teil der Beschreibung geworden bzw. ergänzen die Patentbeschreibung nicht. Im Hinblick auf die gegenteilige Auffassung der Beklagten besteht insoweit Anlass zu folgenden grundsätzlichen Ausführungen:
164(1)
165Mit einer Beschränkung der Patentansprüche durch ein Nichtigkeitsurteil geht eine rechtsgestaltende Rückwirkung der geänderten Anspruchsfassung einher (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 20 – Ziehmaschinenzugeinheit; BGH, GRUR 2016, 361 Rn. 27 – Fugenband). Wenn einzelne Patentansprüche im Nichtigkeitsverfahren geändert worden sind, ist demgemäß der neue Wortlaut des betreffenden Patentanspruchs die maßgebliche Grundlage für die Auslegung (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 20 – Ziehmaschinenzugeinheit; Benkard/Scharen, PatG, 11. Aufl., § 14 Rn. 26). Außerdem ergänzen oder ersetzen die gerichtlichen Entscheidungsgründe für die Beschränkung die den betreffenden Patentanspruch erläuternde Beschreibung (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 20 – Ziehmaschinenzugeinheit; Benkard/Scharen, a.a.O., § 14 Rn. 26 m.w.N.), sofern der Urteilsausspruch nicht auch die Beschreibung ändert, insbesondere deren gegenstandslos gewordenen Teil streicht (BGH, GRUR 1999, 145, 146 – Stoßwellen-Lithotripter; Benkard/Scharen, a.a.O., § 14 Rn. 26). Der Gegenstand des Patentanspruchs ergibt sich nunmehr aus dem Wortlaut des neugefassten Anspruchs, wie er durch Beschreibung und die Zeichnungen im Lichte der insoweit ergangenen Entscheidungsgründe erläutert ist (BGH, GRUR 1992, 839, 840 – Linsenschleifmaschine; Senat, Urt. v. 12.11.2020 – 15 U 77/14, GRUR-RS 2020, 43243 Rn. 40; Urt. v. 16.07.2020 – I-15 U 38/18, juris Rn. 132; Urt. v. 04.06.2020 – I-15 U 58/19; Benkard/Scharen, a.a.O., § 14 Rn. 26). Es verbietet sich deshalb, im Nichtigkeitsverfahren in den Anspruch neu eingefügte beschränkende Merkmale bei der Auslegung für unerheblich anzusehen und wieder zu eliminieren (vgl. BGH, GRUR 1961, 335, 337 – Bettcouch; BGHZ 73, 40, 45 – Aufhänger; Senat, GRUR-RS 2020, 43243 Rn. 40; Benkard/Scharen, a.a.O., § 14 Rn. 26). Soweit der Sinn einer Teilvernichtung nicht im Wege steht, ist der Verletzungsrichter in der Bestimmung des Gegenstands der Erfindung frei (vgl. BGH, GRUR 1964, 669, 670 – Abtastnadel; GRUR 1979, 222, 224 – Überzugsvorrichtung; Senat, GRUR-RS 2020, 43243 Rn. 40).
166Gründe, aus denen eine Nichtigkeitsklage ganz oder teilweise zurückgewiesen worden ist, stehen indes der Beschreibung nicht gleich (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 21 – Ziehmaschinenzugeinheit; Benkard/Scharen, a.a.O., § 14 Rn. 26 m.w.N.). Insbesondere ist eine einschränkende Auslegung nicht erlaubt, wenn die sich mit einer Teilabweisung befassenden Entscheidungsgründe des Nichtigkeitsurteils den Sinngehalt eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs im Sinne einer Auslegung unter seinem Wortlaut einschränken (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 21 – Ziehmaschinenzugeinheit; Benkard/Scharen, a.a.O., § 14 Rn. 26). Es gelten insoweit die „üblichen“ Regeln: Die Beschreibung gestattet regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 21 – Ziehmaschinenzugeinheit); ihre Einbeziehung darf nicht zu einer sachlichen Einengung des durch seinen Wortlaut festgelegten Gegenstands des Patents führen (BGH, GRUR 2004, 1023, 1024 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung; BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 14 – Ziehmaschinenzugeinheit; GRUR 2010, 602 Rn. 27 – Gelenkanordnung; GRUR 2011, 701 Rn. 23 – Okklusionsvorrichtung). Den an die Stelle der Beschreibung tretenden bzw. diese ergänzenden Entscheidungsgründen des Nichtigkeitsurteils kann keine weiterreichende Bedeutung zukommen, als der Beschreibung selbst. Sie können deshalb insbesondere keine den Sinngehalt eines Patentanspruchs einschränkende Auslegung rechtfertigen (BGH, GRUR 2007, 778 Rn. 21 – Ziehmaschinenzugeinheit).
167(2)
168Hiervon ausgehend können die vorzitierten Gründe des Nichtigkeitsurteils des Bundespatentgerichts die Beschreibung des Klagepatents schon deshalb nicht ergänzen, weil es sich um einen Teil der Entscheidungsgründe handelt, der sich dazu verhält, dass der Patentanspruch 1 in der von der Klägerin im Nichtigkeitsverfahren hilfsweise verteidigten Fassung Bestand hat. Es handelt sich mithin um Gründe, aus denen die Nichtigkeitsklage teilweise zurückgewiesen worden ist. Die die Abweisung der weitergehenden Nichtigkeitsklage behandelnden Gründe stehen der Beschreibung – wie ausgeführt – nicht gleich.
