Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 26 U 3/11
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 10. November 20010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 60.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07. August 2008 zu zahlen.
Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin eine außergerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 1.761,08 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07. August 2008 zu zahlen.
Wegen des weitergehenden Zinsanspruchs wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Gründe:
2I.
3Die Parteien streiten um Schadensersatz aufgrund einer behaupteten tierärztlichen Fehlbehandlung des vom Oldenburger Verband gekörten Hengstes X.
4Der verstorbene Ehemann der Klägerin hatte den Beklagten, der in C eine Pferdeklinik betrieb, mit der Behandlung des Hengstes beauftragt. Wer von den Eheleuten Eigentümer des Pferdes war, ist streitig geworden. Beide sind als Besitzer des Hengstes bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) eingetragen, und zwar der Ehemann im Bereich der Zucht und die Klägerin für den Bereich Sport. Das Pferd befand sich seit 1997 bereits in der Behandlung des Beklagten. Bis zum Jahr 2003 war es zu insgesamt 22 tierärztlichen Konsultationen gekommen. Es wurde als Dressurpferd im Turniersport eingesetzt und hatte eine Ausbildung bis zur Grand Prix –Reife erlangt. Im Jahr 2004 wurden im hinteren Bereich des Fesselgelenks 2 Chips (kleine Knorpel-Knochenfragmente im Gelenk) festgestellt, welche der Beklagte zu entfernen empfahl. Bei einem Chip im hinteren Bereich handelte es sich um eine sog. Birkelandfraktur. Anlässlich der durchgeführten Operation am 07.10.2004 konnten jedoch die Chips nicht entfernt werden, weil der Chip bezüglich der Birkelandfraktur dem Beklagten entglitten war und wegen der Dauer der Narkose auf eine Entfernung des weiteren Chips verzichtet wurde. Aus diesem Grund kam es am 28.10.2004 zu einer erneuten Operation. Da der Hengst nach seiner am 19.11.2004 aus der Tierklinik erfolgten Entlassung lahmte, versorgte der Beklagte eine Krongelenkssubluxation operativ mit einer Platte. Das Pferd ist als Dressurpferd nunmehr unbrauchbar und dauerhaft lahm.
5Mit der Begründung, dass der Beklagte den Hengst ohne ausreichende Indikation und darüber hinaus fehlerhaft operiert, zudem eine ausreichende Aufklärung über die Risiken einer Birkelandfraktur gefehlt habe, hat der verstorbene Ehemann der Klägerin unter Abtretung von Ansprüchen der Klägerin vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 60.000 € verlangt. Dazu hat er ausgeführt, dass der Hengst lahmfrei gewesen und lediglich im Hinblick auf einen möglichen Verkauf eine Untersuchung durchgeführt worden sei. Es habe Interessenten mit einem Kaufangebot von über 250.000 € gegeben.
6Das Landgericht hat sachverständig beraten durch Prof. Dr. Y die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass Behandlungsfehler nicht festzustellen seien. Die Entfernung der Chips sei zumindest relativ indiziert gewesen, und zwar unabhängig von einer vorhandenen Lahmheit, um das Pferd vor einer späteren Arthrose zu bewahren.
7Soweit bei der Durchführung der Operation ein ungewöhnlicher Zugang gewählt worden sei, sei dies kein Fehler, weil man diese Möglichkeit habe wählen können, um beide Chips gleichzeitig zu entfernen. Im Übrigen sei auch ein Zusammenhang zwischen dieser Vorgehensweise und dem Schadenseintritt nicht feststellbar. Letztlich sei bei den Eingriffen der Bandapparat geschädigt worden, was aber unvermeidlich sei und zu einem schicksalhaften Geschehen geführt habe.
8Die Aufklärung sei auch ausreichend gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich hier nicht um eine Aufklärung im humanmedizinischen Bereich handle. Deswegen müsse auch klägerseits ein Aufklärungsmangel dargelegt und nachgewiesen werden, was aufgrund der vorliegenden Dokumentation und dem unterzeichneten Aufklärungsbogen nicht erfolgt sei.
9Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die unter Vorlage eines notariellen Testamentes, das sie als Alleinerbin ausweist, den Rechtsstreit fortsetzen will. Dies hält der Beklagte als Nachweis für die Erbenstellung nicht für ausreichend.
10Diesbezüglich beantragt der Beklagte im Wege einer negativen Feststellungsklage, über die vorab entschieden werden soll,
11festzustellen, dass Frau N, *##.##.1954, die im Rechtsstreit 6 O 480/08 LG Bochum = 26 U 3/11 OLG Hamm geltend gemachten Ansprüche des verstorbenen Herrn N2 nicht zustehen.
12Die Klägerin beantragt,
13den Antrag zurückzuweisen.
14Sie macht im Rahmen der Berufung insbesondere eine Verletzung der Aufklärungspflicht geltend. Ihr sei die Entfernung der Chips als minimalinvasiver Routineeingriff mitgeteilt und empfohlen worden. Tatsächlich habe es sich aber wegen der Birkelandfraktur um einen komplizierten Eingriff gehandelt, der auch für einen erfahrenen Operateur nicht unproblematisch sei. Insoweit sei eine Aufklärung nicht erfolgt, insbesondere auch nicht im Hinblick darauf, dass es zu einer Traumatisierung der Gelenkweichteile nebst Bändern kommen könne. Der Beklagte habe offensichtlich gar nicht gesehen, dass es sich um eine solche Fraktur gehandelt habe. Bei derartigen Risiken wäre dem Eingriff nicht zugestimmt worden. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Eheleute bei komplizierten Dingen immer noch eine zweite Meinung eingeholt hätten. So seien sie in der Vergangenheit schon nach Utrecht und Bern gefahren, um mit ihren Pferden Spezialisten aufzusuchen. Gerade in solch einem Fall hätte die Frage der Indikation umfassend erörtert werden müssen, weil zum damaligen Zeitpunkt das Pferd nicht lahm gewesen sei. Es habe lediglich auf die Beugeprobe entsprechend reagiert. Das Landgericht habe auch nicht richtig erfasst, dass die Operation von der völlig falschen Seite aus durchgeführt worden sei. Insoweit habe der Beklagte ein erhöhtes Risiko in Kauf genommen.
15Tatsächlich sei auch von einem Behandlungsfehler auszugehen, weil die Ursache der geringgradigen Lahmheit, die bei der Beugeprobe vom Tierarzt festgestellt worden sei, gar nicht ermittelt worden sei. Ohne eine entsprechende Lahmheitsdiagnostik hätte die Operation nicht durchgeführt werden dürfen.
16Auch eine relative Indikation rechtfertige nicht das Risiko einer kompletten Bandzerstörung mit Totalverlust des Tieres.
17Die Klägerin beantragt weiter hilfsweise,
18das Urteil des Landgerichts Bochum abzuändern und
19den Beklagten zu verurteilen, an sie 60.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.07.2008 zu zahlen;
20den Beklagten weiter zu verurteilen, an sie eine außergerichtliche Anwaltsvergütung in Höhe von 1.761,08 € € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
21Der Beklagte beantragt weiter hilfsweise,
22die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
23Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, dass der Vortrag des verstorbenen Klägers zur Frage der Aufklärung neu sei und daher nicht berücksichtigt werden könne. Tatsächlich sei die Ehefrau des Klägers diejenige gewesen, die das Tier immer beim Beklagten vorgestellt hätte. Deswegen habe auch der Kläger nicht aufgeklärt werden müssen. Es sei auch überhaupt nicht geklärt, wer Eigentümer des Pferdes sei. Soweit nunmehr behauptet werde, dass dies der verstorbene Ehemann der Klägerin gewesen sei, habe dieser jedoch zunächst aus abgetretenem Recht Ansprüche seiner Frau erhoben. Dementsprechend sei dieser Vortrag, wonach der verstorbene Kläger eigene Ansprüche geltend mache, ebenfalls neu. Insoweit erhebt der Beklagte wegen des neuen Vortrags die Einrede der Verjährung.
