Urteil vom Oberlandesgericht Hamm - 4 U 54/20
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, nachfolgende Aussage in Bezug auf den Kläger zu unterlassen:
„Laut dem Recherchenetzwerk NSU Watch zählt er [X] seit 2003 zum deutschen C-18-Führungskader“.
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung angedroht:
- die Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu
250.000,00 Euro ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben
werden kann, die Anordnung von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs
Monaten, zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstandes;
- die Anordnung unmittelbarer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten,
zu vollziehen an den Mitgliedern des Vorstandes, bei mehreren oder
wiederholten Zuwiderhandlungen bis zu insgesamt zwei Jahren.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger 887,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.08.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten um einen Unterlassungsanspruch in Bezug auf Äußerungen in einem Zeitungsartikel in der C-Zeitung, deren Herausgeber und Verleger die Beklagte ist.
3Der Kläger ist bekennender Neonazi. Bereits seit seiner Jugend ist er fest in der Neonaziszene verwurzelt. 1994 wurde durch den Militärischen Abschirmdienst über den Kläger festgehalten, dass man ihn für geeignet halte, eine Leitfigur in der organisierten Skinheadszene zu sein oder zu werden. Der Kläger hat Kontakte zu führenden Personen der nationalen und internationalen rechtsradikalen Szene, in der er gut vernetzt ist. Auf seiner Brust hat er großformatig den Schriftzug „Combat 18″ tätowiert. Im Schlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landtags NRW zur Aufarbeitung der NSU-Verbrechen heißt es, dass der Kläger seit Mitte der 2000er Jahre in der rechtsradikalen Szene als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland wahrgenommen wurde.
4Bei „Combat 18“ handelt es sich um eine rechtsextremistische Vereinigung. Der Code "18" steht für den ersten und den achten Buchstaben des Alphabets und bedeutet "Adolf Hitler". "Combat 18" kann somit als "Kampfgruppe Adolf Hitler" übersetzt werden. Zweck von "Combat 18 Deutschland" ist die Verbreitung einer rechtsextremistischen, fremdenfeindlichen und antisemitischen Ideologie. Eine der Strategien von „Combat 18“ ist das Prinzip des „führerlosen Widerstands“ („leaderless resistence“). Hierbei handelt es sich um eine Organisations- und Aktionsform bei der Einzeltäter oder konspirative Kleingruppen auf eigene Initiative und unabhängig voneinander Anschläge oder andere Gewalttaten planen und verüben und dabei bewusst auf Anführer und Befehlsstrukturen verzichten. „Combat 18“ ist im Verlauf des Rechtsstreits am 23.01.2020 vom Bundesinnenminister nach Artikel 9 Abs. 2 GG i.V.m. § 3 des Vereinsgesetzes verboten worden.
5Der Kläger ist Leadsänger der von ihm 1995 gegründeten Rechtsrock-Band „P“. Die Band bekannte sich offen zu dem rechten Netzwerk „Combat 18“ und wird als „Combat 18“-Band wahrgenommen. Der Kläger tritt mit seiner Band bundesweit und auch international auf großen Rechtsrock-Festivals und Konzerten auf. Auf Flyern für Veranstaltungen, auf denen die Band spielt, finden sich prominent Hinweise auf „Blood & Honour“ und/oder „Combat 18“. Die Band „P“ gehört zu den produktivsten und aktivsten Bands in der Neonaziszene und ist in der Szene einflussreich. Von der Band wurden bislang 16 Tonträger mit Musik mit rechtsradikalen Texten veröffentlicht. 2006 veröffentlichte die Band eine CD mit dem Titel „Y“ deren Titelsong als Combat 18-Hymne bekannt wurde. Der Refrain des Liedes lautet: (von der Darstellung des Refraintextes wird abgesehen – Die Redaktion). Auch ein weiteres Lied der CD mit dem Titel „Z“ enthält ausdrückliche textliche Bezüge auf „Combat 18“ und lautet im Refrain: (von der Darstellung des Refraintextes wird abgesehen – Die Redaktion). In einem Album aus dem Jahr 2008 befindet sich das Lied „Q“, das ebenfalls ausdrücklich auf „Combat 18“ Bezug nimmt.