ff)
169Soweit die Beklagte schließlich sinngemäß geltend macht, mit „der“ in dem ehemaligen Unteranspruch 6 angesprochenen Auflaufschräge sei – ungeachtet des Rückbezugs im ehemaligen Unteranspruch 6 auch auf Patentanspruch 1 – die in Unteranspruch 2 beschriebene Auflaufschräge gemeint gewesen, weswegen die Merkmale des Unteranspruchs 2 in den aufrechterhaltenen Patentanspruch 1 enthalten seien bzw. in diesen hätten aufgenommen werden müssen, vermag dies keine anderweitige Auslegung des Patentanspruchs 1 zu rechtfertigen. Der Unteranspruch 2 existiert nach wie vor. Soweit der aufrechterhaltene Patentanspruch 1 von „der“ Auflaufschräge spricht, kann damit nicht die erst in dem späteren Unteranspruch beschriebene Auflaufschräge angesprochen sein. Davon, dass die Formulierung „zwischen dem Drosselkörper und der Auflaufschräge im Sinne von „zwischen dem Drosselkörper und einer Auflaufschräge“ zu verstehen ist, ist – wie bereits erwähnt – im Übrigen auch das Bundespatentgericht ausgegangen (NU, S. 12). Ob der Patentanspruch 1 mit den Merkmalen des Unteranspruchs 2 hätte aufrechterhalten werden müssen, spielt für die Auslegung des geltenden Patentanspruchs 1 keine Rolle. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass der Patentanspruch nicht nach Maßgabe dessen ausgelegt werden darf, was sich nach Prüfung des Stands der Technik als patentfähig erweist (BGH, GRUR 2004, 47 – blasenfreie Gummibahn I; GRUR 2012, 1124 Rn. 28 – Polymerschaum I). Er hat ebenfalls schon entschieden, dass ein Patentanspruch nicht – zur Vermeidung einer unzulässigen Erweiterung – nach Maßgabe des ursprünglich Offenbarten ausgelegt werden darf, ihm also nicht deshalb ein bestimmter Sinngehalt beigelegt werden darf, weil sein Gegenstand andernfalls gegenüber den Ursprungsunterlagen unzulässig erweitert wäre (BGH, GRUR 2012, 1124 Rn. 28 – Polymerschaum I; GRUR 2015, 875 Rn. 17 – Rotorelemente). Entsprechendes hat im Streitfall zu gelten, weil der Einwand der Beklagten im Ergebnis darauf hinausläuft, dass in den Anmeldeunterlagen nur eine sanitäre Einsetzeinheit mit einer Auflaufschräge im Sinne des Unteranspruchs 2 offenbart sei.
170B.
171Von der oben erläuterten Lehre des Anspruchs 1 des Klagepatents macht die angegriffene sanitäre Einsetzeinheit mit der Bezeichnung „A“ wortsinngemäß Gebrauch.
1721.
173Dass die angegriffene Ausführungsform die Merkmale 1 bis 1.2 wortsinngemäß verwirklicht, steht zwischen den Parteien auch in der Berufungsinstanz – zu Recht – außer Streit, weshalb weitere Ausführungen hierzu entbehrlich sind. Gleiches gilt für das Merkmal 3 und das Merkmal 5.1.
1742.
175Die angegriffene Ausführungsform entspricht auch den Vorgaben der Merkmale 2 bis
1762.2.
a)
177Der von der Beklagten als „Durchflussreglerscheibe“ bezeichnete Durchlussmengenregler der angegriffenen Ausführungsform weist einen höheren Mittelbereich und radial nach außen weitere Bereiche mit niedrigerer Bauhöhe auf. Ausweislich der von den Parteien vorgelegten Abbildungen sowie des sich bei den Akten befindlichen Musters (geschnittenes Halbmodell) ist der so ausgestaltete Durchlussmengenregler augenscheinlich innerhalb des durch das Vorsatzsieb gebildeten Kegels angeordnet, was die Beklagte auch nicht in Abrede stellt. Dass er nicht vollständig innerhalb des durch das Vorsatzsieb gebildeten Kegels untergebracht ist, sondern in Strömungsrichtung geringfügig in den Raum des Strahlreglergehäuses hineinragt, ist unschädlich. Denn zu dem Innenraum unterhalb des Vorsatzsiebes gehört – wie ausgeführt – auch der Raum unterhalb des Kegels und innerhalb des Strahlreglergehäuses, der sich in Strömungsrichtung des Wassers bis zu einem quer dazu angeordneten Element erstrecken kann. Jedenfalls reicht es zur Verwirklichung der Merkmale 2 und 2.1 aber aus, dass der Durchflussmengenregler im Wesentlichen innerhalb des durch das Vorsatzsieb gebildeten Kegels angeordnet ist, wie dies bei der angegriffenen Ausführungsform ersichtlich der Fall ist.
b)
178Merkmal 2.2 ist ebenfalls verwirklicht, weil bei der angegriffenen Ausführungsform auch eine hundertprozentige geometrische Kompatibilität zwischen einer Einsetzeinheit mit bzw. ohne Durchflussmengenregler im Sinne des Klagepatents realisiert wird. Die Bauhöhe der angegriffenen sanitären Einsetzeinheit mit ihrem Durchflussmengenregler ist gegenüber der Bauhöhe der angegriffenen Einsetzeinheit ohne den Durchflussmengenregler nicht erhöht. Die angegriffene Einsetzeinheit hat vielmehr jeweils die gleiche Bauhöhe.
1793.
180Die angegriffene Ausführungsform verwirklicht auch das Merkmal 4.
181Der Durchflussmengenregler der angegriffenen Ausführungsform weist in seinem äußeren, ringförmigen Randbereich eine radial nach innen – in Richtung des zentralen Kernbereichs – aufsteigende schräge Fläche auf, welche von der seitens der Beklagten als „Hohlkehle“ bezeichneten Ausgestaltung gebildet wird. Diese schräge Fläche stellt eine „Auflaufschräge“ im Sinne des Klagepatents dar, weil sie Wasser, das durch den Bereich des Vorsatzsiebes oberhalb der schrägen Fläche in den Durchflussmengenregler gelangt, radial nach innen in Richtung des Steuerspalts des Durchflussmengenreglers leitet.
a)
182Mit Recht hat das Landgericht angenommen, dass ein linienförmiger Kontaktrand, der einem Wasserfluss in Richtung des Steuerspalts entgegensteht, bei der angegriffenen Ausführungsform nicht vorhanden ist. Zuströmendes Wasser, das in dem radial äußeren Bereich durch das Vorsatzsieb in den Durchflussmengenregler gelangt, kann vielmehr über die Auflaufschräge radial nach innen zum Steuerspalt fließen.
