Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 Kart 1203/16
Tenor
Nachdem die Beschwerdeführerinnen und die Bundesnetzagentur übereinstimmend die Erledigung erklärt haben, trägt die Bundesnetzagentur die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der den Beschwerdeführerinnen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Auslagen. Die Beteiligten zu 1 bis 3 tragen ihre Kosten selbst.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf … Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2A.
3Zu entscheiden war lediglich noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens und dessen Gegenstandswert, nachdem die Beschwerdeführerinnen und die Bundesnetzagentur in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 in Abwesenheit der nicht erschienenen Beteiligten zu 1 bis 3 übereinstimmend die Erledigung erklärt haben. Bis dahin haben die Beschwerden sich jeweils mit dem angekündigten Antrag zu 1, jüngst mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 neu gefasst, gegen einen von der Bundesnetzagentur und den Beteiligten zu 1 bis 3 im November 2016 unterzeichneten Vergleichsvertrag gerichtet. Mit diesem sollte eine Ausnahmegenehmigung nach § 28a EnWG abgeändert werden, die von der Bundesnetzagentur im Jahre 2009 für bestimmte Kapazitäten der Ostsee-Anbindungspipeline (im Folgenden: OPAL) erteilt worden war. Die weiteren Beschwerdeanträge haben auf der Zurückweisung von Beiladungsanträgen der Beschwerdeführerinnen beruht. Im Einzelnen:
4I. Die Beteiligten zu 1 bis 3
5Die Beteiligte zu 2 ist die Moskauer Muttergesellschaft einer Unternehmensgruppe, deren Geschäft im Wesentlichen darin besteht, russisches Erdgas zu produzieren, exportieren und transportieren. Die Beteiligte zu 3 ist deren alleinige Tochtergesellschaft nach russischem Recht und Großlieferantin von Erdgas auf dem deutschen und europäischen Markt. Bei der Beteiligten zu 1 handelt es sich um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht, deren Anteile zum Teil mittelbar von der Beteiligten zu 2 gehalten werden oder wurden.
6II. Die Leitungen und die ursprüngliche Freistellung
7Zum Zwecke des Transports des russischen Erdgases nutzen die zur Gruppe der Beteiligten zu 2 zählenden Gesellschaften - d.h. vor allem die auf das Exportgeschäft ausgerichtete Beteiligte zu 3 - unter anderem die im Jahre 2011 zunächst mit einem Strang und wenig später vollständig in Betrieb genommene Offshore-Gastransportleitung Nord Stream, deren technische Kapazität etwa 55 Milliarden m3 pro Jahr beträgt. Der Weitertransport des Gases vom Lubminer Anlandepunkt erfolgt zum einen über die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL) und zum anderen mittels der OPAL.
8Die ebenfalls im Jahre 2011 in Betrieb genommene OPAL war von einer Bruchteilseigentümergemeinschaft errichtet worden, der unter anderem die L GmbH & Co. KG mit einem Anteil von 80 % angehörte. Im Folgenden wurden die vorgenannten 80 % von der A GmbH gehalten, deren Anteile ihrerseits - unmittelbar und mittelbar - zu mehr als 50 % zum Vermögen der F GmbH zählen. Die Beteiligte zu 1 ist Fernleitungsnetzbetreiberin für die auf der Grundlage des erwähnten Miteigentumsanteils geschaffenen Transportkapazitäten. Ihre Anteile werden von der A GmbH gehalten.
9Die OPAL verläuft über eine Strecke von etwa 470 km in südlicher Richtung unter anderem durch Brandenburg und Sachsen. Ihr Endpunkt befindet sich in der Nähe zur deutsch-tschechischen Grenze im tschechischen Brandov. Die jährliche Einspeisungskapazität in Lubmin beträgt 36,5 Milliarden m3 (46,3 Millionen kWh/h), die Kapazität des Ausspeisepunkts in Brandov beläuft sich auf 32 Milliarden m3 pro Jahr (40,5 Millionen kWh/h), während ein Netzkopplungspunkt im Umfeld von Groß-Köris in Brandenburg ausweislich der Feststellungen im nachfolgend genannten Beschluss vom 25. Februar 2009 (BK7-08-009) eine Kapazität von 4,5 Milliarden m3 pro Jahr (5,7 Millionen kWh/h) aufweist.
10Mit dem besagten Beschluss lehnte die Bundesnetzagentur die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die NEL ab, nahm aber die auf Grundlage des genannten Miteigentumsanteils auf der OPAL geschaffenen Kapazitäten für eine Einspeisung in Deutschland und eine Ausspeisung in der Tschechischen Republik zu Gunsten der Beteiligten zu 1) für eine Dauer von 22 Jahren ab tatsächlicher Inbetriebnahme unter näher bezeichneten Voraussetzungen von der Regulierung aus. In der - hier insgesamt in Bezug genommenen - Entscheidung heißt es auszugsweise:
11„1. Die auf Grundlage des Miteigentumsanteils … geschaffenen Kapazitäten werden zugunsten der Antragstellerin nach folgender Maßgabe von der Anwendung der §§ 20 bis 25 EnWG ausgenommen:
12a) Die Ausnahme gilt ausschließlich für Verbindungskapazitäten auf der OPAL mit Entry auf deutschem Staatsgebiet und Exit in Brandov. Hierbei sind unter Verbindungskapazitäten beschränkt zuordenbare Entry- und Exit-Kapazitäten zu verstehen, die nur gebündelt angeboten werden. Sofern die Höhe der angebotenen bzw. gebuchten Entry-Kapazität von der Höhe der angebotenen bzw. gebuchten Exit-Kapazität abweicht, erstreckt sich die Ausnahme insgesamt nur auf den niedrigeren der beiden Werte. …
13Nicht ausgenommen sind damit insbesondere Gegenstromtransporte mit Entry in Olbernhau oder Brandov oder sonstige Transporte mit Entry oder Exit innerhalb Deutschlands, die der Versorgung von Letztverbrauchern … oder dem Weitertransport auf bestehenden Transportsystemen (z.B. der JAGAL oder STEGAL) dienen. Etwaige Notausspeisungen … stehen der Ausnahme nicht entgegen.“
14Die Ausnahmegenehmigung wurde der Europäischen Kommission sodann mitgeteilt, die mit Schreiben vom 12. Juni 2009 (K(2009) 4694) teilweise Bedenken anmeldete. Zwar stehe bei der OPAL der verbindende Charakter eindeutig im Vordergrund angesichts der Ausspeisekapazität innerhalb Deutschlands von lediglich 4,5 Milliarden m3 pro Jahr, und auf die Verbindungskapazitäten sei die Ausnahme auch beschränkt. Es bestünden aber Bedenken, ob die OPAL sich nicht negativ auf den Wettbewerb in der Tschechischen Republik auswirken könne. Eine wirksame Auflage müsse ausschließen, dass die zur Gruppe der Beteiligten zu 2 zählenden Unternehmen die OPAL ausschließlich oder zu ganz überwiegenden Teilen allein nutzten.
15Vor diesem Hintergrund forderte die Europäische Kommission die Bundesnetzagentur gemäß Art. 22 RL 2003/55/EG auf, die Entscheidung vom 25. Februar 2009 innerhalb von vier Wochen teilweise zu ändern. Die verlangte Änderung sah vor, dass Kapazitätsbuchungen durch Unternehmen oder Gruppen von Unternehmen, die auf einem oder mehreren vor- oder nachgelagerten Gasmärkten, welche die Tschechische Republik oder die Lieferung von Gas in die Tschechische Republik umfassen, marktbeherrschend sind, am Ausspeisepunkt von Deutschland in die Tschechische Republik beschränkt werden, wenn nicht ein sogenanntes Gas-Release-Programm initiiert wird.
16Die Bundesnetzagentur änderte ihre Entscheidung vom 25. Februar 2009 mit Beschluss vom 7. Juli 2009 nach Maßgabe des Verlangens der Europäischen Kommission ab, indem sie unter Ergänzung des ursprünglichen Tenors - Ziffer 1 Buchst. j - die Buchungsmöglichkeit durch Unternehmen mit einer marktbeherrschenden Stellung auf den relevanten tschechischen Gasmärkten auf 50 % der jährlichen Ausspeisekapazität beschränkte. Diese Kapazitätsobergrenze durfte nach der abändernden Entscheidung jedoch überschritten werden, wenn das betroffene Unternehmen auf der OPAL eine Gasmenge von 3 Milliarden m3 pro Jahr in einem offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahren anbieten und die entsprechenden Kapazitätsrechte freigeben sollte.
17Im Jahre 2013 wurde die im Beschluss vom 25. Februar 2009 erwähnte GAZELLLE in Betrieb genommen, die seither in Brandov über einen Netzkopplungspunkt mit der OPAL verbunden ist, über tschechisches Staatsgebiet verläuft und in dem bayerischen Waidhaus endet. Deren technische jährliche Ein- und Ausspeisekapazität beträgt 32,81 Milliarden m3 (41,6 Millionen kWh/h). Sie ist von der Regulierung freigestellt.
18Bis zur Inbetriebnahme der GAZELLE war ein Bezug russischen Erdgases über Waidhaus nur mittels der BRUDERSCHAFT möglich. Hierbei handelt es sich um ein Leitungssystem, das durch die Ukraine verläuft und sodann über einen Grenzübergangspunkt in Velke Kapusany auf slowakischem und tschechischem Staatsgebiet weitergeführt wird, und dessen technische Kapazität etwa 140 Milliarden m3, wenigstens aber noch 132 Milliarden m3 pro Jahr beträgt. Über einen Abzweig nach Norden kann die BRUDERSCHAFT über den Grenzübergangspunkt Drozdowicze das polnische Netz aufspeisen. Betrieben wird die BRUDERSCHAFT auf ukrainischem Gebiet von dem Staatsunternehmen B.
19Neben der BRUDERSCHAFT existiert seit dem Jahre 1999 mit der JAMAL eine weitere Importleitung aus Russland, welche den Hauptbestandteil des Transitsystems durch Weißrussland bildet und über den Grenzübergangspunkt in Kondratki nach Polen führt. Nach Überschreiten der deutsch-polnischen Grenze in Mallnow findet die JAMAL Anbindung an die JAGAL, welche ihrerseits mehrere Bundesländer durchquert. Die Kapazitäten der JAMAL (technisch 33 Milliarden m3 pro Jahr) dienen traditionell - d.h. bis zu den jüngsten Entwicklungen - weit überwiegend dem weiteren Transit in Ost-West-Richtung.
20Betrieben wird die JAMAL auf polnischem Gebiet von der G S.A., wobei der Transit in der Vergangenheit insbesondere durch einen die Beteiligten zu 2 und 3 bindenden Vertrag aus dem Jahre 1995 geregelt wurde. Seit dem Auslaufen dieses Vertrags im Mai 2020 werden die polnischen JAMAL-Kapazitäten aufgrund regulierter Versteigerungen angeboten.
21Im Jahre 2020 wurde außerdem die Turk Stream mit zwei Strängen in Betrieb genommen, welche nahe der türkisch-bulgarischen Grenze anlanden. Dort befinden sich Anschlussleitungen unter anderem nach Bulgarien.
22Nicht in Betrieb befindlich ist die Nord Stream 2, deren Kapazität der Nord Stream 1 entspricht. Die über die Nord Stream 2 transportierten Gasmengen sollten - im Wesentlichen analog zur OPAL und GAZELLE - mittels der EUGAL und ANTILOPA weitergeleitet werden. Die EUGAL ist allerdings nicht gemäß § 28a EnWG von der Regulierung ganz oder teilweise freigestellt.
23Die OPAL selbst war seit ihrer Inbetriebnahme zu einem signifikanten Teil nicht ausgelastet. Denn von dem im Beschluss vom 7. Juli 2009 vorgesehenen Gas-Release-Programm hatten die zur Gruppe der Beteiligten zu 2 zählenden Unternehmen keinen Gebrauch gemacht. Das wiederum hatte Auswirkungen auf die Auslastung der Nord Stream.
24III. Die Rolle der Beschwerdeführerinnen
25Bei der vom polnischen Staat beherrschten Beschwerdeführerin zu 1 handelt es sich um das größte polnische Gasversorgungsunternehmen. Sie steht - oder stand jedenfalls bis zu den aktuellen Entwicklungen infolge des Krieges in der Ukraine - bis zum Ende des Jahres 2022 vertraglich in einer auf das Jahr 1996 zurückgehenden Lieferbeziehung mit der Beteiligten zu 3, welche insbesondere die Nutzung der JAMAL beinhaltet. Daneben bezieht die Beschwerdeführerin zu 1 ihr Gas unter anderem von der Beschwerdeführerin zu 2, bei der es sich um eine im Jahre 2011 gegründete Tochtergesellschaft handelt, die insbesondere Lieferungen über Mallnow abwickelt. Darüber hinaus hält die Beschwerdeführerin zu 1 unmittelbar 48 % und mittelbar 4 % der Anteile an der E S.A., in deren Eigentum der polnische Abschnitt der JAMAL steht, während die JAMAL-Betreiberin (G S.A.) außerhalb des Konzerns der Beschwerdeführerin zu 1 gegründet worden war. Die weiteren Anteile an der E S.A. zählen zum Vermögen der Beteiligten zu 2. Ihr gehört indirekt auch der weißrussische Abschnitt der Pipeline.
26IV. Die Abänderung der Freistellungsentscheidung
27Die Beteiligten zu 1 bis 3 hatten im April 2013 einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im Hinblick auf die im Beschluss vom 7. Juli 2009 geregelte Buchungsbeschränkung und das darin vorgesehene Gas-Release-Programm gestellt. Der Antrag wurde allerdings kurz nach seinem Eingang ruhend gestellt.
28Im Oktober 2013 schlossen die Bundesnetzagentur und die Beteiligten zu 1 bis 3 einen öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag, der später (im April und Juli 2014) punktuell durch Nachtragsvereinbarungen abgeändert wurde.
29In der Präambel des Vertrags wurde unter anderem auf die Auffassung der Beteiligten zu 1 bis 3 zu einer angeblich erfolgreichen Entwicklung des tschechischen Marktes Bezug genommen. Der Vertrag sah hiernach - verkürzt - eine Abänderung der bisherigen Freistellungsentscheidung dahingehend vor, dass neben vollständig von der Regulierung ausgenommenen sogenannten gekoppelten Verbindungskapazitäten (15.864.532 kWh/h) weitere Kapazitäten in gleicher Höhe teilreguliert sein sollten. Hierbei handelte es sich um getrennt buchbare, feste dynamisch zuordenbare Einspeise- und Ausspeisekapazitäten in Greifswald bzw. Brandov mit einem unterbrechbaren Zugang zum Virtuellen Handelspunkt (DZK) sowie getrennt buchbare, feste frei zuordenbare Ausspeisekapazitäten in Brandov (FZK). Ausweislich § 1 Abs. 2 Buchst. b sollte die Beteiligte zu 1 verpflichtet sein, die teilregulierten Kapazitäten am Ausspeisepunkt Brandov im Umfang von 1.800.000 kWh/h als FZK und im Übrigen als DZK anzubieten. Weiterhin wurde unter anderem geregelt, dass die Wirksamkeit der Regelungen in § 1 und § 2 des Vertrags unter in § 3 näher beschriebenen aufschiebenden Bedingungen - etwa einer Zustimmung der Europäischen Kommission - stehe. Insoweit kam es jedoch zum Bedingungsausfall.
30Mit Beschluss vom 13. März 2015 (BK7-13-031) wies die Bundesnetzagentur den Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens zurück. Dagegen legten die Beteiligten zu 1 bis 3 Beschwerde ein. Das dazugehörige Verfahren VI-3 Kart 92/15 (V) war beim Senat anhängig, endete aber später ohne Sachentscheidung nach Rücknahme der Beschwerden.
31Am 11. Mai 2016 schlossen die Bundesnetzagentur und die Beteiligten zu 1 bis 3 abermals einen Vergleichsvertrag, der inhaltlich im Wesentlichen der schon im Jahre 2013 erzielten Einigung entsprach. Mithin wurden erneut unter anderem die teilregulierten Kapazitäten und ferner vereinbart, dass die aufschiebende Bedingung nach § 3 Abs. 2 als ausgefallen gelten sollte, wenn die Europäische Kommission die Änderung des Vertrags oder dessen Widerruf verlangen sollte, wobei die Bindung an die Regelungen in § 4 und § 5 in diesem Fall bestehen bleiben sollte. § 5 sah insbesondere die Aufnahme von Verhandlungen vor, sollten die Regelungen unter § 1 ganz oder teilweise nichtig oder unwirksam sein. Als Ziel solcher Verhandlungen wurde eine Anpassung des Vertrags innerhalb von sechs Monaten beschrieben, die dem Gleichgewicht der Interessen, das dem Vergleichsvertrag zugrunde liege, Rechnung trage. Über den Vertragsabschluss informierte die Bundesnetzagentur am 13. Mai 2016 auf ihrer Internet-Seite unter der Rubrik „Aktuelles“.
32Die Europäische Kommission, welcher der Vertrag umgehend zugeleitet worden war, wies am 31. Mai 2016 auf die für sie geltenden Fristen nach Art. 36 RL 2009/73/EG hin und räumte Dritten die Gelegenheit ein, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu beziehen. Im Juli und September 2016 kam es zu Nachtragsvereinbarungen, um der Dauer der Prüfung durch die Europäische Kommission Rechnung zu tragen.
33Am 7. Oktober 2016 ging bei der Bundesnetzagentur ein auf den 23. September 2016 datiertes und in englischer Sprache verfasstes Schreiben der Beschwerdeführerin zu 2 ein, in welchem sie unter anderem geltend machte, dass die existierenden Transportwege durch Osteuropa die Versorgung gewährleisteten, und dass ein zivilrechtlicher Vertrag nicht Grundlage einer Ausnahme nach § 28a EnWG sein könne. Die Bundesnetzagentur antwortete per E-Mail vom 13. Oktober 2016.
34Mit Beschluss vom 28. Oktober 2016 (C(2016) 6950 final) „genehmigte“ die Europäische Kommission die mit dem Vergleichsvertrag verbundenen und ihr vorgelegten Änderungen der Freistellungsentscheidung, allerdings nur unter gewissen Vorbehalten. Im Ergebnis forderte die Europäische Kommission die Bundesnetzagentur im Wesentlichen dazu auf, den Anteil der FZK auf 3.200.000 kWh/h zu erhöhen, wobei es unter näher beschriebenen Voraussetzungen maximal zu einer Verdoppelung kommen sollte (d.h. 6.400.000 kWh/h) mit der weiteren Maßgabe, dass insbesondere Unternehmen, die mehr als 50 % des in Greifswald ankommenden Erdgases kontrollierten, Gebote für FZK nur zum Basispreis abgeben dürften.
35Im Nachgang schlossen die Bundesnetzagentur und die Beteiligten zu 1 bis 3 abermals einen (hier insgesamt in Bezug genommenen) Vergleichsvertrag, der Unterschriftsdaten vom 25., 26. und 28. November 2016 aufweist und mit welchem das Änderungsverlangen der Europäischen Kommission umgesetzt werden sollte. Auszugsweise heißt es darin:
36„In dem … Willen, den Vereinbarungen … im Lichte der Kommissionsentscheidung wieder Geltung zu verschaffen, schließen die Parteien im Wege eines gegenseitigen Nachgebens folgenden öffentlich-rechtlichen Vergleichsvertrag:
37§ 1
38Änderung der OPAL-Freistellungsentscheidung
39(1) Für den verbleibenden Zeitraum bis zum Ablauf der Frist nach Ziffer 1 lit. h) … wird die OPAL-Freistellungsentscheidung unmittelbar … dahingehend geändert, dass
40a) die Nebenbestimmungen zu Buchungsbeschränkungen aufgehoben werden,
41b) OGT-Einspeisekapazitäten in Höhe von 15.864.532 kWh/h (d.h. 50 % der OGT-Einspeisekapazitäten) am Einspeisepunkt Greifswald sowie OGT-Ausspeisekapazitäten in gleicher Höhe am Ausspeisepunkt Brandov … sowohl von der Netzzugangsregulierung als auch von der Netzentgeltregulierung ausgenommen werden,
42c) OGT-Einspeisekapazitäten in Höhe von 15.864.532 kWh/h (d.h. 50 % der OGT-Einspeisekapazitäten) am Einspeisepunkt Greifswald sowie OGT-Ausspeisekapazitäten in gleicher Höhe am Ausspeisepunkt Brandov … von der Netzentgeltregulierung ausgenommen sind … („teilregulierte OGT-Kapazitäten“).
43(2) Bis zum 06. März 2017 oder … bis zum Abschluss des ersten Auktionsverfahrens von Jahreskapazitäten … gilt … Folgendes:
44a) … [Die Beteiligte zu 1] ist berechtigt und verpflichtet, die teilregulierten OGT-Kapazitäten … in Form folgender Kapazitätsprodukte anzubieten:
45i) feste dynamisch zuordenbare Kapazität („DZK“), bei der feste Kapazitäten für die Einspeisung am Einspeisepunkt Greifswald und feste Kapazitäten für die Ausspeisung am Ausspeisepunkt Brandov mit einem unterbrechbaren Zugang zum Virtuellen Handelspunkt … verbunden sind, sowie
46ii) feste frei zuordenbare Kapazität („FZK“) für die Ausspeisung am Ausspeisepunkt Brandov, die uneingeschränkt für den Gastransport vom Virtuellen Handelspunkt … zum Ausspeisepunkt Brandov genutzt werden kann.
47b) … [Die Beteiligte zu 1] ist berechtigt und verpflichtet, die teilregulierten OGT-Kapazitäten als Einspeisekapazitäten am Einspeisepunkt Greifswald ausschließlich als DZK anzubieten.
48… [Die Beteilligte zu 1] ist berechtigt und verpflichtet, die teilregulierten OGT-Kapazitäten als Ausspeisekapazitäten am Ausspeisepunkt Brandov in folgendem Umfang als DZK und FZK anzubieten:
49i) FZK in einem Umfang von 3.200.000 kWh/h, und
50ii) DZK in einem Umfang von 12.664.532 kWh/h.
51Um das Angebot von FZK … zu gewährleisten, verpflichtet sich … [die Beteiligte zu 3] eine unentgeltliche Lastflusszusage … abzugeben. …
52… Liegt bei einer jährlichen Auktion … die Nachfrage nach FZK … bei mindestens 90 % des Angebots …, verpflichtet sich … [die Beteiligte zu 1], die bei späteren jährlichen Auktionen angebotene Gesamtmenge …. höchstens auf 6.400.000 kWh/h … zu erhöhen.
53…
54(3) Für die Zeit nach dem 06. März 2017 oder … nach dem Abschluss des ersten Auktionsverfahrens von Jahreskapazitäten … gelten die Regelungen in § 1 (2) … fort …
55(4) … [Die Beteiligten zu 1 bis 3] haben … die Erwartung und das legitime wirtschaftliche Interesse, dass 80 % der teilregulierten OGT-Kapazitäten langfristig angeboten und dementsprechend gebucht und genutzt werden können. …
56(5) Überspeisungen von Gas … am Netzkopplungspunkt Radeland … berühren weder den Bestand noch die Geltung der Ausnahme …
57…
58§ 3
59Wirksamwerden des Vergleichsvertrags/Mitteilung an die Europäische Kommission/Aufhebung des neuen Vergleichsvertrags
60(1) Dieser Vertrag wird durch seine Unterzeichnung … wirksam. … [Die Beteiligte zu 3] hat das Recht, § 1 und § 2 … durch schriftliche Mitteilung an die Bundesnetzagentur bis zum 31. Dezember 2016 zu kündigen …
61…
62Anlage 1: Änderung des Tenors des Beschlusses vom 25. Februar 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 7. Juli 2009
63§ 1
64…
65a) Die Ausnahme gilt ausschließlich für Verbindungskapazitäten auf der OPAL. Verbindungskapazitäten sind ohne Rücksicht auf den physischen Gasfluss:
66aa) beschränkt zuordenbare Einspeisekapazitäten am Einspeisepunkt Greifswald und beschränkt zuordenbare Ausspeisekapazitäten am Ausspeisepunkt Brandov, die gekoppelt angeboten werden („gekoppelte Verbindungskapazitäten“)
67bb) getrennt buchbare, feste dynamisch zuordenbare Einspeise- und Ausspeisekapazitäten, bei denen feste Kapazitäten für die Einspeisung … und … für die Ausspeisung mit einem unterbrechbaren Zugang zum Virtuellen Handelspunkt … verbunden sind („DZK-Verbindungskapazitäten“); sowie
68cc) getrennt buchbare, feste frei zuordenbare Ausspeisekapazitäten am Ausspeisepunkt Brandov, die uneingeschränkt für den Gastransport vom Virtuellen Handelspunkt … zum Ausspeisepunkt Brandov genutzt werden können („FZK-Verbindungskapazitäten, zusammen mit den DZK-Verbindungskapazitäten „entkoppelte Verbindungskapazitäten“)
69Sofern bei gekoppelten Verbindungskapazitäten die Höhe der angebotenen Einspeisekapazität von der Höhe der angebotenen Ausspeisekapazität abweicht, erstreckt sich die Ausnahme insgesamt nur auf den niedrigeren der beiden Werte. Nicht ausgenommen sind damit insbesondere (i) Gegenstromtransporte … (ii) Einspeisekapazitäten am Einspeisepunkt Greifswald, bei denen es sich nicht um gekoppelte Verbindungskapazitäten oder DZK-Verbindungskapazitäten handelt, und (iii) Ausspeisekapazitäten, bei denen sich weder um gekoppelte Verbindungskapazitäten noch um entkoppelte Verbindungskapazitäten handelt. Überspeisungen von Gas durch die … [Beteiligte zu 1] am Netzkopplungspunkt Radeland … sowie Notausspeisungen …. berühren weder den Bestand noch die Geltung der Ausnahme …“
70Die Beschwerdeführerinnen beantragten mit einem bei der Bundesnetzagentur noch am 28. November 2016 um 23:23 Uhr per Fax eingegangenen anwaltlichen Schreiben unter anderem die Einleitung eines regulierungsbehördlichen Verfahrens und ihre Beiladung. Sie wiesen in dem Schreiben darauf hin, dass eine Änderung der bestehenden Auflagen für die OPAL zu einer Änderung der Gasversorgungsrouten führen könne. So würden derzeit 96 % der JAMAL-Kapazitäten für den Transit genutzt. Bei einer größeren Verlagerung der Transitströme bestehe die Gefahr, dass der Mindestfluss nicht mehr gewährleistet sei oder es zu Netzentgeltsteigerungen komme. Beeinträchtigt werde dadurch auch die Verkaufstätigkeit der Beschwerdeführerin zu 2 im virtuellen Gegenstrom, während eine Stärkung der Marktposition der Beteiligten zu 3 zu erwarten sei. Eine Abkehr von dem Transport durch die Ukraine könne dazu führen, dass der Grenzübergangspunkt Drozdowicze nicht mehr nutzbar wäre. Über diesen würden Gastransporte für die Beschwerdeführerin zu 1 vorgenommen, die vor allem für die Untergrundspeicher in der Region relevant seien.
