Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 28 U 65/19
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.01.2019 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
G r ü n d e :
2 3I.
4Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus nach § 86 Abs. 1 VVG übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin B L in Anspruch.
5Die Versicherungsnehmerin unterhielt bei der Klägerin mit Wirkung ab 13.06.2016 u.a. eine Kaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung im Schadensfall von 1.000 € für einen von der Beklagten hergestellten Verkaufsanhänger, den sie nach Maßgabe einer mit dem Zusatz „Verkaufsfahrzeug Sonderbau“ versehenen Rechnung der Beklagten vom 10.06.2016 (Anl. E2) bei dieser als Neufahrzeug zum Preis von 34.974,10 € erworben hatte. Die Beklagte stellt u.a. Verkaufsfahrzeuge und -anhänger her und zwar ausweislich ihres Rechnungskopfes (Anl. E2) auch nach Maß und Sonderwünschen der Besteller. Der von der Versicherungsnehmerin erworbene Verkaufsanhänger verfügte laut Rechnung über eine Tandemachse und ein Tragleiterrahmengestell, auf das neben einem geschlossenen, mit einer Verkaufsklappe versehenen Verkaufsraum im Heckbereich eine überdachte Veranda aufgebracht war, auf der wiederum zwei offenstehende BBQ-Grills fest installiert waren. Die - ebenso wie der Korpus des Aufbaus - aus einem GFK-Sandwich-Element bestehende Verkaufsklappe war an der Oberseite über ein elastisches Scharnier mit dem Aufbau befestigt und verfügt über zwei Gasdruckfedern sowie zwei im unteren Seitenbereich angebrachte Schlösser, die von innen mittels eines drehbaren Schließknebel und von außen mithilfe von Schlüsseln ver- und entriegelt werden konnten, wobei sich beim Verschließen die Schließkeile der Schlösser in Richtung angebrachter Schließbleche bewegten.
6Nach dem Vortrag der Klägerin, zu dem sich die Beklagte mit Nichtwissen erklärt hat, soll der Ehemann der Versicherungsnehmerin - der Zeuge L - am 30.11.2016 bei einer Fahrt im Anhängerbetrieb von Bad Berleburg nach Netphen mit dem Anhänger verunfallt sein, wobei an dem versicherten Verkaufsanhänger ein wirtschaftlicher Totalschaden entstanden sein soll. Zu dessen Regulierung will die Klägerin an die Versicherungsnehmerin Zahlungen nach Abzug ihrer Selbstbeteiligung i.H.v. 24.096,50 € und 3.230 € geleistet haben (vgl. Abrechnungsschreiben vom 31.01.2017 und 15.08.2017, Anl. E6), während sie für die Einholung eines (Schadens-) Gutachtens des Kfz-Sachverständigen U weitere 341,53 € verauslagt haben will (vgl. Anl. E7).
7Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten nach vergeblicher - eigener wie anwaltlicher - vorprozessualer Zahlungsaufforderung Erstattung der vorgenannten Aufwendungen aus Anlass des behaupteten Schadensfalls sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.358,86 €.
8Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf das landgerichtliche Urteil (Bl. 118 ff. d.A.) Bezug genommen.
9Das Landgericht hat nach Beweisbeschluss vom 02.10.2018 im Termin vom 18.01.2019 ein mündlich erstattetes Gutachten des Sachverständigen Dr. Dipl.-Ing C eingeholt. Weiter hat es den Zeugen L gemäß diesem Beweisbeschluss vernommen. Sodann hat es mit dem am 18.01.2019 verkündeten Urteil die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
10Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer zulässigen Berufung. Sie rügt im Wesentlichen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte wegen eines konstruktionsbedingten Mangels des Verkaufsanhängers zu, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB.
11Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft nicht beachtet, dass es sich bei dem von der Versicherungsnehmerin gekauften Verkaufsanhänger um einen sog. „Sonderbau“ gehandelt habe. Der Beklagten habe bei der Herstellung die besondere Pflicht oblegen, einen „fahrtüchtigen“ Anhänger zu konstruieren, auf Gefahren, die sich aufgrund der Aufbauweise beim Fahren ergeben hinzuweisen und eine nicht für den Straßenverkehr geeignete Konstruktion zu unterlassen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass die seitens der Beklagten gewählte Konstruktion und Bauweise zwangsläufig eine höhere Torsions- und Biegeweichheit bedinge. Somit sei auf schlechten Wegstrecken die Geschwindigkeit der Weichheit des Aufbaus und der Wegstrecke anzupassen. Der Hersteller habe auch auf solche Gegebenheiten, weil sie im allgemeinen Straßenverkehr nicht unvorhergesehen auf jeder Wegstrecke vorliegen können, aufbautechnisch zu reagieren. Die Ausführungen des Sachverständigen und seine Schlussfolgerungen in Bezug darauf, dass der Anhänger aufgrund seiner Bauweise mit drei Stützpunkten niemals kippele oder der Aufbau sich verwinde, seien widersprüchlich und die rechtliche Bewertung durch das Landgericht ersichtlich falsch. Dem Sachverständigen sei dahin zuzustimmen, dass bei einer vollkommen ebenen Oberfläche bzw. einer sich nicht verändernden und auch schiefen Oberfläche ein Kippeln oder auch eine Verwindung nicht stattfinde. Dies setze aber voraus, dass die Straßen, die mit dem Anhänger befahren würden, nach diesen nahezu perfekten Voraussetzungen beschaffen seien. Dass dies jedoch nicht der Fall sei, berücksichtige der Sachverständige dann zwar, indem er meine, man müsse schlicht die Geschwindigkeit anpassen. Dass aber auch eine schlechte Wegstrecke keine Torsion und keine Kippen des Anhängers bedinge, könne ersichtlich nicht stimmen und werde vom Landgericht rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt. Das Landgericht habe den Vortrag der Klägerin, dass es aufgrund der Konstruktion des Anhängers, seines Aufbaus und Gewichtes während der Fahrt zu starken Verwindungen des Aufbaus komme, nicht beachtet.
12Der von der Beklagten hergestellte und konstruierte Verkaufsanhänger sei jedenfalls nicht für die gewöhnliche und übliche Verwendung im Straßenverkehr, gerade auch im Vergleich zu einem „Standardverkaufsanhänger“, geeignet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts könne nicht dahinstehen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Verkaufsanhänger um einen Sonderbau handele.
13Jedenfalls habe entgegen den Feststellungen des Landgerichts ein Mangel in Bezug auf die Verkaufsklappe und deren Verriegelung vorgelegen. Das Landgericht habe zutreffend festgestellt, dass das hintere Schloss vor Fahrtantritt wirksam verriegelt gewesen sei. Wenn dem so sei und nach den Ausführungen des Sachverständigen eine Torsion oder Verwindung nicht stattfinde, frage sich, wie der unstreitige Unfall durch das Aufgehen der Verkaufsklappe habe entstehen können. Dann müsse sich das Schloss zwingend aufgrund von durch die Fahrt ergebenden Torsionen oder Verwindungen so verlagert haben, dass es nicht mehr hinter das entsprechende Schließblech gegriffen habe. Das Landgericht lasse unberücksichtigt, dass, wenn beide Schlösser verschlossen gewesen wären, der Unfall ausschließlich auf einen konstruktionsbedingten Mangel zurückzuführen sei. Dies habe der Sachverständige ausdrücklich festgestellt. Soweit er weiter festgestellt habe, dass das vordere Schloss bei dem Schadensereignis keine Wirkung entfaltet habe, habe er keine Feststellungen dazu treffen können, worauf die unterschiedliche Wirkung der Schlösser zurückgeführt werden könne. Die fehlende Wirkung des Schlosses könne daher auch daran liegen, dass die konstruktive Auslegung unzureichend gewesen sei, was einen Mangel darstelle.
14Der Sachverständige habe offen lassen müssen, ob das vordere Schloss vor Fahrtantritt abgeschlossen gewesen sei oder nicht, was das Landgericht unberücksichtigt gelassen habe. Das Landgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass die Klägerin den Beweis dafür, dass auch das vordere Schloss abgeschlossen gewesen sei, durch den Zeuge L erbracht habe, wie die Klägerin im Einzelnen näher ausführt.