aa)
183Will der Beklagte in einem Patentverletzungsprozess geltend machen, die angegriffene Ausführungsform sei in ihren konstruktiven Einzelheiten oder ihrer Zusammensetzung unzutreffend beschrieben, darf er sich nicht darauf beschränken, den Sachvortrag des Klägers zur Ausgestaltung des vermeintlichen Verletzungsgegenstandes lediglich pauschal zu bestreiten. Er ist vielmehr gehalten, zu den einzelnen relevanten Behauptungen in der Klageschrift Stellung zu nehmen und sich über die diesbezüglichen tatsächlichen Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß zu erklären (§ 138 Abs. 1 ZPO). Dies bedeutet zwar nicht, dass der Beklagte von sich aus das Gericht und den Kläger über den wirklichen Verletzungstatbestand zu unterrichten hätte. Der Beklagte kann sich im Gegenteil auf das Bestreiten bestimmter vom Kläger behaupteter technischer Merkmale beschränken. Allerdings darf dieses Bestreiten nicht pauschal bleiben, sondern muss konkret und substanziiert sein. Kein erhebliches Bestreiten stellt es dar, wenn sich der Beklagte darauf beschränkt, am Sachvortrag des Klägers lediglich zu bemängeln, dessen Ausführungen zum Verletzungstatbestand seien unsubstanziiert. Dem Beklagten obliegt es, sich – und zwar der Wahrheit gemäß (§ 138 Abs. 1 ZPO) – darüber zu erklären, ob und ggf. welches Anspruchsmerkmal von der angegriffenen Ausführungsform nicht verwirklicht werden soll. Dies kann zunächst zwar ebenfalls pauschal erfolgen und braucht nicht weiter substanziiert zu werden als die gegenteilige (pauschale) Behauptung des Klägers. Nur wenn der Beklagte sich im genannten Sinne konkret geäußert hat, ist der betreffende Sachvortrag aber streitig, so dass der Kläger jetzt seine Verletzungsbehauptung weiter ausführen muss (vgl. Senat, Urt. v. 25.02.2021 – I-15 U 1/20 GRUR-RS 2021, 4419 Rn. 75 m.w.N.). Hat der Kläger seinen Vortrag, z.B. durch die Vorlage von Untersuchungsergebnissen konkretisiert, muss der Beklagte dieses Vorbringen ferner ebenso qualifiziert bestreiten. Nach den Regeln der gestuften Darlegungslast, die an die Vorschrift des § 138 Abs. 2 ZPO anknüpfen, wonach sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären hat, hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden nämlich davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner vorgetragen hat (BGH, Urt. v. 22.07.2021 – I ZR 123/20, GRUR-RS 2021, 27885 Rn. 22 – Vorstandsabteilung): Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen (BGH, GRUR-RS 2021, 27885 Rn. 22 – Vorstandsabteilung, m.w.N.; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2021, 421 Rn. 63 – Montagegrube). Dabei obliegt es zunächst der darlegungsbelasteten Partei, ihr Vorbringen zu konkretisieren und zu detaillieren (BGH, NJW 1999, 1404, 1405). Je detaillierter ihr Vorbringen ist, desto höher sind die Substanziierungsanforderungen gemäß § 138 Abs. 2 ZPO (st. Rspr., BGH, NJW-RR 2020, 1320 Rn. 10; NJW 2018, 1089 Rn. 19; NJW-RR 2015, 468 Rn. 11; NJW 2011, 1509 Rn. 20, jew. m.w.N.). Substanziiertes Vorbringen kann danach grundsätzlich – sofern nach Lage der Dinge ein substantiiertes Bestreiten möglich ist – nicht pauschal bestritten werden (vgl. BGH, GRUR-RS 2021, 27885 Rn. 22 – Vorstandsabteilung; NZG 2020, 1149 Rn. 15; NZG 2018, 497 Rn. 20; NJW 2010, 1357 Rn. 16). Hat etwa die klagende Partei ihren Vortrag durch Vorlage von Untersuchungen hinreichend konkretisiert, so muss die beklagte Partei dieses Vorbringen ebenso qualifiziert bestreiten. Sie muss konkret erwidern, indem er sich aktiv an der Sachverhaltsaufklärung beteiligt, zu den einzelnen relevanten Behauptungen des Klägers Stellung nimmt und eine eigene Darstellung dazu liefert, dass und weshalb diese Behauptung unzutreffend ist (Senat, GRUR-RS 2021, 4419 Rn. 75; GRUR-RR 2021, 421 Rn. 63 – Montagegrube).
bb)
184Hiervon ausgehend hat Beklagte vorliegend schon nicht hinreichend qualifiziert bestritten, dass bei der angegriffenen Ausführungsform im Auslieferungszustand der Durchflussmengenregler und das Vorsatzsieb beabstandet sind.
185(1)
186Die Klägerin hat in erster Instanz dargetan, dass bei der angegriffenen Ausführungsform die in Rede stehende schräge Fläche und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet sind und ein Kontaktrand zwischen dem Durchflussregler und dem Vorsatzsieb nicht vorhanden ist. Sie hat sich diesbezüglich auf zwei von ihr vorgelegte ScanAufnahmen (Schriftsatz v. 28.02.2020; S. 5 und 6 [Bl. 57 und 58 LG-Akte]) bezogen, die nach ihren Angaben von Mustern der angegriffenen Einsetzeinheiten erstellt worden sind. Diese – nachfolgend wiedergegebenen – Aufnahmen zeigen, dass der Durchflussmengenregler (grün) vom Innenumfang des Vorsatzsiebes (orange) beabstandet ist, und zwar auch an der von der Beklagten als „Kontaktrand“ bzw. „Randkante“ bezeichneten Stelle.
187Die Klägerin hat im ersten Rechtszug ferner vorgetragen haben, dass Messungen anhand der Scans ergeben haben, dass an der engsten Stelle zwischen dem Innenumfang des Vorsatzsiebes und dem Durchflussmengenregler ein Spaltmaß von ca.
1880,2 mm gegeben ist.
