Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 20 U 254/20
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Juli 2020 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Az.: 12 O 288/19 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das angefochtene Urteil, auf das wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes verwiesen wird, hat keinen Erfolg.
4Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer entscheidungserheblichen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO durch das Landgericht, noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine abweichende Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.
5Mit Recht hat das Landgericht entschieden, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche unter keinem in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus § 97 Abs. 1 UrhG zustehen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt zu keiner abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage.
61.
7Nachdem der § 24 UrhG durch das Gesetz vom 31. Mai 2021 (BGBl. I S. 1204) mit Wirkung ab dem 07. Juni 2021 aufgehoben worden ist, ist der in die Zukunft gerichtete Unterlassungsanspruch nur dann begründet, wenn das beanstandete Verhalten sowohl nach altem als auch nach neuem Recht rechtswidrig war oder ist. Dagegen findet auf den Auskunftsanspruch für die Zeit bis zum 07. Juni 2021 allein das bis dahin geltende Recht Anwendung; für die Zeit danach ausschließlich das neue Recht.
82.
9Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin setzt gemäß § 97 UrhG eine widerrechtliche Verletzung ihres Urheberrechts voraus. Diese Voraussetzungen liegen vor.
102.1.
11Der Senat hat angesichts des von der Klägerin vorgelegten Erbscheins keinen Zweifel an deren Aktivlegitimation.
122.2.
13Bei der von Herrn Prof. A. im Jahr 1961 entworfenen Figur des „.....X1“ handelt es sich auch um ein schutzfähiges Werk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG.
14a. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den urheberrechtlichen Werkbegriff als "Eckpfeiler des Urheberrechtssystems" (so Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge vom 2. Mai 2019 in der Rechtssache - C-683/17 - Cofemel/G-Star - zitiert nach juris, Rn. 43 f.) im Rahmen der Anwendung von Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vom 20. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft - InfoSocRL - (ABl. L 167 S. 10) im Wege einer Gesamtanalogie werkartenübergreifend harmonisiert (siehe dazu Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Auflage, § 2 Rn. 14; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, 6. Auflage, § 2 Rn. 22 f.). Dieser unionsrechtliche Werkbegriff enthält zwei Tatbestandsmerkmale. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen (siehe EuGH, Urteil vom 16. Juli 2009, Az.: C-5/08 - Infopaq, zitiert nach juris, Rn. 33 ff.; Urteil vom 13. November 2018, Az.: C-310/17 - Levola Hengelo, zitiert nach juris. Rn. 33 ff.; Urteil vom 29. Juli 2019, Az.: C-469/17 - Funke Medien, zitiert nach juris, Rn. 18 ff.; Urteil vom 12. September 2019, Az.: C-683/17 - Cofemel/G-Star, zitiert nach juris, Rn. 29 ff.). Originalität ist dann gegeben, wenn der Gegenstand die Persönlichkeit seines Urhebers widerspiegelt, indem er dessen freie kreative Entscheidungen zum Ausdruck bringt.
15b. Gemessen daran - und in Übereinstimmung mit den von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Kriterien - genießt das Werk des Prof. A. Urheberrechtsschutz. Es handelt sich um eine persönliche geistige Schöpfung, die sich erkennbar von einer naturgetreuen, naturalistischen Darstellung eines radschlagenden Menschen abhebt und damit deutlich vom vorbekannten Formenschatz unterscheidet. Die Werkqualität und der damit einhergehende urheberrechtliche Schutz werden vor allem durch das hohe Maß an Abstrahierung begründet. Der Klägerin ist darin zuzustimmen, dass die künstlerische Leistung des Prof. A. in der minimalistischen Darstellung liegt, die den ästhetischen Gesamteindruck prägt. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Klägerin Unterlassung jeder Form einer vereinfachenden, abstrahierenden, minimalistischen Darstellung des „.....X1“ verlangen kann.
162.3.
17Für den Streitfall ist ein widerrechtlicher Eingriff in das Urheberrecht der Klägerin zu verneinen, weil das von der Beklagten neu geschaffene Werk einen hinreichenden Abstand im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG n.F. bzw. § 24 UrhG a.F. wahrt.