15Die Klägerin beantragt,
16die angefochtene Entscheidung abzuändern und
171. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 27.668,03 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.04.2018 zu zahlen,
182. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.358,86 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
19Die Beklagte beantragen,
20die Berufung zurückzuweisen.
21Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend trägt sie vor, die Klägerin trage nicht substantiiert vor, worin eigentlich der Mangel der Arbeit der Beklagten zu sehen sei. Die Spekulationen der Klägerin über die Verpflichtung der Beklagten aufgrund der Aufbauweise des Hängers im Hinblick auf die Anpassung der Geschwindigkeit seien deshalb verfehlt, weil der Zeuge L nach eigenen Bekundungen lediglich 45-50 km/h gefahren sei. Der Anhänger sei mit vier Stoßdämpfern und einer sogenannten Antischlinger-Kupplung ausgestattet. Diese Konstruktionen übernähmen die Aufgabe, den Hänger vor unregelmäßigen Straßenbelägen und Schlaglöchern zu schützen. Jedenfalls fingen die Stoßdämpfer jeden Schlag ab, der bei einer Geschwindigkeit von 45-50 km/h auftrete und verhinderten, dass die Schläge an die Konstruktion weitergeleitet würden. Die Stabilität des Hängers sei mit einer zusätzlichen Innenwand und zwei Säulen verstärkt, so dass die auftretenden Kräfte sicher abgefangen würden. Der Hänger sei vom TÜV abgenommen und ohne irgendwelche zusätzlichen Auflagen freigegeben worden.
22Die klägerische Argumentation, aufgrund der Konstruktion des Anhängers, seines Aufbaus und seines Gewichtes komme es während der Fahrt zu starken Verwindungen des Aufbaus, sei weder logisch noch entspreche sie den Ausführungen des Sachverständigen. Offensichtlich verfolge die Klägerin ihre erstinstanzliche Argumentation nicht weiter, dass es eine Torsion in Längsrichtung gegeben habe, eine Verwindung zu einem Trapez, eine Sogwirkung, ein Aufschaukeln und eine unübliche Verriegelung. Der Sachverständige habe an keiner Stelle ausgeführt, dass es bei unebenen Untergründen und entsprechender Fahrgeschwindigkeit während der Fahrt zu starken Verwindungen des Aufbaus kommen müsse. Hier führe die Klägerin an keiner Stelle substantiiert aus, inwieweit es bei dem streitgegenständlichen Hänger tatsächlich zu Verformungen gekommen ist, die einen Mangel des Hängers darstellen. Die gesamte Argumentation der Klägerin basiere auf der falschen Annahme, dass irgendwelche Kräfte dergestalt in die Konstruktion des Hängers eingewirkt hätten, dass die Klappe sich geöffnet habe. Die Klägerin könne jedoch nicht den von ihr zu führenden Beweis dadurch erbringen, dass sie argumentiert, der Aufbau des Hängers sei mangelhaft, weil sich die Klappe geöffnet habe.
23Entgegen der Auffassung der Klägerin liege ein Mangel in Bezug auf die Verkaufsklappe und deren Verriegelung ebenfalls nicht vor. Das in Fahrtrichtung vordere Schloss sei offensichtlich nicht zerstört, woraus zu schließen sei, dass es nicht verschlossen gewesen sei. Der Sachverständige habe die Theorie der Verwindungen und Torsionen eindeutig im Hinblick auf die Klappe widerlegt. Die Klägerin argumentiere ausschließlich mit Vermutungen. Allerdings sei ihr Vortrag bereits nicht ausreichend. Die landgerichtliche Beweiswürdigung hinsichtlich der Aussage des Zeugen L sei nicht zu beanstanden, wie die Beklagte im Einzelnen näher ausführt.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
25II.
26Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
271. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch neben der Leistung gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 650 BGB, § 86 Abs. 1 VVG auf Zahlung von 27.668,03 € zu.