189(2)
190Den von der Klägerin damit substanziiert dargetanen Abstand zwischen dem Durchflussmengenregler und dem Vorsatzsieb hat die Beklagte in erster Instanz lediglich pauschal bestritten. Hinsichtlich der von der Klägerin vorgelegten CT-Aufnahmen hat sie lediglich eingewandt, dass diese Bilder „als nicht authentisch“ zurückgewiesen würden (Schriftsatz v. 16.04.2020, S. 3 [Bl. 66 LG-Akte]). Weshalb die Aufnahmen nicht „authentisch“ sind, hat sie nicht erläutert und sie hat vor allem weder eigene, aussagekräftige CT-Aufnahmen noch eine Konstruktionszeichnung der angegriffenen Einsetzeinheit vorgelegt, aus denen/der sich ergibt, dass der Durchflussmengenregler und das Vorsatzsieb nicht voneinander beabstandet sind, sondern das Vorsatzsieb an der von der Beklagten angesprochenen „Randkante“ anliegt. Zwar hat sich die Beklagte auf die von ihr vorgelegte Abbildung gemäß Anlage B 1 berufen. Bei dieser handelt es sich aber – wie die Beklagte in erster Instanz selbst ausgeführt hat (Schriftsatz v. 14.11.2019, S. 3/4 [Bl. 42/43 LG-Akte]) – lediglich um eine Abbildung aus ihrem Produktkatalog. Soweit die Beklagte in Bezug auf diese Darstellung vor dem Landgericht zuletzt behauptet hat, dass es sich bei dieser Abbildung um einen Auszug einer „digitalen technischen Zeichnung“ handelt, hat sie dies nicht näher erläutert. Erstmals in der Berufungsinstanz trägt sie vor, dass die Abbildung mittels des Konstruktionsprogramms „E“ erstellt worden sei und exakt der angegriffenen Ausführungsform entspreche. Entscheidend ist jedenfalls, worauf das Landgericht auch abgestellt hat, dass die in Rede stehende Abbildung insgesamt derart verpixelt ist, dass die gezeigten Linien „dicker“ erscheinen können als sie tatsächlich sind. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, die Klägerin habe in erster Instanz nichts dazu vorgetragen, wie die von ihr – der Klägerin – vorgelegten CT-Aufnahmen zustande gekommen seien, insbesondere wie die originalen CT-Aufnahmen aussähen und in welcher Weise sie von der Klägerin bearbeitet worden seien, hätte es solcher Darlegungen erst bedurft, wenn die Beklagte in erster Instanz konkrete, einlassungsfähige Beanstandungen erhoben und eigene aussagekräftige Aufnahmen überreicht hätte, aus denen sich eine abweichende Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform ergibt. Im Übrigen hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 30.04.2020 (S. 3 [Bl. 71 LG-Akte]) eine der Anlage B 1 entsprechende, allerdings weniger „verschwommene“ Abbildung eingeblendet, die eher für das Vorhandensein eines Spalts zwischen dem Durchflussmengenregler und dem Sieb spricht. Die Beklagte selbst hat in diesem Zusammenhang von einem „Fugenspalt“ gesprochen (Schriftsatz v. 30.04.2020 (S. 3 [Bl. 71 LG-Akte]).
191Soweit die Beklagte im Berufungsrechtszug geltend macht, sie wisse nicht, ob möglicherweise bei dem von der Klägerin im Verhandlungstermin beim Landgericht vorgelegten Termin oder dem für die CT-Aufnahmen benutzten Modell das Vorsatzsieb herausgenommen und danach wieder eingesetzt worden sei, was zum Entstehen eines Spalts beitragen könne, hat sie derartiges in erster Instanz nicht eingewandt. Ihre erstmals in zweiter Instanz erhobenen Einwände sind verspätet (§ 531 Abs. 2 ZPO). Abgesehen davon hat die Beklagte – wie bereits erwähnt – selbst keine aussagekräftigen CT-Aufnahmen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass bei der angegriffenen Ausführungsform das Vorsatzsieb an der „Randkante“ anliegt und damit ein Spalt nicht existiert. Schon allein deshalb konnte das Landgericht hier jedenfalls davon ausgehen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform im Auslieferungszustand („Ruhezustand“) der Durchflussmengenregler von dem Vorsatzsieb beabstandet ist. Davon ist auch weiterhin auszugehen, weil die Beklagte eigene aussagekräftige CT-Aufnahmen, Konstruktionszeichnungen und/oder Untersuchungsergebnisse auch im Berufungsrechtszug nicht vorlegt.
192(3)
193Auf die vom Landgericht auch in Bezug genommenen Modelle (diametral geschnittene Halbmodelle) kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Im angefochtenen Urteil heißt es hierzu, dass die im Termin zur mündlichen Verhandlung von der Kammer in Augenschein genommenen Modelle der angegriffenen Ausführungsform einen Abstand zwischen Vorsatzsieb und Durchflussmengenregler aufgewiesen haben, wobei dieser mit bloßem Auge erkennbar gewesen ist. Dass die Modelle im Verhandlungstermin in Augenschein genommen worden sind, ist unstreitig. Die Beklagte bestreitet allerdings das sich aus dem angefochtenen Urteil ergebende Ergebnis des Augenscheins. Dieses ist vom Landgericht – entgegen § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO – nicht im Verhandlungsprotokoll festgestellt worden. Nach § 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO ist nicht nur zu protokollieren ob und was besichtigt wurde, sondern auch der nach dem gewonnenen Eindruck des Richters festgestellte äußere Befund, nicht hingegen die sich aus dem Wahrgenommenen ergebenden Schlussfolgerungen (vgl. hierzu OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1006; BeckOK ZPO/Wendtland, 41. Ed., Stand: 01.07.2021 Rn. 20, § 160 Rn. 20; MüKoZPO/Fritsche, 6. Aufl., § 160 Rn. 10; Musie-
194lak/Voit/Stadler, ZPO, 18. Aufl., § 160 Rn. 9; Zöller/Schultzky, ZPO, 33. Aufl., § 160 Rn. 9; Voß in: Cepl/Voß, ZPO, 2. Aufl., § 160 Rn. 21). Ob dieser Mangel des Protokolls hier möglicherweise durch eine hinreichende Wiedergabe des nicht protokollierten Inhalts der richterlichen Augenscheinseinnahme im angefochtenen Urteil behoben ist (vgl. dazu OLG Hamm, NJW-RR 2003, 1006; Zöller/Schultzky, a.a.O., § 161 Rn. 9), kann dahinstehen. Ebenso kann offenbleiben, ob sich anhand der vorliegenden Muster durch bloße Augenscheinseinnahme zuverlässig feststellen lässt, dass bei den Mustern ein Abstand zwischen Vorsatzsieb und Durchflussmengenregler vorhanden ist. Hierauf kommt es letztlich nicht an, weil bereits aus den vorstehenden Gründen von einem Spalt bei der angegriffenen Ausführungsform auszugehen ist.
