Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 5 UF 61/13
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 30.01.2013 verkündete Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Hagen im Ausspruch zum Versorgungsausgleich teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers. Nr. ####) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,3175 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto Nr. #### bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.04.2012, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ####) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 28,9575 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto Nr. #### bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.04.2012, übertragen.
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der E GmbH (Vers. Nr. ####) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 24.973,63 € bei der Versorgungsausgleichskasse begründet. Die E GmbH wird verpflichtet, diesen Betrag an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen.
Ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der L Pensionskasse VVaG findet nicht statt.
Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Außergerichtliche Kosten der weiteren Beteiligten werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, soweit die Entscheidung den Ausgleich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ####) betrifft.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.700,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die am ##.##.1951 geborene Antragstellerin und der am ##.##.1947 geborene Antragsgegner hatten am ##.##.1969 die Ehe geschlossen. Aus der Ehe gingen zwei gemeinsame – 1970 und 1976 geborene – Kinder hervor. Der Antragsgegner zog am ##.##.1999 aus dem in seinem Alleineigentum stehenden Wohnungseigentum T-Straße 12 in I aus. Mit notariellem Vertrag vom 13.05.2005 räumte er der Antragstellerin zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen in Höhe von 250,- € monatlich ein Nießbrauchsrecht an den im Erdgeschoss der Wohnung gelegenen Räumen von ca. 80 qm ein. Die im Keller gelegenen Räume von ca. 40 qm, die eine selbständige Wohnung bilden, werden von dem Antragsgegner für 150,- € monatlich vermietet.
4Die Antragstellerin ist berufstätig und erzielt ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 1.300,- €. Mit Schriftsatz vom 11.04.2013 beantragte sie die Scheidung der Ehe; der Antrag wurde dem Antragsgegner am 14.05.2012 zugestellt.
5Der Antragsgegner ist am 01.06.2008 vorzeitig in den Altersruhestand getreten. Er bezog am 30.04.2012 eine gesetzliche Rente abzüglich der Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung in Höhe von 1.434,45 € sowie eine Betriebsrente in Höhe von 264,36 € brutto monatlich.
6Für das Anrecht des Antragsgegners aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Vers. Nr. ####) hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Auskunft vom 05.06.2012 (Bl. 35 ff. GA) unter Zugrundelegung einer Ehezeit vom 01.12.1969 bis zum 30.04.2012 einen Ehezeitanteil von 62,6681 Entgeltpunkten ermittelt und einen Ausgleichswert von 31,3341 Entgeltpunkten vorgeschlagen. Dies entspricht einer Monatsrente von 860,75 € (korrespondierender Kapitalwert: 199.266,58 €). Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu § 41 Abs. 1 VersAusglG – BT-Drucksache 16/10144 S. 80 - die Auffassung vertreten, dass für die Ermittlung der in der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte der Zugangsfaktor keine Rolle spiele, sondern allein die Höhe der Entgeltpunkte entscheidend sei. Der Halbteilungsgrundsatz werde hierdurch nicht verletzt, da die Rentenkürzung aufgrund des Versorgungsausgleichs geringer ausfalle, wenn die bezogene Rente aufgrund der vorzeitigen Inanspruchnahme gemindert sei. In dem Umfang, wie die Rente gemindert werde, vermindere sich – so der Versorgungsträger – auch die Kürzung aufgrund des Versorgungsausgleichs.
7Zuständiger Versorgungsträger der betrieblichen Altersversorgung des Antragsgegners (Vers. Nr. ####) ist die E GmbH. Die E GmbH hat mit Auskunft vom 28.06.2012 (Bl. 48 ff. GA) den Barwert aller während der Ehezeit erworbenen Versorgungsansprüche mit 49.947,25 € und den Ausgleichswert mit 24.973,63 € beziffert sowie die externe Teilung verlangt. Der Rechnungszins ist mit 5,12 % angegeben.
8Die Antragstellerin hat während der Ehezeit ein Anrecht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers. Nr. ####) erworben. Gemäß Auskunft vom 18.07.2012 (Bl. 57 ff. GA) hat der Versorgungsträger einen Ehezeitanteil von 12,6350 Entgeltpunkten ermittelt und einen Ausgleichswert von 6,3175 Entgeltpunkten vorgeschlagen. Dies entspricht einer Monatsrente von 173,54 €; der korrespondierende Kapitalwert beträgt 40.175,61 €.