28a. Ein Vertrag über die Herstellung und Lieferung eines „Verkaufsfahrzeugs Sonderbau“, einer neuen beweglichen Sache, ist zwischen der Versicherungsnehmerin der Beklagten, B L, und der Beklagten zustande gekommen, §§ 650 S. 1, 433ff BGB. Wegen des Gleichlaufs von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB und § 633 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB kommt es allerdings auf die rechtliche Einordnung des Vertrages – Kauf-, Werk- oder Werklieferungsvertrag – letztlich in Bezug auf die hier maßgebliche Frage der Mangelhaftigkeit nicht entscheidend an.
29b. Als Pflichtverletzung der Beklagten kommt hier einzig die Lieferung einer mangelhaften Sache, § 433 Abs. 1 S. 2 BGB, in Betracht. Eine solche steht aber nicht zur Überzeugung des Senats fest.
30Zu einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist nichts vorgetragen; Gleiches gilt für § 434 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, kommt es daher auf § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB an. Gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
31Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Personenkraftwagen/Anhänger grundsätzlich dann, wenn er keine technischen Mängel aufweist, die die Zulassung zum Straßenverkehr hindern oder die Gebrauchsfähigkeit aufheben oder beeinträchtigen.
32Die Klägerin greift hier ohne Erfolg die Feststellungen des Sachverständigen und die ihnen folgende Beweiswürdigung des Landgerichts an. Die Würdigung des Beweisergebnisses und der Prozess der Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO ist nur in Ausnahmefällen einer Nachprüfung durch die Berufungsinstanz zugänglich. Das Ergebnis einer Beweiswürdigung ist Teil der vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachengrundlage (Heßler in Zöller, ZPO, 31. Auflage 2016, § 529 Rn. 2 und 7), welche der Senat grundsätzlich seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Nur wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen (§ 529 Abs. 1 S. 1 ZPO) und aus Sicht des Senats eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass sich bei erneuter Beweiserhebung die Unrichtigkeit der Feststellungen herausstellt, hat der entsprechende Berufungsangriff Erfolg und gebietet die Erneuerung der Beweisaufnahme (vgl. BVerfG NJW 2003, 2524; Heßler in Zöller, aaO., Rn. 4). Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber dagegen ausschließen (vgl. BGH, Urt. vom 08.06.2004 - VI ZR 230/03, juris Rn. 13, 16 mwN).
33Solche konkreten Anhaltspunkte für eine unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts sind mit der Berufung nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich. Weder die erstinstanzliche Beweiserhebung noch die Würdigung des Beweisergebnisses und die Überzeugungsbildung des Landgerichts sind fehlerhaft. Ebenso beruht das angefochtene Urteil nicht auf einer fehlerhaften Anwendung materiellen Rechts.
34aa. Der Senat kann schon nicht erkennen, worauf die Klägerin mit ihrer Rüge, das Landgericht habe fehlerhaft nicht beachtet, dass es sich bei dem Anhänger um einen „Sonderbau“ handelt, abzielt. Sie legt nicht dar, welche „ganz besonderen Pflichten“ mit der Herstellung eines Sonderbaus verbunden sein sollen. Im Streitfall geht es darum, dass sich während der Fahrt die Verkaufsklappe geöffnet hat. Nach dem Verständnis des Senats muss sowohl bei einem „Standardverkaufsanhänger“ als auch bei einem „Sonderbau“ konstruktiv ausgeschlossen sein, dass derartiges geschieht.
35Die Klägerin rügt unzutreffend, die Feststellungen des Sachverständigen seien widersprüchlich. Der vom Sachverständigen angestellte Vergleich der von der Beklagten gewählten Fahrzeugkonstruktion mit einer vom Sachverständigen so bezeichneten „statisch bestimmten“ Konstruktion eines dreibeinigen Tisches bezieht sich nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen erkennbar auf die Ausgangslage im ruhenden Zustand sowie den Fahrbetrieb auf ebenem Untergrund. Wie der Sachverständige im Folgenden dargelegt hat (Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.10.2019, S. 5, Bl. 102 d.A.) ist es im Fahrbetrieb so, „dass sämtliche im Fahrzeug verbauten Massen über die Trägheit bei unebenen Untergründen und entsprechender Fahrgeschwindigkeit natürlich dynamische Kräfte in den Aufbau einleiten, die dann auch zu Verformungen in beliebiger Form führen können“. Dabei – so der Sachverständige – sei die fahrbare Geschwindigkeit auf Schlechtwegstrecken „mit denen der Aufbau sicher geführt werden kann“ umso geringer, „je weicher eine Aufbaukonstruktion für ihren Zweck sein muss“. In der Konsequenz bedeutet das, dass dem durch eine angemessene Reduzierung der Geschwindigkeit Rechnung zu tragen ist.