24Im Übrigen sprächen mehrere Anhaltspunkte gegen den angenommenen Wert des Pferdes als Turnierpferd und auch als Deckhengst. Das Pferd sei ohnehin nicht gesund gewesen und in ständiger Behandlung des Beklagten und gegen die Verwendung als Deckhengst spräche u.a., dass genetisch bedingte Chips die Verwendung beschränken, wenn nicht sogar ausschließen würden.
25Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
26Der Senat hat den Sachverständigen Prof. Dr. Y erneut angehört sowie den Zeugen H zur Frage der Lahmheit vor dem Eingriff vernommen. Zudem ist die jetzige Klägerin zunächst noch als Zeugin zur Frage des Umfangs der Aufklärung vor dem durchgeführten Eingriff vernommen worden. Außerdem hat der Senat ein Gutachten durch den Dipl.-Ing. F2 zur Frage des Wertes des Hengstes als Sportpferd und als reiner Deckhengst eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Berichterstattervermerke vom 28.02.201, 05.04.2013 sowie 21.02.2014 und die Gutachten des Sachverständigen F2 vom 10.10.2012 nebst ergänzender Stellungnahme vom 25.02.2013 sowie vom 06.08.2013 nebst Ergänzung vom 11.02.2014 verwiesen.
27II.
28Die Berufung ist begründet.
29Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß §§ 280 Abs. 1, 398 , 1922 BGB zu.
30Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Rechtsnachfolge der Klägerin gemäß §§ 239, 246 ZPO durch das vorliegende notarielle Testament ausreichend nachgewiesen. Ein solches Testament reicht schon im Grundbuchverkehr aus und ersetzt einen Erbschein. Unabhängig davon, dass jeder einzelne Erbe berechtigt ist, einen Prozess aufzunehmen, ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern kann diesen Nachweis auch in anderer Form führen ( BGH Urteil vom 8.10.2013 XI ZR 401/12 – Rnr. 24f). Darüber musste auch nicht separat im Rahmen eines Zwischenurteils entschieden werden.
31Die Ansprüche des verstorbenen Klägers waren auch nicht verjährt.
32Unstreitig ist, dass der Verstorbene Vertragspartner des Beklagten war. Sämtliche Rechnungen sind an ihn gegangen und er wurde beim Beklagten auch als Kunde geführt. Vor diesem Hintergrund hat er völlig zu Recht eigene vertragliche Ansprüche geltend gemacht. Unabhängig davon, dass es erstinstanzlich zuletzt unstreitig geblieben ist, dass tatsächlich der verstorbene Ehemann der Klägerin Eigentümer des Hengstes war, so dass dies in der Berufungsinstanz auch nicht mehr streitig gestellt werden kann, wäre es lediglich für den Schadenseintritt auf die Frage des Eigentumsrechtes angekommen. Soweit der verstorbene Kläger selbst Eigentümer war, lief die Abtretung ins Leere und war bedeutungslos. Soweit die jetzige Klägerin Eigentümerin war, hat sie ihrem Mann, der eigene vertragliche Rechte hatte – ähnlich wie bei der Drittschadensliquidation – den eingetretenen Schaden abgetreten. Eine Verjährung bezüglich der vertraglichen Ansprüche war im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides unter dem 06.08.2008 ersichtlich nicht eingetreten; denn erst mit Ablauf des Jahres 2005, als deutlich wurde, dass der Hengst nunmehr unbrauchbar sein würde, begann frühestens die Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2008.
33Die Voraussetzungen für eine Haftung des Beklagten liegen vor; denn der Beklagte hat zum einen in grob fehlerhafter Weise eine Operation ohne ausreichende Notwendigkeit durchgeführt und zum anderen den verstorbenen Kläger bzw. dessen Ehefrau als seine Vertreterin anlässlich der durchgeführten Behandlungen über die Risiken dieser Operation nicht in der notwendigen Weise aufgeklärt.