71Mit Schreiben vom 12. Dezember 2016 machte die Beteiligte zu 3 von ihrer im Vertrag vom 28. November 2016 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, vorzeitig auf ihr Kündigungsrecht nach § 3 zu verzichten. Am 19. Dezember 2016 fand eine Versteigerung von Monatskapazitäten auf der OPAL statt.
72Mit Beschluss vom 20. Dezember 2016 (BK7-16-167) wies die Bundesnetzagentur die Anträge der Beschwerdeführerinnen vom 28. November 2016 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Verfahren durch Unterzeichnung des Vertrags in den Nachmittagsstunden des 28. November 2016 abgeschlossen worden sei. Die Einleitung eines neuen Verfahrens sei nicht zweckdienlich. Eine Beiladung zu einem nicht existenten Verfahren sei nicht möglich. Der Antrag sei zu spät gestellt worden, obwohl das Verfahren - unter anderem infolge der behördlichen Mitteilung im Mai 2016 sowie ausweislich der Eingabe vom 23. September 2016 - bekannt gewesen sei. Es läge außerdem keine erhebliche Betroffenheit vor. Die Mehrnutzung könne insbesondere nicht den Gastransport auf der JAMAL vollständig ersetzen. Bei den Erwägungen der Beschwerdeführerinnen gehe es um bloße Fernwirkungen. Im Übrigen werde durch die zu erwartende Auslastung der OPAL deren Beitrag zur Versorgungssicherheit noch einmal erhöht. Ein Ausfall der bestehenden Transitrouten - z.B. über die Ukraine - sei nicht auszuschließen. Zudem habe sich die Beurteilung der Wettbewerbsauswirkungen in räumlicher Hinsicht auf die Tschechische Republik zu konzentrieren.
73V. Das Geschehen im Folgenden
74Unter anderem die Republik Polen sowie die Beschwerdeführerinnen erhoben Nichtigkeitsklage gegen den Beschluss der Europäischen Kommission vom 28. November 2016 beim Gericht der Europäischen Union (T-883/16, T-130/17 und T-849/16).
75Im Jahre 2018 bewertete das WTO-Streitschlichtungspanel die Buchungsbeschränkungen nach Maßgabe der Freistellungsentscheidung vom 7. Juli 2009 als eine unzulässige mengenmäßige Beschränkung des Zugangs für russisches Gas. Die Europäische Union legte Rechtsmittel ein, über das von der WTO-Berufungsinstanz bislang nicht entschieden wurde.
76Mit Urteil vom 10. September 2019 (T-883/16, juris) erklärte das Gericht der Europäischen Union den Beschluss der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 auf die Klage der Republik Polen unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Energiesolidarität (Art. 194 Abs. 1 AEUV) für nichtig. Das gegen das vorgenannte Urteil gerichtete Rechtsmittel der Bundesrepublik Deutschland wies der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 15. Juli 2021 (C-848/19, juris) zurück. Die Beschwerdeführerinnen selbst hatten in ihren eigenen Verfahren hingegen keinen Erfolg gehabt, da ihre Klagen bereits als unzulässig erachtet worden waren.
77Schon unmittelbar nach der erstinstanzlichen Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union hatte die Bundesnetzagentur mit Beschluss vom 13. September 2019 (BK-08-009-E2) der Beteiligten zu 1 mit sofortiger Wirkung untersagt, Versteigerungen von teilregulierten entkoppelten Verbindungskapazitäten auf der OPAL und entsprechende Transporte vorzunehmen (Tenorziffern 1 und 2). Den Beteiligten zu 2 und zu 3 wurde verboten, derartige Nominierungen abzugeben (Tenorziffer 3). Die dagegen gerichteten Beschwerden blieben im Wesentlichen ohne Erfolg. Der Senat hob den Untersagungsbeschluss mit Beschluss vom 26. Mai 2021 (VI-3 Kart 845/19 (V), juris) lediglich insoweit auf, als die Tenorziffer 3 auch die Beteiligte zu 2 einbezogen hatte (vgl. aaO Rn. 104 ff.). Die gegen den vorerwähnten Beschluss gerichteten Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 und 3 wurden inzwischen durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) zurückgewiesen.
78VI. Der Verlauf des hiesigen Verfahrens
79Bereits mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2016 haben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, die Bundesnetzagentur zur Beendigung des Vertrags zu verpflichten und hilfsweise dessen Nichtigkeit festzustellen. Zugleich haben sie den Senat um einstweiligen Rechtsschutz ersucht.
80Der Senat hat zunächst - in Anknüpfung an eine Zwischenentscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 23. Dezember 2016 und unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags - mit Beschluss vom 30. Dezember 2016 die Bundesnetzagentur bis zur Entscheidung über die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, die Wirkungen des Vergleichsvertrags zu suspendieren. Mit Beschluss vom 27. Juni 2017 hat der Senat seine Entscheidung vom 30. Dezember 2016 aufgehoben und Termin zur mündlichen Verhandlung über die Eilanträge bestimmt. Diese hat der Senat mit Beschluss vom 11. Oktober 2017 zurückgewiesen.
81In der Folgezeit ist das Verfahren aufgrund der anhängigen Verfahren vor den europäischen Gerichten einvernehmlich nicht weiter betrieben worden. Nach Rechtskraft der Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 haben die Beschwerdeführerinnen ihr Begehren wieder aufgegriffen.
82VII. Das verfahrensmäßige Vorbringen bis zum Frühling / Frühsommer 2022
83Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Beschwerden in erster Linie - d.h. mit dem Antrag zu 1 - gegen den Vergleichsvertrag vom 28. November 2016 gerichtet, wobei sie primär dessen Beendigung und lediglich hilfsweise die Feststellung seiner Nichtigkeit erstrebt haben. Daneben haben die Beschwerdeführerinnen den ihre Beiladung ablehnenden Beschluss vom 20. Dezember 2016 angegriffen (Antrag zu 2).
841. Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen zur Zulässigkeit
85Die Beschwerdeführerinnen haben ihre Beschwerden jeweils für insgesamt zulässig gehalten und dies - ausdrücklich oder sinngemäß - wie folgt begründet:
86Sollte es unter dem Gesichtspunkt der Beschwerdebefugnis in formeller Hinsicht auf die jeweils rechtzeitige Stellung eines Beiladungsantrags ankommen, sei diese Voraussetzung jedenfalls mit dem am 28. November 2016 um 23:23 Uhr per Fax versandten Schreiben erfüllt. Die in den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 20. Dezember 2016 aufgenommene Sachverhaltsdarstellung zum Vertragsabschluss bereits in den Nachmittagsstunden des 28. November 2016 und das dazugehörige weitere verfahrensmäßige Vorbringen der Bundesnetzagentur und der Beteiligten zu 1 bis 3 werde mit Nichtwissen bestritten. Richtigerweise könne es allerdings ohnehin nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ankommen. Denn wegen des in den Vertrag aufgenommenen einseitigen Kündigungsrechts der Beteiligten zu 3 sei ein eventuelles Verwaltungsverfahren - das freilich willkürlich geführt worden sei und überhaupt nicht als Verfahren bezeichnet werden könne - frühestens mit dem Kündigungsverzicht vom 12. Dezember 2016 zum Abschluss gebracht worden. Außerdem greife der Vertrag in Rechte Dritter ein und sei daher nichtig. Auch deshalb fehle es an einem verfahrensbeendenden Ereignis.
87Hilfsweise sei von einer schuldlosen Nichtbeteiligung auszugehen, was sich aus der hier zu verzeichnenden Verfahrensweise der Bundesnetzagentur und den dazugehörigen Begleitumständen ergebe. Um die Irregularität des behördlichen Handelns insgesamt nachvollziehen zu können, sei zu bedenken, dass es schon im Jahre 2013 einen Vergleichsvertrag gegeben habe. Nach dem Bedingungsausfall sei das Wiederaufgreifen durch den Beschluss vom 13. März 2015 zu Recht abgelehnt worden. Gleichwohl habe die Bundesnetzagentur später exakt der von den Beteiligten zu 1 bis 3 erstrebten Abänderung zugestimmt. Über die gesamte Angelegenheit sei weder gemäß 74 Abs. 1 Satz 1 EnWG informiert worden noch sei - anders als im Vorfeld der Freistellungsentscheidung aus dem Jahre 2009 - eine öffentliche Konsultation erfolgt. Gewisse Informationen seien bloß der Internet-Rubrik „Aktuelles“ zu entnehmen gewesen, die freilich stetigen Veränderungen unterliege, nicht aber der Datenbank zu „laufenden Verfahren“. Bemerkenswert sei insbesondere, dass am 13. Mai 2016 lediglich der letzte Akt, d.h. der Vergleichsabschluss öffentlich mitgeteilt worden sei.
88Nach dem Vorgesagten seien sie in formeller Hinsicht unter jedem denkbaren Gesichtspunkt beschwerdebefugt und dazu trete eine materielle Beschwerdebefugnis. Die inhaltliche Ausgestaltung des Vertrags berühre erhebliche eigene Interessen und dessen Wirksamkeit sei auch wegen des in § 58 Abs. 1 VwVfG geregelten Zustimmungsbedürfnisses Dritter klärungsbedürftig. Insgesamt könnten sie sich auf eine individuelle und unmittelbare Betroffenheit sowie die Verletzung drittschützender Vorschriften berufen.
89Sie stünden jeweils auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen im Wettbewerbsverhältnis zur Unternehmensgruppe der Beteiligten zu 2. Ein Infrastrukturwettbewerb ergebe sich aus dem mittelbaren Teileigentum der Beschwerdeführerin zu 1 an dem polnischen Abschnitt der JAMAL. Daneben ergebe sich ihre Betroffenheit etwa mit Blick auf den Gasbezug über die Beschwerdeführerin zu 2 aus dem tschechischen Markt und dem Marktgebiet Gaspool bzw. Trading Hub, insoweit überwiegend über Mallnow im Wege des virtuellen Gegenstroms. Der Marktanteil der Beschwerdeführerin zu 2 auf dem Markt für polnische Gasimporte habe im Jahre 2015 … % betragen. Die Beteiligte zu 3 sei mit Lieferungen aus östlicher Richtung ihr größter Konkurrent.
90Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin zu 1 und/oder die zu ihrer Gruppen zählenden Gesellschaften auf einer Reihe von polnischen Märkten eine beherrschende Stellung innehätten, woraus sich eine besondere Verantwortung für die Nichtverletzung und die Entwicklung des Wettbewerbs ergebe, und auch mit Blick auf ihre Staatsbeherrschung träfen sie - wie den polnischen Staat selbst - Pflichten in Bezug auf den Wettbewerbsschutz und die Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung. Dass der Beschwerdeführerin zu 1 gerade im Hinblick auf die Energieversorgungssicherheit eine besondere, einer Beleihung vergleichbare Garantenstellung zukomme, werde namentlich anhand ihrer Satzung und weiteren gesetzlichen Bestimmungen deutlich. Die damit verbundenen Pflichten strahlten auf die gesamte Unternehmensgruppe und damit auch auf die Beschwerdeführerin zu 2 aus.
91In der Sache sei jede regulatorische Begünstigung der OPAL mit erheblichen negativen Folgen verbunden. Dies ergebe sich aus der Gefahr einer Verlagerung von Gasflüssen zum Nachteil der BRUDERSCHAFT und/oder der JAMAL. Auszugehen sei - wie etwa schon in der … Analyse vom 11. Januar 2017 dargelegt - von einem prognostisch im Wesentlichen stagnierenden Gasverbrauch in der Europäischen Union bis zum Jahre 2030 oder gar einer Reduktion auf bloß 321 oder 297 Milliarden m3 pro Jahr. Die Möglichkeit zur stärkeren Nutzung der OPAL führe damit - auch in Verbindung mit anderen absehbaren oder schon umgesetzten Projekten (wie der Turk Stream oder Nord Stream 2) - zu Überkapazitäten auf den in Betracht kommenden Transportrouten, da von dem Vergleichsvertrag gerade die Beteiligten zu 2 und 3 begünstigt würden. Denn die kraft des Vergleichs zusätzlich auf der OPAL buchbaren DZK (12.664.532 kWh/h) seien effektiv nur für die Beteiligte zu 2 oder 3 von Nutzen. Für die Beteiligten zu 2 und 3 bestünden damit angesichts der von ihnen kontrollierten oder faktisch monopolisierten Infrastrukturen vielfältige Möglichkeiten, die Transportmengen nach Belieben umzuschichten. Schon diese Möglichkeit erweise sich als eine konkret bevorstehende Wettbewerbsbeeinträchtigung, wobei die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Vorkommnisse im Lichte früherer Erfahrungen - etwa Liefereinbußen zwischen dem 4. September 2014 und dem 6. März 2015 insbesondere am Übergabepunkt Drozdowicze - und aktueller Entwicklungen zu beurteilen sei.
92Hiernach seien vor allem die folgenden Prognosen relevant: Im ersten Szenario werde von einer Verlagerung der Transportwege dergestalt ausgegangen, dass die Mehrnutzung der OPAL und GAZELLE im Umfang von jährlich 9,86 Milliarden m3 (d.h. aufgrund der Inanspruchnahme der quasi-monopolisierten DZK) mit einer entsprechend reduzierten Auslastung der BRUDERSCHAFT einhergehe. Dies könne die Betriebsfähigkeit des Übergabepunktes Drozdowicze gefährden, dessen Nutzbarkeit für die Stabilität des polnischen Gastransportsystems außerordentliche Bedeutung habe.
93Die weiteren Szenarien beträfen im Wesentlichen Verlagerungen zum Nachteil der JAMAL. Während unter Geltung der bisherigen Freistellungsentscheidung aus dem Jahre 2009 die Netzentgelte ein Gleichgewicht gewährleistet hätten, drohe schon bei einem Rückgang der Transitmenge um 9,86 Milliarden m3 unter Zugrundelegung eines Fixkostenanteils von 50 % ein sprunghafter Anstieg der Fernleitungsnetzentgelte in Mallnow und der Kosten für Gasimporte aus Deutschland. Dies wiederum werde mit hoher Wahrscheinlichkeit Auswirkungen auf die Gastransportkosten an anderen Grenzübergangspunkten im Westen oder Süden haben. Unterstelle man eine Einstellung des Transits über die JAMAL ab dem Jahre 2020 sowie die Nichtbelieferung des polnischen Marktes mit Auslaufen der Lieferbeziehung zum Ende des Jahres 2022, sei mit Kostensteigerungen bis zu … % zu rechnen.
94Nach alledem könnten sie sich auf eine materielle Beschwer und auch auf die Verletzung drittschützender Normen berufen. Dabei sei insbesondere die Neufassung des § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG zu bedenken, die wegen der Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen sei und verdeutliche, dass Dritte auch eine Gefährdung der Versorgungssicherheit sowie eine Missachtung des Grundsatzes der Energiesolidarität geltend machen könnten. Ferner ergebe sich eine subjektive Rechtsverletzung aus dem Verfahrensablauf bzw. dem Verfahrensausfall.
952. Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen zur Begründetheit
96Zur Begründetheit haben die Beschwerdeführerinnen insbesondere vorgetragen: Der Vertrag sei nichtig, weil die Bundesnetzagentur von der Handlungsform des Vertrags Gebrauch gemacht habe, sich aber aus § 29 Abs. 1 EnWG ein Vertragsformverbot ergebe.
97Die Nichtigkeit des Vertrags folge auch aus § 59 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 VwVfG. Offensichtlich habe eine Vergleichslage fingiert werden sollen und die Rechtswidrigkeit sei bekannt gewesen. Der Vertrag sei überdies wegen der inzwischen rechtskräftigen Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 zu beenden oder für nichtig zu erklären. Einer eventuellen Heilung stünden insbesondere die Fristenregelungen in Art. 36 RL 2009/73/EG entgegen, die von vornherein nicht eingehalten worden seien (weil der zu überprüfende Vertrag am 11. Mai 2016 geschlossen worden sei) und nach denen ein Fristablauf spätestens am 15. September 2021, d.h. zwei Monate nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. Juli 2021, eingetreten sei. Nichtig sei der Vertrag zudem nach § 58 Abs. 1 VwVfG, weil er in Rechte der Beschwerdeführerinnen eingreife. So seien eine Verfahrensbeteiligung und die Wahrung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht ermöglicht worden. Dieser Verfahrensfehler stelle sich als so schwerwiegend dar, dass er sich als subjektive Rechtsverletzung verdichte.
98Der Vertrag könne im Übrigen vor allem deshalb keinen Bestand haben, weil er den Voraussetzungen des § 28a EnWG nicht entspreche. Insbesondere habe die Bundesnetzagentur im Ansatz verkannt, dass sich die Prüfung der Auswirkungen des Vertrags auf den gesamten europäischen Binnenmarkt hätte erstrecken müssen. Demgegenüber sei allein - unter Verstoß gegen den Grundsatz der Energiesolidarität - der tschechische Markt als relevant erachtet worden.
99Begründet seien schließlich auch die Anträge zu 2. Unter anderem weil der Vertrag in Rechte Dritter eingreife, sei das Verfahren noch nicht beendet. Zumindest hätten sie einen Anspruch auf Feststellung des Bestehens der Beiladungsvoraussetzungen, was auch mit Blick auf spätere denkbare Entscheidungen angezeigt sei.
1003. Das Vorbringen der Bundesnetzagentur
101Die Bundesnetzagentur ist der Beschwerde mit einem Zurückweisungsantrag entgegengetreten. Sie hat unter anderem gemeint, dass die Beschwerde mit dem Antrag zu 1 bereits unzulässig sei, insbesondere weil die Beschwerdeführerinnen - wie schon in der Schutzschrift vom 12. Dezember 2016 ausgeführt - nicht am Verwaltungsverfahren beteiligt gewesen seien. Deren Beiladung auf den Antrag vom 28. November 2016 sei nicht mehr möglich gewesen, weil das Verwaltungsverfahren abgeschlossen gewesen sei. In den Mittagsstunden des 28. November 2016 sei der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 bei ihr eingetroffen. Nach Prüfung und Unterzeichnung durch die Beschlusskammermitglieder seien dem Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 in den Nachmittagsstunden die Vertragsexemplare ausgehändigt worden. Weil der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 - auch ausweislich eines bei der Aushändigung geführten Telefonats - als Empfangsvertreter agiert habe, sei der Vertrag bereits mit Übergabe und nicht erst im Wege eines postalischen Zugangs zustande gekommen. Der Abschluss noch am 28. November 2016 sei allen Beteiligten besonders wichtig gewesen, weil Unklarheiten hinsichtlich der in der RL 2009/73/EG geregelten Monatsfrist hätten vermieden werden sollen.
102Im Übrigen bekämpften die Beschwerdeführerinnen paradoxerweise eine verstärkt der Regulierung unterworfene Nutzung der OPAL. Letztlich gehe es den Beschwerdeführerinnen um die schlichte Existenz der OPAL und die Unterbindung eines Wettbewerbs an Transportkapazität, was sich gerade an einem gedachten vollregulierten Betrieb der OPAL zeige. Im vollregulierten System wäre eine Ausspeisekapazität als FZK nicht darstellbar.
103Die von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Szenarien seien im Übrigen spekulativ und nicht überzeugend. Gerade die Lastflüsse auf der BRUDERSCHAFT und der JAMAL im Zeitraum zwischen dem 28. Juli 2017 und 13. September 2019 sprächen gegen einen Verlagerungseffekt infolge einer erhöhten Auslastung der OPAL. Im Übrigen sei auch eine Gefährdung der Versorgungssicherheit wegen einer - im Verhältnis zur bisherigen Hauptimportroute vernachlässigbaren - Mehrnutzung der OPAL nicht nachvollziehbar, zumal zu bedenken sei, dass die Beschwerdeführerin zu 1 sich im Jahre 2019 bewusst dazu entschieden habe, den mit der Beteiligten zu 3 bestehenden Liefervertrag nicht über das Jahr 2022 hinaus zu verlängern. Der polnische jährliche Importbedarf von etwa 16 oder 17 Milliarden m3 könne unabhängig von russischem Gas befriedigt werden, und die dazugehörigen Maßnahmen seien bereits bei Vertragsabschluss erkennbar und - gerade unter Berücksichtigung der bis zum Ende des Jahres 2022 währenden Lieferbeziehung zwischen der Beschwerdeführerin zu 1 und der Beteiligten zu 3 - zeitlich umsetzbar gewesen.
104Soweit die Beschwerdeführerinnen eine Monopolisierung der OPAL durch die Beteiligten zu 2 und 3 befürchteten, beträfen ihre Erwägungen den falschen Markt. Die Beurteilung habe sich auf den tschechischen Markt zu konzentrieren. Die Prognose einer Überteuerung der Netzentgelte für die Einfuhr von Gas aus Deutschland nach Polen sei im Übrigen unzutreffend und bereits im Ansatz verfehlt. So werde unter anderem übergangen, dass die Kapitalkosten der im Jahre 1999 fertiggestellten JAMAL weitestgehend abgeschrieben sein dürften. Es sei auch nicht Aufgabe einer Regulierungsbehörde, das Geschäftsmodell der Beschwerdeführerin zu 2 vor Veränderungen durch Leitungswettbewerb zu schützen.
105Die Beschwerde müsse im Übrigen auch nach der rechtskräftigen Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 erfolglos bleiben. Denn auf den Grundsatz der Energiesolidarität, dessen Missachtung nach richterlicher Würdigung tragend gewesen sei, könnten die Beschwerdeführerinnen sich als privatwirtschaftliche Organisationen nicht berufen. Außerdem ergäben sich infolge des Vergleichsvertrags auch in der Sache keine negativen Auswirkungen für die Versorgungssicherheit oder den Wettbewerb. Abgesehen davon sei mit der Nichtigerklärung richtigerweise bloß die in § 58 VwVfG geregelte Rechtsfolge verbunden, d.h. der Vertrag sei unwirksam, aber nicht nichtig, und § 59 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG käme erst recht nicht zur Anwendung. Denn eine eventuelle Missachtung des Grundsatzes der Energiesolidarität sei offensichtlich erst mit dem Urteil vom 10. September 2019 bekannt geworden.
106Die Nichtigkeit könne auch nicht aus einem angeblichen Vertragsformverbot hergeleitet werden. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-718/18 geforderte Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde zeige sich gerade daran, dass sie vom Mittel des Vertrags Gebrauch gemacht habe. Zudem könnten die Beschwerdeführerinnen sich auch nicht auf das Unterlassen einer - hier allein in Betracht kommenden - einfachen Beiladung berufen, zumal deren Bedenken bekannt, also ohne Einfluss auf den Inhalt des Vertrags gewesen seien.
1074. Das Vorbringen der Beteiligten zu 1
108Auch die Beteiligte zu 1 ist der Beschwerde mit einem Zurückweisungsantrag entgegengetreten und hat dies insbesondere wie folgt begründet: Die Beschwerdeanträge zu 1 seien bereits unzulässig, weil es richtigerweise auf die Voraussetzungen einer gedachten Anfechtungsbeschwerde ankommen müsse. Die sich daraus ergebenden Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Überdies fehle es an einer materiellen Beschwer, und an der Unzulässigkeit der Beschwerde änderte sich auch dann nichts, wenn man im Rahmen der Beschwerdebefugnis schon die Möglichkeit einer Verletzung subjektiver Rechte genügen lasse. Insbesondere könnten sich private Rechtsträger nicht auf den Grundsatz der Energiesolidarität berufen und auch die in § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG genannte Versorgungssicherheit sowie das darin erwähnte Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes hätten keinen drittschützenden Charakter. Denkbar sei ein Drittschutz allenfalls hinsichtlich der gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG zu prüfenden Wettbewerbsbeeinträchtigungen. Insoweit fehle es jedoch zumindest an einer nachteiligen Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen.