36Soweit der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, er könne nicht erkennen, „dass bei einem ordnungsgemäßen Verriegeln beider Schlösser nicht eine hinreichend formschlüssige Sicherung der Klage gegen Öffnen gegeben gewesen wäre“ (Protokoll S. 7/8; Bl. 104/105 d.A.), bezieht sich diese nach dem Verständnis des Senats auch und gerade auf die Sicherung der Verkaufsklappe gegen ein selbsttätiges Öffnen während der Fahrt (Protokoll S. 7 oben, Bl. 104 d.A.; S. 8 unten, Bl. 105 d.A.; S. 9 oben, Bl. 106 d.A.), weil dies die an den Sachverständigen gerichtete Beweisfrage gewesen ist (vgl. Beweisbeschluss des Landgerichts vom 02.10.2018, zu Ziff. 3 b) (4) und (5), Bl. 41f d.A.). Auch den auf die E-Mail des Kfz-Sachverständigen T vom 25.08.2017 (Anl. E4) gestützten Vortrag der Klägerin hat der Sachverständige Dr. C danach in seiner sachverständigen Beurteilung vor dem Landgericht berücksichtigt.
37Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin kann einen Konstruktionsfehler nicht allein aufgrund der vorliegenden Lichtbilder beweisen. Der Anhänger steht nach der Erklärung der Klägerin nicht mehr zur Verfügung. Der Sachverständige Dr. C hat mehrfach darauf hingewiesen, dass er allein aufgrund der ihm vorliegenden Lichtbilder keine sicheren Feststellungen zugunsten der Klägerin, d.h. im Sinne des von ihr gehaltenen Vortrags zur Unfallursache, treffen kann. Soweit in der angesprochenen E-Mail des Kfz-Sachverständigen T abschließend die Einschätzung kundgetan wird, die von der Beklagten gewählte Konstruktion sei „gelinde gesagt Schrott“, hat der Sachverständige Dr. C sich dem nicht angeschlossen. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der in Rede stehende Anhänger (= Fahrzeug iSd § 3 Abs. 1 FZV, § 2 Nr. 3 FZV) nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten vor seiner Zulassung zum Straßenverkehr vom TÜV abgenommen und ohne Auflagen freigegeben worden ist, wie dies auch zwischen der Versicherungsnehmerin B L und der Beklagten vertraglich vereinbart war (vgl. E2, dort S. 2). Im Rahmen der Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO ist Gegenstand der Überprüfung dabei u.a. auch die Einhaltung der für den Anhänger geltenden Bau- und Wirkvorschriften, Ziff. 1.2.1 Anlage VIII zu § 29 Abs. 1 – 4, 7, 9, 11 und 13 StVZO; Ziffern 4, 6.6. Anlage VIIIa zu § 29 Abs. 1, 3; Anlage VIII Nr. 1.2.
38bb. Die Klägerin macht mit der Berufung weiter ohne Erfolg geltend, entgegen den Feststellungen des Landgerichts habe (auch) ein Mangel in Bezug auf die Verkaufsklappe und deren Verriegelung vorgelegen.