34Der Sachverständige Prof. Dr. Y hat aufgrund der schriftlichen Angaben des beim Beklagten damals angestellten Tierarztes Dr. M an den Nachbehandler vom 06.05.2005 – die unverständlicherweise den Krankenunterlagen nicht beilagen und aus denen sich ergab, dass tatsächlich eine Schwellung im Bereich des Fesselgelenks vorlag - darauf verwiesen, dass diese Schwellung auch die Ursache für die positive Beugeprobe gewesen sein kann. Vor diesem Hintergrund, so der Sachverständige, hätte zu diesem Zeitpunkt keinesfalls eine Operation vorgenommen werden dürfen, da zum einen die Ursache der positiven Beugeprobe nicht festgestanden und zum anderen nach den Angaben des Tierarztes Dr. M auch am 14.09.2004 nach einer erheblichen Reduktion der Schwellung keine Lahmheit mehr vorgelegen hat. Das deckt sich mit den Angaben des Zeugen H, der das Pferd regelmäßig geritten hat und unter der Arbeit keine Lahmheit festgestellt haben will, was aber sonst bei einem Pferdewirtschaftsmeister, der Pferde bis zur höchsten Dressurklasse ausbildet, zu erwarten gewesen wäre. Wegen des wirtschaftlichen Wertes des Pferdes und des bestehende Verkaufsinteresses wäre ein Zuwarten mit der riskanten Operation zwingend notwendig gewesen. Dies schon deshalb, weil ein Erfolg der Operation bei einem Risiko von etwa 50% vollkommen offen war. Das Risiko war insbesondere deshalb so hoch, weil der Beklagte einen suboptimalen Zugangsweg zum Entfernen der Birkelandfraktur gewählt hat, der zu einer weiteren Traumatisierung des Bandapparates führte. Nach den Ausführungen des Sachverständigen war dies Verhalten unverständlich und hätte bei einem seiner Mitarbeiter zu einem sehr ernsten Gespräch geführt. Zudem wäre ein Tierarzt im Rahmen einer entsprechenden Prüfung durchgefallen. Vor diesem Hintergrund war die Durchführung der Operation durch den Beklagten zumindest zu diesem Zeitpunkt grob fehlerhaft und hat dazu geführt, dass der Hengst nunmehr als Dressurpferd unbrauchbar ist. Insoweit hat der Sachverständige nämlich ausgeführt, dass seines Erachtens das Trauma des Bandapparates für die spätere Krongelenkssubluxation verantwortlich ist. Dafür spricht bereits der zeitliche Zusammenhang. Eine fehlende Ruhigstellung des Hengstes hat der Sachverständige als Ursache für sehr unwahrscheinlich gehalten, weil dann das andere Bein infolge Überbelastung und nicht das geschonte Bein hätte betroffen sein müssen. Er hat es zudem für durchaus möglich gehalten, den Hengst bei einer optimal durchgeführten Operation, bei der ein Zugangsweg mit geringeren traumatischen Beeinträchtigungen des Bandapparates gewählt worden wäre, wieder in den Zustand zu versetzen, den er vor der Operation hatte.
35Angesichts der aufgrund des groben Fehlers bestehenden Beweislastumkehr für die Kausalität des aufgetretenen Schadens reichen die Ausführungen des Sachverständigen aus, um den Beklagten zum Ersatz des eingetretenen Schadens heranzuziehen; denn er kann nicht nachweisen, dass seine Operation erfolgreich war und der Schaden erst durch das spätere hengsthafte Verhalten des Pferdes eingetreten ist. Dabei geht der Senat davon aus, dass auch im Bereich der Tiermedizin im Falle eines groben Behandlungsfehlers eine Umkehr der Beweislast eintritt (BGH VersR 1977, 546; OLG Hamm, Urteil vom 03.12.2003 3 U 108/02, OLGR 2004, 62 und Beschluss des BGH vom 05.04.2005- VI ZR 23/04).