109Von wesentlicher Bedeutung sei im Ausgangspunkt, allein die mit der Abänderung der Freistellungsentscheidung verbundenen Auswirkungen in den Blick zu nehmen. Die von den Beschwerdeführerinnen zu weiten Teilen angestellte Gesamtbetrachtung - etwa unter Einbeziehung der Veränderungen durch die Errichtung oder Inbetriebnahme weiterer Pipelines - sei mithin bereits im Ansatz unzutreffend. Die vorgebrachten Indizien für die Wahrscheinlichkeit einer Verlagerung der Gasflüsse seien zudem schon in zeitlicher Hinsicht nicht aussagekräftig. Das gelte etwa für die Mengenreduktion auf der JAMAL am Netzkopplungspunkt Kondratki nach dem Auslaufen des Transitvertrags mit anschließenden bloß sporadischen Buchungen von Kapazitätsprodukten von kurzer Laufzeit, die Umkehr des physischen Gasflusses zwischen dem 30. Oktober und dem 4. November 2021 bzw. das Fehlen eines Flusses am Übergabepunkt Mallnow sowie die Verringerung der Transportmengen auf der BRUDERSCHAFT etwa nach Abschluss des neuen Transitvertrags zwischen der Beteiligten zu 3 und B.
110Eine Gefährdung der Versorgungssicherheit Polens sei im Übrigen auch unter Zugrundelegung der von den Beschwerdeführerinnen angeführten Verlagerungsszenarien nicht zu besorgen. Dass eine physische Flussrichtung in Ost-West-Richtung auf der JAMAL gerade nicht erforderlich sei, um die Versorgung zu gewährleisten, ergebe sich schon aus deren eigenen Vortrag. Denn die Umkehr der Flussrichtung zwischen dem 30. Oktober und 4. November 2011 sei offenkundig folgenlos geblieben. Überdies verdeutliche die beschwerdeführereigene Begründung der Nichtverlängerung des Erdgasliefervertrags mit der Beteiligten zu 3, dass die polnische Regierung und damit auch die Beschwerdeführerin zu 1 sich bewusst für Bezugsquellen aus nicht-östlicher Richtung entschlossen hätten. Damit gingen - auch schon im Jahre 2016 absehbare - massive Ausweitungen der Importkapazitäten aus nicht-östlicher Richtung durch den Netzbetreiber G S.A. einher.
111Ohne jeden Einfluss sei der Vergleichsvertrag auch auf die Betriebsfähigkeit des ukrainisch-polnischen Grenzübergangspunkts in Drozdowicze. Denn dieser liege an einem Abzweig der BRUDERSCHAFT und werde mithin nicht für Transite genutzt. Er wäre mithin nicht von einer Reduktion von Transitmengen betroffen. Abgesehen davon hätten die seit dem Jahre 2017 erfolgten Ausbaumaßnahmen im polnischen Fernleitungsnetz dazu geführt, dass etwaige zuvor bestehende netzhydraulische Hindernisse für eine Versorgung Südostpolens aus westlicher oder nördlicher Richtung beseitigt worden seien.
112Es fehle auch an relevanten Auswirkungen für den Wettbewerb. Es bestehe schon kein Wettbewerbsverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin zu 2 und der Beteiligten zu 3 auf dem relevanten Markt für Erdgaslieferungen nach Polen. Die Beteiligte zu 3 betätige sich auf dem polnischen Upstream-Markt, während die Beschwerdeführerin zu 2 lediglich eine interne Beschaffungsfunktion für die Beschwerdeführerin zu 1 übernehme. Die Beschwerdeführerin zu 1 sei wiederum als marktbeherrschendes Unternehmen auf den nachgelagerten Großhandels- und Endkundenmärkten für Erdgas in Polen tätig.
113Soweit die Beschwerdeführerinnen sich gleichwohl auf eine - nicht zu erwartende - subjektiv nachteilhafte Verlagerung zu Lasten der JAMAL beriefen, wäre ein auf den Vertrag zurückzuführender Effekt auf jährlich 9,86 Milliarden m3 beschränkt. Die vorgelegten Szenarien bezögen indes fälschlicherweise weitere Ursachenbeiträge - etwa das Auslaufen der bestehenden vertraglichen Beziehungen - in die Beurteilung ein.
114Der Vertrag sei auch nicht nichtig oder zu beenden infolge der (rechtskräftigen) Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016. Insbesondere handele es sich bei der besagten Entscheidung nicht um eine Genehmigung, eine Zustimmung oder ein Einvernehmen im Sinne des § 58 Abs. 2 VwVfG, denn Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG regele lediglich Eingriffsbefugnisse. Demzufolge bestehe infolge der Nichtigerklärung des Beschlusses lediglich die Verpflichtung der Europäischen Kommission zur Wiederaufnahme ihrer Prüfung. Bis dahin könne der Vertrag entgegen der dem Beschluss vom 26. Mai 2021 (VI-3 Kart 845/19 (V), juris) zugrunde liegenden Auffassung des Senats weiter durchgeführt werden.
1155. Das Vorbingen der Beteiligten zu 2 und 3
116Die Beteiligten zu 2 und 3 haben ebenfalls schriftlich den Antrag angekündigt, die Beschwerden zurückzuweisen. Auch sie haben gemeint, dass die auf den Vergleichsvertrag bezogenen Beschwerden (Antrag zu 1) schon unzulässig seien. Die auf Vertragsbeendigung gerichtete Leistungsbeschwerde sei bereits unstatthaft. Sofern ein Dritter der Auffassung sei, dass er durch den Vertrag in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt werde, habe er dies im Wege einer Feststellungsbeschwerde geltend zu machen.
117Aber auch die hier hilfsweise eingelegten Feststellungsbeschwerden seien unzulässig, da es an der formellen und materiellen Beschwer im Sinne von § 75 Abs. 2 EnWG oder - ersatzweise - an der Möglichkeit einer Verletzung drittschützender Regelungen (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) fehle. Die Beschwerdebefugnis nach § 75 Abs. 2 EnWG sei schon deshalb zu verneinen, weil die Beschwerdeführerinnen es trotz Kenntnis vom Verwaltungsverfahren schuldhaft versäumt hätten, rechtzeitig einen Antrag auf einfache Beiladung zu stellen. Daraus folge zugleich die Unbegründetheit der Beschwerden (Antrag zu 2) gegen die Ablehnung der Beiladung durch Beschluss vom 20. Dezember 2016, und für die hilfsweise begehrte Feststellung fehle es an einem Feststellungsinteresse. Insbesondere sei eine Wiederholungsgefahr weder dargetan noch sonst ersichtlich.
118Davon abgesehen fehle es im Hinblick auf den Antrag zu 1 auch an einer materiellen Beschwer. Die Beschwerdeführerinnen seien nicht potentielle Nutzerinnen der OPAL und auch nicht auf dem maßgeblichen - von der OPAL bedienten - tschechischen Absatzmarkt tätig. Ein Infrastrukturwettbewerb scheide schon deshalb aus, weil Betreiberin der JAMAL die G S.A. sei, und überdies bedienten die betreffenden Leitungen auch nicht denselben Markt, seien also nicht funktional austauschbar. Im Kern verfolgten die Beschwerdeführerinnen ein illegitimes Rechtsschutzziel. Aus dem Vergleichsvertrag ergebe sich ein Mehr an Wettbewerb. Bei Lichte betrachtet erstrebten die Beschwerdeführerinnen unter dem Vorwand eines Wettbewerbsschutzes die Perpetuierung einer ineffizienten Unterauslastung, ohne zu berücksichtigen, dass § 28a EnWG nicht vor Konkurrenz durch den regulierten Betrieb einer Transportinfrastruktur schütze.
119Auch im Übrigen seien die vorgebrachten Befürchtungen haltlos. Selbst wenn man die konservative Verbrauchsprognose aus der Analyse vom 11. Januar 2017 zugrunde lege, mache die von den Beschwerdeführerinnen angeführte Verlagerungsmenge von 9,86 Milliarden m3 pro Jahr bloß ein Drittel des selbst prognostizierten Mehrbedarfs im Jahre 2030 (ca. 35 Milliarden m3) aus. Dabei bleibe die zu erwartende Reduktion der innereuropäischen Förderung - mutmaßlich etwa 9,47 Milliarden m3 pro Jahr - noch unberücksichtigt. Es sei danach nicht plausibel, dass eine Mehrnutzung der OPAL zu einer Minderauslastung der JAMAL oder BRUDERSCHAFT führen würde. Zu bedenken sei im Übrigen, dass mit Blick auf das mittelbare Teileigentum der Beteiligten zu 2 am polnischen Abschnitt ein eigenes wirtschaftliches Nutzungsinteresse an der JAMAL bestehe, auf welche die Beteiligte zu 3 angesichts ihrer Gesamtlieferverpflichtungen ohnehin angewiesen sei. Gegenstromkapazitäten blieben mithin weiterhin gesichert.
120Die unterbreiteten Szenarien stünden darüber hinaus zu weiten Teilen nicht in einem Zusammenhang mit der Nutzung der OPAL. Die Beschwerdeführerinnen übersähen bereits im Ansatz, dass sämtliche beschriebenen Verlagerungen zum Nachteil der JAMAL theoretisch schon mithilfe der BRUDERSCHAFT vorgenommen werden könnten. Zudem werde anhand der Regelung zum Gas-Release-Programm in der Freistellungsentscheidung vom 7. Juli 2009 deutlich, dass es unabhängig vom Vergleichsvertrag möglich gewesen sei, Transportmengen zu verteilen.
121Aber selbst bei einer hypothetischen Verlagerung im Umfang von jährlich 9,86 Milliarden m3 zu Lasten der JAMAL handele es sich bei den prognostizierten Kostensteigerungen in Höhe von … % (für den virtuellen Gasfluss) bzw. … % (für den physischen Transport) um marginale Folgen, zumal diese nur einen Teil der Gesamtkostenkalkulation beträfen und auf verzerrenden Annahmen beruhten.
122Nicht plausibel sei weiterhin das Szenario zu etwaigen Verlagerungen zum Nachteil der BRUDERSCHAFT. Das Fehlen eines Auslastungszusammenhangs werde schon deutlich anhand der Lastflüsse im Dezember 2016 und Januar 2017, die in Velke Kapusany auf konstant hohen Niveau geblieben seien. Die dortige Dynamik werde in Wahrheit durch andere Faktoren, wie etwa Entnahmefluktuationen, verursacht und gerade nicht durch eine Mehr- oder Minderauslastung der OPAL.
123Abgesehen davon fehle es an einer nachvollziehbaren Darstellung der angeblichen Abhängigkeit des polnischen Südostens von einem einzelnen - auf einem Nebenarm der BRUDERSCHAFT befindlichen - Kopplungspunkt. Es sei schon unerfindlich, weshalb dem angeblichen Problem nicht durch Netzausbaumaßnahmen oder Buchungen bei ukrainischen Lieferanten entgegengewirkt worden sei. Bemerkenswert sei überdies, dass die Beschwerdeführerinnen selbst der Sache nach darlegten, dass sich etwa mit dem Bau der Baltic Pipeline die angebliche Bedeutung des Kopplungspunktes erledigen werde. Ergänzend sei die bis zum Ende des Jahres 2022 bestehende Verpflichtung der Beteiligten zu 3 zur Versorgung dieses Kopplungspunkts mit … Milliarden m3 pro Jahr zu berücksichtigen. Sie wäre selbstverständlich bereit gewesen, Verhandlungen über Lieferungen auch für den Folgezeitraum aufzunehmen. Die Beschwerdeführerin zu 1 und die Republik Polen hätten sich indes für die Beendigung des Bezugs von russischem Gas entschieden und wollten etwa LNG-Lieferungen in Anspruch nehmen.
124Danach seien die Beschwerden mit dem Antrag zu 1 mangels materieller Beschwer unzulässig. Es fehle auch an (der Möglichkeit) einer Verletzung drittschützender Normen. Soweit § 28a EnWG als drittschützende Vorschrift in Betracht zu ziehen sei, komme es auf deren bei Vertragsabschluss geltende Fassung an. Bei der insoweit von den Beschwerdeführerinnen in Ansatz gebrachten Gefährdung der Versorgungssicherheit handele es sich indes um einen zur öffentlichen Sicherheit zählenden, zwingenden Grund des Allgemeininteresses. Daran ändere auch die angebliche Garantenstellung oder Beleihung der Beschwerdeführerin zu 1 nichts, zumal diese Stellung weder aus den von ihr angeführten Bestimmungen ableitbar noch derartige Verpflichtungen des ausländischen öffentlichen Rechts geeignet seien, vor einem deutschen Gericht eine einklagbare Rechtsposition zu begründen. Nicht drittschützend sei § 28 Abs. 1 Nr. 5 EnWG auch hinsichtlich des darin genannten Wettbewerbs, was gerade durch die Regelung des § 1 EnWG belegt werde, jedenfalls aber zählten die Beschwerdeführerinnen in Ermangelung einer potentiellen Nutzung der OPAL oder eines Infrastrukturwettbewerbs nicht zum geschützten Personenkreis, und weil sie sich gegen Effekte aus der Teilregulierung von Verbindungskapazitäten wendeten, sei auch der sachliche Schutzbereich nicht betroffen. Soweit die Beschwerdeführerinnen sich auf den Grundsatz der Energiesolidarität beriefen, handele es sich wiederum um einen nicht-drittschützenden Rechtssatz, dem eine im Kern hochpolitische Ausgleichs- und Konfliktpräventionsfunktion zukomme. Nach alledem könnten die Beschwerdeführerinnen sich auch nicht auf § 58 Abs. 1 VwVfG stützen, da es den Beschwerdeführerinnen allenfalls - eine Substanz des Vorbringens unterstellt - um faktisch-mittelbare Auswirkungen gehe.
125Jedenfalls sei das Feststellungsbegehren aber unbegründet. So scheide ein etwaiges Ermessensdefizit aus, weil sich aus dem gesamten Vorbringen der Beschwerdeführerinnen keine wesentlichen Belange ergäben. Dementsprechend sei auch eine Verletzung des Grundsatzes der Energiesolidarität zu verneinen, die auch nicht durch die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union präjudiziert werde, da das Gericht der Europäischen Union im Rahmen einer einzelfallbezogenen Beweiswürdigung einen solchen Verstoß (lediglich) der Europäischen Kommission vorgeworfen habe.
126Auf ein (ohnehin nicht drittschützendes) Vertragsformverbot könnten die Beschwerdeführerinnen sich ebenfalls nicht berufen, zumal ein solches weder ausdrücklich geregelt noch aus § 29 Abs. 2 EnWG ableitbar sei, unter anderem weil kraft der Regelung des § 60 VwVfG die Möglichkeit zur Anpassung oder Kündigung eines Vertrags bestehen könne. Es hätten auch die Voraussetzungen des § 55 VwVfG vorgelegen, weil nach Inbetriebnahme der GAZELLE eine Ungewissheit bestanden habe, und insbesondere habe die Beteiligte zu 3 im Sinne eines Nachgebens vertragliche Verpflichtungen übernommen, die zur Gewährleistung des Drittzugangs erforderlich gewesen seien.
127Wegen der weiteren Einzelheiten des bisherigen Vorbringens wird auf die jeweiligen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
128VIII. Das aktuelle Vorbringen und die übereinstimmende Erledigung
129Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 haben die Beschwerdeführerinnen angekündigt, nicht mehr ihren bisherigen Antrag zu 1 stellen zu wollen, der dahin formuliert worden ist,
130die Bundesnetzagentur zu verurteilen, den am 28. November 2016 zwischen ihr und den Beteiligten zu 1 bis 3 geschlossenen Vergleichsvertrag zu beenden,
131hilfsweise festzustellen, dass der Vergleichsvertrag nichtig sei.
132Vielmehr begehren die Beschwerdeführerinnern insoweit nur noch die Feststellung der Nichtigkeit. Sie halten auch fest an den Anträgen zu 2,
133die Bundesnetzagentur unter Aufhebung des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 (BK7-16-167) zu verpflichten, die Anträge auf Beiladung zu dem regulierungsbehördlichen Verfahren betreffend den streitgegenständlichen Vergleichsvertrag mit der Beteiligten zu 1 u.a. (BK7-08-009 oder zu einem in dieser Sache neu eröffneten Verfahren) gemäß § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG unter Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
134hilfsweise festzustellen, dass sie zu diesem Verfahren hätten beigeladen werden müssen.
135Mit dem besagten Schriftsatz haben die Beschwerdeführerinnen unter anderem geltend gemacht, dass der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris Rn. 17) geschützte Interessen Dritter ausdrücklich benannt und mit dem Begriff „Gasversorgungsunternehmen“ natürlich sie gemeint habe.
136In der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022, auf deren Protokoll hier Bezug genommen wird, hat die Bundesnetzagentur eine Erklärung zur Anerkennung der Nichtigkeit des Vertrags vom 28. November 2016 abgegeben. An ihrer Rechtsauffassung zur Unzulässigkeit der Beschwerden hat die Bundesnetzagentur aber festgehalten. Die Beschwerdeführerinnen und die Bundesnetzagentur haben hierauf unter Stellung wechselseitiger Kostenanträge in Abwesenheit der nicht erschienenen Beteiligten zu 1 bis 3 übereinstimmend die Erledigung erklärt.
137B.
138I. Auf die übereinstimmenden Erledigungserklärungen war die aus der Beschlussformel ersichtliche Kostenentscheidung zu treffen.
1391. Erklärt ein Beschwerdeführer die Erledigung des Beschwerdeverfahrens und schließt die Bundesnetzagentur als Beschwerdegegnerin sich dieser Erklärung an, ist gemäß § 90 EnWG in Verbindung mit § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO und § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO nur noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden (Senatsbeschluss vom 13. Juli 2016 - VI-3 Kart 99/12 (V), juris Rn. 3). Zu einer solchen übereinstimmenden Erledigung ist es hier in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 gekommen. Dass die Beteiligten zu 1 bis 3 nicht zur Verhandlung erschienen und dementsprechend nicht zugestimmt haben, ist unschädlich (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2009 - EnVZ 52/08, NVwZ-RR 2009, 620 Rn. 7 ff.).
1402. Während bei einer einseitig gebliebenen Erledigungserklärung (lediglich oder mindestens) die Prüfung zu erfolgen hat, ob Erledigung im Rechtssinne tatsächlich eingetreten ist (vgl. zur Anfechtung einer kartellbehördlichen Entscheidung BGH, Beschluss vom 29. Oktober 1985 - KVR 1/84, juris Rn. 11; zum Verwaltungsprozessrecht siehe BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 - 4 C 7/88, juris Rn. 20; zum Zivilprozess BGH, Urteil vom 7. November 2019 - III ZR 16/18, juris Rn. 9), geben die Regelungen in § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO und § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO vor, dass eine Entscheidung nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu erfolgen habe. Auf die Feststellung eines erledigenden Ereignisses kommt es dabei im Ausgangspunkt nicht an (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 17. Juli 2018 - 5 W 629/18, juris Rn. 9; BeckOK-ZPO/Jaspersen, § 91a Rn. 5a [Stand: 1. Juli 2022]). Freilich kann im Rahmen der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen sein, ob es sich um eine ursprünglich zulässige und begründete Beschwerde gehandelt hat, die (allenfalls) durch den nachträglichen Eintritt unzulässig oder unbegründet geworden ist (für gedankliche Ausblendung des erledigenden Ereignisses explizit OLG Hamm, Urteil vom 9. Juli 2010 - 19 U 151/09, juris Rn. 21). Zu erwägen ist unter solchen Umständen allerdings auch, ob durch eine unbillig verzögerte Reaktion auf den Wegfall der Zulässigkeit oder Begründetheit vermeidbare Mehrkosten verursacht worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - KVR 23/98, juris Rn. 11).
1413. Nach dem Vorgesagten ergab sich die Kostenpflicht der Bundesnetzagentur daraus, dass die Beschwerden zumindest anfänglich weit überwiegend zulässig und begründet waren. Denn während sich zwar das ursprüngliche, auf Beendigung des Vergleichsvertrags gerichtete Hauptbegehren von vornherein als unzulässig erwiesen hätte, wäre auf die anfänglich hilfsweise gestellten, mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 zum Hauptantrag zu 1 heraufgestuften Feststellungsanträge die Nichtigkeit der mit dem Vertrag verbundenen Änderung der OPAL-Freistellungsentscheidung festzustellen gewesen, freilich vorbehaltlich eines Wegfalls der Zulässigkeit etwa infolge der behördlichen Erklärung im Verhandlungstermin vom 29. Juni 2022. Hieraus hätte sich bei wirtschaftlich-wertender Betrachtung ein voller Beschwerdeerfolg ergeben, wobei auch nicht ins Gewicht fiel, dass die gegen den Beschluss vom 20. Dezember 2016 eingelegten Verpflichtungsbeschwerden (Antrag zu 2) unbegründet, die dazu hilfsweise gestellten Feststellungsanträge unzulässig gewesen wären.
142Dass die vorerwähnte Einschätzung der ursprünglichen Erfolgsaussichten - wie im Folgenden deutlich werden wird - auf einer umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung beruht, welche die Beantwortung bislang ungeklärter Rechtsfragen einschließt, widerspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben aus § 91a ZPO. Zwar ist es nicht Zweck einer Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits nach § 91a ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden (BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2020 - IV ZB 11/20, NJW-RR 2020, 983 Rn. 7; vom 8. Mai 2012 - VIII ZB 91/11, juris Rn. 7). Daraus ergibt sich aber nicht ein Kostenteilungsanspruch desjenigen Verfahrensbeteiligten, der bei einer sachentscheidungsähnlichen Prüfungs- und Begründungstiefe benachteiligt würde. Der Verzicht auf die Beantwortung ungeklärter Rechtsfragen in der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO beruht in erster Linie auf prozessökonomischen Erwägungen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2004 - VIII ZR 327/03, juris Rn. 11). Es war jedoch gerade nicht unökonomisch, die vom Senat bereits vor Erlass und Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) gebildete und den Beteiligten im Verhandlungstermin unterbreitete Rechtsauffassung der hier zu treffenden Kostenentscheidung zugrunde zu legen.
1433.1. Die Feststellungsbeschwerden laut Antrag zu 1 wären bis zum eventuellen, hier freilich naheliegenden Wegfall der Beschwer bzw. des Feststellungsinteresses zulässig gewesen, nicht aber die jeweils anfänglich als Hauptbegehren formulierten Leistungsanträge. Einem formalen Misserfolg hätten die Beschwerdeführerin insoweit nur durch die - beabsichtigte und voraussichtlich mögliche - Heraufstufung des anfänglichen Hilfsantrags zum alleinigen Antrag zu 1 entgehen können.
1443.1.1. Soweit die Beschwerdeführerinnen in erster Linie die Beendigung des Vertrags erstreiten wollten, beruhte ihre Antragsfassung auf einem vom Senat nicht geteilten Verständnis des Rechtsschutzes Dritter gegen öffentlich-rechtliche Verträge. Sofern sich Gegenteiliges insbesondere aus dem Senatsbeschluss vom 30. Dezember 2016 ergeben hat (vgl. dort unter B I 1), hätte der Senat daran nicht festgehalten.
145Die allgemeine Leistungsbeschwerde ist im EnWG nicht geregelt, ihre Existenz aber gleichwohl anerkannt, wobei ihre Statthaftigkeit davon abhängt, ob nur durch sie ein lückenloser Rechtsschutz gewährleistet werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Juni 2007 - KVZ 35/06, juris Rn. 4). Eine Rechtsschutzlücke war hier zu verzeichnen, weil die Beschwerdeführerinnen weder zur Anfechtung des Vertrags vom 28. November 2016 noch zur Einlegung einer Verpflichtungsbeschwerde (§ 75 Abs. 3 EnWG) im Stande gewesen sind. Denn der Vertrag sollte eine anfechtbare Entscheidung im Sinne von § 75 Abs. 1 EnWG ersetzen, und die Bundesnetzagentur wäre nicht verpflichtet (und möglicherweise nicht einmal dazu befugt) gewesen, sich gerade mittels eines einseitig-hoheitlichen Akts vom Vertrag zu lösen. Dementsprechend hatte der ursprüngliche Hauptantrag ein schlicht-hoheitliches Handeln zum Gegenstand, das grundsätzlich der Leistungsbeschwerde zuzuordnen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Oktober 2017 - VI-3 Kart 70/17 (V), juris Rn. 21).
146Hier war indes zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerinnen unter Hinweis auf die Gesetzesbindung der Bundesnetzagentur die anfängliche Rechtswidrigkeit des Vertrags vom 28. November 2016 behaupten haben und daraus einen Beendigungsanspruch ableiten wollten. Die Bindung an Recht und Gesetz wird bei (öffentlich-rechtlichen) Verträgen der öffentlichen Hand allerdings - von (eventuellen) Sonderfällen abgesehen (vgl. dazu § 133 GWB) - nicht mittels eines Lösungsrechts oder einer Vertragsbeendigungspflicht des Hoheitsträgers gewährleistet, sondern - wie insbesondere die Beteiligten zu 2 und 3 zu Recht vorgebracht haben - nach Maßgabe des speziellen Fehlerfolgenregimes der §§ 54 ff. VwVfG. Dementsprechend haben die Beschwerdeführerinnen sich im Kern auch darauf beschränkt, die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Vertrags vom 28. November 2016 darzutun.