18a. Für die Frage des hinreichenden Abstandes im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 2 UrhG ist auf die zu § 24 UrhG a.F. entwickelten Kriterien zurückzugreifen (vgl. BT-Drucksache 19/27426, Seite 55 und 78). Danach liegt ein hinreichender Abstand vor, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993, Az.: I ZR 263/91, BGHZ 122, 53, 60 - Alcolix; Urteil vom 11. März 1993, Az.: I ZR 264/91, GRUR 1994, 191, 194 - Asterix-Persiflagen; Urteil vom 29. April 1999, Az.: I ZR 65/96, BGHZ 141, 267, 280 - Laras Tochter; Urteil vom 20. März 2003, Az.: I ZR 117/00, BGHZ 154, 260, 267 - Gies-Adler; Urteil vom 1. Dezember 2010, Az.: I ZR 12/08, GRUR 2011, 134 Rn. 34 - Perlentaucher; BGH, Urteil vom 17. Juli 2013, Az.: I ZR 52/12, GRUR 2014, 258 Rn. 38 - Pippi-Langstrumpf-Kostüm I). Es entspricht gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass in der Regel ein Verblassen anzunehmen ist, wenn die dem geschützten älteren Werk entlehnten eigenpersönlichen Züge im neuen Werk zurücktreten, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen, selbständigen Werkschaffen erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993, Az.: I ZR 263/91, BGHZ 122, 53, 60 - Alcolix; Urteil vom 29. April 1999, Az.: I ZR 65/96, BGHZ 141, 267, 280 - Laras Tochter; Urteil vom 20. März 2003, Az.: I ZR 117/00, BGHZ 154, 260, 267 - Gies-Adler; Urteil vom 1. Dezember 2010, Az.: I ZR 12/08, GRUR 2011, 134 Rn. 34 - Perlentaucher; BGH, Urteil vom 28. Juli 2016, Az.: I ZR 9/15, GRUR 2016, 1157 - 1163 - auf fett getrimmt). Zur Prüfung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist zunächst im Einzelnen festzustellen, welche objektiven Merkmale die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werkes bestimmen. Sodann ist durch Vergleich der einander gegenüberstehenden Gestaltungen zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang in der neuen Gestaltung eigenschöpferische Züge des älteren Werkes übernommen worden sind. Maßgebend für die Entscheidung ist letztlich ein Vergleich des jeweiligen Gesamteindrucks der Gestaltungen, in dessen Rahmen sämtliche übernommenen schöpferischen Züge in einer Gesamtschau zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2004, Az.: I ZR 25/02, GRUR 2004, 855 - 858 - Hundefigur).
19b. In Anwendung dieser Grundsätze mag hier das ältere Werk Grundlage für die Schöpfung des neuen Werkes gewesen sein (siehe dazu BGH, Urteil vom 16. Mai 2013, Az.: I ZR 28/12, 65 - 72 - Beuys-Aktion; Urteil vom 16. April 2015, Az.: I ZR 225/12, GRUR 2015, 1189 - 1992 - Goldrapper). Ein hinreichender Abstand ist jedoch gewahrt, weil die Abweichungen zwischen der von Herrn Prof. A. im Jahr 1961 entworfenen Figur des „.....X1“ und der als „.....X2“ bezeichneten Gestaltung der Beklagten ganz erheblich sind mit der Folge eines deutlich anderen Gesamteindrucks.
20aa. Ausgangspunkt der Erwägungen ist, dass es sich sowohl bei dem Original als auch bei der Gestaltung der Beklagten um eine Interpretation des Motives eines Radschlägers und damit um einen Teil der Düsseldorfer Stadtgeschichte handelt. Es ranken sich mehrere Geschichten um den Beginn der Düsseldorfer Radschläger. Die wohl bekannteste Variante ist die um die Schlacht von Worringen. Graf Adolf hatte in der Schlacht 1288 den Kölner Erzbischof vernichtend geschlagen. Als eine Folge des Sieges erhielt Düsseldorf die Stadtrechte. Die Einwohner und vor allem die Kinder sind vor Freude auf die Straßen gelaufen und haben Räder geschlagen. Eine andere Erzählart handelt von einem Hochzeitszug, bei dem an der Hochzeitskutsche ein Rad gebrochen sei. Um das drohende Unglück abzuwehren, sei ein Junge zur Kutsche gesprungen, habe das Rad festgehalten und sei somit zum lebenden Kutschrad geworden (siehe Eintrag im Internet-Lexikon Wikipedia unter https://de.wikipedia.org/wiki/Düsseldorfer_Radschläger).