195(4)
196Zwar zeigen die von der Klägerin vorgelegten CT-Aufnahmen die angegriffene Ausführungsform nur im „Ruhezustand“. Der Durchflussmengenregler und das Vorsatzsieb müssen auch beim bestimmungsgemäßen Gebrauch der sanitären Einsetzeinheit voneinander beabstandet sein, weil im Betriebszustand Wasser über die Anlaufschräge dem Steuerspalt zugeführt werden soll. Der Senat ist jedoch nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen und des Ergebnisses der in zweiter Instanz in Augenschein genommenen Videos davon überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO), dass bei der angegriffenen Ausführungsform zuströmendes Wasser, das in dem Bereich des „Hohlkehlenraums“ durch das Vorsatzsieb in den Durchflussmengenregler gelangt, über die dortige Auflaufschräge zum Steuerspalt fließen kann.
197(4.1)
198Dabei kann offen bleiben, ob sich dies schon allein aus dem von der Klägerin in erster Instanz dargetanen Farbversuch (Anlagen rop 6a und 6b) ergibt. Soweit die Beklagte diesbezüglich in zweiter Instanz erstmals geltend macht, die ungleiche Verteilung der Einfärbung des Wassers bei diesem Versuch zeige, dass das Wasser nicht ungehindert von der „Hohlkehle“ zum Steuerspalt fließen könne, trifft dies jedenfalls nicht zu. Die ungleichmäßige Verteilung der Einfärbung hat – wie die Klägerin plausibel erläutert hat – ihren Grund augenscheinlich darin, dass die in den „Hohlkehlenraum“ eingebrachte Lebensmittelfarbe dort zunächst bis zur Zähflüssigkeit eintrocknen gelassen wurde, so dass sich diese anschließend erst wieder lösen muss. Hinsichtlich des Aufbaus und der Durchführung des von der Klägerin mit Lebensmittelfarbe durchgeführten Versuchs hat die Beklagte in erster Instanz keine Einwände erhoben. Erstmals in zweiter Instanz macht sie geltend, dass die eingedickte oder eingetrocknete Farbe verhindere, dass das Vorsatzsieb wieder vollständig in den Raum zwischen „Hohlkehle“ und Umfangswand des Umfangsbereichs eingesetzt werden könne, wodurch zwangsläufig ein Abstand zwischen dem angeblichen Kontaktrand und dem Sieb erzeugt werde. Ob dieser erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Einwand als verspätet zurückzuweisen ist (§ 532 Abs. 2 ZPO), kann dahinstehen. (4.2)
199Davon, dass zwischen dem Durchflussmengenregler und dem Vorsatzsieb auch im Betriebszustand ein Spalt besteht und zuströmendes Wasser, das in dem Bereich des „Hohlkehlenraums“ durch das Vorsatzsieb in den Durchflussmengenregler gelangt, über die Auflaufschräge zum Steuerspalt fließen kann, ist jedenfalls aufgrund der von der Klägerin in zweiter Instanz ergänzend durchgeführten Versuche auszugehen.
200(4.2.1)
201In diesem Zusammenhang ist zunächst festzustellen, dass die Beklagte im Berufungsrechtszug selbst schriftsätzlich vorgetragen hat, dass dort, wo Sieblöcher in dem Vorsatzsieb vorhanden sind, Wasser aus dem Hohlkehlenraum über den Kontaktrand in den Zentralraum „unter dem Sieb“ „strömen“ kann. Nur in den Bereichen, in denen keine Sieblöcher, sondern Siebstege vorhanden seien, ströme kein Wasser, weil sich dort kein Spalt befinde (vgl. Schriftsatz v. 08.09.2021, S. 8 Rn. 22 [Bl. 313 eA] und S. 12 Rn. 38 [Bl. 317 eA]). Nach ihrem eigenen Vorbringen kann damit zuströmendes Wasser tatsächlich von dem „Hohlkehlenraum“ über die Auflaufschräge in den Zentralraum fließen. Im Verhandlungstermin hat die Beklagte zwar behauptet, dass ihre diesbezüglichen schriftsätzlichen Ausführungen nicht richtig sind. Wasser aus dem „Hohlkehlenraum“ könne auch im Bereich der Sieblöcher nicht unter dem Sieb in den Zentralraum strömen. Diesbezüglich hat sie sich jedoch nur auf eine – offenbar von ihrem Patentanwalt – im Termin angefertigte Zeichnung bzw. Skizze berufen. Die aus dieser Zeichnung ersichtlichen Strömungsverhältnisse sind jedoch durch nichts belegt und auch nicht unter Beweis gestellt. Außerdem hat die Beklagte ihre vorangegangene gegenteilige Stellungnahme im Schriftsatz vom 08.09.2021 auch nicht plausibel zu erklären vermocht. Zwar hat sie von einem Versehen ihres Prozessbevollmächtigten gesprochen. Dies hat sie allerdings nicht näher erläutert. Sie hat vor allem nicht behauptet, dass der Schriftsatz vor seiner Einreichung nicht mehr von ihrem Geschäftsführer und/oder ihrem fachkundigen Patentanwalt gelesen worden und der angebliche Fehler hierbei nicht aufgefallen sei. Letztlich kommt es hierauf allerdings nicht entscheidend an.