9Die Antragstellerin verfügt ferner über ein Anrecht aus einer betrieblichen Altersversorgung bei der L Pensionskasse VVaG. Gemäß Auskunft vom 31.01.2014 (Bl. 371 GA) beträgt der Ehezeitanteil unter Zugrundelegung eines Ehezeitendes am 30.04.2012 2.079,74 €; der Versorgungsträger hat nach Abzug von anfallenden Kosten in Höhe von 200,- € einen Ausgleichswert von 939,87 € errechnet und angeregt, von einem Ausgleich gemäß § 18 Abs. 3 VersAusglG abzusehen.
10Das Amtsgericht – Familiengericht – hat mit am 30.01.2013 verkündeten Verbundbeschluss die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen (Vers. Nr. ####) zugunsten des Antragsgegners ein Anrecht in Höhe von 6,3175 Entgeltpunkten auf das Konto des Antragsgegners und zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Vers. Nr. ####) ein Anrecht in Höhe von 31,3341 Entgeltpunkten auf das Konto der Antragstellerin, jeweils bezogen auf den 30.04.2012, übertragen hat. Im Wege der externen Teilung hat es zu Lasten des Anrechts des Antragsgegners bei der E GmbH (Vers. Nr. ####) zugunsten der Antragstellerin ein Anrecht in Höhe von 24.973,63 € bei der Versorgungsausgleichskasse begründet und die E GmbH verpflichtet, diesen Betrag nebst 5,12 % Zinsen seit dem 01.05.2012 bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung an die Versorgungsausgleichskasse zu zahlen. Wegen der weiteren Sachdarstellung und der Begründung wird auf den Beschluss vom 30.01.2013, Bl. 151 ff. GA, verwiesen.
11Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich wendet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde.
12Er trägt vor, er habe sich zur vorzeitigen Inanspruchnahme des Altersruhegeldes entschlossen, weil er nach einer betriebsbedingten Kündigung im Jahre 2004 kein neues Arbeitsverhältnis gefunden habe. Nach Ende der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes habe er vorzeitig Altersruhegeld beantragt, um nicht Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen zu müssen. Der Antragsgegner meint, die Teilung der bei der Deutschen Rentenversicherung Bund während der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte ohne Beachtung des veränderten Zugangsfaktors wegen der vorgezogenen Altersrente widerspreche dem Halbteilungsgrundsatz und sei verfassungswidrig. Der Gesetzgeber habe in der Bundestagsdrucksache 343/08 zu § 41 VersAusglG ausgeführt, dass bei einer laufenden Versorgung die tatsächlichen Versorgungsleistungen, die bekannt seien, der Berechnung zugrunde gelegt werden müssten. Damit habe er die vor der Neuregelung gefestigte Rechtsprechung des BGH, wonach der verminderte Zugangsfaktor einer vorgezogenen Altersrente zu beachten sei, sofern der vorgezogene Rentenbezug bereits in der Ehe erfolge, bestätigt.
13Auch nach § 27 VersAusglG sei eine Anpassung vorzunehmen. Er verfüge zwar noch über eine betriebliche Altersvorsorge; die Ansprüche hieraus sicherten aber nicht eine Halbteilung, da auch dieses Anrecht dem Versorgungsausgleich unterliege. Zudem könne die Antragstellerin ihre Altersvorsorge noch bis zu ihrem Rentenbeginn ausbauen. Es sei davon auszugehen, dass sie ca. 4,5 weitere Entgeltpunkte hinzu erwerbe. Weiter habe er der Antragstellerin ein Nießbrauchsrecht an seiner Immobilie eingeräumt; die Antragstellerin habe damit die Möglichkeit, ein Leben lang mietfrei zu wohnen oder Mieteinkünfte zu erzielen. Auch dieser Umstand ergebe ein wirtschaftliches Ungleichgewicht.
14Der Antragsgegner behauptet weiter, die Antragstellerin habe noch zwei Jahre nach der Trennung Zugriff auf sein Konto nehmen können und monatlich ca. 1.000,- DM abgehoben. Ab 2005 habe er ihr neben dem eingeräumten Nießbrauchsrecht Unterhalt in Höhe von 250,- € monatlich gezahlt.