21bb. Dies berücksichtigend ist für den Streitfall hervorzuheben, dass eine abhängige Bearbeitung nicht schon dann anzunehmen ist, wenn das neue Werk auf das ältere deutlich Bezug nimmt. Gerade bei Werken, die - wie hier - sehr bekannt sind, genügen meist nur geringe Andeutungen (insbesondere in äußeren Merkmalen), um einen deutlichen Bezug zu dem älteren Werk herzustellen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob mit einer solchen Bezugnahme die Übernahme eigenpersönlicher Merkmale verbunden ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993, Az.: I ZR 263/91, BGHZ 122, 53, 60 - Alcolix; Urteil vom 11. März 1993, Az.: I ZR 264/91, GRUR 1994, 191, 194 - Asterix-Persiflagen). Dabei darf kein zu milder Maßstab angelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 01. April 1958, Az.: I ZR 49/57, NJW 1958, 1587 - 1588 - Mecki-Igel I; Urteil vom 29. April 1999, Az.: I ZR 65/96, BGHZ 141, 267, 280 - Laras Tochter). Einerseits soll dem Urheber nicht die für ihn unentbehrliche Möglichkeit genommen werden, Anregungen aus vorbestehendem fremden Werkschaffen zu übernehmen, andererseits soll er sich auch nicht auf diese Weise ein eigenes persönliches Schaffen ersparen (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1980, Az.: I ZR 17/78, GRUR 1981, 267 - 269 - Dirlada). Zu beurteilen ist dies vom Standpunkt eines Betrachters, der die Vorlage kennt, aber auch das für das neue Werk erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1993, Az.: I ZR 263/91, BGHZ 122, 53, 60 - Alcolix).
22(1) Nach Maßgabe dieser Grundsätze stimmt der Senat mit dem Landgericht darin überein, dass die schöpferische Eigentümlichkeit des benutzten Werkes in der Abstrahierung eines radschlagenden Menschen besteht, die trotz aller Minimalisierung über ein bloßes Strichmännchen hinausgeht. Zu den objektiven Merkmalen, die dem Original seine eigenpersönlichen Züge verleihen, gehören die Symmetrie des Werkes, die dadurch gekennzeichnet ist, dass das benutzte Werk nahezu eine X-Form ausweist, über graphisch angedeutete Hände und Füße verfügt und einen - passend zum Gesamteindruck - in einfacher Form gehalten - deutlich - ovalen Kopf hat. Der ovale Kopf und der X-förmigen Körper sind durch einen mittels geschwungener Linien graphisch umgesetzten Hals miteinander verbunden, dessen Form einerseits in markantem Widerspruch zu der im Übrigen eher kantig wirkenden Gestalt des Körpers steht. Anderseits wirken die Formgebung und Proportionen von Hals und ovalem Kopf sehr harmonisch. Das benutzte Werk erzeugt auf den ersten Blick aufgrund seiner prägenden X-Form den Eindruck eines im Handstand stehenden Menschen. Auf den zweiten Blick weckt das Werk aufgrund der angewinkelten Füße und Hände selbst in aufgerichteter Form Assoziationen an einen Radschläger und lässt die Deutung zu, dass es sich um einen Menschen in der Drehbewegung handelt. Nach seinem Gesamteindruck wirkt das benutzte Werk trotz seiner abstrahierenden, minimalistischen Darstellung durchaus dynamisch, worin seine schöpferische Eigenart zum Ausdruck kommt.