202(4.2.2)
203Auf die von der Beklagten in zweiter Instanz an ihren bisherigen Versuchen geäußerte Kritik hat die Klägerin weitere Versuche durchgeführt, bei denen das Vorsatzsieb jeweils nicht entfernt wurde. So hat die Beklagte einen ergänzenden Farbversuch durchgeführt, bei dem flüssige Lebensmittelfarbe seitlich in den Strahlregler eingespritzt wurde. Die Farbe wurde hierbei nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin nur mit geringem Druck in die „Hohlkehle“ eingeführt (vgl. Anlage rop 11a). Die hierzu von der Klägerin vorgelegte Highspeed-Filmaufnahme (Anlage rop 11 b) hat der Senat im Verhandlungstermin in Augenschein genommen (§ 371 ZPO). Es ist deutlich zu sehen gewesen, dass rotgefärbtes Wasser vom äußeren radialen Rand zum Zentrum hinfließt. Das rotgefärbte Wasser ist hierbei ersichtlich unterhalb des Siebes geflossen. Die Klägerin hat des Weiteren einen Versuch mit eingepinseltem Sand durchgeführt. Hierbei wurde rot eingefärbter Dekorsand mit einer Korngröße von 0,1 mm durch die Öffnungen des Siebes in den „Hohlkehlenraum“ eingepinselt (Anlage rop 12a). Die hierzu vorgelegte Highspeed-Filmaufnahme (Anlage rop 12b) ist im Verhandlungstermin ebenfalls in Augenschein genommen worden. Es ist zu sehen gewesen, dass sich vom radial äußeren Rand rote Partikel zum Steuerspalt bewegen (fließen), wobei einige Partikel sich dabei nicht auf direktem Weg zum Steuerspalt bewegt haben. Ferner ist zu erkennen gewesen, dass die Partikel überwiegend unterhalb des Siebes zum Steuerspalt fließen, wobei es vereinzelt auch Partikel gibt, die sich oberhalb des Siebes bewegen. Daraus folgt, dass der durch das Vorsatzsieb in den „Hohlkehlenraum“ eingebrachte Sand von dem zuströmenden Wasser von dem „Hohlkehlenraum“ über die Auflaufschräge in das Zentrum des Durchflussmengenreglers gespült wird, wobei die Sandpartikel ganz überwiegend unterhalb des Vorsatzsiebes bleiben. Dass einige Sandkörner nicht auf direktem Weg zum Steuerspalt transportiert werden, lässt sich mit Grenzströmen, Verwirbelungen etc. sowie damit erklären, dass die Sandkörner beim Transport in den Zentralraum an die untere Siebfläche stoßen. Selbst wenn – wofür allerdings keine hinreichenden Anhaltspunkte vorliegen – Wasser nur dort, wo Sieblöcher vorhanden sind, aus dem „Hohlkehlenraum“ über den „Kontaktrand“ in den Zentralraum unter dem Sieb strömen könnte, stünde dies im Übrigen einer Verwirklichung des Merkmals 4 nicht entgegen. Denn es ist ausreichend, dass Wasser aus dem Außenbereich bereichsweise über die Auflaufschräge zum Steuerspalt fließen kann, was bei der angegriffenen Ausführungsform augenscheinlich der Fall ist. Einen „ungehinderten Wasserfluss“, was immer hierunter zu verstehen ist, verlangt das Klagepatent nicht. Ohne Bedeutung ist schließlich auch, dass sich bei dem Versuch gemäß Anlage rop 12b einige wenige Sandpartikel oberhalb des Siebes bewegt haben. Es handelt sich hierbei bloß um vereinzelte Partikel, die vernachlässigt werden können. Entsprechend dem Vortrag der Klägerin dürfte es sich bei ihnen um in die Rastspalten eingepinselte Sandpartikel gehandelt haben. Im Übrigen stünde es einer Verwirklichung des Merkmals 4 auch nicht entgegen, wenn auch etwas Wasser aus dem Hohlkehlenraum auch in den Zuströmraum über dem Sieb fließen könnte.
204Die von der Klägerin durchgeführten Untersuchungen sprechen damit eindeutig dafür, dass zuströmendes Wasser, das in dem Bereich des „Hohlkehlenraums“ durch das Vorsatzsieb in diesen Raum gelangt, über die Auflaufschräge zum Steuerspalt fließt. Von einem bloßen „Durchsickern“ des Wassers im Bereich zwischen der „Randkante“ des Durchflussmengenreglers und dem Vorsatzsieb kann keine Rede sein. Eigene Untersuchungsergebnisse, die etwas anderes zeigen, hat die Beklagte nicht vorgelegt.
cc)
205Ohne Erfolg wendet die Beklagte ein, es fehle bei der angegriffenen Ausführungsform jedenfalls an einem „ausreichenden“ Abstand zwischen Auflaufschräge und Vorsatzsieb. Dazu, wie weit die Auflaufschräge und das Vorsatzsieb voneinander beabstandet sein müssen, macht der Patentanspruch – wie ausgeführt – keine Vorgaben. Er verlangt insbesondere nicht, dass der Abstand zwischen der Auflaufschräge und dem Vorsatzsieb zwingend so groß sein muss wie die Öffnungen des Vorsatzsiebes. Soweit die Beklagte geltend macht, bei der angegriffenen Ausführungsform habe ein Spalt zwischen dem Rand des Durchflussmengenreglers und dem Sieb nur eine Größe von allenfalls einem Bruchteil der des Lochdurchmessers des Vorsatzsiebes, steht dies daher einer Verwirklichung des Merkmals 4 nicht entgegen.
dd)
206Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Beklagten, die „Hohlkehle“ solle bei der angegriffenen Ausführungsform lediglich eine elastische Verformung (Ausweichbewegung) des Vorsatzsiebes beim Einklipsen in das Strahlregler-Gehäuse ermöglichen. Wenn eine Ausführungsform – wie hier die angegriffene Ausführungsform – von den Merkmalen eines Patentanspruchs in deren räumlich-körperlicher Ausgestaltung identisch Gebrauch macht, dann erübrigt es sich bei der Prüfung der Patentverletzung, Erwägungen darüber anzustellen, ob die identisch vorhandenen Merkmale demselben Zweck dienen wie diejenigen des Klagepatents (BGH, GRUR 2006, 133, 134 – Seitenspiegel; GRUR 1991, 436, 441 – Befestigungsvorrichtung II).
b)
207Bei der angegriffenen Ausführungsform ist schließlich auch zwischen dem Drosselkörper und der Auflaufschräge ein Steuerspalt gebildet. Der Durchflussmengenregler der angegriffenen Ausführungsform weist unstreitig einen Steuerspalt auf. Dieser ist räumlich zwischen dem Drosselkörper und der Anlaufschräge ausgebildet. Dass die Auflaufschräge nicht bis zum Steuerspalt verläuft, sondern zwischen der radial außen vorgesehenen Anlaufschräge und dem radial innen liegenden Steuerspalt noch eine längere horizontale Fläche ausgebildet ist, über die das über die Auflaufschräge in Richtung Steuerspalt transportierte Wasser in den Steuerspalt fließt, steht der Verwirklichung des Merkmals 4 aus den bereits angeführten Gründen nicht entgegen.
208C.