15Der Antragsgegner beantragt,
16den Beschluss des Familiengerichts Hagen vom 30.01.2013, Az. 132 F 42/12 aufzuheben und den Versorgungsausgleich unter Beachtung des tatsächlichen Rentenzugangsfaktors durchzuführen.
17Die Antragstellerin beantragt,
18die Beschwerde zurückzuweisen.
19Die Antragstellerin begehrt das Ende der Ehezeit auf den ##.##.2002 zu bestimmen, weil zu diesem Zeitpunkt – drei Jahre nach der Trennung – die Ehe endgültig gescheitert gewesen sei. Sie meint, es wäre grob unbillig, dem anderen Ehegatten über diesen Zeitpunkt hinaus an den erwirtschafteten Versorgungsansprüchen partizipieren zu lassen. Bei der Festsetzung des Ehezeitendes auf den ##.##.2002 wirke sich der vorzeitige Bezug des Altersruhegeldes nicht mehr aus. Denn werde nach Ende der Ehezeit vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch genommen, bleibe dies nach der Rechtsprechung des BGH unberücksichtigt.
20Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, im Rahmen des Versorgungsausgleichs sei der tatsächliche Rentenzugangsfaktor nicht zu berücksichtigen. Maßgebliche Bezugsgröße im Sinne des § 5 Abs. 1 VersAusglG seien bei der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß §§ 43 Abs. 1, 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG Entgeltpunkte. § 109 Abs. 6 SGB-VI lege fest, dass sich die nach § 39 VersAusglG zu ermittelnden Entgeltpunkte aus der Berechung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersrente ergeben. Dem Umstand, dass der Antragsgegner neun Jahre nach ihrer Trennung das Altersruhegeld in Anspruch genommen habe, komme damit keine Bedeutung zu. Gründe für eine Korrektur nach § 27 VersAusglG seien nicht hinreichend dargelegt. Der Antragsgegner habe den vorzeitigen Altersruhestand bewusst gewählt. Dies könne nicht ihr – der Antragstellerin – zugerechnet werden, zumal sie bereits Einbußen bei der Teilung der betrieblichen Altersvorsorge habe hinnehmen müssen.
21Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22II.
23Die Beschwerde des Antragsgegners richtet sich nach der Beschwerdebegründung vom 14.05.2013 gegen den Ausspruch zum Versorgungsausgleich; der Antragsgegner hat sein Rechtsmittel nicht auf ein einzelnes Anrecht beschränkt, sondern beantragt, den Beschluss des Familiengerichts insgesamt „aufzuheben“ (Bl. 198 GA).
24Auf die Beschwerde des Antragsgegners war der angegriffene Beschluss hinsichtlich des Anrechts des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie bei der E GmbH abzuändern und der Ausspruch zum Versorgungsausgleich dahin zu ergänzen, dass ein Ausgleich des Anrechts der Antragstellerin bei der L Pensionskasse VVaG nicht stattfindet.
251. Soweit der Antragsgegner während der Ehezeit ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 62,6681 Entgeltpunkten bei der Deutschen Rentenversicherung Bund erworben hat, war ein Ausgleichswert von 28,9575 Entgeltpunkten, bezogen auf den 30.04.2012, auf das vorhandene Konto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen zu übertragen.
26Die dem Versorgungsausgleich zugrunde zu legende Ehezeit ist gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG gesetzlich bestimmt. Die gesetzliche Ehezeit beginnt im vorliegenden Fall am 01.12.1969 und endet am 30.04.2012.
27Gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 VersAusglG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Anrechts das Ende der Ehezeit. Im Umkehrschluss aus § 5 Abs. 2 S. 2 VersAusglG ergibt sich, dass rechtliche und tatsächliche Umstände, die in der Ehezeit liegen, grundsätzlich bei dem Versorgungsausgleich zu berücksichtigen sind. Soweit der Antragsgegner während der Ehezeit vorzeitig in den Ruhestand gegangen ist, stellt dies daher – wie schon nach dem bis Ende August 2009 geltenden Recht – einen Umstand dar, dem beim Versorgungsausgleich Bedeutung zukommt. Ob der Antragsgegner die Entscheidung alleine oder in Absprache mit der Antragstellerin getroffen hat, ist unerheblich (vgl. BGH, FamRZ 2009, 948 ff.; FamRZ 2012, 769 ff.). Wird während der Ehezeit vorzeitig die Altersrente in Anspruch genommen, kommt diese in der Regel auch dem Ausgleichsberechtigten zugute. Zwar hat im vorliegenden Fall die Antragstellerin nicht unmittelbar von dem vorzeitigen Bezug der Rente profitiert, da die Eheleute bereits getrennt lebten; die Antragstellerin hat aber dadurch, dass der Antragsgegner ein Ruhegehalt erhielt und nicht Leistungen nach dem SGB II beziehen musste, weiterhin – wie der Antragsgegner durch Vorlage von Kontoauszügen belegt hat – Unterhaltszahlungen erhalten. Zudem wäre sie bei Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II ggf. selbst Unterhaltsforderungen des Antragsgegners ausgesetzt gewesen.
28Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Antragstellerin und der Deutschen Rentenversicherung Bund greifen nicht durch. Bei Ausgleich eines Anrechts in der Anwartschaftsphase ist nach § 39 Abs. 1 VersAusglG bestimmt, dass der Wert des Ehezeitanteils dem Umfang der auf die Ehezeit entfallenden Bezugsgröße entspricht (unmittelbare Bewertung). Die maßgebliche Bezugsgröße für die gesetzliche Rentenversicherung sind Entgeltpunkte. Die Vorschrift gilt gemäß § 41 Abs. 1 VersAusglG für Anrechte in der Leistungsphase entsprechend. Soweit die Deutsche Rentenversicherungsanstalt Bund hieraus schließt, dass die bei Ehezeitende angesammelten Entgeltpunkte ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors auszugleichen sind, entspräche ein solches Ergebnis nicht – wie der BGH in der Vergangenheit zu § 1587a Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F., der nunmehr durch § 109 Abs. 6 SGB VI fortgeschrieben wird (vgl. BGH, FamRZ 2012, 851 ff.), bei der Wertermittlung von Rentenanrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden hat (vgl. BGH, FamRZ 2012, 769 ff. mwN) – dem Halbteilungsgrundsatz (a.A. Borth, Versorgungsausgleich, 6. Aufl., Rn. 305 S. 126 mit dem Hinweis auf die Bestimmung des § 109 Abs. 6 SGB VI). Es bliebe unberücksichtigt, dass der aufgrund des vorzeitigen Ruhestandes des Ausgleichspflichtigen unter 1,00 liegende Zugangsfaktor bereits zum Ende der Ehezeit zu einer Rentenkürzung führt; indem die hälftigen Entgeltpunkte auf den Ausgleichsberechtigten übertragen werden, würde dieser bei Erreichen der Regelaltersgrenze eine höhere Leistung erhalten als der ausgleichspflichtige Ehegatte.
29Entgegen der Ansicht der Deutschen Rentenversicherung Bund würde eine Nichtberücksichtigung des Zugangsfaktors nicht hinreichend dadurch ausgeglichen, dass sich aufgrund des geringeren Zugangsfaktors „faktisch“ auch die Rente des Antragsgegners in geringerem Umfang mindert. Bei einem Zugangsfaktor von 1,00 und einer fiktiven Rente von dann 1.721,49 € würden dem Antragsgegner nach Übertragung von 31,3341 Entgeltpunkten – wie von dem Versorgungsträger vorgeschlagen – auf die Antragsgegnerin 860,74 € verbleiben, während er wirtschaftlich einen Verlust von 860,74 € (1.721,49 € - 860,74 €) hinzunehmen hätte. Nach dem durchgeführten Versorgungsausgleich beschränkte sich aufgrund der tatsächlich bezogenen geringeren Rente durch den vorzeitigen Ruhestand der wirtschaftliche Verlust zwar auf 729,05 € (1.458,10 – 729,05 €). Diese fiktive Vergleichsrechnung der Deutschen Rentenversicherung ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Antragstellerin durch Übertragung von 31,3341 Entgeltpunkten wirtschaftlich besser gestellt wird als der Antragsgegner, bei dem der persönliche Zugangsfaktor von 0,847 die Rentenleistung auf Dauer mindert. Der Halbteilungsgrundsatz bleibt – wird auf das Ende der Ehezeit abgestellt – verletzt.