147Solche rechtlichen Gesichtspunkte wären nach den Maßstäben des Verwaltungsprozessrechts nicht mittels einer Leistungsklage, sondern im Wege der allgemeinen Feststellungsklage geltend zu machen gewesen (vgl. etwa OVG Hamburg, Urteil vom 6. Mai 2015 - 2 Bf 2/12, NJOZ 2016, 154 Rn. 57 f.). Dies gilt auch im Fall des Drittrechtsschutzes. So kann sich aus der Verletzung von Rechtsnormen - etwa drittschützender Bestimmungen - entweder die Unwirksamkeit des Vertrags im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2019 - V ZR 177/17, juris Rn. 47; VG Arnsberg, Urteil vom 11. Februar 2019 - 8 K 3527/17, juris Rn. 133 ff.; noch weitergehend offenbar BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - KZR 84/20, juris Rn. 40 ff. [Herleitung des Eingriffs bereits aus § 42 Abs. 2 VwGO]) oder aber dessen Nichtigkeit gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 59 Abs. 1 VwVfG ergeben (vgl. jeweils zu Art. 108 Abs. 3 AEUV BVerwG, Urteil vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3/15, juris Rn. 13; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Februar 2015 - OVG 6 B 24/14, juris Rn. 18 und 21 f.; ebenfalls für Anwendung des § 134 BGB BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, juris Rn. 34 m.w.N.; siehe ferner Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 9. Auflage § 59 Rn. 73 ff. [zur alternativ in Betracht kommenden Unwirksamkeit gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG] und § 60 Rn. 55 [zum vereinzelt erwogenen Lösungsrecht]). Hat der Dritte mit einem derartigen Feststellungsbegehren Erfolg, ist die Frage nach einer Vertragsbeendigungspflicht des Hoheitsträgers gegenstandslos.
148Der nach dem Vorgesagten zu verzeichnende logische Vorrang des rechtsschutzintensiveren Feststellungsantrags hätte - wie vor allem die Beteiligten zu 2 und 3 zutreffend vorgebracht haben - auch hier Geltung beansprucht. Denn zum Zwecke der Gewährleistung eines lückenlosen Rechtsschutzes ist nicht allein die Statthaftigkeit einer Leistungsbeschwerde, sondern auch die Zulässigkeit einer - im EnWG wiederum ungeregelten - Feststellungsbeschwerde anerkannt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2016 - EnVR 25/13, juris Rn. 30; vom 14. August 2008 - KVR 42/07, juris Rn. 80 f.).
149Die Zulässigkeit des Leistungsantrags hätte auch nicht auf das im Senatsbeschluss vom 26. Mai 2021 (VI-3 Kart 845/19 (V), juris Rn. 66 ff.) angenommene Umsetzungshindernis infolge der Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 durch das - damals noch nicht rechtskräftige, aber sofort wirksame - Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 10. September 2019 (T-883/16, juris) gestützt werden können. Hieran anknüpfend haben die Beschwerdeführerinnen gemeint, dass das vom Senat bejahte Umsetzungshindernis nicht temporärer Natur und einer Beseitigung zugänglich sei, sondern zur endgültigen Unwirksamkeit des Vertrags geführt habe. Auch insoweit ging es ihnen mithin nicht um eine Vertragskündigung oder -beendigung, die in der Senatsentscheidung vom 26. Mai 2021 (aaO Rn. 85) ohnehin nur beiläufig und zwar im Zusammenhang mit der Frage angesprochen worden ist, ob es angezeigt gewesen wäre, mit dem behördlichen Untersagungsbeschluss bis zum Abschluss einer eventuellen Neubewertung durch die Europäischen Kommission zuzuwarten. Abgesehen davon hat der Bundesgerichtshof die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1 und 3 gegen den genannten Senatsbeschluss mit Beschluss vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) zurückgewiesen und in den Entscheidungsgründen nicht auf ein Umsetzungshindernis, sondern die Nichtigkeit und Unwirksamkeit des Vertrags vom 28. November 2016 abgestellt (aaO Rn. 11 ff.).
150Denkbar wäre ein Leistungsantrag nach alledem allenfalls unter dem Gesichtspunkt einer nach Abschluss des Vertrags vom 28. November 2016 veränderten Sachlage gewesen, etwa mit der Begründung, dass neu eingetretene Tatsachen (vgl. § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwVfG) oder nunmehr betrofffene Interessen (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG) die Vertragsbeendigung gebieten. Denn für die Rechtmäßigkeit des Vertrags kommt es - wie allgemein bei der Prüfung eines Gesetzesverstoßes im Sinne von § 134 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - I ZR 231/10, juris Rn. 21) - im Grundsatz auf die im Zeitpunkt seines Abschlusses maßgeblichen Verhältnisse an (siehe auch BVerwG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 8 C 4/11, NVwZ 2013, 209 Rn. 52; BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - KVR 14/01, juris Rn. 36; NK-VwVfG/Mann, 2. Auflage § 59 Rn. 54 f.), soweit nicht einem späteren Geschehen ausnahmsweise Rückwirkung zukommt. Dementsprechend ist eine Freistellung im Sinne von § 28a EnWG mit einer prognostischen Bewertung verbunden (siehe dazu Europäische Kommission, SEC (2009) 642 final Rn. 35), etwa soweit gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG (a.F.) zu beurteilen war, ob die Ausnahme sich nicht nachteilig auf den Wettbewerb, das effektive Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes oder das effiziente Funktionieren des regulierten Netzes auswirkt, an das die Infrastruktur angeschlossen ist. Stellt sich eine derartige - ursprünglich fehlerfreie - Einschätzung nachträglich als unrichtig heraus, hat das grundsätzlich nicht deren anfängliche Rechtswidrigkeit zur Folge (vgl. aber auch BVerfG, Beschluss vom 23. Oktober 2018 - 1 BvR 2523/13 und 1 BvR 595/14, NVwZ 2019, 52 Rn. 28).
151Ob und inwieweit nachträglich eingetretene Umstände einen Dritten danach dazu berechtigen könnten, den an einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beteiligten Hoheitsträger zur Prüfung eines eventuellen Lösungsrechts zu veranlassen, wäre hier aber nicht weiter erheblich gewesen. Denn die Beschwerdeführerinnen hatten nicht etwa - jedenfalls nicht primär - einen erst nach dem 28. November 2016 entstandenen Vertragsbeendigungsanspruch geltend gemacht. Vielmehr diente ihr Vorbringen zur Entwicklung des Geschehens seit Anhängigkeit ihrer Beschwerden der Untermauerung ihres Standpunktes, dass der Vertrag bereits bei Abschluss gesetzwidrig gewesen sei.
1523.1.2. Soweit die Beschwerdeführerinnen mit ihren - nach dem Vorgesagten allein statthaften - Feststellungsbeschwerden wörtlich die Nichtigkeit des auf den 28. November 2016 datierten Vertrags geltend gemacht haben, also bei verständiger Würdigung die Feststellung der Nichtigkeit der vertraglichen Abänderung der Freistellungsentscheidung erstreiten wollten, hätte sich die Beschwerdebefugnis in entsprechender Anwendung des § 75 Abs. 2 EnWG bestimmt. Es wäre mithin darauf angekommen, ob die Beschwerdeführerinnen materiell beschwert und auch im Übrigen nach den zur dieser Regelung entwickelten Grundsätzen beschwerdebefugt waren. Soweit der Senat in den Beschlüssen vom 30. Dezember 2016 und 11. Oktober 2017 die Vorschrift des § 75 Abs. 2 EnWG als nicht einschlägig bezeichnet und vielmehr insbesondere die Frage einer eventuell drittschützenden Wirkung des § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG als maßgeblich erachtet hat, hätte der Senat daran nicht festgehalten. Im Einzelnen:
1533.1.2.1. Richtig ist, dass das Verwaltungsprozessrecht der verfassungsrechtlich verankerten Unterscheidung zwischen objektivem und subjektivem Recht grundsätzlich folgt. Indem § 42 Abs. 2 VwGO dem Kläger abverlangt, eine Verletzung seiner Rechte geltend zu machen, wird das durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebene subjektiv-rechtliche Konzept des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt umgesetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1993 - 7 A 3/92, juris Rn. 14). Damit korrespondiert die Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, nach welcher nicht allein die objektive Rechtswidrigkeit, sondern erst die dadurch bewirkte subjektive Rechtsverletzung des Klägers zur gerichtlichen Aufhebung des von ihm angefochtenen Verwaltungsakts führt. Dementsprechend kommt es bei einer verwaltungsprozessualen Drittanfechtungsklage gerade - und regelmäßig allein - auf die Verletzung drittschützender Normen an (vgl. dazu etwa BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 1996 - 11 B 90/95, juris Rn. 3). Ein solcher Drittschutz ist im öffentlichen Wirtschaftsrecht etwa bejaht worden zu Gunsten eines Wettbewerbers eines Beihilfebegünstigten mit Blick auf das in Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV geregelte beihilferechtliche Durchführungsverbot (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Oktober 2016 - 10 C 3/15, juris Rn. 13; vom 16. Dezember 2010 - 3 C 44/09, juris Rn. 13 ff.). Ebenfalls verwaltungsprozessual anfechtungsbefugt ist ein Dritter, der unter Bezugnahme auf § 21 TKG die Bedingungen des von ihm genutzten Zugangs zum Netz eines regulierten Unternehmens verbessern und nicht lediglich mittelbare Nachteile für eine von diesem Zugang unabhängige Wettbewerbsposition abwehren will (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 2018 - 6 C 50/16, juris Rn. 13). Berücksichtigung finden kann schließlich eine grundrechtsrelevante (unzumutbare) Verwerfung der Konkurrenzverhältnisse durch drittbegünstigendes staatliches Handeln (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2011 - 3 C 41/10, juris Rn. 21), was im Ausgangspunkt freilich die Grundrechtsberechtigung des Betroffenen voraussetzt, welche hier aufgrund der staatlichen Beherrschung der Beschwerdeführerinnen zumindest nicht selbstverständlich ist (vgl. dazu BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11, juris Rn. 200).
1543.1.2.2. Das Rechtsschutzsystem des EnWG ist hingegen anders strukturiert, soweit es um die Anfechtung behördlicher Entscheidungen geht (siehe dazu auch Schütte, EnWZ 2020, 398, 402 f.). Indem § 75 Abs. 2 EnWG die Beschwerdebefugnis an die Beteiligtenstellung knüpft, wird eine Beschwerdemöglichkeit solchen Dritten eröffnet, die auf Antrag eine Beiladung unter Hinweis auf eine erhebliche Berührung ihrer Interessen im Sinne von § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG erwirkt haben und durch die angefochtene Entscheidung materiell beschwert sind. Danach begründet die formale Stellung als Beiladungsbeteiligter zwar für sich genommen noch nicht die Beschwerdebefugnis (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2019 - EnVR 5/18, juris Rn. 13 m.w.N.). Für die materielle Beschwer genügt es aber, dass der Beteiligte durch die angefochtene Verfügung in seinen wirtschaftlichen Interessen unmittelbar und individuell betroffen ist. Eine rechtliche Betroffenheit bzw. eine subjektive Rechtsverletzung im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist hingegen nicht erforderlich (BGH aaO Rn. 19; Beschluss vom 24. Juni 2003 - KVR 14/01, juris Rn. 15). Damit korrespondiert, dass für eine Beiladung nach § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG erhebliche wirtschaftliche Interessen ausreichen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08, juris Rn. 17). Dies wiederum erklärt, weshalb der Begriffskategorie des subjektiven Rechts in Verfahren nach § 75 EnWG regelmäßig eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt. Hierauf wird meist nur beiläufig Bezug genommen, und zwar soweit es um die Voraussetzungen der notwendigen Beiladung geht, also die Frage nach einer unmittelbaren Rechtsbetroffenheit des Dritten in Rede steht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2010 - EnVR 52/09, juris Rn. 16 ff.; vom 9. Juli 2019 aaO Rn. 15; Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 - VI-3 Kart 117/15 (V), juris Rn. 60 ff.; BeckOK-VwGO/Schmidt-Kötters, § 42 Rn. 158.1 [Stand: 1. Oktober 2019]).
155Von einer unmittelbaren rechtlichen Betroffenheit im vorgenannten Sinn ist allerdings nur ausnahmsweise auszugehen, etwa bei einem unmittelbar regelnden Eingriff in eine bestehende Privatrechtslage (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, juris Rn. 19 f.), nicht aber bei einem bloßen direkten Wettbewerbsverhältnis (vgl. zur Fusionskontrolle BGH, Beschluss vom 22. Februar 2005 - KVZ 20/04, juris Rn. 5 f.). Dass vom Vergleichsvertrag für die Beschwerdeführerinnen keine derartige unmittelbare Regelungswirkung ausgeht, also die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nicht vorgelegen haben, hat der Senat in den Beschlüssen vom 30. Dezember 2016 (unter B III 2 3) und 11. Oktober 2017 (unter B II 1 1) zum Ausdruck gebracht. Diese Bewertung ist von den Beschwerdeführerinnen nicht näher in Zweifel gezogen worden, und den Beschlüssen des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (KZR 84/20 und EnVR 36/21, jeweils juris) ist ebenfalls kein Anhaltspunkt für eine unmittelbare rechtliche Betroffenheit einiger oder aller Marktakteure zu entnehmen. Denn während der Bundesgerichtshof im Verfahren KZR 84/20 - bemerkenswerterweise unter Bezugnahme auf die bei § 42 VwGO geltenden Grundsätze - den drittschützenden Charakter mehrerer eisenbahnrechtlicher Regelungen zu Gunsten von Zugangsberechtigten und (schon) deshalb einen Eingriff im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG bejaht hat (vgl. aaO Rn. 43), ist dieser Aspekt im Beschluss aus dem nach dem EnWG zu beurteilenden Verfahren EnVR 36/21 unerwähnt geblieben, und dies obwohl offensichtlich nutzungsinteressierte Dritte - zu denen die Beschwerdeführerinnen freilich nicht zählen - von der (Abänderung der) Freistellung der OPAL betroffen sein konnten.
156Mit den aufgezeigten engen Voraussetzungen einer notwendigen Beteiligung im Sinne des EnWG korrespondiert, dass gesetzliche Normen zum Schutz des Wettbewerbs - wie es etwa in Bezug auf § 36 GWB angenommen worden ist - allein im öffentlichen Interesse bestehen können, also dem Wettbewerber nicht zwangsläufig subjektive Rechte verleihen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 - KVZ 40/05, juris Rn. 2; kritisch Bremer/Scheffczyk, NZKart 2017, 464, 466). Vergleichbar hierzu hat der Senat die Zweckrichtung des § 1 EnWG - insoweit vom Bundesgerichtshof in der Rechtsbeschwerdeinstanz unbeanstandet (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2019 - EnVR 5/18, juris Rn. 15 ff.) und entgegen der von den Beschwerdeführerinnen vertretenen Auffassung - dahin gedeutet, dass es dem Gesetzgeber nicht um die Interessen einzelner Netznutzer oder Wettbewerber, sondern um die Förderung der gemeinsamen Nutzerinteressen durch Förderung des Wettbewerbs gegangen sei (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2018 - VI-3 Kart 1202/16 (V), juris Rn. 27; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 51/09, juris Rn. 19 f.). Für den Dritten ergeben sich daraus für sich genommen aber keine Nachteile, weil eben nicht im engeren Sinn seine subjektiven Rechte maßgeblich sind, sondern die Beschwerdebefugnis - wie dargelegt - auf der materiellen Beschwer beruht.
157Freilich werden die so ausgestalteten Rechtsschutzmöglichkeiten des Dritten partiell wiederum eingeschränkt, indem es nicht allein auf dessen materielle Beschwer, sondern auch auf seine formale Beteiligtenstellung ankommt. Ist der Dritte nicht Beteiligter des Verwaltungsverfahrens gewesen und auch nicht im vorerwähnten Sinne rechtlich betroffen, fehlt es regelmäßig an der Befugnis, die Entscheidung der Bundesnetzagentur anzufechten (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 51/09, juris Rn. 9 ff.).
158Nach ständiger Rechtsprechung sind allerdings zwei Ausnahmen vom vorgenannten Grundsatz anerkannt. So ist ein Dritter erstens auch dann beschwerdebefugt, wenn in seiner Person die subjektiven Voraussetzungen für eine Beiladung vorliegen, sein (rechtzeitiger) Beiladungsantrag allein aus verfahrensökonomischen Gründen abgelehnt worden ist und er geltend machen kann, durch die Entscheidung unmittelbar und individuell betroffen zu sein (BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08, juris Rn. 14 ff.). Entsprechendes gilt zweitens, wenn die Stellung eines Beiladungsantrags unverschuldet versäumt worden ist (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 51/09, juris Rn. 10), etwa weil das Verfahren in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, juris Rn. 15). Mit dem so ausgestalteten Rechtsschutz ist das der RL 2009/73/EG zu entnehmende Rechtsschutzgebot in einem ausreichenden Maße umgesetzt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 aaO Rn. 21).
1593.1.2.3. Die vorgenannten Grundsätze wären auch hier zur Anwendung gelangt, obwohl die Beschwerdeführerinnen mit ihrem Antrag zu 1 nicht etwa Anfechtungsbeschwerden eingelegt, sondern den Vertrag vom 28. November 2016 (hilfsweise) mit einer Feststellungsbeschwerde angegriffen haben (so wohl auch - aber ohne Begründung - Boos in Theobald/Kühling, Energierecht § 75 EnWG Rn. 59 [Werkstand: 115. Ergänzungslieferung]).
160Die sinngemäße Heranziehung der Regelungen zur Anfechtungsbeschwerdebefugnis hätte nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu allgemeinen Feststellungsanträgen im Beschwerdeverfahren nach dem EnWG gestanden. Zwar soll die Statthaftigkeit solcher Beschwerden nach dem Bundesgerichtshof davon abhängen, ob sie zur Gewährung eines lückenlosen Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich sind, und die Zulässigkeit solcher Anträge soll in entsprechender Anwendung der Regelungen der VwGO beurteilt werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. April 2016 - EnVR 25/13, juris Rn. 30; vom 14. August 2008 - KVR 42/07, juris Rn. 80 f.). Die Vorschrift des § 75 Abs. 2 EnWG sowie das Kriterium der materiellen Beschwer sind mithin unerwähnt geblieben. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Bundesgerichtshof sich bislang nicht mit der hier maßgeblichen Konstellation des energiewirtschaftsrechtlichen Drittrechtsschutzes gegen einen entscheidungsersetzenden Vertrag zu befassen hatte.
161Mit der von der Bundesnetzagentur im Mai und November 2016 gewählten Handlungsform sind Besonderheiten solcher Art verbunden gewesen, welche die Heranziehung der für Anfechtungsbeschwerden geltenden Grundsätze geboten hätten.
162Mittels der formellen Beschwerdevoraussetzungen und des Kriteriums der materiellen Beschwer wird - wie bereits dargelegt - eine bloße wirtschaftliche Betroffenheit im Ergebnis zur wehrfähigen Rechtsposition heraufgestuft (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 23. September 2009 - VI-3 Kart 25/08 (V), juris Rn. 73). Der so ausgestaltete Drittrechtsschutz droht indes bei einer uneingeschränkten Heranziehung der verwaltungsprozessualen Grundsätze verkürzt zu werden, wenn - wie hier - eine Entscheidung im Sinne von § 75 Abs. 1 EnWG durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag ersetzt werden sollte. Eine solche Verkürzung ist jedenfalls dann zu besorgen, wenn man die Zulässigkeit einer Feststellungsklage davon abhängig macht, dass der Kläger geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen (so BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 6 B 2/11, juris Rn. 6; Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10/08, juris Rn. 24; etwas einschränkend BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 10 C 18/14, juris Rn. 17). Denn bei einer uneingeschränkten Übertragung dieses Prüfungsmaßstabs auf das Feststellungsbeschwerdeverfahren nach dem EnWG könnte zwar ein (möglicher) vertragsmäßiger Eingriff in ein subjektives Recht und das damit eventuell verknüpfte Zustimmungserfordernis im Sinne von § 58 Abs. 1 VwVfG einer gerichtlichen Kontrolle zugeführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - KZR 84/20, juris Rn. 43 ff.; VG Arnsberg, Urteil vom 11. Februar 2019 - 8 K 3527/17, juris Rn. 125 ff.), nicht aber eine bloße (unmittelbare und individuelle) wirtschaftliche Betroffenheit, die für eine Anfechtungsbeschwerde ausreichend gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2019 - EnVR 5/18, juris Rn. 13 ff.) und den Umfang der materiellen Überprüfung durch das Beschwerdegericht vorgegeben hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - KVR 14/01, juris Rn. 18).
163Eine Verkürzung des Rechtsschutzes allein aufgrund der behördlichen Handlungsform wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG bzw. dem allgemeinen rechtsstaatlichen Willkürverbot (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2015 - 10 C 18/14, juris Rn. 23) nicht zu vereinbaren. Der energiewirtschaftsrechtliche Rechtsschutz wäre lückenhaft, obwohl der Bundesgerichtshof mit der Anerkennung von Feststellungsbeschwerden gerade das Gegenteil zu erreichen erstrebt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 25/13, juris Rn. 30). Erst recht wäre eine Verkürzung des Drittrechtsschutzes nicht hinnehmbar, wenn man mit dem Bundesgerichtshof (Beschluss vom 5. April 2022 - EnVR 36/21, juris Rn. 11 ff.) annimmt, dass die Bundesnetzagentur hier nicht einmal dazu befugt war, von dem Mittel eines Vertrags Gebrauch zu machen (zweifelnd zuvor auch Thole in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Auflage § 28a EnWG Rn. 26). Dabei ergibt sich gerade aus der höchstrichterlichen Herleitung des Vertragsformverbots, dass auch der Bundesgerichtshof Rechtsschutzerschwernisse infolge der Handlungsform missbilligt. Denn er hat in seinem Beschluss vom 5. April 2022 unter anderem aufgezeigt, dass ein Vergleichsvertrag keine ausreichende Begründung für die Freistellung nach § 28a EnWG enthalten könne, was zu einer Beeinträchtigung der Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter führen könne (aaO Rn. 17).
164Nicht entscheidend wäre in diesem Zusammenhang gewesen, ob die Beschwerdeführerinnen sich als vom polnischen Staat beherrschte Unternehmen nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf deutsche Grundrechte (vgl. BVerfG, Urteil vom 6. Dezember 2016 - 1 BvR 2821/11, juris Rn. 200; zu Art. 19 Abs. 4 GG; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 22. Februar 2019 - 2 BvR 2203/18, NVwZ 2019, 642 Rn. 18 ff.; BVerwG, Urteil vom 27. September 2018 - 7 C 23/16, NVwZ 2019, 163 Rn. 14) oder aber Unionsgrundrechte hätten berufen können (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2020 - 2 BvR 1845/18 und 2 BvR 2100/18, NJW 2021, 1518 Rn. 36 m.w.N.). Maßgeblich wäre vielmehr gewesen, dass die einfachrechtlichen Regelungen zur Anfechtungsbeschwerdebefugnis den Betroffenen gerade von der - bisweilen komplexen - Unterscheidung zwischen wirtschaftlichen Interessen und Rechtseingriffen entbinden. Dementsprechend war die in der hiesigen Sache aufgeworfene Frage nach einer eventuell drittschützenden Wirkung der § 28a EnWG und Art. 194 Abs. 1 AUEV und einer darauf beruhenden beiladungsunabhängigen Beschwerdebefugnis (ablehnend zu § 28a EnWG etwa Wegner, Regulierungsfreistellungen für neue Elektrizitäts- und Erdgasinfrastrukturen, S. 292 ff.) dem Beschwerdeverfahren nach dem EnWG - wie bereits dargelegt - typischerweise eher fremd (anschaulich BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - EnVR 1/08, juris Rn. 17, gerade unter Berücksichtigung der Vorinstanz OLG Naumburg, Beschluss vom 14. November 2007 - 1 W 35/06 (EnWG), juris Rn. 17). Denn soweit eine an § 42 Abs. 2 VwGO angelehnte eigenständige Beschwerdebefugnis bejaht wird, wird zumeist bloß die Fallkonstellation einer unmittelbaren Regelungswirkung - etwa im Sinne einer Umgestaltung der Privatrechtslage - in den Blick genommen (siehe hierzu BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, juris Rn. 17 ff.; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht 6. Auflage § 63 GWB Rn. 22 f.; Günther/Brucker, NVwZ 2015, 1735, 1737).