23(2) Der Senat verkennt nicht, dass je auffallender die Eigenart des Vorbildes seinem Gegenstand nach ist, desto strengere Anforderungen an die Bewertung des nachgeschaffenen Werkes als einer selbstständigen eigentümlichen Schöpfung zu stellen sind (vgl. BGH, Urteil vom 01. April 1958, Az.: I ZR 49/57, NJW 1958, 1587 - 1588 - Mecki-Igel I; Urteil vom 20. Dezember 1977, Az.: I ZR 37/76; GRUR 1978, 305 - 306 - Schneewalzer; Urteil vom 26. September 1980, Az.: I ZR 17/78, GRUR 1981, 267 - 269 - Dirlada; Urteil vom 12. Juni 1981, Az.: I ZR 95/79, NJW 1991, 810 - 811 - WK-Dokumentation). Gleichwohl weist die Gestaltung der Beklagten im Vergleich zum Original einen noch höheren Grad der Abstrahierung auf. Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass sich die Proportionen der Figur, die im Zentrum des angegriffenen „X2“ platziert ist, deutlich vom benutzten Werk unterscheiden. Es fehlt bereits an der für das benutzte Werk charakteristischen X-Form, denn der rechte Arm und das linke Bein bzw. der linke Arm und das rechte Bein gehen nicht in gerader Linie ineinander über, sondern münden in einem markant herausgearbeiteten Korpus. Die Formgebung des neuen Werkes ist im Vergleich zum benutzten Werk insgesamt deutlich weicher; die Anmutung an ein Strichmännchen entfällt. Mit der weichen Formgebung fügt sich die von der Beklagten geschaffene Figur, was die Berufung vollständig unbeachtet lässt, sehr harmonisch in den sie umschließenden und zugleich begrenzenden Kreis ein. Die Einbringung der Figur in einen Kreis kann nicht unberücksichtigt bleiben, weil damit ein anderer Gesamteindruck hervorgerufen wird. Während das benutzte Werk wie eine freistehende Figur wirkt, ist die von der Beklagten geschaffene Figur in ein Rad „eingespannt“ und weckt damit Assoziationen an ein Wagenrad. Hervorzuheben ist weiter, dass der Kopf der von der Beklagten geschaffenen Figur nicht oval, sondern kreisrund ist, womit wiederum die Form des sie umschließenden Kreises aufgegriffen wird. Auf Hände und Füße - auch nur in angedeuteter Form - verzichtet die Gestaltung der Beklagten vollständig. So finden die Arme und Beine ihren Abschluss in dem die Figur umschließenden Kreis. Damit unterstreicht das neue Werk die Aktion des Radschlagens; es fängt die sportliche Ausführung der Bewegung symbolhaft ein. Zu Recht weist die Beklagte mit ihrer Berufungserwiderung darauf hin, dass die Formensprache ihres Werkes beim Betrachter - vor allem dann, wenn er mit der Geschichte dieser Stadt und der Figur des „.....X1“ nicht vertraut ist - Assoziationen an die überragend bekannte Proportionenstudie nach Vitruv von Leonardo da Vinci aus dem Jahre 1492 (abrufbar unter: www.wissen.de/leonardo-da-vincis-vitruvianischer-mensch) weckt. Festzustellen ist schließlich, dass die von der Beklagten geschaffene Figur, wenn auch dezent, mit einem Herz versehen ist, weshalb es nach dem Gesamteindruck nicht in gleicher Weise minimalistisch anmutet wie das ältere Werk. Mit Recht hat das Landgericht schließlich festgestellt, dass die von der Beklagten gewählte Einbettung der Figur in den Kreis, vom Betrachter als „Rad“ verstanden, nicht nur die Mehrdeutigkeit des Begriffes „Radschläger“ aufnimmt, sondern die Gliedmaßen der Figur zudem als Speichen des abgebildeten Rades erscheinen lässt. Der Senat stimmt mit dem Landgericht darin überein, dass die Gestaltung der Beklagten dem Radschläger einen weiteren Bedeutungsgehalt gibt, der im benutzten Werk nicht in vergleichbarer Weise zum Ausdruck kommt. So wird nicht nur die Variante um die Schlacht von Worringen, sondern zudem auch die Variante um die Hochzeitskutsche aufgegriffen. Damit führt das neue Werk gedanklich weiter als das benutzte Werk.