36Es kommt hinzu, dass der Beklagte auch keine ausreichende Aufklärung durchgeführt hat. Der Vortrag diesbezüglich ist auch nicht neu; denn schon erstinstanzlich hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin die mangelnde Aufklärung gerügt und das Landgericht hätte sich angesichts der Angaben des Sachverständigen Prof. Dr. Y zu der besonderen Problematik der Birkelandfraktur damit weiter auseinandersetzen müssen. Es ist zwar richtig, dass die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung nicht mit der Humanmedizin zu vergleichen ist, weil es nicht um das schützenswerte Selbstbestimmungsrecht eines Patienten geht. Es handelt sich aber um eine normale vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflicht, wenn die Behandlung des Tieres besonders risikoreich ist, möglicherweise kaum Erfolg verspricht und andererseits hohe finanzielle Interessen eine Rolle spielen. Hier ging es um ein hochwertiges Dressurpferd, das gut ausgebildet war und möglichst gut vermarktet werden sollte. Vor diesem Hintergrund wäre es erforderlich gewesen, darauf hinzuweisen, dass es sich um eine sehr komplizierte Operation mit einem doch ungewissen Ausgang und der Möglichkeit eines Totalverlustes handelte. Dies gilt umso mehr, als das Pferd nach den Angaben des Zeugen H durchgängig geritten wurde und keine besonderen Erkrankungen hatte. Eine solche Aufklärung hat der Beklagte aber nach dem wenig aussagekräftigen Aufklärungsbogen nicht geleistet, insbesondere auch nicht darüber aufgeklärt, dass er einen suboptimalen Zugangsweg wählen würde, der eine zusätzliche Belastung für den Bandapparat darstellte, nur um beide Chips gleichzeitig zu entfernen, was aber auch bei einer sehr kurzen zweiten Operation zur Entfernung des dorsalen Chips möglich gewesen wäre und weniger Risiko bedeutet hätte.
37Angesichts des drohenden Totalverlustes und der lediglich zu 50% bis 60% vorhandenen Chance, die Birkelandfraktur ohne Beschädigung des Bewegungsapparates des Pferdes zu entfernen, ist es durchaus nachvollziehbar, wenn sowohl der verstorbene Kläger als auch die jetzige Klägerin angeben, sich gegen die Durchführung einer solchen Operation entschieden zu haben. In diesem Fall wäre mangels Durchführung der Operation lediglich der Verbleib der Chips als Kaufpreis reduzierendes Element verblieben.
38Der Senat legt die Ausführungen des Sachverständigen F2 für den Wert des Hengstes zugrunde; denn der Sachverständige ist aufgrund seiner Pferdeerfahrung und als langjähriger Vorsitzender des Bereichs Zucht der Deutschen Reiterlichen Vereinigung und des Rheinischen Stammbuchs bestens geeignet, sich zu den hier interessierenden Fragen zu äußern. Insoweit hat er nachvollziehbar aufgrund der Abstammung des Hengstes, seines Exterieurs und seiner erfolgreichen Ausbildung nebst Turnierlaufbahn zunächst einen Wert von etwa 150.000 € angesetzt und diesen wegen der vorhandenen Chips, die einen Käufer zunächst einmal abschrecken können, auf 75.000 € reduziert. Dieser Wert liegt höher als die Klageforderung, die dementsprechend der Höhe nach berechtigt ist. Dieser Wert war auch nicht im Hinblick auf den weiteren Zustand des Tieres zu reduzieren; denn die regelmäßigen Behandlungen über den jahrelangen Zeitraum hat auch der Sachverständige F2 für ein Turnierpferd nicht für außergewöhnlich gehalten und der Zeuge H hat ausgesagt, dass während der Dauer seines Beritts im Hinblick auf den vom Beklagten behaupteten „Ton“ auch keine Endoskopie durchgeführt worden ist. Zudem kann nach den Angaben des Zeugen H und auch denen des Tierarztes Dr. M in der Information an den Nachbehandler nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Hengst aufgrund einer vor der Operation bestehenden Lahmheit keinen Wert mehr hatte.
39Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Ein weitergehender Zinsanspruch ist nicht schlüssig vorgetragen worden.
40Die vorgerichtlichen Kosten sind gemäß §§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. den Vorschriften des RVG berechtigt und gemäß §§ §§ 288,291 BGB zu verzinsen.
41Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
42Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
43Einer Zulassung der Revision bedurfte es nicht, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Referenzen
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