165Ob die aufgezeigte Praxis ausschließlich auf das Fehlen subjektiver Rechte oder deren Umfang (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - KVR 27/04, juris Rn. 26), die im Einzelfall gesehene Möglichkeit anderweitigen Rechtsschutzes (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - EnVR 51/09, juris Rn. 14) oder aber eben doch auf die Erwägung zurückzuführen ist, dass die formellen Beschwerdevoraussetzungen des § 75 Abs. 2 EnWG bei einer bloß mittelbaren rechtlichen Beeinträchtigung mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein könnten (vgl. zu materiellen Präklusionsbestimmungen BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 1982 - 2 BvR 1187/80, juris Rn. 75 ff.; siehe aber auch BVerfG, Beschluss vom 18. Mai 2009 - 1 BvR 1731/05, NVwZ 2009, 1282 Rn. 19), wenn man denn über ein Korrektiv für den Fall einer unverschuldet versäumten Beiladung verfügt, wäre nicht weiter entscheidend gewesen. Denn die hier gesehene Notwendigkeit zur Schließung von Rechtsschutzlücken wäre davon unabhängig gewesen. Sie hätte nicht mithilfe einer Ausdehnung des Kreises der unmittelbar rechtlich betroffenen Dritten oder eines dem Einzelfall geschuldeten Verständnisses subjektiver Rechte gewährleistet werden können, da die Rechte Dritter und deren Betroffenheit sich aus dem materiellen Recht ergeben, also nicht anhand der konkret statthaften Beschwerdeart oder der behördlichen Handlungsweise zu bestimmen sind. Zur Lückenschließung wäre es deshalb angezeigt gewesen, einem materiell beschwerten Dritten ohne Rücksicht auf eine subjektive Rechtsverletzung eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen einen öffentlich-rechtlichen und entscheidungsersetzenden Vertrag der Bundesnetzagentur zu eröffnen und einen solchen Vertrag gegebenenfalls umfassend - allenfalls begrenzt durch den Umfang der konkreten materiellen Beschwer (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - KVR 14/01, juris Rn. 18) - zu überprüfen.
1663.1.3. Unter Anlegung des vorgenannten Maßstabs hätten sich die Feststellungsbeschwerden jedenfalls anfänglich als zulässig erwiesen.
1673.1.3.1. Der Senat hätte - auch eingedenk der Begründung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) - wohl keine Bedenken gehabt, die Beschwerdebefugnis eines durch den Vertrag vom 28. November 2016 materiell beschwerten Dritten im Ausgangspunkt von seiner Beteiligung im Verwaltungsverfahren abhängig zu machen. Denn gerade die damit verbundene vollständige Übertragung der Grundsätze zur Anfechtungsbeschwerdebefugnis wäre dem entscheidungsersetzenden Charakter des Vertrags vom 28. November 2016 gerecht geworden.
168Richtig ist allerdings, dass das Gesetz die in § 9 VwVfG nebeneinander genannten Handlungsformen des Verwaltungsakts und des öffentlich-rechtlichen Vertrags unterschiedlichen Regelungen unterwirft. So fehlt es insbesondere an Vorschriften zur Bestandskraft öffentlich-rechtlicher Verträge mit Auswirkungen für Dritte (zu dahingehenden legislatorischen Empfehlungen siehe den Bericht des Beirats Verwaltungsverfahrensrecht, NVwZ 2002, 834, 835). Dementsprechend waren die Beschwerdeführerinnen bei Einlegung ihrer Feststellungsbeschwerden auch nicht an die Frist des § 78 Abs. 1 EnWG gebunden (vgl. Huber in Kment, EnWG 2. Auflage § 78 Rn. 2; Johanns/Roesen in Säcker, Berliner Kommentar zur Energierecht, 4. Auflage § 78 EnWG Rn. 5).
169Diesen rechtlichen Unterschieden zwischen Verwaltungsakt und Vertrag hätte hier aber eine rechtsschutzbezogene Erwägung gegenüber gestanden. Aus der behördlichen Handlungsform sollen sich keine willkürlichen Nachteile für den beschwerdewilligen Dritten ergeben. Solche Nachteile könnten zwar vermieden werden, indem man die Zulässigkeit einer Drittfeststellungsbeschwerde allein von der materiellen Beschwer abhängig machte. Damit wäre aber zugleich - wie die Beteiligten zu 2 und 3 zu Recht vorgebracht haben - eine Bevorteilung verbunden, die dem Sinn der Anerkennung von Feststellungsbeschwerden zuwiderliefe. Denn mit ihnen sollen gerade Rechtsschutzlücken geschlossen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 25/13, juris Rn. 30).
170Die Verfahrensweise der Bundesnetzagentur war hier auch nicht derart gesetzeswidrig, dass ihrem Handeln der Charakter eines beteiligungsfähigen behördlichen Verfahrens von vornherein und insgesamt abzusprechen wäre.
171Richtig ist, dass die behördliche Befugnis zur Freistellung im Sinne von § 28a EnWG - oder zur Abänderung einer solchen Entscheidung - im Wege eines öffentlichen-rechtlichen Vertrags unter verschiedenen Gesichtspunkten bezweifelt worden (so etwa Thole in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Auflage § 28a EnWG Rn. 26; siehe hierzu auch BVerwG, Urteil vom 21. September 2018 - 6 C 7/17, juris Rn. 69 ff.) und vom Bundesgerichtshof im Beschluss vom 5. April 2022 (EnVR 36/29, juris Rn. 11 ff.) inzwischen ausdrücklich verneint worden ist. Entscheidend wäre aus Sicht des Senats in diesem Zusammenhang aber nicht das Vertragsformverbot, sondern vielmehr die Frage gewesen, ob das konkrete behördliche Handeln insgesamt von solch informeller Natur war (allgemein zum sogenannten informellen Verfahren siehe Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 9. Auflage § 9 Rn. 172 ff.), dass einem Dritten schon unter diesem Gesichtspunkt das Unterlassen eines Beiladungsantrags nicht entgegengehalten werden konnte. Dies wäre nicht der Fall gewesen.
172Zwar deuteten sowohl die Gespräche im Rahmen der OPAL-Working-Group als auch die offenbare Nichtkonsultation Dritter auf einen informellen Charakter des Handelns der Bundesnetzagentur hin, zumal das von den Beteiligten zu 1 bis 3 beantragte Wiederaufgreifen des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt formal beschlossen worden war. Der so begründete Eindruck eines informellen Tätigwerdens wurde noch dadurch verstärkt, dass der Anstoß zur „Wiederbelebung“ des ursprünglichen „Ansatzes“ - d.h. des Vergleichsvertrags aus dem Jahre 2013 - ausweislich des beigezogenen Verwaltungsvorgangs erst am 19. oder 20. April 2016 und damit wenige Wochen vor Unterzeichnung desjenigen Vertragstextes vom 11. Mai 2016 gegeben worden war, der sodann der Europäischen Kommission zur Prüfung zugeleitet wurde. Spätestens mit der hierauf veranlassten Veröffentlichung von Informationen zum Vertragsabschluss sowie der in Gang gesetzten Beteiligung der Europäischen Kommission bewegte sich das Handeln der Bundesnetzagentur indes erkennbar im verfahrensmäßigen Rahmen (zur intertemporalen Anwendbarkeit des Art. 36 RL 2009/73/EG vgl. EuGH, Urteil vom 26. März 2015 - C-596/13, juris Rn. 32 ff.). Dementsprechend gebrauchte die Bundesnetzagentur in ihrer Antwort auf die Eingabe der Beschwerdeführerin zu 2 vom 23. September 2016 den Begriff des „laufenden Verfahrens“.
173Es unterlag entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch keinen Bedenken, dass die Bundesnetzagentur die vorerwähnte schriftliche, in englischer Sprache verfasste Eingabe der Beschwerdeführerin zu 2 vom 23. September 2016 nicht als Beiladungsantrag begriffen hat. Denn darin sind lediglich allgemeine rechtliche Bedenken geäußert worden, ohne dass ein förmlicher Antrag ausdrücklich oder wenigstens sinngemäß gestellt worden wäre (vgl. dazu auch BGH, Beschluss vom 22. Februar 2005 - KVZ 20/04, juris Rn. 5).
174Die Beschwerdeführerinnen hätten sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen können, dass sie noch am 28. November 2016 um 23:23 Uhr per Fax ausdrücklich die Beiladung beantragt hatten. Denn eine Beiladung kam zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Betracht, weil der von den Beschwerdeführerinnen angegriffene öffentlich-rechtliche Vergleichsvertrag bereits unterzeichnet worden war.
175Zu den nach § 85 Nr. 2 EnWG anwendbaren Bestimmungen zum zivilprozessualen Beweisverfahren zählt die Regelung des § 417 ZPO. Gemäß dieser Vorschrift begründen die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Der Geltungsbereich dieser Bestimmung beschränkt sich nicht allein auf die in ihr ausdrücklich genannten Urkunden. Vielmehr erfasst sie über ihren Wortlaut hinaus jede auf Außenwirkung gerichtete urkundliche Willenserklärung einer Behörde, die diese innerhalb der Grenzen ihres Amtsbereichs abgibt (BGH, Beschluss vom 4. April 2011 - V ZB 207/10, juris Rn. 19). Zu den von § 417 ZPO einbezogenen Willenserklärungen zählt deshalb auch die behördliche Zustimmung zu einem verwaltungsaktersetzenden Vertrag, dessen Original sich im beigezogenen Verwaltungsvorgang befindet.
176Die danach eingreifende Beweiswirkung erstreckt sich auf äußere Umstände, namentlich das - hier auf den 28. November 2016 lautende - Datum der behördlichen Erklärung (Feskorn in Zöller, Zivilprozessordnung 34. Auflage § 417 ZPO Rn. 3 m.w.N.; zu § 416 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1990 - II ZR 309/88, juris Rn. 16). Im Wege einer daran anknüpfenden - aber auch einer selbständigen - Gesamtschau hätte der Senat sich von der Richtigkeit des übereinstimmenden und detaillierten Vorbringens der Bundesnetzagentur sowie der Beteiligten zu 1 bis 3 zu den Umständen des Vertragsschlusses einschließlich der Uhrzeit und Empfangsvertretung überzeugt.
177So leuchtete es ohne weiteres ein, dass vorsorglich auf den Erlass des Abänderungsverlangens der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 und nicht auf die Zustellung dieser Entscheidung abgestellt wurde, um den Lauf und das Ende der Monatsfrist nach Art. 36 Abs. 9 Unterabsatz 3 RL 2009/73/EG zu bestimmen. Die dazugehörigen Behauptungen der Bundesnetzagentur und der Beteiligten zu 1 und 3 wurden durch den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs bestätigt, da schon in einer E-Mail der Bundesnetzagentur vom 31. Oktober 2016 ausdrücklich auf das Ende der Frist am „28. November 2016“ hingewiesen worden war. Dass gerade in den Nachmittagsstunden des 28. November 2016 - und nicht erst zur Nachtzeit nach 23:23 Uhr - die Unterzeichnung stattgefunden hat, ergab sich ergänzend aus den dokumentierten, bereits am fraglichen Nachmittag ergriffenen Maßnahmen zur Veröffentlichung von Informationen über den Vertragsabschluss. Schließlich datierte auch das an die Europäische Kommission gerichtete Informationsschreiben auf den 28. November 2016. Vor diesem Hintergrund erwies sich die von den Beschwerdeführerinnen hervorgehobene Datumsangabe („30.11.2016“) in den Geschäftsbedingungen der Beteiligten zu 1 - auch eingedenk des weiteren Vorbringens zu eventuellen Verfahrensverstößen - als eine offensichtlich irrtümliche Fehlinformation ohne Aussagekraft.
178Der Senat hätte auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerinnen geteilt, dass die Beiladungsanträge zumindest deshalb rechtzeitig waren, weil das Verwaltungsverfahren frühestens mit dem Ablauf der Frist zur Ausübung des der Beteiligten zu 3 eingeräumten Kündigungsrechts beendet worden sei oder gar andauere, weil der Vertrag in Rechte Dritter eingreife und daher nichtig sei.
179Zwar mag in dogmatischer Hinsicht der genaue Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses in den Fällen fehlender Zustimmung (§ 58 Abs. 1 VwVfG), unerkannter Vertragsnichtigkeit oder - soweit es um Verwaltungsakte geht - ausstehender Bestandskraft im Einzelnen streitig sein (vgl. dazu Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 9. Auflage § 9 Rn. 193 ff.). Darauf wäre es im hier maßgeblichen Zusammenhang aber nicht angekommen. Entscheidend wäre die spezifische Funktion einer Beiladung im Sinne von § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG gewesen, die insbesondere darin besteht, die behördliche Entscheidung auf eine breitere, den Interessen der anderen Marktbeteiligten Rechnung tragende Grundlage zu stellen (BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, juris Rn. 10). Dieser Zweck hätte offensichtlich nicht mehr erfüllt werden können, wenn die Bundesnetzagentur - wie hier am Nachmittag des 28. November 2016 - die letzte behördliche Handlung vorgenommen hat und der Fortbestand der so erzielten Vereinbarung allenfalls noch von Entschlüssen Dritter abhing. Erst recht wäre es nicht angezeigt angewesen, zu Gunsten eines (wirtschaftlich betroffenen) Beschwerdeführers die Nichtigkeit des Vertrags und eine daraus (möglicherweise) abzuleitende Nichtbeendigung des Verfahrens im Zeitpunkt des Beiladungsantrags zu unterstellen. Die Rechtsprechung zu sogenannten doppelrelevanten Tatsachen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Juli 2014 - VIII ZR 376/13, juris Rn. 23 m.w.N.) ist insoweit nicht einschlägig.
1803.1.3.2. Indes wäre es für die Frage einer schuldlosen Nichtbeteiligung am behördlichen Verfahren ausnahmsweise nicht auf den - beiladungsspezifisch bestimmten - Verfahrensabschluss in Gestalt der Unterzeichnung und Aushändigung der Vertragsexemplare vom 28. November 2016 und die zuvor ab dem 13. Mai 2016 öffentlich zugänglichen Informationen angekommen. Vielmehr wäre in zeitlicher Hinsicht auf den Abschluss des ersten Teilaktes in Form derjenigen behördlichen Entschließung abzustellen gewesen, die den Gegenstand der Prüfung der Europäischen Kommission bildete.
181Der Vergleichsvertrag vom 11. Mai 2016 stand ausweislich des im Verwaltungsvorgang enthaltenen Originals und der darin in Bezug genommenen Vereinbarung vom Oktober 2013 einschließlich des zweiten Nachtrags vom 15. Juli 2014 unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Europäische Kommission bis zum Ablauf einer an die Regelungen des Art. 36 Abs. 9 RL 2009/73/EG angelehnten Frist kein Aufhebungs- oder Änderungsverlangen ausspricht oder aber innerhalb der Frist ausdrücklich zustimmt bzw. verbindlich von einem Aufhebungs- oder Änderungsverlangen absieht. Mit diesem Vereinbarungsbestandteil sollte ersichtlich den - freilich auf einseitig-hoheitliches Handeln zugeschnittenen - Regelungen in Art. 36 Abs. 8 und 9 RL 2009/73/EG und § 28a Abs. 3 Sätze 2 und 4 EnWG (a.F.) Rechnung getragen werden, nach denen die Europäische Kommission innerhalb einer grundsätzlich zweimonatigen Frist beschließen kann, die Änderung oder den Widerruf der Entscheidung über die Gewährung einer Ausnahme im Sinne von § 28a EnWG zu verlangen, und welche der Bundesnetzagentur als nationaler Regulierungsbehörde für den Fall eines solchen Verlangens die Pflicht auferlegen, binnen eines Monats ihre Entscheidung zu ändern oder aufzuheben. Mit dem als Genehmigung formulierten, ausweislich des Verwaltungsvorgangs wegen einer allseits einvernehmlichen Verlängerung noch fristgerechten Beschluss der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 waren Vorgaben verbunden, die über den Vergleichsvertrag aus dem Mai 2016 hinausgingen. Infolge des Bedingungsausfalls bedurfte es mithin eines Neuabschlusses, der eine einseitig-hoheitliche Abänderung als Schlusspunkt des dreistufig ausgestalteten Prozesses (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Mai 2021 - VI-3 Kart 845/19 (V), juris Rn. 70) nachbilden sollte.
182Obwohl es nach dem Vorgesagten erst mit der Unterzeichnung am 28. November 2016 zum endgültigen Verfahrensabschluss kommen konnte, wäre für die Frage einer unverschuldeten Nichtbeteiligung am nationalen Verwaltungsverfahren jedoch ausnahmsweise nicht auf den letzten Akt, sondern vielmehr auf den Vertragsabschluss vom 11. Mai 2016 abzustellen gewesen. Dies hätte sich erstens aus den Besonderheiten einer behördlichen Freistellung nach § 28a EnWG ergeben. Diese zeichnet sich durch den schon angesprochenen dreistufigen Prozess aus, in dessen Rahmen die Erstentscheidung nicht etwa einen bloßen Entwurfscharakter hat, sondern ihr ein besonderes Gewicht beizumessen ist. Vor diesem Hintergrund wäre zweitens von ausschlaggebender Bedeutung gewesen, dass mit Blick auf den Inhalt der Vereinbarung vom 11. Mai 2016 nach deren Abschluss mit effektiven Einwirkungsmöglichkeiten Dritter und einer Neubeurteilung auf breiterer Grundlage im nationalen Verfahren nicht mehr zu rechnen war. Im Einzelnen:
1833.1.3.2.1. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 26. Mai 2021 (VI-3 Kart 845/19 (V), juris) aufgezeigt (aaO Rn. 67 ff.), dass die Mitwirkung der Europäischen Kommission nach Art. 36 Abs. 8 und 9 RL 2009/73/EG und damit auch die Rechtsnatur des Kommissionsbeschlusses vom 28. Oktober 2016 nicht offensichtlich einer bestimmten rechtlichen Kategorie zugeordnet werden können.
184So spricht namentlich der in Art. 36 Abs. 9 Unterabsatz 5 RL 2009/73/EG gebrauchte - auch in die Beschlussformel vom 28. Oktober 2016 aufgenommene - Begriff der Genehmigung dafür, dass die Gewährung einer Ausnahme im Sinne von § 28a EnWG unter einem Erlaubnisvorbehalt steht, also stets eines echten Freigabeaktes der Europäischen Kommission bedarf. Dann ähnelte deren Mitwirkung ihrer verfahrensmäßigen Einbindung im Rahmen der Beihilfenkontrolle nach Art. 108 AEUV, bei der es nach Anmeldung der Beihilfe insbesondere zu einem sogenannten Positivbeschluss oder aber einer Genehmigungsfiktion kommen kann (vgl. Art. 4 Abs. 2 und Abs. 6 VO (EU) 2015/1589). Dem steht allerdings gegenüber, dass Art. 36 RL 2009/73/EG weder ein an Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV und Art. 3 VO (EU) 2015/1589 angelehntes ausdrückliches Durchführungsverbot bis zur abschließenden Entscheidung der Europäischen Kommission normiert noch eine Zustimmungsfiktion (so allerdings offenbar Wegner, Regulierungsfreistellungen für neue Elektrizitäts- und Erdgasinfrastrukturen, S. 288) vorsieht für den Fall, dass eine fristgerechte Beanstandung der Europäischen Kommission unterbleibt (vgl. auch - zur punktuell anders gefassten Vorgängerregelung in Art. 22 RL 2003/55/EG - EuG, Beschluss vom 24. November 2010 - T-317/09, BeckRS 2010, 144324 Rn. 45 ff.; siehe auch EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2019 - C-117/18, BeckRS 2019, 31870 Rn. 42 f.; EuG, Urteil vom 10. September 2019 - T-883/16, juris Rn. 57; Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 11. Dezember 2014 - C-596/13, BeckRS 2014, 82615 Rn. 71 [„vorläufig anwendbar“]).
185Vor diesem Hintergrund hat der Senat in seinem Beschluss vom 26. Mai 2021 (VI-3 Kart 845/19 (V), juris) nicht entschieden, ob es sich bei dem rechtskräftig für nichtig erklärten Beschluss der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 um eine Genehmigung handelte, deren Nichtigkeit zur (schwebenden) Unwirksamkeit des Vergleichsvertrags etwa gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG oder gar zu dessen Nichtigkeit im Sinne von § 59 Abs. 1 VwVfG, § 134 BGB führt (vgl. zu Art. 108 AEUV BGH, Urteil vom 5. Dezember 2012 - I ZR 92/11, juris Rn. 34 m.w.N.; zum dortigen Streitstand Stelkens in Stelkens/Bonk//Sachs, VwVfG 9. Auflage § 59 Rn. 73 ff.), sondern angenommen (aaO Rn. 76 ff.), dass zumindest ein Umsetzungshindernis bestehe. Der Bundesgerichtshof hat diese Begründung zwar nicht geteilt (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - EnVR 36/21, juris), die ihr zugrunde liegende Einschätzung einer unklaren europarechtlichen Rechtslage aber nicht beanstandet, sondern sich dazu nicht näher positioniert (vgl. aaO Rn. 18 ff.).
1863.1.3.2.2. Unabhängig von der Frage, ob die Europäische Kommission die ihr mitgeteilte nationale Entscheidung im engeren Sinne genehmigt oder aber - wie von den Beteiligten zu 1 bis 3 weiterhin geltend gemacht worden ist - lediglich prüft, ob sie von Eingriffsbefugnissen Gebrauch machen will, handelt es sich bei der ihr unterbreiteten nationalen Entscheidung allerdings nicht um einen bloßen Entwurf.
187Gegen einen Entwurfscharakter spricht bereits der Wortlaut des § 28a Abs. 3 Satz 1 EnWG, der von einer Entscheidung auf Antrag spricht, ergänzt um die weitere Vorgabe in § 28a Abs. 3 Satz 4 EnWG (a.F.), laut der die Entscheidung der Bundesnetzagentur nach Maßgabe einer endgültigen Entscheidung der Europäischen Kommission zu ändern oder aufzuheben sei. Der deutsche Gesetzgeber bewertet die der Europäischen Kommission zur Überprüfung vorgelegte nationale Entschließung mithin als zwar vorläufigen, aber immerhin potentiell endgültigen, insoweit nur noch von einer uneingeschränkten Genehmigung oder dem Nichteingreifen abhängigen Akt. Gerade deshalb bestand Anlass für die in § 28a Abs. 3 EnWG aufgenommene Klarstellung, dass die allgemeinen gesetzlichen Rücknahme- und Widerrufsbefugnisse (§ 48 und § 49 VwVfG) unberührt bleiben sollen.
188Das europäische Recht geht ebenfalls zweifelsfrei davon aus, dass es sich bei der nationalen Entscheidung, die sodann gemäß Art. 36 Abs. 8 Satz 2 RL 2009/73/EG mitzuteilen ist, nicht um einen bloßen Entwurf handelt. Zwar ergibt sich aus einer solchen Entscheidung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union noch nicht eine sogenannte entstandene und endgültig erworbene Position (EuGH, Urteil vom 26. Mai 2015 - C-596/13, juris Rn. 44 siehe dazu auch die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 11. Dezember 2014, BeckRS 2014, 82615 Rn. 71 f.). Anhand der detaillierten Regelungen zum Verfahren und den für die Beurteilung bedeutsamen Informationen insbesondere in Art. 36 Abs. 4 und 8 Satz 4 RL 2009/73/EG wird aber deutlich, dass die wesentlichen Bewertungsfragen bereits vor der Mitteilung der - dann in einem zweiten Schritt zu (über-) prüfenden - nationalen Entscheidung im Sinne von Art. 36 Abs. 8 Satz 2 RL 2009/73/EG zu beantworten sind. Dementsprechend ist in Art. 36 Abs. 9 Unterabsatz 3 RL 2009/73/EG nicht von der Anpassung eines Entwurfs, sondern ausdrücklich von der Änderung oder dem Widerruf der Entscheidung die Rede. Es wird mithin vorausgesetzt, dass es im Fall einer Billigung durch die Europäische Kommission - mag diese als Genehmigung formuliert sein oder sich aus dem Nichteinschreiten ergeben - mit der bereits getroffenen nationalen Entscheidung sein Bewenden hat. Anderes lässt sich auch nicht aus dem vom Gerichtshof der Europäischen Union etwa im Urteil vom 4. Dezember 2019 (C-342/18, BeckRS 2019, 31860 Rn. 59) gebrauchten Begriff der Absichtsbekundung herleiten („… le fait que cette autorité aurait manifesté l’intention de procéder à une telle mise en œuvre est sans pertinence …“). Denn dieser Urteilsabschnitt bezog sich erkennbar nicht auf die ursprüngliche Entscheidungsmitteilung der Bundesnetzagentur im Sinne von Art. 36 Abs. 8 Satz 2 RL 2009/73/EG.
189Beachtenswert wäre freilich gewesen, dass es sich bei dem Prüfungsgegenstand im Sinne von Art. 36 Abs. 8 Satz 2 RL 2009/73/EG nur um einen potentiell abschließenden Akt handelt. Denn in Abhängigkeit vom konkreten Verlauf kann es zu einer Fortsetzung des Verfahrens im Sinne einer dritten Phase kommen, angestoßen durch ein - eben hier erfolgtes - Änderungsverlangen der Europäischen Kommission.
190In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof der Europäischen Union unter anderem in seinem Urteil vom 4. Dezember 2019 in der Rechtssache C-117/18 (BeckRS 2019, 31870) hervorgehoben, dass die endgültige Entscheidung nicht von der Europäischen Kommission, sondern der nationalen Behörde getroffen werde (vgl. aaO Rn. 42). Insbesondere soll ein Änderungsverlangen der Europäischen Kommission nicht eine starre Befolgungspflicht auslösen, sondern vielmehr die Notwendigkeit begründen, erneut zu prüfen, ob es ratsam sei, überhaupt eine Ausnahme zu gewähren (vgl. aaO Rn. 43). Der dahinlautenden Richtlinienvorgabe lässt sich zwanglos - jedenfalls mittels einer europarechtskonformen Auslegung des § 28a Abs. 3 Satz 3 EnWG (a.F.) - Rechnung tragen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - EnVR 36/21, juris Rn. 21), und hier war der Bundesnetzagentur eine abermalige Entschlussfassung schon deshalb möglich, weil der ursprüngliche Vergleich aus dem Mai 2016 infolge eines Bedingungsausfalls endgültig unwirksam geworden war.