30Soweit die Antragstellerin auf die Gesetzesbegründung von § 41 VersAusglG – BT-Drucksache 16/10144 S. 79/80 (inhaltlich identisch mit BT-Drucksache 343/08 S. 187) verweist, ist dort zwar aufgenommen, dass der Zugangsfaktor nach § 77 SGB VI unberücksichtigt bleiben könne, da nunmehr Entgeltpunkte geteilt würden und nicht mehr Rentenbeträge. Dem Halbteilungsgrundsatz würde durch die Teilung der Entgeltpunkte aber – wie oben aufgezeigt – lediglich formal genügt. Der Zugangsfaktor bei der Berechnung des Ehezeitanteils kann nur dann und nur insoweit außer Betracht bleiben, als die für seine Herabsetzung maßgeblichen Zeiten vorzeitigen Rentenbezugs nicht in der Ehezeit zurückgelegt werden. Denn soweit die bereits zurückgelegten Kalendermonate vorzeitigen Rentenbezugs in die Ehezeit fallen, steht bereits fest, dass der Versicherte eine gesetzliche Altersrente mit dem Zugangsfaktor 1,0 nicht mehr erreichen kann.
31Nach den Entscheidungen des BGH vom 04.03.2009 (FamRZ 2009, 948 ff.) sowie vom 01.10.2008 (FamRZ 2009, 28 ff.) ist bei Durchführung des Versorgungsausgleichs ein fiktiver Zugangsfaktor zugrunde zu legen, der ausschließlich die in die Ehezeit fallenden Monate des vorzeitigen Rentenbezugs berücksichtigt. Diese Lösung stellt in Rechnung, dass zwar der zum Ehezeitende bestehende Zugangsfaktor über das Ehezeitende hinaus unverändert fortwirkt, nach dem Ehezeitende aber allein der Ausgleichspflichtige von der Entscheidung, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen, profitiert; er bezieht allein die (gekürzte) Rente, während der Ausgleichsberechtigte grundsätzlich die Vollendung der Regelaltersgrenze abzuwarten hat.
32Der Antragsgegner ist am ##.##.1947 geboren. Er hätte am ##.##.2012 sein 65. Lebensjahr vollendet und ab dem 01.09.2012 Rente wegen Alters bezogen. Tatsächlich ist er am 01.06.2008, also 51 Kalendermonate vor Ablauf des Kalendermonats des Erreichens der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gegangen, so dass sein Zugangsfaktor gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2a) SGB VI um 1,53 (51 x 0,003) auf 8,47 zu kürzen war. Bis Ehezeitende (30.04.2012) würde die Zeitspanne ab 01.06.2008 47 Monate betragen; die Anzahl der Monate multipliziert mit dem nach § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI festgesetzten Minderungsfaktor ergibt eine Kürzung von 0,141 (47 x 0,003) bzw. einen Zugangsfaktor von 0,859.
33Es ergibt sich dann folgende Berechnung:
34Entgeltpunkte Antragstellerin = a
35Entgeltpunkte Antragsgegner = b
36a + b = 62,6681 (Entgeltpunkte Ehezeitanteil)
37Die Entgeltpunkte des Antragsgegners sind bei einem Zugangsfaktor des Antragsgegners von 0,859 dahin zu teilen, dass der Anteil der Antragstellerin 85,9 % des Anteils des Antragsgegners beträgt.
38a = 0,859 x b
390,859 x b + b = 1,859 x b = 62,6681
4062,6681 : 1,859 = b = 33,7106
41Entgeltpunkte Antragsgegner 33,7106
42Entgeltpunkte Antragstellerin 28,9575 (62,6681 – 33,7106)
43Zu übertragen sind damit auf das Konto der Antragstellerin 28,9575 Entgeltpunkte, während vom Konto der Antragstellerin 6,3175 Entgeltpunkte dem Konto des Antragsgegners gutzuschreiben sind. Es ergibt sich eine Differenz zu Lasten des Antragsgegners von 22,6400 Entgeltpunkten, so dass ihm nach Durchführung des Versorgungsausgleichs 46,4261 Entgeltpunkte (69,0661 Entgeltpunkte insgesamt, Bl. 43 GA, abzüglich 22,6400 Entgeltpunkte) verbleiben. Dem Antragsgegner stünde damit – berechnet auf den 30.04.2012 – eine Rente von 1.080,20 € (46,4261 Entgeltpunkte x 0,847 x 27,47 € Rentenwert zum 30.04.2012) zur Verfügung.