39Soweit die Klägerin behauptet, wenn das hintere Schloss wirksam verriegelt worden sei, müsse das vordere Schloss zwingend aufgrund von sich durch die Fahrt ergebenen Torsionen und Verwindungen so verlagert haben, dass es nicht mehr hinter das entsprechende Schließblech gegriffen hat, hält der Senat diesen Schluss nicht für zwingend (s.o.). Die Klägerin rügt dabei, das Landgericht lasse unberücksichtigt, dass dann, wenn beide Schlösser tatsächlich verschlossen waren, der Unfall auf einen konstruktionsbedingten Mangel zurückzuführen sein müsse. Es kann dahinstehen, ob dieser Rückschluss zutreffend ist. Das Landgericht ist gerade davon ausgegangen, dass sich nicht feststellen lässt, dass beide Schlösser verschlossen waren. Soweit der Sachverständige Dr. C ausgeführt hat, „aus der vorhandenen Lichtbilddokumentation (auch) nicht den sicheren Schluss ziehen (zu können), dass die Verriegelung sicher hergestellt werden konnte“ (Protokoll S. 7, Bl. 104 d.A.) – was die Möglichkeit offen lässt, dass die konstruktive Auslegung des Schlosses / der Schlösser tatsächlich unzureichend war -, kann die Klägerin auch hieraus nichts für sich herleiten. Der Sachverständige Dr. C hat zugleich erklärt, er „habe aber keine Anhaltspunkte dafür, dass dies möglicherweise nicht der Fall gewesen ist“. Der Sachverständige konnte dies also mangels Vorliegen einer umfassenden Lichtbilddokumentation oder Asservierung der „Altteile“ gerade nicht sicher feststellen.
40Die Klägerin sieht ein ordnungsgemäßes Verschließen beider Verriegelungen der Verkaufsklappe vor Fahrtantritt am 30.11.2016 zwar aufgrund der Aussage des Zeugen L als erwiesen. Dabei setzt sie aber lediglich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Würdigung des Landgerichts, zeigt aber konkrete Anhaltspunkte für Zweifel im obigen Sinne nicht auf. Dem zu folgen besteht keine Veranlassung. Dabei mag man die Beweiswürdigung des Landgerichts als etwas knapp ausgefallen ansehen. Sie ist aber nicht zu beanstanden. Tragender Gesichtspunkt des Landgerichts, der Aussage des Zeugen L nicht zu folgen, war der Umstand, dass der Zeuge L bei seiner Aussage (vgl. Protokoll Seite 2, Bl. 99 der Akte) das in Rede stehende Verriegeln der Verkaufsklappe selbst als „Routinehandlung“ bezeichnet hat („er mache das immer so“), sich gleichwohl aber „hundertprozentig“ sicher sein wollte, beide Schlösser der Verkaufsklappe „in diesem Fall“ (vor Fahrtantritt) zweifach abgeschlossen zu haben, ohne dabei plausibel zu begründen, worauf sich diese positive Erinnerung an einen - mittlerweile Jahre zurückliegenden - konkreten Tag, Einzelfall und „Routinevorgang“ denn nun genau stützt (Urteil Seite 8 oben), während er andererseits nicht mehr in der Lage war, das Jahr des Unfalls - ob nun 2016 oder 2017 - ohne Vorhalt richtig zu datieren. Diese Ausführungen des Landgerichts – die der Senat teilt – greift die Klägerin mit der Berufung nicht an. Die Annahme der Klägerin, erst wenn etwas unerwartetes passiere, was die Routine störe, komme es zu Fehlern bei vermeintlich einfachen alltäglichen Abläufen, lässt sich ebenso gut auch zum Nachteil der Klägerin verstehen. Nach der Aussage des Zeugen L bleibt ungeklärt, ob es nicht gerade am Unfalltag zu einer solchen „Störung der Routine“ gekommen ist. Letztlich ist die klägerische Annahme auch nicht zwingend. Auch Müdigkeit und (evtl. darauf beruhende) Gedankenverlorenheit können nach der Lebenserfahrung dazu führen, dass nicht alle Handlungen der Routine entsprechend tatsächliche durchgeführt werden, auch wenn die handelnde Person subjektiv davon überzeugt ist, alles „wie immer“ erledigt zu haben.
412. Die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts zu einem verneinten Anspruch aus dem ProdHaftG greift die Klägerin mit der Berufung nicht an. Aus § 823 BGB kann die Klägerin schon nach den obigen Ausführungen keine Rechte herleiten.
42Da ein Anspruch in der Hauptsache nicht besteht, besteht auch kein Anspruch auf die davon abhängigen Nebenforderungen.
43III.
44Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
45Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die der Senat auf der Grundlage anerkannter Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur getroffen hat.
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Referenzen
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