1913.1.3.2.3. Konnte die Bundesnetzagentur von einer Abänderung der Freistellungsentscheidung vom 7. Juli 2009 auch noch im November 2016 absehen, so war es den Beschwerdeführerinnen bis zur Unterzeichnung am 28. November 2016 formal möglich, nicht nur unter Darlegung erheblicher eigener Interessen eine Beiladung zu beantragen, sondern auch auf einen Nichtabschluss des Vertrags hinzuwirken. Gleichwohl wäre das Unterlassen eines Antrags auf Beiladung zum nationalen Verfahren ab dem 11. Mai 2016 nicht mehr vorwerfbar gewesen.
192Die formal auch in der letzten Phase des dreistufigen Prozesses nach § 28a EnWG und Art. 36 RL 2009/73/EG bestehende Möglichkeit zur umfassenden mitgliedstaatlichen Neubeurteilung auf breiterer Grundlage im Sinne des Zwecks einer Beiladung (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2009 - KVR 34/08, juris Rn. 10) wird schon im Ausgangspunkt durch die Verfahrensausgestaltung relativiert. Dabei ist nicht allein zu berücksichtigen, dass - wie aufgezeigt - die wesentlichen nationalen Bewertungen bereits vor der Mitteilung gemäß Art. 36 Abs. 8 Satz 2 RL 2009/73/EG vorzunehmen waren. Vielmehr wird das Gewicht der Erstentscheidung ergänzend durch Fristenbestimmungen verdeutlicht, die Ausdruck einer zunehmend auf Beschleunigung ausgerichteten Verfahrensausgestaltung sind. So beträgt die Regeldauer des Prüfverfahrens der Europäischen Kommission lediglich zwei Monate, wobei sich die Kürze der Frist in erster Linie nicht mit deren Verlängerbarkeit, sondern gerade damit erklären lässt, dass die Europäische Kommission bereits über den Beginn der ersten Phase zu informieren ist, indem gemäß Art. 36 Abs. 8 Satz 1 RL 2009/73/EG schon der Antrag auf Gewährung einer Ausnahme unverzüglich nach dessen Eingang zu übermitteln ist. Kommt es zum Abänderungsverlangen, wird in der letzten Phase eine lediglich einmonatige Frist in Gang gesetzt (Art. 36 Abs. 9 Unterabsatz 3 RL 2009/73/EG), die nach der Richtlinie oder dem nationalem Recht bemerkenswerterweise nicht einmal ausgeschöpft werden muss.
193Angesichts dieser Verfahrensausgestaltung läge es schon nicht fern, einem Dritten das Unterlassen eines Beiladungsantrags zum nationalen Verfahren generell nur dann vorzuhalten, wenn er hierzu schon in der ersten Phase des dreistufigen Prozesses im Stande gewesen wäre. Denn aufgrund der Kürze des letzten Abschnitts dürfte eine effektive Einwirkung auf die behördliche Entscheidungsfindung im Sinne einer umfassenden Neubewertung eher unwahrscheinlich sein, wenn die Europäische Kommission die nationale (bestenfalls ausführlich begründete) Erstentscheidung - wie hier - zu wesentlichen Teilen gebilligt hat. Ausschlaggebend wäre aber nicht die Frage nach einer generellen Vorverlagerung des für eine schuldhafte Nichtbeteiligung am nationalen Verwaltungsverfahren maßgeblichen Zeitpunktes gewesen. Vielmehr wäre im Lichte des gesetzlichen Gewichts der Erstentscheidung von besonderer Bedeutung gewesen, dass die Bundesnetzagentur und die Beteiligten zu 1 bis 3 ausweislich des Inhalts des Vertrags vom 11. Mai 2016 die Fortgeltung der Verhandlungsklausel ausdrücklich für den Fall eines Änderungsverlangens der Europäischen Kommission und des damit verknüpften Bedingungsausfalls vereinbart hatten.
194In der bezeichneten Verhandlungsklausel wurde als ausdrückliches Ziel der Verhandlungen der Abschluss eines angepassten Vertrags bezeichnet, der dem Gleichgewicht der Interessen, das dem Vergleichsvertrag zugrunde gelegen hat, Rechnung tragen sollte. Zu den in Bezug genommenen Interessen zählte damit unter anderem das im Vertrag vom 11. Mai 2016 als „legitim“ bezeichnete Ziel der Beteiligten zu 1 bis 3 an einer langfristigen Buchungsmöglichkeit von 80 % der teilregulierten Kapazitäten (§ 1 Abs. 1 des Vertrags vom 11. Mai 2016 in Verbindung mit § 1 Abs. 4 des Vertrags vom 31. Oktober 2013). Zumindest unter solchen Umständen war einem Dritten das Unterlassen eines Beiladungsantrags nach dem 11. Mai 2016 nicht mehr vorwerfbar. Denn angesichts der vertraglichen Vereinbarungen durfte ein Dritter von einer Determinierung des behördlichen Entscheidungsspielraums entweder kraft rechtlicher Bindung oder aufgrund faktischer Vorabfestlegung der Behörde (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 21. September 2018 - 6 C 6/17, juris Rn. 75) ausgehen und insbesondere annehmen, dass eine umfassende Neuausübung des Ermessens in der letzten Phase nach dem im Wesentlichen billigenden Beschluss der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 ausgeschlossen sei. Dabei wäre irrelevant gewesen, dass den Beschwerdeführerinnen der genaue Wortlaut des Vertrags vom 11. Mai 2016 in seiner Gesamtheit nicht bekannt war. Vielmehr hätte es genügt, dass sie die Handlungsform des Vertrags gerade unter dem Gesichtspunkt eines damit verbundenen Abwägungsdefizits beanstandeten und die Einleitung eines durch Verwaltungsakt abzuschließenden Verfahrens erwarteten.
195Soweit die Bundesnetzagentur in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 nach Erläuterung der Rechtsauffassung des Senats zu bedenken gegeben hat, dass es bei der Beiladung nur auf den formalen Verfahrensabschluss ankomme, man insbesondere nicht auf den Umfang der noch verbliebenen Einwirkungsmöglichkeiten abstelle, hätte auch dies nichts an der Richtigkeit der vorgenannten Beurteilung geändert. Der Senat hätte Dritten nicht die Befugnis abgesprochen, noch kurz vor Vertragsunterzeichnung die Beiladung zu beantragen. Maßgeblich wäre vielmehr die Frage der unverschuldeten Versäumung der Antragstellung gewesen, bei der es - wie schon aufgezeigt - auf die Besonderheiten dieses Einzelfalls im Lichte des Gewichts der Erstentscheidung vom 11. Mai 2016 angekommen wäre.
196Entgegen der im Beschluss der Bundesnetzagentur vom 20. Dezember 2016 anklingenden Auffassung (dort S. 14) wäre schließlich nicht von Belang gewesen, ob Dritte und damit auch die Beschwerdeführerinnen auf die Entscheidung der Europäischen Kommission oder deren Nachfragen hätten einwirken können. Denn die Bundesnetzagentur hatte als nationale Behörde die Entscheidungsverantwortung (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2019 - C-117/18, BeckRS 2019, 31870 Rn. 42) und eine dem EnWG entsprechende Beteiligungsmöglichkeit zu gewährleisten.
197Wäre es danach in zeitlicher Hinsicht auf die Vorwerfbarkeit der Nichtbeteiligung vor dem 11. Mai 2016 angekommen, so war weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass den Beschwerdeführerinnen schon zu diesem Zeitpunkt die konkrete Möglichkeit einer (abermaligen) vergleichsweisen Abänderung der Freistellungsentscheidung und ein entsprechendes behördlichen Handeln bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen. Vielmehr ergab sich aus dem Verwaltungsvorgang eine geradezu spontane und dann mit Beschleunigung betriebene Entscheidungsfindung ab dem 19. oder 20. April 2016.
1983.1.3.3. Entgegen der Auffassung der Bundesnetzagentur und der Beteiligten zu 1 bis 3 waren die Beschwerdeführerinnen jedenfalls ursprünglich auch materiell beschwert. Insbesondere war ihr Rechtsschutzziel - wie im Folgenden aufgezeigt werden wird - nicht offensichtlich unvereinbar mit dem Regelungsgehalt des § 28a EnWG. War das Anliegen danach nicht illegitim, hätten keine Bedenken bestanden, die wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Energiesolidarität als anerkennenswert zu qualifizieren, mag es sich hierbei auch um einen Rechtssatz handeln, der formal ausschließlich Unionsorgane und Mitgliedstaaten berechtigt und verpflichtet. Im Einzelnen:
1993.1.3.3.1. Ob ein Dritter durch eine Freistellung gemäß § 28a EnWG unmittelbar und individuell betroffen ist, ist in erster Linie nach dem Zweck der einschlägigen Bestimmungen zu beurteilen (vgl. bereits Senatsbeschlüsse vom 9. Juni 2010 - VI-3 Kart 193/09 (V), juris Rn. 16; vom 10. April 2006 - VI-3 Kart 163/06 (V), juris Rn. 11; siehe auch BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - KVR 25/06, juris Rn. 16).
200Der Senat hat hierzu in seinem - die ursprüngliche Freistellung der OPAL betreffenden - Beschluss vom 9. Juni 2010 (aaO Rn. 16) ausgeführt, dass die gerichtliche Kontrolle Wettbewerber im Fall einer zu Unrecht erteilten Ausnahme davor schützen solle, dass sie durch die (nicht regulierten) Bedingungen und Entgelte für den Netzzugang in ihren wirtschaftlichen Gestaltungsräumen eingeschränkt werden. Wegen der besonderen Marktstrukturen und der engen Verzahnung zwischen dem Netzzugang und den vor- und nachgelagerten Märkten könne eine Ausnahme vom regulierten Netzzugang daher eine individuelle und unmittelbare Betroffenheit auf den vor- und nachgelagerten Märkten auslösen. Denkbar sei eine individuelle und unmittelbare Betroffenheit aber auch für den Fall, dass ein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis zu dem Netzbetreiber bestehe. Dies vorausgeschickt sei von einer materiellen Beschwer eines Dritten auszugehen, wenn und soweit er durch die gewährte Ausnahme vom regulierten Netzzugang in seinem eigenen unternehmerischen und wettbewerblichen Betätigungsfeld auf dem relevanten Markt - durch drohende negative Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen - nachteilig betroffen sei. Unter Anlegung dieser Maßstäbe hat der Senat eine materielle Beschwer des damals Beigeladenen - einem potentiellen Anbieter von Gastransportleistungen - verneint, unter anderem weil der Bedarf an Verbindungskapazitäten nach Tschechien durch die vom Beigeladenen geplante Leitung nicht gedeckt werden könne (vgl. aaO Rn. 26)
2013.1.3.3.2. Obwohl der Senat sich schon im dargestellten Umfang zu den Freistellungsvoraussetzungen nach § 28a EnWG und dem potentiellen Drittrechtsschutz geäußert hat, sind die maßgeblichen Prüfungskriterien noch nicht abschließend geklärt. Dies gilt sowohl für den Fall der erstmaligen Freistellung als auch - und erst recht - für die hier entscheidende Konstellation einer Abänderung einer solchen Ausnahmegenehmigung. Eine solche Klärung ergibt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch nicht aus dem Hinweis auf beschwerdewillige „Gasversorgungsunternehmen“ im Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris Rn. 17). Im Einzelnen:
2023.1.3.3.2.1. Dass der Vergleichsvertrag vom 28. November 2016 zumindest an den Voraussetzungen des § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG zu messen war, hätte der Senat weiterhin für zutreffend gehalten (so schon Senatsbeschluss vom 30. Dezember 2016 unter B III 3 2 1). Dies hätte insbesondere nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung der europäischen Gerichte gestanden. Denn das Gericht der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 10. September 2019 (T-883/16, juris) lediglich die Anwendbarkeit der Unterregelung in Art. 36 Abs. 1 Buchst. a RL 2009/73/EG verneint, weil diese - ebenso wie § 28a Abs. 1 Nr. 1 EnWG - das Erfordernis einer Verbesserung der Versorgungssicherheit auf die Investition beziehe, im Stadium der Abänderung der Ausnahmegenehmigung aber keine neue Investition getätigt worden sei (vgl. aaO Rn. 58). § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG (a.F.) und Art. 36 Abs. 1 Buchst. e RL 2009/73/EG (a.F.) stellen hingegen, soweit danach insbesondere nachteilige Auswirkungen auf den Wettbewerb oder das effektive Funktionieren des Erdgasbinnenmarktes zu prüfen sind, auf die Ausnahme als solche ab, um deren Änderung es hier gerade ging.
2033.1.3.3.2.2. Der Senat hätte im Weiteren keinen Anlass gesehen, die von den Beschwerdeführerinnen zum wesentlichen Ausgangspunkt ihrer Erwägungen gemachte Befürchtung, es könne zu einer signifikanten Verlagerung der physischen Gasflüsse zum Nachteil der JAMAL oder der BRUDERSCHAFT kommen, schon unter dem Gesichtspunkt einer bloßen Spekulation oder in Ermangelung eines rein monokausal nachzuzeichnenden Zusammenhangs zurückzuweisen (in diese Richtung aber EuG, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - T-849/16, BeckRS 2017, 138217 Rn. 41). Dies hätte sich zum einen aus dem Wesen einer auf § 28a EnWG gestützten Entscheidung und zum anderen aus den Umständen des Einzelfalls ergeben.
204Eine Freistellung nach § 28a EnWG ist mit einer Prognose verbunden, die gerade angesichts des typischerweise langen Geltungszeitraums einer Ausnahmegenehmigung mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist (siehe dazu Europäische Kommission, SEC (2009) 642 final Rn. 35). Stehen solche Unsicherheiten der Erteilung einer Genehmigung zum Vorteil des ausdrücklich beweisbelasteten Antragstellers (§ 28a Abs. 3 Satz 1 EnWG) nicht generell entgegen, so dürfen auch an das Vorbringen eines Dritten keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Dementsprechend wären die Beschwerdeführerinnen nicht - insbesondere nicht bereits im Rahmen der Zulässigkeit ihrer Beschwerden - gehalten gewesen, den lückenlosen Nachweis der konkreten Verwirklichung eines Verlagerungspotentials zu führen, um eine erhebliche gegenwärtige Betroffenheit darzutun (zum letztgenannten Erfordernis Senatsbeschluss vom 25. April 2018 - VI-3 Kart 22/17 (V), juris Rn. 45)
205Dass mit der höheren Auslastung der OPAL und der vorgelagerten Nord Stream zumindest ein Verlagerungspotential zu Lasten anderer Transitwege in die Europäische Union verbunden ist, steht - und stand im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses - jedoch außer Zweifel. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der OPAL gerade nicht um ein Inselprojekt handelt. Sie dient vielmehr als Verlängerung der Nord Stream und kann ihrerseits laut der Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 wirtschaftlich sinnvoll nur dank der Existenz der GAZELLLE betrieben werden, zumal die von den Verbindungskapazitäten abgegrenzte nationale und regulierte Transportkapazität in üblicher Flussrichtung jedenfalls nach Einschätzung der Europäischen Kommission vom 12. Juni 2009 (K(2009) 4694 Rn. 24) bis zum Vergleichsabschluss auf jährlich 4,5 Milliarden m3 nach oben hin limitiert gewesen sein dürfte.
206Die Steigerung der Auslastung durch Schaffung sogenannter entkoppelter Verbindungskapazitäten (die teils grundlegend kritisch gesehen werden) ist hiernach zumindest geeignet gewesen, die Auslastung anderer Importrouten negativ zu beeinflussen. Denn zum einen war die Möglichkeit eines in der Europäischen Union zukünftig im Wesentlichen stagnierenden Erdgasimportbedarfs nicht auszuschließen. Zum anderen zeichnete sich bereits im Jahre 2016 die Schaffung weiterer Transportwege ab. Dementsprechend wurden sowohl die Errichtung und Inbetriebnahme der OPAL als auch der hier streitgegenständliche Vergleichsvertrag von der Europäischen Kommission gerade deshalb als versorgungssicherheitserhöhend bewertet, weil eine neue Lieferroute geschaffen wurde (so das Schreiben 12. Juni 2009 - K(2009) 4694 Rn. 27 ff.) und die Folgen einer Lieferunterbrechung auf anderen Transitrouten zumindest abgemildert würden (Beschluss vom 28. Oktober 2016 - C(2016) 6950 final Rn. 49 f.). Eben diese Erwägungen lagen auch schon der ursprünglichen Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 zugrunde. So war darin nicht nur angemerkt worden, dass mit der Versorgung über die Nord Stream „teilweise“ eine „Verlagerung bestehender Transporte“ verbunden sei (S. 5). Vielmehr hatten auch eventuelle negative Effekte auf die Entgeltregulierung durch die Minderauslastung existierender Transporten (in Tschechien und der Slowakei) Erwähnung gefunden (vgl. S. 70).
207Dass die zukünftige Auslastung der JAMAL und der BRUDERSCHAFT nicht ausschließlich durch eine Mehrnutzung der OPAL vorherbestimmt werden, wäre nach Auffassung des Senats nicht geeignet gewesen, eine relevante Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen zu verneinen. Gewiss hätte insbesondere ein von den Beschwerdeführerinnen zwischenzeitlich prognostizierter Nichtabschluss eines neuen Transitvertrags mit B einen größeren Effekt auf die Flussrouten gehabt als die Ausnutzung der hier in Frage stehenden OPAL-Kapazitäten. Ähnliches mag für die Auswirkungen des neuen Nutzungsregimes des polnischen Abschnitts der JAMAL gelten (vgl. dazu EuG, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - T-849/16, BeckRS 2017, 138217 Rn. 41). Das Vorhandensein mehrerer Einflussfaktoren hätte aber für sich genommen nicht gerechtfertigt, einer gesteigerten OPAL-Auslastung von vornherein die Eignung zur Verursachung relevanter negativer Effekte abzusprechen. Eine solche Betrachtung wäre weder der technisch und wirtschaftlich komplexen Lage noch dem Gedanken möglicher Wechselwirkungen gerecht geworden.
208Die von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Verlagerungsszenarien wären auch nicht schon deshalb irrelevant gewesen, weil eine vollauslastende Inanspruchnahme der OPAL-Verbindungskapazitäten bereits zuvor - und zwar unter der Voraussetzung der Durchführung eines Gas-Release-Programms - theoretisch denkbar gewesen wäre. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 30. Dezember 2016 (unter B III 3 2 1) ausgeführt, dass nicht eine formale Betrachtung maßgeblich sei (etwa gestützt auf die Erwägung, dass die Teilregulierung der entkoppelten FZK-Verbindungskapazitäten für Dritte auf den ersten Blick ausschließlich vorteilhaft sei), sondern eine wertende Beurteilung stattzufinden habe. Dementsprechend hätte nicht unberücksichtigt bleiben können, dass der Vergleichsvertrag vom 28. November 2016 ausweislich seiner Präambel gerade mit Blick auf die Unterauslastung der OPAL geschlossen wurde, die nach übereinstimmend niedergelegter Einschätzung „weder im Interesse der Investoren bzw. des Betreibers … noch im Interesse der Versorgungssicherheit“ gelegen habe. Vor diesem Hintergrund wäre - entgegen der vor allem von den Beteiligten zu 2 und 3 vertretenen Auffassung - auch nicht ausschlaggebend gewesen, dass die JAMAL bereits zuvor etwa mithilfe der BRUDERSCHAFT hätte „umgangen“ werden können.
2093.1.3.3.2.3. Die Beschwerdebefugnis hinsichtlich der Feststellungsanträge zu 1 wäre auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines illegitimen, weil auf Verhinderung von Wettbewerb gerichteten und den Prüfungsmaßstab des § 28a EnWG verkennenden Rechtsschutzziels offensichtlich zu verneinen gewesen.
210Die Beschwerdeführerinnen haben - ausdrücklich entgegen der Würdigung der Bundesnetzagentur in der Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 - der Sache nach geltend gemacht, der Komplex der Nord Stream, OPAL und GAZELLE müsse als Einheit betrachtet werden, und haben weiterhin gemeint, dass diese Gesamtheit anderen - ganz oder teilweise regulierten - Transitrouten gegenüberzustellen sei. Spezifische Nachteile gerade aufgrund der Teilregulierung der OPAL-Kapazitäten in Gemäßheit des Vergleichsvertrags haben die Beschwerdeführerinnen jedoch allenfalls beiläufig in den Blick genommen (so etwa in Anlage Bf 76 unter 4 2 2). Dementsprechend ist von der Bundesnetzagentur und den Beteiligten zu 1 bis 3 - jeweils mit unterschiedlicher Akzentuierung - für sich genommen zutreffend hervorgehoben worden, dass es den Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen um die von ihnen missbilligte Existenz der OPAL und dies letztlich unter Einbeziehung der Nord Stream gegangen sei.
211Das so gestaltete Begehren war jedoch nicht Ausdruck einer illegitimen Absicht zur Perpetuierung der Unterauslastung der OPAL, sondern mit dem Prüfprogramm des § 28a EnWG durchaus zu vereinbaren. Abgesehen davon, dass die hier - zumindest auch - angeführten versorgungssicherheitsbezogenen Aspekte nicht zwangsläufig deckungsgleich mit wettbewerblichen Grundsätzen sein müssen, beurteilt jedenfalls die Bundesnetzagentur die wettbewerblichen Auswirkungen der (konkret) gewährten Ausnahme in ihrer Entscheidungspraxis zu (erstmaligen) Freistellungen anhand eines sogenannten kontrafaktischen Szenarios, in welchem als Vergleichsmaßstab die gedachte Situation der Nichterrichtung der Infrastruktur dient. Nicht abgestellt wird damit auf einen Vergleich mit einem hypothetischen vollregulierten Betrieb (vgl. Beschluss vom 21. Juni 2021 - BK7-18-063-final, S. 31 und 60; so ausdrücklich auch die ursprüngliche OPAL-Freistellung vom 25. Februar 2009, S. 36 f., allerdings nicht durchweg konsequent, vgl. zu Entgelteffekten auf anderen Routen S. 70). Ihre Rechtsauffassung stützt die Bundesnetzagentur vor allem auf § 28a Abs. 1 Nr. 2 EnWG, weil die Gewährung einer Ausnahme danach gerade davon abhängig sei, dass die Investition nur im Fall der Ausnahme getätigt werde (etwas einschränkend dazu wiederum Senatsbeschluss vom 25. August 2021 - VI-3 Kart 211/20 (V), juris Rn. 98). Das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen entsprach im Wesentlichen dem beschriebenen Prüfungsmaßstab, soweit sie auf Nachteile infolge einer mit dem Vertrag vom 28. November 2016 befürchteten Mehrnutzung der OPAL sowie einer damit verbundenen Verlagerung von physischen Gasflüssen abstellten, also nicht - wie von den Beteiligten zu 1 bis 3 und der Bundesnetzagentur im hiesigen Verfahren bisweilen eingefordert - gerade die spezifischen Auswirkungen der Freistellung von der Regulierung im Unterschied zu einem gedachten vollregulierten Betrieb der OPAL in den Mittelpunkt rückten.
212Wäre die OPAL im kontrafaktischen Szenario danach als nicht existent zu betrachten gewesen, wäre es auch nicht offensichtlich ausgeschlossen, weitere Existenzvoraussetzungen - etwa die Nord Stream und die GAZELLE - ebenfalls hinzuwegzudenken. Zugleich wäre es bei einer solchen Vergleichsbetrachtung nicht zwingend darauf angekommen, ob die Bundesnetzagentur zu Recht von der - beiläufig erwähnten - Möglichkeit ausgegangen ist, über die in der Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 ausdrücklich bezifferten nationalen Kapazitäten hinausgehende regulierte Ausspeisungen „in Abhängigkeit von der Flusssituation in den angrenzenden Fernleitungsnetzen … auf unterbrechbarer Basis“ vorzunehmen.
2133.1.3.3.2.4. Eine relevante Beeinträchtigung der Beschwerdeführerinnen wäre auch nicht in geografischer Hinsicht offenkundig zu verneinen gewesen.
214In der Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 (dort S. 49 ff.) hat die Bundesnetzagentur gemeint, dass es vor allem auf den tschechischen Absatzmarkt ankomme (im Kern ebenso das Schreiben der Europäischen Kommission vom 12. Juni 2009 - K(2009) 4964), weil die Ausnahme nur für Verbindungskapazitäten erteilt werde, wobei die Effekte eines etwaigen Weitertransports der GAZELLE zuzurechnen und damit nicht maßgeblich seien. Die Beschwerdeführerinnen sind bereits dieser ursprünglichen Bewertung entgegengetreten unter Gegenüberstellung des tschechischen Gasbedarfs und der OPAL-Ausspeisekapazität in Brandov. Eben dieser Gedanke ist in der Literatur gegen die Eigenschaft der OPAL als Verbindungsleitung angeführt worden ist (Däuper/Wöstehoff, ZNER 2009, 99, 101 f.). Ihm wird folgerichtig besondere Aufmerksamkeit zuteil, soweit der Vergleichsvertrag vom 28. November 2016 - etwa über die sogenannten teilregulierten dynamisch zuordenbaren Kapazitäten oder die Überspeisungsklausel - in größerem Maße einen Zugang zum deutschen Marktgebiet eröffnet haben sollte im Vergleich zu denjenigen (regulierten) Transporten, die in der Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 in den Blick genommen und von der die Ausnahme prägenden Verbindungskapazität abgegrenzt worden sind.