442. Das in erster Instanz übersehene Anrecht der Antragstellerin bei der L Pensionskasse VVaG war gemäß 18 Abs. 2, 3 VersAusglG nicht auszugleichen, weil der von dem Versorgungsträger ermittelte Ausgleichswert in Höhe von 939,87 € den Grenzwert nach § 18 Abs. 3 VersAusglG in Höhe von 3.150,- € zum Ende der Ehezeit (30.04.2012) deutlich unterschreitet. Gründe, die trotz der Geringfügigkeit kein Absehen vom Ausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG geboten erscheinen lassen, sind weder dargetan noch ersichtlich.
453. Soweit das Anrecht des Antragsgegners bei der E GmbH ausgeglichen worden ist, war eine Verzinsung des Ausgleichsbetrages nicht anzuordnen.
46Zwar ist es grundsätzlich zutreffend, dass der zum Vollzug der externen Teilung nach § 14 Abs. 4 VersAusglG i.V.m. § 222 Abs. 3 FamFG vom Versorgungsträger der ausgleichspflichtigen Person an den Versorgungsträger der ausgleichsberechtigten Person zu zahlende Ausgleichswert ab Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich in Höhe des Rechnungszinsen der auszugleichenden Versorgung zu verzinsen ist (BGH, FamFRZ 2011, 1785). Dieser Grundsatz greift jedoch dann nicht, wenn die ausgleichspflichtige Person bereits zum Ende der Ehezeit – wie hier – Rente bezogen hat. In diesem Fall steht einer Verzinsung des Ausgleichswertes die gegenläufige Entwicklung der Auszahlung einer laufenden Rente entgegen (vgl. BGH, aaO; OLG Hamm, NJW-Spezial 2013, 614; OLG Nürnberg, FamRZ 2013, 791). Der Benennung der maßgeblichen Versorgungsordnung bedurfte es im Übrigen in der Beschlussformel nicht (vgl. BGH, FamRZ 2013, 1546).
474. Soweit die Ehegatten eine Korrektur des Versorgungsausgleichs gemäß § 27 VersAusglG begehren, liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Die Eheleute sind nach ihrer am ##.##.1999 erfolgten Trennung wirtschaftlich verflochten geblieben. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin 2005 zur Abgeltung von Unterhaltsansprüchen nicht nur ein Nießbrauchsrecht an Teilen der in seinem Alleineigentum stehenden Wohnung bestellt, sondern ihr auch – wie die von ihm zur Akte gereichten Kontoauszüge beweisen – bis Januar 2010 fortlaufend Trennungsunterhalt bezahlt. Gleichfalls ist nicht ersichtlich, dass der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit beider Ehegatten beiträgt. Insbesondere eine Benachteiligung der Antragstellerin ist im Hinblick darauf, dass sie über ein Nießbrauchsrecht verfügt, welches ihr im Alter ein mietfreies Wohnen ermöglicht, und sie bis Eintritt in den Ruhestand weitere Ansprüche aus der betrieblichen Altersvorsorge bei der L Pensionskasse VVaG sowie aus der gesetzlichen Rentenversicherung erlangen wird, nicht gegeben.
48Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 150 Abs. 1, 3 FamFG, 40, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG.
49Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG zuzulassen. Die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage, ob bei Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand vor Ehezeitende der persönliche Zugangsfaktor auch nach dem ab dem 01.09.2009 geltenden Recht zu berücksichtigen ist, hat grundsätzliche Bedeutung.
50Rechtsbehelfsbelehrung:
51Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft, soweit sie zugelassen worden ist. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen. Diese muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse, soweit sie sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf § 10 Abs. 4 FamFG Bezug genommen.
52Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.
53Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.
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