209Dass die Beklagte im Hinblick auf die vorstehend dargelegte Schutzrechtsverletzung bzw. –benutzung im zuerkannten Umfang zur Unterlassung, zur Auskunftserteilung, zum Rückruf, zur Vernichtung und zur Leistung einer angemessenen Entschädigung und, weil sie das Klagepatent schuldhaft verletzt hat, auch zum Schadenersatz verpflichtet ist, und der Klägerin, um ihr die Berechnung ihrer Ansprüche auf Schadenersatz und Entschädigung zu ermöglichen, über den Umfang ihrer Benutzungs- und Verletzungshandlungen Rechnung zu legen hat, hat das Landgericht im angefochtenen Urteil grundsätzlich zutreffend dargelegt; auf diese Ausführungen wird, soweit sie die vom Landgericht zugesprochenen Ansprüche betreffen, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen, allerdings mit folgenden Maßgaben und Ergänzungen:
2101.
211Zur Unterscheidung zwischen dem Auskunfts- und dem Rechnungslegungsanspruch, Klarstellung und besseren Übersichtlichkeit hat der Senat den Tenor zu I. 2. des landgerichtlichen Urteils entsprechend der üblichen Praxis des Oberlandesgerichts Düsseldorf neu gefasst. Die neugefassten Urteilsaussprüche zu I. 2. und 3. orientieren sich an den vom Landgericht zugesprochenen Angaben und beinhalten diejenigen Angaben, die die Klägerin in gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht beanspruchen kann. Dass die Rechnungslegung unter Vorlage eines einheitlichen, geordneten Verzeichnisses und vollständig erfolgen muss, ist selbstverständlich und bedarf daher keiner besonderen Erwähnung im Urteilstenor.
2122.
213Der im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach § 140b PatG zuerkannte Belegvorlageanspruch berücksichtigt, dass die im Tenor zu I. 2. bezeichneten Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) nur in Kopie vorzulegen sind und dass geheimhaltungsbedürftige Details außerhalb der auskunftspflichtigen Daten geschwärzt werden dürfen (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.08.2020 – I-2 U 10/19, GRUR-RS 2020, 44647 Rn. 108).
2143.
215Die von der Beklagten im Rahmen des Auskunftsanspruchs nach § 140b PatG geschuldete Belegvorlage bezieht sich auf die im neugefassten Tenor zu I. 2. genannten Angaben (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 13. Aufl., Kap. D Rn. 925; BeckOK/Voß, 21. Ed. Stand: 15.07.2021, § 140b Rn. 29). Die entsprechende Neufassung des Tenors ist jedenfalls aufgrund der Anschlussberufung der Klägerin zulässig.
2164.
217Der der Klägerin zugesprochene Anspruch auf Herausgabe an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung ist aus § 140a Abs. 1 PatG begründet. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann der Vernichtungsanspruch nicht nur nach Wahl des Verletzers, sondern von vornherein auch in der Form verlangt werden, dass die schutzrechtsverletzende Gegenstände an einen zur Vernichtung bereiten Gerichtsvollzieher herauszugeben sind (vgl. BGH, GRUR 2003, 228, 229 f. – P-Vermerk, zu § 98 UrhG; GRUR 2012, 512 Rn. 61 iVm Klageantrag zu I 3 – Nachahmung von Kinderwagenmodellen, zu Art. 89 I lit. d GGV iVm § 43 GeschmMG; GRUR 2007, 685 Rn. 28 iVm Klageantrag zu 4 – Gedichttitelliste I, zu § 98 UrhG; Benkard/Grabinski/Zülch, PatG, 11. Aufl., § 140a Rn. 10; Mes, PatG, 5. Aufl., § 140a Rn. 12; Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 925; BeckOK/Rinken, a.a.O., § 140a Rn. 35). Die Verurteilung zur Herausgabe an den Gerichtsvollzieher zur Vernichtung wird als die sicherste Form, die Vernichtung zu erreichen, grundsätzlich am besten gerecht.
218Den Vernichtungsausspruch hat der Senat ebenfalls entsprechend der üblichen Tenorierungspraxis gefasst; eine teilweise Klageabweisung ist hierin nicht zu sehen. Dass die Beklagte auch – aufgrund des von ihr geschuldeten Rückrufs – wieder in ihre Verfügungsgewalt zurück gelangende patentverletzende Gegenstände an den Gerichtsvollzieher zur Vernichtung herauszugeben hat (vgl. dazu auch unter D 2.), ist selbstverständlich und bedarf daher ebenfalls keiner besonderen Erwähnung im Tenor.
2195.
220Den Rückrufausspruch hat der Senat unter Berücksichtigung der Formulierung des Klageantrages ebenfalls im Wesentlichen an die übliche Tenorierung angepasst; eine inhaltliche Änderung ist auch hierin nicht zu sehen. „Rückruf“ bedeutet die ernsthafte Aufforderung an den gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses dieses zurückzugeben (vgl. z.B. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.08.2020 – I-2 W 16/20; GRUR-RS 2021, 28744 Rn. 6). Die „Kosten der Rückgabe“ hat der Senat im Tenor konkretisiert.
221D.
222Auf die Anschlussberufung der Klägerin war im Rahmen der Verurteilung der Beklagten zum Rückruf nach Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG (Tenor zu I. 4.) auch auszusprechen, dass die Beklagte der Klägerin den Rückruf entweder durch die Vorlage eines Musters ihrer Rückrufschreiben sowie einer Liste mit den Namen und Anschriften der Empfänger der Rückrufschreiben oder durch Kopien sämtlicher versendeter Rückrufschreiben nachweisen muss. Weitergehende Verletzungsansprüche stehen der Klägerin jedoch nicht zu, weshalb ihre weitergehende Anschlussberufung – abgesehen von der vorstehend bereits erörterten Neufassung des Tenors zu I. 2. betreffend die Belegvorlage – ohne Erfolg bleibt.
2231.
224Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes hat der Patentinhaber Anspruch darauf, dass der Verletzer ihm den erfolgten Rückruf durch die Vorlage eines Musters seiner Rückrufschreiben sowie eine Adressliste oder durch Kopien sämtlicher versendeter Schreiben nachweist. Dessen bedarf es auch dann, wenn der Patentinhaber dank des ihm zuerkannten Auskunftsanspruchs nach § 140b PatG bereits eigene Kontrollmöglichkeiten besitzt, die er durch (ggf. stichprobenartige) Rückfrage bei den ihm benannten Abnehmern nutzen kann, um sich Gewissheit darüber zu verschaffen, ob der Verletzer die Verletzungsware tatsächlich aus den Vertriebswegen zurückgerufen hat (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.09.2021 – I-2 W 18/21, GRUR-RS 2021, 28744 Rn. 7). Ob Muster und Adressliste bzw. Kopien aller versendeter Schreiben inhärenter Bestandteil der Rückrufpflicht und daher auch ohne entsprechende ausdrückliche Tenorierung im Urteil geschuldet sind, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist eine entsprechende (ausdrückliche) Tenorierung zur Vermeidung jeglichen Streits über die entsprechende Verpflichtung des Verletzers sinnvoll und zweckmäßig.