215Die Beschwerdeführerinnen haben sich indes nicht in erster Linie auf eine Verschlechterung des Wettbewerbs in Deutschland berufen, zumal sie nicht eine Zunahme der Gesamtimportmenge, sondern eine Verlagerung der Gasflüsse prognostizierten. Sie haben vielmehr vor allem auf den polnischen Markt und die dortigen Verhältnisse abgestellt einschließlich einer eigenständig oder im Rahmen des § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG implizit zu berücksichtigenden Gefährdung der Versorgungssicherheit. Ihnen wäre dabei zuzugeben gewesen, dass Art. 36 RL 2009/73/EG und § 28a EnWG - auch in der bei Vertragsabschluss jeweils geltenden Fassung - eine ausdrückliche oder sinngemäße Beschränkung der Prüfung dahin, es seien lediglich Veränderungen der Verhältnisse auf dem unmittelbar geografisch bedienten Markt zu berücksichtigen, nicht zu entnehmen war (so auch bereits Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2017 unter B III 1 2 3 1). Die Neufassung des § 28a Abs. 1 Nr. 5 EnWG durch Gesetz vom 5. Dezember 2019 (BGBl. Teil I Nr. 45, S. 2002) in Umsetzung der RL (EU) 2019/692, nach welcher es nunmehr „auf den Wettbewerb auf den jeweiligen Märkten, die wahrscheinlich von der Investition betroffen sein werden“, ankommt, hätte mithin als bloße Klarstellung begriffen werden können, mag in den Gesetzesmaterialien - worauf die Beteiligten zu 2 und 3 hinweisen haben - auch von „neu hinzugekommenen“ Prüfungspunkten die Rede sein (BT-Drucks. 19/13443, S. 11).
2163.1.3.3.2.5. Schließlich wären die Beschwerdeführerinnen auch in sachlich-persönlicher Hinsicht potentiell erheblich Betroffene im Sinne von § 28a, § 66 Abs. 2 Nr. 3 und § 75 Abs. 2 EnWG gewesen.
217Soweit es um die sachliche Betroffenheit geht, ist - wie schon im Beschluss des Senats vom 9. Juni 2010 (VI-3 Kart 193/09 (V), juris Rn. 16) ausgeführt - vor allem auf den vorgelagerten Produzenten- und Exportmarkt sowie den nachgelagerten Ferngasmarkt abzustellen. Der Senat hat allerdings - entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2 bis 3 - eine individuelle Betroffenheit von Importeuren oder Händlern seinerzeit (vgl. aaO Rn. 18) nicht kategorisch von der beabsichtigten Nutzung der freigestellten Infrastruktur abhängig gemacht hat (unter diesem Gesichtspunkt sogar im Wesentlichen für Primärrechtswidrigkeit des Art. 36 RL 2009/73/EG Heller, N&R 2015, 66, 73 ff.). Dementsprechend wäre eine Beschwer der Beschwerdeführerinnen, die entweder mit Gas handeln bzw. dieses insbesondere aus Deutschland nach Polen exportieren (Beschwerdeführerin zu 2) oder Gas (zumindest) beziehen und vertreiben (Beschwerdeführerin zu 1), nicht schon deshalb offensichtlich auszuschließen gewesen, weil sie offenkundig an der Buchung der FZK kein Interesse hatten. Auf ihren weiteren Begründungsansatz, es bestehe auch ein Infrastrukturwettbewerb mit der JAMAL, obwohl die Beschwerdeführerin zu 1 weder unmittelbare Miteigentümerin noch Betreiberin des polnischen Abschnitts der JAMAL ist, wäre es daher nicht zwingend angekommen (gegen ein relevantes Wettbewerbsverhältnis zu [regulierten] Netzbetreibern offenbar Wegner, Regulierungsfreistellungen für neue Elektrizitäts- und Erdgasinfrastrukturen, S. 294).
2183.1.3.3.2.6. Freilich hätte damit noch nicht festgestanden, dass das Ausmaß der von den Beschwerdeführerinnen befürchteten Entwicklungen im Verhältnis zu deren Eintrittswahrscheinlichkeit ausreichend war, um eine gegenwärtige individuelle Betroffenheit zu bejahen (verneint von EuG, Beschluss vom 14. Dezember 2017 - T-849/16, BeckRS 2017, 138217 Rn. 37 ff.).
219So hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom 11. Oktober 2017 unter anderem ausgeführt, dass das Vorbringen zur Notwendigkeit einer Aufspeisung über den Grenzübergangspunkt Drozdowicze und einer angeblichen Gefährdung der Versorgungssicherheit bei einer Reduktion von Transitmengen auf dem Hauptstrang vage geblieben sei, und dass die Richtigkeit der Prognose zu Netzentgeltsteigerungen zum Nachteil der Beschwerdeführerin zu 2 Zweifeln unterliege. Dabei ist vor allem zu bedenken gewesen, dass die beschwerdeführereigene Kostensteigerungsprognose sich - auch angesichts etwaiger anderer Bezugsquellen - als verhältnismäßig moderat erwiesen hätte, soweit es nur um die Verlagerung von 9,86 Milliarden m3 pro Jahr zu Lasten der JAMAL gegangen wäre. Dementsprechend hätten sich erst dann gewichtigere Nachteile abgezeichnet, wenn man die vertragsgemäßen Nutzungsmöglichkeiten der OPAL nicht isoliert betrachtet, sondern sie im Wege einer Gesamtschau - wie wohl von den Beschwerdeführerinnen eingefordert - etwa als Teilbeitrag zu einem angeblichen Gesamtanreiz zu missbräuchlichen Handlungen qualifiziert hätte.
2203.1.3.3.3. Letztlich wäre es auf die vorgenannten Fragen zu § 28a EnWG aber nicht abschließend angekommen. Denn die von den Beschwerdeführerinnen angestellte Gesamtbetrachtung wäre jedenfalls deshalb zur Begründung ihrer materiellen Beschwer geeignet gewesen, weil der Vertrag vom 28. November 2016 auch am Grundsatz der Energiesolidarität zu messen gewesen wäre. Dieser hätte gerade die Berücksichtigung der von den Beschwerdeführerinnen bezeichneten Gesamtentwicklungen erlaubt und erfordert.
221Der Bundesnetzagentur und den Beteiligten zu 1 bis 3 wäre im Ausgangspunkt zuzugeben gewesen, dass der Art. 194 Abs. 1 AEUV zu entnehmende Grundsatz der Energiesolidarität in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung der europäischen Gerichte nicht geeignet sein dürfte, eigene Rechte privatwirtschaftlich tätiger Unternehmen zu begründen. Dafür spricht bereits der Wortlaut des Art. 194 Abs. 1 AEUV. Denn dieser enthält eine Auflistung der von der „Energiepolitik der Union … im Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten“ verfolgten Ziele. Im Einklang mit dieser Formulierung hat der Gerichtshof der Europäischen Union den engen Zusammenhang des Grundsatzes der Energiesolidarität mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 AEUV) erläutert und insbesondere ausgesprochen, dass das Gericht der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. September 2019 zu Recht entschieden habe, dass „der Grundsatz der Solidarität Rechte und Pflichten sowohl für die Union als auch für die Mitgliedstaaten beinhalte“ (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris Rn. 41 und 49).
222Der beschriebene rechtliche Gehalt des Art. 194 Abs. 1 AEUV schließt aber nicht aus, dass unter besonderen Umständen ausnahmsweise auch juristische Personen des Privatrechts durch eine Maßnahme einer nationalen Regulierungsbehörde infolge einer Nichtberücksichtigung des Grundsatzes der Energiesolidarität unmittelbar und individuell betroffen sind bzw. erheblich in ihren Interessen berührt werden (§ 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG). Denn insoweit kommt es - wie schon mehrfach dargelegt - auf die Möglichkeit der Verletzung einer gerade den Beschwerdeführer schützenden Norm nicht an (vgl. auch die Prüfung des Art. 194 Abs. 1 AEUV im Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 2. Februar 2022 - T-616/18, juris Rn. 413 ff.).
223Auszugehen wäre danach von der Erwägung gewesen, dass sich aus Art. 194 Abs. 1 AEUV eine spezifische Prüfungs- und Abwägungspflicht ergibt (vgl. EuGH aaO Rn. 52 f. und 73), die sich in erster Linie auf die Frage einer Gefahr für die Gasversorgung auf den Märkten der Mitgliedstaaten bezieht, aber hierauf nicht in einem engen Sinn beschränkt ist. Denn das Gericht der Europäischen Union hat in seinem Urteil vom 10. September 2019 (T-883/16, juris) Art. 194 Abs. 1 AEUV nicht etwa deshalb herangezogen, weil es einerseits die von der Republik Polen vorgebrachte Gefährdung der Versorgungssicherheit als relevant erachtete, andererseits aber meinte, dass die Voraussetzungen des Art. 36 Abs. 1 Buchst. a RL 2009/73/EG bei der Abänderung einer Ausnahme nicht weiter zu prüfen seien (vgl. aaO Rn. 58). Vielmehr sprechen sowohl das Gericht der Europäischen Union (aaO Rn. 72 f.) als auch der Gerichtshof der Europäischen Union (aaO Rn. 71) von der Verpflichtung, die Interessen aller möglicherweise betroffenen Akteure zu berücksichtigen, und der Vermeidung von Maßnahmen, die die Interessen der Union und der anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Sicherheit und die wirtschaftliche und politische Tragbarkeit der Versorgung sowie die Diversifizierung der Versorgungsquellen beeinträchtigen könnten, um ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und faktischen Solidarität Rechnung zu tragen. Hierbei handelt es sich um Aspekte der energiepolitischen Grundausrichtung eines Mitgliedsstaats (siehe EuG aaO Rn. 82; Gundel, RdE 2020, 75, 77), die wiederum naturgemäß die Handlungsweisen davon berührter Unternehmen zu beeinflussen vermögen.
224Freilich eröffnet der Grundsatz der Energiesolidarität nicht Dritten die Möglichkeit, unter pauschaler Berufung auf angebliche Interessen eines einzelnen Mitgliedstaates eine materielle Beschwer darzutun. Dem steht entgegen, dass die aus Art. 194 Abs. 1 AEUV folgende Berücksichtigungs- und Abwägungspflicht nicht etwa ein bestimmtes Ergebnis vorzeichnet, was vor allem in den Schlussanträgen des Generalanwalts Sánchez-Bordana (BeckRS 2021, 4883 Rn. 113 ff.) hervorgehoben worden ist (dazu kritisch Sölter, EuR 2022, 130, 137 f.) und auch in den Urteilen vom 10. September 2019 und 15. Juli 2021 Ausdruck gefunden hat. Denn darin wurde zwar eine Prüfungs- und Abwägungspflicht statuiert, ein absolutes Verbot negativer Auswirkungen auf die besonderen Interessen eines Mitgliedstaats aber ausdrücklich verneint (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris Rn. 73; EuG, Urteil vom 10.September 2019 - T-883/16, juris Rn. 77). Vor dem Hintergrund dieser möglichen Ergebnisoffenheit der Prüfung einerseits und der Hervorhebung besonderer mitgliedstaatlicher Belange andererseits liegt es nahe, dass eine materielle Beschwer unter dem Gesichtspunkt der Betroffenheit solcher Interessen, die im Rahmen des Grundsatzes der Energiesolidarität Anerkennung finden können, lediglich dann in Betracht kommen wird, wenn der angeblich benachteiligte Mitgliedstaat selbst eine Rechtsverletzung geltend macht. Dies hätte hier indes angesichts der Nichtigkeitsklage der Republik Polen, gestützt auf Art. 263 Abs. 2 AEUV und erhoben im Dezember 2016, außer Zweifel gestanden.
225Nach dem Vorgesagten hätte sich die Betroffenheit erheblicher eigener Interessen der Beschwerdeführerinnen daraus ergeben, dass diejenigen Erwägungen, die in die Verfahren vor den europäischen Gerichten (C-848/19 bzw. T-886/16) den Anlass zur Prüfung des Art. 194 Abs. 1 AEUV gegeben und dort Anerkennung gefunden haben, ausnahmsweise deckungsgleich mit den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beschwerdeführerinnen waren.
226Die Republik Polen hatte sich in dem besagten Verfahren erstens auf die negativen Effekte einer Verlagerung der Gasflüsse zum Nachteil der BRUDERSCHAFT berufen, etwa in Form der Unmöglichkeit der Erfüllung von unternehmerischen Garantiepflichten, sowie zweitens eine potentielle Reduktion oder Unterbrechung der Gasversorgung über die JAMAL angeführt, die wiederum Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Einfuhrkapazitäten nach Polen aus Deutschland und Tschechien, das Tarifniveau für Transporte und die Diversifizierung der Versorgungsquellen in Polen haben würde. Dabei wurde ausdrücklich nicht allein auf die Wirkungen der Auslastungssteigerung der OPAL abgestellt. Vielmehr wurden über die von der Bundesnetzagentur und den Beteiligten zu 1 bis 3 eingeforderte isolierte Betrachtung hinaus auch weitere Ursachenbeiträge - namentlich das Auslaufen der Gastransport- und -lieferverträge - in den Blick genommen (vgl. EuG, Urteil vom 10. September 2019 - T-883/16, juris Rn. 63 f.). Dieses Vorbringen ist vom Gericht der Europäischen Union und dem Gerichtshof der Europäischen Union umfassend aufgegriffen worden, indem gerade nicht allein konkrete Versorgungskrisen als wesentlich erachtet wurden, sondern unter anderem die wirtschaftliche und politische Tragbarkeit der Versorgung sowie die Diversifizierung der Versorgungsquellen als nach Art. 194 Abs. 1 AEUV berücksichtigungsfähige und -pflichtige Aspekte qualifiziert worden sind (siehe EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris Rn. 71). Damit erstreckte sich das von der Europäischen Kommission nicht erfüllte Prüfprogramm in tatsächlicher Hinsicht gerade auf die von den Beschwerdeführerinnen selbst vorgebrachten eigenen Bedenken gegen eine Mehrauslastung der OPAL im Zuge des Vergleichsvertrags vom 28. November 2016. Aufgrund dieser ausnahmsweisen unmittelbaren Verknüpfung des Vorbringens vor den europäischen Gerichten und im hiesigen Beschwerdeverfahren wären die Deckungsgleichheit der Interessen und deren Erheblichkeit zu bejahen gewesen.
227Eine unzulässige Bevorteilung der Beschwerdeführerinnen wäre hiermit nicht verbunden gewesen. Sollte man in diesem Zusammenhang den Rechtsgedanken des Art. 106 Abs. 1 AEUV bemühen, kann mit der Befugnis zur Geltendmachung einer primärrechtlichen Berücksichtigungs- und Abwägungspflicht denknotwendig nicht eine „den Verträgen widersprechende Maßnahme“ verbunden sein, zumal das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen - wie ausführlich aufgezeigt - mit dem Prüfprogramm des § 28a EnWG durchaus in Einklang zu bringen, also nicht Ausdruck eines per se illegitimen Rechtsschutzziels war. Es wäre für die Herleitung der materiellen Beschwer ausdrücklich auch nicht auf die staatliche Beherrschung der Beschwerdeführerinnen angekommen, welche - abweichend von deren bisweilen anklingenden Auffassung - typischerweise mit besonderen Pflichten, nicht aber besonderen Rechten einhergeht (vgl. zu Art. 106 AEUV BVerfG, Beschluss vom 18. August 2020 - 1 BvQ 82/20, juris Rn. 28) und für sich genommen regelmäßig nicht eine unmittelbare und individuelle Betroffenheit zu begründen vermag (vgl. EuG, Beschluss vom 29. Juni 2006 - T-311/03, BeckRS 2006, 17813 Rn. 64). Ebenfalls wäre irrelevant gewesen, ob sich ein subjektiv-öffentliches Recht bzw. eine Rechtsbetroffenheit aus einer Beleihung nach nationalem Recht (vgl. dazu VG, Trier, Urteil vom 18. Januar 2016 - 6 K 1674/15.TR, juris Rn. 43 m.w.N; siehe auch BeckOK-EnWG/Pompl, § 13d Rn. 11.1. [Stand: 1. April 2022]) und damit vergleichbaren EU-ausländischen Rechtsakten zu ergeben vermag, und ob aus den von der Beschwerdeführerin zu 1 angeführten polnischen Bestimmungen eine solche Stellung abzuleiten gewesen wäre. Ausreichend war bereits die jedenfalls zu bejahende wirtschaftliche Betroffenheit.
228Der Senat hätte sich auch nicht deshalb an der Bejahung der Beschwerdebefugnis der Beschwerdeführerinnen gehindert gesehen, weil deren gegen den Kommissionsbeschluss vom 28. Oktober 2016 gerichteten Nichtigkeitsklagen durch das Gericht der Europäischen Union mit Beschlüssen vom 14. Dezember 2017 (T-849/16, BeckRS 2017, 138217 Rn. 31 ff. und 37 ff.) und vom 15. März 2018 (T-130/17) jeweils als unzulässig abgewiesen worden sind (zustimmend dazu Gundel, RdE 2018, 306, 308).
229Erstens ging es hier nicht um eine eventuelle Bindung der mitgliedstaatlichen Gerichte an eine Sachentscheidung der europäischen Gerichte zu einem Akt der Europäischen Kommission, da die Nichtigkeitsklagen zum einen mangels Zulässigkeit erfolglos geblieben sind (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. September 2019 - I ZB 6/19, juris Rn. 16 f.) und zum anderen ein mitgliedstaatlicher Vertrag zu überprüfen war. Zweitens sind die genannten Beschlüsse vom 14. Dezember 2017 und 15. März 2018 vor dem Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 10. September 2019 (T-883/16, juris) ergangen, in welchem erstmals auf den Grundsatz der Energiesolidarität abgestellt wurde. Drittens hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinen Rechtsmittelentscheidungen (Urteile vom 4. Dezember 2019 - C-342/18, BeckRS 2019, 31860 und C-117/18, BeckRS 2019, 31870) die erstinstanzlichen Beschlüsse allein unter dem Gesichtspunkt des Fehlens einer unmittelbaren Betroffenheit bestätigt, was im Kern auf der Erwägung beruhte, dass es auch im Nachgang zum 28. Oktober 2016 noch im Ermessen der Bundesnetzagentur gestanden habe, von der Gewährung einer Ausnahme abzusehen (vgl. aaO BeckRS 2019, 31860 Rn. 35 ff. und BeckRS 2019, 31870 Rn. 26 ff.; siehe auch EuGH, Beschluss vom 4. Dezember 2019 - C-181/18, BeckRS 2019, 31840 Rn. 33). Mit der individuellen Betroffenheit der Beschwerdeführerinnen hat der Gerichtshof der Europäischen Union sich dementsprechend nicht weiter befasst (vgl. aaO BeckRS 2019, 31860 Rn. 66 f. und BeckRS 2019, 31870 Rn. 59 f.) und insbesondere nicht das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu 1 zu ihrer Sonderstellung auf dem polnischen Gasmarkt gewürdigt (vgl. aaO BeckRS 2019, 31860 Rn. 80). Viertens und zuletzt ist zu bedenken, dass die individuelle und unmittelbare Betroffenheit als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV zwar eng mit dem Kriterium der materiellen Beschwer verwandt ist, aber eben keine absolute inhaltliche Identität zu verzeichnen ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24. Juni 2003 - KVR 14/01, juris Rn. 15: „entspricht im Wesentlichen …“; nur graduell anders BGH, Beschluss vom 30. März 2011 - KVZ 100/10, juris Rn. 12). Auch deshalb waren die Entscheidungsgründe des Gerichts der Europäischen Union nicht etwa präjudiziell für das hiesige Beschwerdeverfahren.
2303.1.3.4. Freilich drängte sich hier die Möglichkeit auf, dass die nach dem Vorgesagten anfänglich zu bejahende Beschwer im Zuge des Verfahrens entfallen sein könnte (zum maßgeblichen Zeitpunkt siehe BGH, Beschluss vom 25. September 2007 - KVR 25/06, juris Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. August 2020 - VI-Kart 4/19 (V), juris Rn. 19 ff.; NK-VwGO/Sennekamp, 5. Auflage § 42 Rn. 55).
231Ein solcher Wegfall der Beschwer hätte sich allerdings wohl nicht schon aus den äußeren (namentlich unternehmerischen und technischen) Entwicklungen seit Einlegung der Beschwerden ergeben. Zwar hätte das dazugehörige Vorbringen der Bundesnetzagentur und der Beteiligten zu 1 bis 3 - insbesondere zu der Erschließung neuer Bezugsquellen, dem Netzausbau in Polen und der Nichtverlängerung des Liefervertrags zwischen der Beschwerdeführerin zu 1 und der Beteiligten zu 3 - auf ein zunehmend reduziertes Gewicht der angeführten Bedenken gegen die Mehrnutzung der OPAL hindeuten können (wenngleich die Beschwerdeführerinnen sich durch die Auslastung der JAMAL und BRUDERSCHAFT in jüngster (Vorkriegs-) Zeit geradezu gegenteilig in ihrer Prognose bestätigt fühlten). Für die Rechtmäßigkeit des Vertrags wäre es aber im Ausgangspunkt auf eine ex-ante zutreffende Bewertung angekommen. Die damit verbundene Beschwer der Beschwerdeführerinnen wäre nicht schon aufgrund einer nachträglichen Veränderung einzelner Abwägungsparameter entfallen. Dies hätte gerade auch im Hinblick auf eine eventuelle - von den Beschwerdeführerinnen als Umgehung bezeichnete - Nutzung der EUGAL gegolten, deren (Nicht-) Auslastung von dem gegenwärtigen und zukünftigen Schicksal der Nord Stream 2 abhängt.
232Ein Wegfall der Beschwer wegen der Rechtskraft der Senatsentscheidung vom 26. Mai 2021 (VI-3 Kart 845/19 (V), juris) infolge der Zurückweisung der dagegen eingelegten Rechtsbeschwerden durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) wäre denkbar, aber nicht sicher zu bejahen gewesen. So hätte man etwa die Frage aufwerfen können, ob der im dortigen Verfahren streitgegenständliche Untersagungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 13. September 2019 in rechtlicher Hinsicht erschöpfend gewährleistet, dass seither eine Nutzung der OPAL nur noch nach Maßgabe der Freistellungsentscheidungen vom 25. Februar und 7. Juli 2009 erfolgt (was zum Teil in der Literatur bezweifelt worden ist). In jedem Fall wäre zu beachten gewesen, dass die Beschwerdeführerinnen mit ihren Beschwerden ein über den Untersagungsbeschluss vom 13. September 2019 hinausreichendes Rechtsschutzziel verfolgten, indem sie - als im Verfahren VI-3 Kart 845/19 (V) ohnehin Unbeteiligte - einen eigenen verbindlichen Ausspruch zur Nichtigkeit der vergleichsweisen Abänderung der ursprünglichen Freistellungsentscheidung erstreiten wollten. Denn das besagte Verfahren betraf für sich genommen weder die Nichtigkeit des Vertrags oder dessen Aufhebung, sondern bloß die Rechtmäßigkeit einer vorläufigen Untersagung seiner Durchführung (vgl. Senatsbeschluss aaO Rn. 84).
233Indes hat die Bundesnetzagentur in der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 die Erklärung abgegeben, dass auch sie im Anschluss an die inzwischen vorliegende Beschlussbegründung des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) nunmehr den Vertrag vom 28. November 2016 als nichtig ansehen und aus diesem keine Rechtsfolgen mehr herleiten werde. Diese (absprachegemäß zu veröffentlichende) Erklärung ähnelt bei wertender Betrachtung der Aufhebung eines - hier nicht existenten - belastenden Verwaltungsakts, und der Bundesgerichtshof hat das Feststellungsinteresse für eine Feststellungsbeschwerde bereits einmal mit der Begründung verneint, dass die von der Beschwerde aufgeworfene Frage höchstrichterlich geklärt und nicht zu erwarten sei, dass die Bundesnetzagentur gleichwohl weiterhin die gegenteilige Auffassung vertreten werde (vgl. BGH, Beschluss vom 12. April 2016 - EnVR 25/13, juris Rn. 37). Im Lichte dieser Erwägungen drängte sich hier ein Fortfall der Zulässigkeit auf, gerade wenn man die im Ausgangspunkt anfechtungsidentisch bestimmte Beschwerdebefugnis auf ihr gerade notwendiges Maß begrenzt.
234Angesichts dessen war die übereinstimmende Erledigung angezeigt, ohne dass den Beschwerdeführerinnen eine verzögerte Reaktion vorgeworfen werden konnte, zumal die Frage eines eventuellen Fortfalls der Zulässigkeit jedenfalls vor Abgabe der genannten Erklärung im Verhandlungstermin vom 29. Juni 2022 mit hochkomplexen Überlegungen verbunden war (vgl. dazu auch OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 23. November 2017 - 6 U 121/17, BeckRS 2017, 135116 Rn. 4).