24(3) Bei der gebotenen wertenden Betrachtung aller besonderen Umstände des Streitfalles erzielt das neue Werk der Beklagten einen eigenen ästhetischen Gesamteindruck, der sich ganz erheblich vom älteren Werk abhebt. Zu folgen ist der Berufung darin, dass beide Werke im Grundsatz durch eine minimalistische Form gekennzeichnet sind. Das neue Werk verfügt allerdings, anders als die Berufung meint, mit dem auf dem Torso der Figur aufgebrachten Herz, durchaus über - der Wortwahl der Klägerin folgend - „schmückendes Beiwerk“. Zuzugeben ist der Berufung, dass die Formgebung beider Werke symmetrisch ist. Fehl geht die Berufung jedoch in der Annahme, aus der Symmetrie resultiere eine X-Form, die beiden Gestaltungen immanent sei. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere aufgrund der vorbeschriebenen weichen Formgebung mit ausschließlich geschwungenen Linien erinnert die Gestaltung der Beklagten nur noch entfernt an die das ältere Werk prägende und in ihrem Gesamteindruck eckig wirkende X-Form. Hinzu kommt, dass die Figur im Werk der Beklagten - jedenfalls dann, wenn der Schriftzug („……….“) waagerecht und damit gut lesbar wahrgenommen wird - nicht auf dem Kopf, sondern seitlich gekippt steht. Dies verstärkt - wie dargetan - beim Betrachter den Eindruck, dass es sich bei der von der Beklagten geschaffenen Figur um ein „Rad“ handelt, womit zugleich die Mehrdeutigkeit des Begriffs „Radschläger“ aufgenommen wird. So betrachtet hält das neue Werk zu den entlehnten Zügen des älteren Werkes aufgrund eigenschöpferischen Schaffens der Beklagten auch einen inneren Abstand. Der Einwand der Berufung, die Beklagte habe von ihrem künstlerischen Gestaltungsspielraum bei ihrer Darstellung des Radschlägers keinen Gebrauch gemacht, geht fehl. Angesichts der Eigenart des neuen Werks verblassen die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes, so dass die Benutzung des älteren Werkes durch das neuere nur noch als Anregung zu einem neuen Werkschaffen erscheint. Nach alledem kann dahinstehen, ob das sonstige Beiwerk des „X2“ Beachtung finden muss, denn daraus folgte allenfalls ein größerer Abstand. Gleiches gilt, soweit das Landgericht darauf abgestellt hat, dass das benutzte Werk nach dem Vorbringen der Klägerin nicht vordergründig zweidimensional konzipiert, sondern ursprünglich als Skulptur entworfen worden war, denn auch dies würde nur zu einem noch größeren Abstand führen.
253.
26Auch nach alter Rechtslage fehlt es an einem widerrechtlichen Eingriff in das Urheberrecht der Klägerin, da die Voraussetzungen einer freien Benutzung gemäß § 24 Abs. 1 UrhG a.F. vorliegen. Ein Auskunftsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte besteht somit nicht.
27II.
281.
29Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
302.
31Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
323.
33Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
344.
35Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt. Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird - in Abänderung des angefochtenen Urteils - auf bis zu 11.000,- € festgesetzt.
36Für die Streitwertfestsetzung betreffend die Klage sind Art und Umfang der Verletzung und das wirtschaftliche Interesse des Rechteinhabers an der Unterlassung entscheidend (vgl. Herget in: Zöller, ZPO, 33. Auflage, § 3 ZPO, Rn. 16 "Unterlassung" mit weiteren Nachweisen), also das Interesse der Klägerin an der Unterbindung künftiger Rechtsverletzungen unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls. Dabei sind unter anderem die Stellung des Verletzers und des Verletzten, das Wirkungspotential der Verletzung, die Intensität und Nachahmungsgefahr der Verletzung und subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers von Bedeutung (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 17. November 2015, Az.: 4 U 34/15, zitiert nach juris Rn. 172; KG Berlin, Beschluss vom 30. Dezember 2010, Az.: 24 W 100/10, zitiert nach juris Rn. 4; Nordemann-Schiffel in: Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 8. Auflage, Abschnitt V. Streitwerte im Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Presse- und Persönlichkeitsrecht, Rn. 13). Die Streitwertangaben der klagenden Partei haben indizielle Bedeutung, auch wenn sie anhand der objektiven Gegebenheiten und unter Heranziehung der Erfahrung und üblichen Wertfestsetzungen in gleichartigen Fällen zu überprüfen sind (OLG Köln, Beschluss vom 25.08.2014 - 6 W 123/14, juris Rn. 1; OLG Braunschweig, Beschluss vom 14.10.2011 - 2 W 92/11, juris Rn. 7; OLG Hamm, Urteil vom 17.11.2015 - 4 U 34/15, juris Rn. 172 m.w.N.). Gemessen daran orientiert sich die Streitwertfestsetzung betreffend die Klage an den Angaben der Klägerin in der Klageschrift, die nicht offensichtlich fehlerhaft sind.
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