2252.
226Der vom Landgericht zugesprochene Rückrufanspruch ist im Übrigen nicht im von der Klägerin begehrten Sinne zu ändern. Ein Anspruch auf Rückruf nach Art. 64 Abs.
2271 EPÜ i.V.m. § 140a Abs. 3 PatG an den Gerichtsvollzieher besteht nicht.
228„Rückruf“ bedeutet – wie bereits erwähnt – die ernsthafte Aufforderung an den gewerblichen Besitzer des patentverletzenden Erzeugnisses dieses zurückzugeben. Die Rückgabe erfolgt hierbei grundsätzlich im Rahmen des Vertragsverhältnisses an den Verletzer. Ist der Verletzer – wie hier die Beklagte – auch zur Herausgabe der patentverletzenden Gegenstände an einen Gerichtsvollzieher zur Vernichtung verpflichtet, kann und muss er die wieder in seine Verfügungsgewalt zurück gelangten Gegenstände – ebenso wie die noch in seinem Eigentum/oder Besitz befindlichen patentverletzenden Erzeugnisse – an den Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herausgeben. Aus der Funktion des Rückrufanspruchs lässt sich eine generelle Rückgabepflicht an einen Gerichtsvollzieher nicht herleiten. Denn der Rückrufanspruch dient gerade dazu, patentverletzende Erzeugnisse, die den Betrieb des Verletzers verlassen haben und deswegen – mangels aktuellen Besit-
229zes/Eigentums/Besitzes – dem Vernichtungsanspruch nicht mehr unterliegen, wieder zum Verletzer zurückzuholen, insbesondere um die Vernichtungsvoraussetzungen wieder zu installieren (vgl. BeckOK/Rinken, a.a.O., § 140a Rn. 16; Kühnen, a.a.O., Kap. D Rn. 888). Die patentverletzenden Erzeugnisse sollen also gerade wieder zurück in die Verfügungsgewalt des Verletzers gelangen. Ob im Einzelfall ausnahmsweise ein Rückruf an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung verlangt werden kann, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verletzer die zurückgerufenen und zurückerhaltenen Verletzungsgegenstände nicht an einen Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung herausgeben könnte, weil er diese der Vernichtung entziehen will, bedarf im Streitfall keiner Vertiefung. Solche Umstände sind hier weder dargetan noch ersichtlich.
2303.
231Zum Nachweis der im Rahmen der Auskunftspflicht nach § 140b Abs. 1 und 3 PatG geschuldeten Angaben hat die Beklagte im nunmehr tenorierten Umfang (Tenor zu I. 2.) die entsprechenden Kaufbelege (Rechnungen, hilfsweise Lieferscheine) vorzulegen. Der neugefasste Urteilsausspruch zu I. 2. entspricht der ständigen Praxis der hiesigen Patentverletzungssenate. Ein weitergehender Belegvorlageanspruch nach § 140b PatG besteht nicht. Aus dem Anschlussberufungsantrag zu 2. ergibt sich auch nicht, welche weiteren Belege die Beklagte vorlegen soll. Nach der Antragsformulierung sollen allein Rechnungen und hilfsweise Lieferscheine vorgelegt werden.
2324.
233Es hat auch bei dem zuerkannte Vernichtungsanspruch zu bleiben. Eine Vorlage von Belegen bzw. eines Protokolls zum Nachweis einer von ihr bereits vorgenommenen und/oder veranlassten Vernichtung schuldet die Beklagte nach § 140a Abs. 1 PatG nicht. Zwar können zur Gewährleistung eines effektiven Rechtschutzes im Rahmen der Vernichtungsverpflichtung unter Umständen zusätzliche Nachweispflichten bestehen, etwa dazu, dass und wie der Verletzer im Falle einer beschränkten Vernichtungsverpflichtung einen eine Schutzrechtsverletzung ausschließenden Umbau vorgenommen hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 22.07.2021 – I- 2 U 58/20, GRUR-RS 2021, 21448 Rn. 95). Umstände, die eine solche zusätzliche Nachweispflicht auslösen könnten, sind im Streitfall jedoch weder dargetan noch ersichtlich. Gemäß dem der Klägerin zugesprochenen Vernichtungsanspruch nach § 140a Abs. 1 PatG ist die Beklagte verpflichtet, die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum befindlichen patentverletzenden Erzeugnisse an einen von der Klägerin zu benennenden Gerichtsvollzieher zum Zwecke der Vernichtung auf ihre (der Beklagten) Kosten herauszugeben. Zu einer Eigenvernichtung ist die Beklagte nicht befugt, weil ihr ein entsprechendes Wahlrecht nicht eingeräumt worden ist. Da sie die patentverletzenden Erzeugnisse nicht selbst vernichten darf, ist es ihr auch nicht gestattet, die Vernichtung durch einen (anderen) Dritten zu veranlassen. Dementsprechend besteht auch kein Anlass zu einer Verurteilung der Beklagten zur Vorlage von diesbezüglichen Belegen. Es ist darüber hinaus auch weder dargetan noch ersichtlich, dass die Beklagte bereits eine eigene Vernichtung durchgeführt oder eine Vernichtung bei einem Dritten veranlasst hat.
234D.
235Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
236Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
237Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die hierfür in § 543 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen. Als Einzelfallentscheidung hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO noch erfordern die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine revisionsgerichtliche Entscheidung im Sinne des § 543 Abs.
2382 Nr. 2 ZPO.
239X Y Z
240Verkündet am 11.11.2021 F, Justizbeschäftigt als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
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- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- PatG § 140c 1x
- 2 W 16/20 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- UrhG § 98 Anspruch auf Vernichtung, Rückruf und Überlassung 2x
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- 15 U 58/19 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 4x
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