2353.2. Die danach jedenfalls ursprünglich zulässigen Feststellungsbeschwerden wären auch begründet gewesen. Die im Vertrag vom 28. November 2016 geregelte Abänderung der ursprünglichen Freistellungsentscheidung zeichnete sich ebenso wie der vorausgegangene Beschluss der Europäischen Kommission vom 28. Oktober 2016 durch eine vollständige Nichtberücksichtigung des hier einschlägigen Grundsatzes der Energiesolidarität aus. Bereits dieser Abwägungsausfall hätte für sich genommen die Feststellung der Nichtigkeit getragen.
2363.2.1. Aus dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 15. Juli 2021 (C-848/19, juris) ergibt sich zweifelsfrei, dass der ausgemachte und der Europäischen Kommission angelastete Rechtsfehler sich - anders als etwa die Beteiligte zu 1 gemeint hat - nicht in einem bloßen formellen (Verfahrens-) Fehler erschöpfte. Es geht bei dem in Art. 194 Abs. 1 AEUV verorteten Grundsatz der Energiesolidarität gerade nicht allein um eine formale, durch die RL (EU) 2019/692 nunmehr in Art. 36 Abs. 3 Unterabsatz 2 Buchst. a RL 2009/73/EG aufgenommene Pflicht zur Konsultation anderer Mitgliedstaaten. Vielmehr handelt es sich - wie schon dargelegt - um ein materielles Berücksichtigungs- und Abwägungsgebot. Folgerichtig ist das Gericht der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. September 2019 (T-883/16, juris Rn. 79 ff.) zur Nichtigerklärung gelangt, ohne dass es auf eine weitere Prüfung der materiellen Rechtslage und die Möglichkeit einer abwägungsfehlerfreien Abänderung der Freistellungsentscheidung nach Maßgabe der Verträge vom 11. Mai oder 28. November 2016 angekommen wäre.
237Dieser Prüfungsmaßstab ist vom Gerichtshof der Europäischen Union nicht beanstandet worden (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris), nachdem zuvor schon Generalanwalt Sánchez-Bordana (BeckRS 2021, 4883 Rn. 159) ausdrücklich hervorgehoben hatte, dass das Gericht der Europäischen Union auf das Fehlen einer Abwägung abgestellt habe, unabhängig davon, „ob sie … zur vollständigen Liberalisierung der OPAL-Gasfernleitung zugunsten … [der Beteiligten zu 2] und der mit ihr verbundenen Unternehmen führen konnte oder nicht“. Dementsprechend wird in der Literatur zu Recht angenommen, dass es den europäischen Gerichten auf den Gesichtspunkt des vollständigen Ermessensausfalls angekommen sei und gerade dies die Primärrechtswidrigkeit zur Folge gehabt habe (vgl. Gundel, EuZW 2021, 758, 763; ders., RdE 2020, 75, 78). Dass der Gerichtshof der Europäischen Union nicht selbst die Tatsachen gewürdigt, sondern nur den darauf bezogenen Rechtsmittelgrund geprüft hat (vgl. aaO Rn. 83), ändert nichts am beschriebenen materiellen Gehalt. Für ein Vorabentscheidungsverfahren hätte vor diesem Hintergrund keine Veranlassung bestanden.
2383.2.2. Ferner ist aufgrund der zu Art. 36 RL 2009/73/EG ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geklärt, dass der Grundsatz der Energiesolidarität in seiner dargestellten Ausprägung nicht allein von Unionsorganen, sondern insbesondere auch von den nationalen Regulierungsbehörden zu beachten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris Rn. 41 und 49), und dass die endgültige Entscheidung über eine Abänderung des OPAL-Freistellungsregimes in der Verantwortung der Bundesnetzagentur lag, diese mithin nicht durch die Beurteilung der Europäischen Kommission von ihren Pflichten entbunden worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Dezember 2019 - C-117/18, BeckRS 2019, 31870 Rn. 42 f.) Allein folgerichtig und europarechtskonform wäre es deshalb gewesen, die Rechtmäßigkeit und den Bestand des nationalen Umsetzungsaktes anhand derjenigen Grundsätze zu beurteilen, die zum Zwecke der Überprüfung des Kommissionsbeschlusses vom 28. Oktober 2016 herangezogen worden sind. Für ein Vorabentscheidungsverfahren hätte auch insoweit keine Veranlassung bestanden.
2393.2.3. Nach dem Vorgesagten ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der eine Freistellung nach § 28a EnWG regelt oder eine solche abändert und unter vollständiger Nichtberücksichtigung des im Einzelfall einschlägigen Grundsatzes der Energiesolidarität geschlossen worden ist, nach § 59 Abs. 1 VwVfG in Verbindung mit § 134 BGB nichtig.
240Zwar führt bei verwaltungsrechtlichen Verträgen nicht jeder Rechtsverstoß, sondern nur ein qualifizierter Fall der Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit. Dies ergibt sich aus der im Einzelnen differenzierenden Bestimmung des § 59 VwVfG. Die inhaltliche Unzulässigkeit eines verwaltungsrechtlichen Vertrages bewirkt aber dessen Nichtigkeit, wenn sie sich als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) darstellt (BVerwG, Urteil vom 3. März 1995 - 8 C 32/93, juris Rn. 19). Dem Unionsrecht wird danach lediglich dann zur vollen Geltung verholfen, wenn man eine Art. 194 AEUV nicht genügende nationale verwaltungsaktersetzende Vereinbarung als rückwirkend aufhebbar oder nichtig behandelt. Da dem nationalen Recht ein Aufhebungsanspruch bei verwaltungsaktersetzenden Verträgen indes grundsätzlich fremd ist, sind im Fall der Primärrechtswidrigkeit die Regelungen in § 59 Abs. 1 VwVfG und § 134 BGB anzuwenden. Lediglich hilfsweise ergibt sich aus § 58 VwVfG die der Nichtigkeit gleichstehende Unwirksamkeit, wenn der durch den Grundsatz der Energiesolidarität geschützte Mitgliedstaat - wie hier die Republik Polen - seine Zustimmung endgültig verweigert hat (vgl. Rozek in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht § 58 VwVfG Rn. 26 [Werkstand: 1. August 2021] m.w.N.).
2413.2.4. Hiernach wäre es - vorbehaltlich der Erledigung - auf die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen zur Feststellung der Nichtigkeit der Abänderung der Freistellungsentscheidung gekommen, weil der Vertrag vom 28. November 2016 geschlossen worden ist, ohne dass nach Art. 194 Abs. 1 AEUV berücksichtigungspflichtige Belange auch nur im Ansatz bedacht worden wären.
2423.2.4.1. Dass die Bundesnetzagentur die von den Beschwerdeführerinnen und der Republik Polen vorgebrachte Kritik an der Abänderung der Freistellungsentscheidung in ihre Entscheidungsfindung einbezogen und wertend berücksichtigt hat, ist auszuschließen, selbst wenn man unterstellt, dass die fraglichen Bedenken umfassend bekannt waren.
243Bereits die ursprüngliche Freistellungsentscheidung vom 25. Februar 2009 zeichnete sich zum einen durch eine deutliche Fokussierung auf den tschechischen Markt und zum anderen dadurch aus, dass das Potential zur Verlagerung von Gasflüssen als ein die Versorgungssicherheit erhöhender Faktor bewertet wurde (vgl. S. 52 und 54). Nur in der nach dem Vorgesagten beschränkten Prüfung der „Verbesserung des Wettbewerbs“ kam die Möglichkeit eines Nebeneinanders von vor- und nachteilhaften Effekten näher zum Ausdruck (vgl. S. 35).
244Diese Sichtweise prägte auch den rechtskräftig für nichtig erklärten Kommissionsbeschluss vom 28. Oktober 2016 (C(2006) 6950 final). Zwar war darin (Rn. 49 ff.) unter Gegenüberstellung der technischen Kapazität des ukrainischen Transitwegs und der zusätzlichen OPAL-Kapazität die Nichtnutzung von Alternativstrecken als unwahrscheinlich bewertet worden unter ergänzender Bezugnahme (in Fußnote 20) auf eine frühere Einschätzung der ENTSOG („Der Effekt, der sich aus der Erhöhung der Kapazität auf 100 % ergibt, wird sich darauf beschränken, LNG in Westeuropa zu ersetzen“). Im fraglichen Abschnitt ging es aber allein um das Ausmaß der Verbesserung der Versorgungssicherheit, ohne dass erkennbar die Möglichkeit nicht lediglich neutraler, sondern sogar nachteiliger Effekte in bestimmten Teilen der Europäischen Union erwogen worden wäre.
245Deuteten bereits die vorgenannten Gesichtspunkte darauf hin, dass auch die Bundesnetzagentur im Jahre 2016 die von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Kritikpunkte (bzw. eine der OPAL-Working-Group möglicherweise bewusste inhaltsgleiche Argumentation der Republik Polen) im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags als von vornherein unerheblich erachtet und damit ausgeblendet hat, wäre die Tatsache eines Abwägungsausfalls noch durch weitere Umstände belegt worden.
246So fehlte es im Verwaltungsvorgang an Hinweisen auf eine Würdigung der geäußerten Bedenken vor Unterzeichnung des Vertrags. Sowohl die Eingabe der Beschwerdeführerin zu 2 vom 23. September 2016 als auch eine Pressemitteilung der Beschwerdeführerin zu 1 sind zwar zu den Akten genommen worden. Eine nähere inhaltliche Befassung mit dem Vorbringen war dem Verwaltungsvorgang aber nicht zu entnehmen, auch eingedenk der sehr knappen E-Mail-Antwort vom 13. Oktober 2016, in welcher der Beschwerdeführerin zu 2 ein Missverständnis unterstellt wurde, weil der Vertrag den regulierten Bereich gerade „ausweite“. Die Bundesnetzagentur und die Beteiligten zu 1 bis 3 hätten sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit Erfolg darauf berufen können, dass der Senat in seinem Beschluss vom 30. Dezember 2016 (unter B III 2 3) selbst unter anderem angenommen hat, es sei angesichts der Eingabe vom 23. September 2016 von deren Würdigung auszugehen. Denn der Grundsatz der Energiesolidarität ist im besagten Senatsbeschluss, wie schon die weiteren Ausführungen zu potentiellen Netzausbaumaßnahmen in Polen zeigen, nicht geprüft worden.
247Auch die Vergleichsverträge aus dem Oktober 2013 sowie vom 11. Mai und 28. November 2016 enthalten trotz ihrer jeweils ausführlichen Präambel nicht einmal im Ansatz eine auf die Verhältnisse in der Republik Polen bezogene Betrachtung (zum Begründungserfordernis vgl. Art. 36 Abs. 8 Satz 4 Buchst. a RL 2009/73/EG), wohl aber jeweils den apodiktischen Hinweis, dass die dauerhafte Unterauslastung nicht im Interesse der Versorgungssicherheit und der Vollendung des europäischen Binnenmarktes liege. Wiederum wurde mithin die Vollauslastung unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit ausschließlich als positiv bewertet und im Übrigen allein der tschechische Markt berücksichtigt. Die Möglichkeit gegenläufiger Effekte oder einer nachteiligen Betroffenheit anderer Mitgliedstaaten blieb damit erneut unbeachtet.
248Dass die Sachargumente der Republik Polen und der Beschwerdeführerinnen von vornherein unberücksichtigt geblieben waren, wäre schließlich durch das verfahrensmäßige Vorbringen der Bundesnetzagentur belegt worden. So ist in der Stellungnahme der Bundesnetzagentur vom 21. Dezember 2016 die Behauptung, der Südosten der polnischen Republik müsse zwingend über die BRUDERSCHAFT versorgt werden, mit „Nichtwissen bestritten“ und hilfsweise pauschal - und damit im Widerspruch zu Art. 194 AEUV - auf die Ausbauverantwortung des polnischen Netzbetreibers hingewiesen worden. Ebenso aussagekräftig war der Inhalt der Schutzschrift vom 12. Dezember 2016, in welcher die Kritik als nicht stichhaltig bezeichnet wurde, weil sie nicht auf einer Betrachtung des tschechischen Marktes basiere und sich - „im Zusammenhang mit der Ausnahmegenehmigung unerheblich“ - gegen eine Umgehung der bisherigen Transitrouten bzw. die Nord Stream richte (S. 5). Gerade diese isolierte Betrachtung der OPAL unter Ausblendung der Nord Stream wurde der Rechtsprechung der europäischen Gerichte jedoch nicht gerecht. Vielmehr hat das Gericht der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. September 2019 (T-883/16, juris Rn. 82) die „mittelfristigen Folgen“ der „Übertragung eines Teils der … Erdgasmengen auf den Transportweg Nord Stream 1/OPAL“ angesprochen, und der Gerichtshof der Europäischen Union hat diesen Urteilsabschnitt referiert und die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz gebilligt (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris Rn. 90).
249Nach dem Vorgesagten war auszuschließen, dass vereinzelte Bemerkungen der Bundesnetzagentur zum Gewicht der vorgebrachten Bedenken (vgl. etwa S. 16 des Beschlusses vom 20. Dezember 2016 - BK7-16-167 sowie S. 15 der Schutzschrift vom 12. Dezember 2016) Ausdruck einer bei Vertragsabschluss gleichwohl stattgefundenen und die Rechtsprechung der europäischen Gerichte zu Art. 194 Abs. 1 AEUV vorwegnehmenden Abwägung waren.
2503.2.4.2. Entgegen der - in unterschiedlicher Akzentuierung vorgebrachten - Auffassung der Bundesnetzagentur und der Beteiligten zu 1 bis 3 waren die von den Beschwerdeführerinnen vorgetragenen Bedenken auch nicht derart haltlos, dass - im Sinne (eines Teils) des Rechtsmittels der Bundesrepublik Deutschland gegen das Urteil vom 10. September 2019 (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/19, juris Rn. 75 ff.) - weder eine Prüfung anhand von Art. 194 Abs. 1 AEUV noch dessen Erwähnung (vgl. EuG, Beschluss vom 2. Februar 2022 - T-616/18, juris Rn. 427) veranlasst war.
251Zu Lasten der Beschwerdeführerinnen hätte unterstellt werden können, dass die rechtskräftig als defizitär bewertete Entscheidung der Europäischen Kommission nicht zwangsläufig den nationalen Abänderungsakt - hier in Gestalt des Vertrags vom 28. November 2016 - infiziert (vgl. aber nunmehr zu § 58 Abs. 2 VwVfG ohnehin BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - EnVR 36/21, juris Rn. 20 ff.). Es wäre auch nicht darauf angekommen, ob das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen zur Abhängigkeit des polnischen Südostens von dem Grenzübergangspunkt Drozdowicze und der Nutzung der BRUDERSCHAFT hinreichend substantiiert, sachlich zutreffend und gegebenenfalls noch aktuell ist. Ebenfalls hätte offenbleiben können, ob die Pflicht zur Berücksichtigung solcher Belange nach der Rechtsprechung der europäischen Gericht in einem ersten Schritt rein formeller Natur ist, das materielle Berücksichtigungs- und Abwägungsgebot mithin erst an die bei einer Sachverhaltsprüfung gewonnenen Erkenntnisse anschließt (vgl. dazu auch Sölter, EuR 2022, 130, 138). Denn es wurde bereits aufgezeigt, dass sich das durch Art. 194 Abs. 1 AEUV vorgezeichnete Prüfprogramm nicht in einer Würdigung der Versorgungssicherheit in anderen Teilen der Europäischen Union erschöpft. Vielmehr geht es ausdrücklich auch um die „wirtschaftliche und politische Tragbarkeit der Versorgung sowie die Diversifizierung der Versorgungsquellen“ (vgl. EuGH, Urteil vom 15. Juli 2021 - C-848/18, juris Rn. 71). Danach stand außer Zweifel, dass die denkbaren Auswirkungen einer gesteigerten Auslastung der OPAL auf die damaligen und zukünftigen Bezugsquellen der polnischen Republik materiell zu würdigen gewesen wären. Die gänzlich unterbliebene Berücksichtigung und Abwägung hätte nicht durch eine nachgeschobene Kritik an der Stichhaltigkeit der von den Beschwerdeführerinnen vorgebrachten Analysen - etwa zu den Folgen einer Reduktion des Transits auf der JAMAL - ersetzt werden können.
252Letzteres wäre auch dem weiteren Vorbringen der Bundesnetzagentur und der Beteiligten zu 1 bis 3 entgegenzuhalten gewesen, soweit sie - mit unterschiedlicher Akzentuierung - zusammengefasst vorgebracht haben, dass eine Verlagerung der Gasflüsse nicht nachvollziehbar aufgezeigt worden sei, dass die Beschwerdeführerinnen durch eigene vertragliche Entscheidungen und die von ihnen erwähnten Entwicklungen die Irrelevanz der Flussrichtung und das Nichtvorhandensein von Gefährdungen oder wirtschaftlichen Nachteilen faktisch eingestanden hätten, und dass es ausschließlich auf die isoliert zu betrachtenden Wirkungen des Vertrags im Sinne eines Einzelbeitrags ankommen könne. Dieser Vortrag erwies sich als ein unbehelflicher Versuch, den materiellen Gehalt des Grundsatzes der Energiesolidarität in der Ausprägung der Rechtsprechung der europäischen Gerichte in Frage zu stellen.
2533.2.4.3. Zuletzt hätten der Feststellung der Nichtigkeit und der damit verbundenen Rückkehr zum Freistellungsregime nach Maßgabe der Entscheidungen vom 25. Februar und 7. Juli 2009 auch nicht die von den Beteiligten zu 2 bis 3 erwähnte Beurteilung des WTO-Streitschlichtungspanels entgegengestanden (vgl. dazu Gundel, EuZW 2021, 758, 762 m.w.N.). Selbst eine finale WTO-Entscheidung würde keine unmittelbar zu beachtende, den Grundsatz der Energiesolidarität verdrängende Bindungswirkung auslösen (Senatsbeschluss vom 26. Mai 2021 - VI-3 Kart 845/19 (V), juris Rn. 94).
2543.2.5. Ergänzend nimmt der Senat auf die Erwägungen des Bundesgerichtshofs Bezug. Dieser hat die Nichtigkeit des Vertrags vom 28. November 2016 mit überzeugender Begründung aus einem Vertragsformverbot hergeleitet und ist zu dessen Unwirksamkeit auch infolge der Nichtigerklärung des Beschlusses der Europäischen Kommission gelangt (BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - EnVR 36/21, juris Rn. 10 ff.).
2553.3. Mit den Verpflichtungs- und Feststellungsbeschwerden gemäß des Antrags zu 2 hätten die Beschwerdeführerinnen hingegen jeweils keinen Erfolg gehabt.
2563.3.1. Die Verpflichtungsbeschwerden wären zurückzuweisen gewesen, weil das Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt der Stellung des Beiladungsantrags - wie aufgezeigt - als abgeschlossen zu betrachten war. Die Beschwerdeführerinnen waren nach der Senatsrechtsprechung auch nicht auf die Einlegung der Beschwerde gegen den eine Beiladung ablehnenden Beschluss angewiesen, um ihr Begehren in der Hauptsache geltend machen zu können (vgl. Senatsbeschluss vom 24. März 2021 - VI-3 Kart 2/20 (V), juris Rn. 54).
257Einen weitergehenden Anspruch auf Neuentscheidung über die Beiladung etwa zu eventuellen zukünftigen Verfahren hatten die Beschwerdeführerinnen nicht. Zwar hätte die Nichtigkeitsfeststellung der Abänderung der Freistellungsentscheidung nicht unmittelbar die Verhandlungsklausel im Sinne von § 5 des Vertrags vom 28. November 2016 betroffen. Die Vornahme von Neuverhandlungen war aber nicht ersichtlich und ist seit der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. April 2022 (EnVR 36/21, juris) sogar undenkbar. Irrelevant war auch, dass wohl ein weiteres (ruhend gestelltes) Verfahren auf Wiederaufgreifen hinsichtlich der ursprünglichen Freistellungsentscheidung initiiert worden war. Denn die Beiladungsanträge vom 28. November 2016, die wiederum dem Ablehnungsbeschluss vom 20. Dezember 2016 zugrunde lagen, haben sich erkennbar nicht auf derartige Verfahrensphasen bezogen. Abgesehen davon war im Zeitpunkt des Antrags vom 28. November 2016 das im Jahre 2013 begehrte Wiederaufgreifen ohnehin längst abgelehnt worden. Es wäre nach alledem nicht darauf angekommen, ob und unter welchen Voraussetzungen bereits vor einer positiven Entscheidung zum Wiederaufgreifen des Verfahrens erhebliche Interessen im Sinne von § 66 Abs. 2 Nr. 3 EnWG berührt sein können.
2583.3.2. Nach dem Vorgesagten fehlte es auch an einem Feststellungsinteresse hinsichtlich des Hilfsantrags zu 2. Dass die Beschwerdeführerinnen in Ansehung des konkreten Streitgegenstands als beschwerdebefugt zu erachten waren, hätte sich bereits aus den Ausführungen zur Zulässigkeit der Feststellungsbeschwerden ergeben. Ein anerkennenswertes Bedürfnis für eine darüber hinausgehende Feststellung war nicht ersichtlich, zumal die Beschwerdeführerinnen selbst vorgetragen haben, zum Zertifzierungsverfahren der Nord Stream 2 … wunschgemäß beigeladen worden zu sein.
2593.4. Nach alledem entsprach es billigem Ermessen, die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Beschwerdeführerinnen der Bundesnetzagentur aufzuerlegen. Denn soweit die Beschwerden voraussichtlich von vornherein erfolglos geblieben wären, betraf dies einen nach den Rechtsgedanken der § 92 Abs. 2 ZPO und § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG unerheblichen Teil.
260Eine gesonderte Kostenentscheidung hinsichtlich des einstweiligen Verfahrens war nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2022 - EnVR 69/21, juris Rn. 20; OLG Brandenburg, Beschluss vom 10. Juli 2017 - 6 Kart 1/17, juris Rn. 78; Johanns/Roesen in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Auflage § 77 EnWG Rn. 17). Es war hier auch nicht angezeigt, den Beschwerdeführerinnen wegen ihres Misserfolgs im Verfahren des Eilrechtsschutzes einen Teil der (Hauptsache-) Kosten aufzuerlegen (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2020 - VI-3 Kart 884/19 (V), BeckRS 2020, 26969 Rn. 19).
261Soweit die Beschwerdeführerinnen unter pauschalem Verweis auf die in § 830 Abs. 1 BGB geregelte Gesamtschuld auch eine Kostenerstattungspflicht der Beteiligten zu 1 bis 3 angeregt haben, kam eine dahinlautende Kostenentscheidung nicht in Betracht. Zwar haben die Beteiligten zu 1 bis 3 aktiv und intensiv am Beschwerdeverfahren teilgenommen, Anträge im Eilverfahren gestellt und Sachanträge in der Hauptsache angekündigt, was für die Kostenbelastung eines verwaltungsprozessual Beigeladenen bisweilen als ausreichend erachtet wird, wenn seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sodann unterbleibt (vgl. Wysk, VwGO 3. Auflage § 154 Rn. 13). Eine (teilweise) Kostenerstattungspflicht des Beteiligten (bejaht im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren von BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - X ZB 8/11, NZBau 2013, 389 Rn. 15; siehe auch BeckOK-KartellR/Rombach, § 71 GWB Rn. 15 [Stand: 1. April 2022]) ist nach der Senatsrechtsprechung aber in aller Regel - und so auch hier - zu verneinen (vgl. zum Verfahren nach § 31 EnWG Senatsbeschluss vom 18. Januar 2017 - VI-3 Kart 148/15 (V), juris Rn. 82). Es gilt der Grundsatz, dass der Nebenbeteiligte weder mit den gerichtlichen Kosten noch mit den Verfahrenskosten anderer Verfahrensbeteiligter zu belasten ist, da er diese Kosten nicht veranlasst hat (BeckOK-EnWG/Pastohr, § 90 Rn. 24 [Stand: 1. Juni 2022]). Soweit die Beschwerdeführerinnen vom Bestehen eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungs- bzw. Schadensersatzanspruchs (etwa gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 EnWG) ausgehen und dessen Berücksichtigung in Anlehnung an zivilprozessuale Grundsätze einfordern sollten, wäre ein solcher Anspruch jedenfalls nicht ohne besondere Schwierigkeiten feststellbar (zu diesem Erfordernis BGH, Urteil vom 22. November 2001 - VII ZR 405/00, juris Rn. 10; Beschluss vom 1. Oktober 1980 - IVb 613/80, juris Rn. 9).
262II. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren war auf … Euro festzusetzen. Die Wertfestsetzung des Bundesgerichtshofs aus der Sache EnVR 36/21 ( … Euro) stand dem nicht entgegen. Im dortigen Verfahren ging es um das Interesse der hiesigen Beteiligten zu 1 und 3 an einem Betrieb der OPAL nach Maßgabe des Vertrags vom 28. November 2016. Das Interesse der Beschwerdeführerinnen bemaß sich hingegen nach den von ihnen geltend gemachten, namentlich das Gebiet und den Markt der Republik Polen betreffenden Bedenken.
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