6Der Kläger ist Mitbegründer der im Umfeld der Band P um 2003 entstandenen „P T -Crew“. Hierbei handelt es sich um eine Gruppierung deren Mitglieder die Band P bei Konzerten als Security begleiteten. Die Gruppe setzte sich zusammen aus Personen der Neonaziszenen in E und L. Mitglieder der „P T - Crew“, betätigten sich auch an der Organisation und Durchführung von neonazistischen Musikveranstaltungen in NRW und im Ausland. Ein Teil der Mitglieder der „P T - Crew“ nicht aber alle Mitglieder waren auch Mitglieder von „Combat 18“.
7Der Kläger wird seit Jahrzehnten vom Verfassungsschutz und anderen Behörden beobachtet.
8Am 18.06.2019 erschien in der Druckausgabe der C-Zeitung im Zusammenhang mit der Tötung von Walter Lübcke ein Artikel unter der Überschrift „So tarnte sich der Neonazi T.F.“, in dem es um Hintergründe und das Täterprofil des Tatverdächtigen T.F. ging. In diese Berichterstattung eingebunden war ein weiterer hier streitgegenständlicher Artikel unter der Überschrift „Das rechte Netzwerk“. Der Artikel behandelte Unterstützernetzwerke und Verknüpfungen innerhalb der Neonazi-Szene, wobei der Vereinigung „Combat 18“ eine besondere Bedeutung zugewiesen wurde. In dem Artikel werden verschiedene in der Neonaziszene bedeutende Personen und deren Beziehung zu „Combat 18“ herausgestellt. Bezüglich des Klägers heißt es in dem Artikel:
9„Eine weitere Schlüsselfigur von „Combat 18“ ist N.X., Sänger der Neonazi-Band „P“. Laut dem Recherchenetzwerk „NSU Watch“ zählt er seit 2003 zum deutschen „C18“-Führungskader.
10Im Umkreis der Band entstand die „C18“-Zelle „P T -Crew“, deren Umfeld ebenfalls Verbindungen zum NSU unterhielt und zu der sich auch T.F. gezählt haben soll.“
11Der Kläger führte gegen die Beklagte hinsichtlich des vorliegenden Streitgegenstands ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz beim Landgericht Dortmund unter dem Az. 4 O 264/19. Mit Urteil vom 30.07.2019 wurde eine einstweilige Verfügung erlassen, in der es der Beklagten untersagt wurde, in Bezug auf den Kläger folgende Behauptungen zu tätigen:
12„Laut dem Recherchenetzwerk NSU Watch zählt er [X] seit 2003 zum deutschen C-18-Führungskader.“
13„Im Umkreis der Band entstand die C-18-Zelle P T -Crew.“
14Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.08.2019 forderte der Kläger die Beklagte auf, die in der einstweiligen Verfügung getroffene Entscheidung als verbindlich auch für die Hauptsache anzuerkennen. Die Beklagte ging hierauf nicht ein.
15Am 24.09.2019 beantwortete die Landesregierung NRW eine Kleine Anfrage der Abgeordneten W.T. von Bündnis 90/Die Grünen zu welchen Rechtsrock-Bands der Landesregierung Erkenntnisse zu Überschneidungen von Mitgliedern von „Combat 18“ vorliegen wie folgt: „Dem Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen sind zwar Verbindungen zwischen „Combat 18“ und Rechtsrock-Bands bekannt. Es liegen aber keine Erkenntnisse dafür vor, dass Mitglieder von „Combat 18“ aus Nordrhein-Westfalen aktive Mitglieder einer Rechtsrock-Band sind.
16Der Kläger hat behauptet, er sei kein Mitglied der deutschen Gruppierung C-18 und gehöre erst recht nicht dem Führungskader an. Er hat insoweit insbesondere bestritten gegenwärtig eine Führungsfigur des deutschen Ablegers von C-18 zu sein. Die von ihm mitbegründete „P-Crew“ sei keine C-18-Zelle, insbesondere kein Teil der Gruppe C-18, sondern ausschließlich eine Sicherheitsgruppe.
17Er hat die Meinung vertreten, die Beklagte habe Falschbehauptungen aufgestellt und verletzte dadurch sein Persönlichkeitsrecht, da er im Zusammenhang mit dem Täterumfeld eines Mordverdächtigen erwähnt und mit ihm in Verbindung gebracht werde. Erschwerend komme hinzu, dass eine Verbindung zu „Combat 18“ unter Berücksichtigung eines diskutierten – und im Laufe des Verfahrens umgesetzten – Verbots zu Nachteilen für ihn führen könne.
18Der Kläger hat behauptet, er sei nicht vorbestraft und es hätten im Zusammenhang mit dem Verbot von „Combat 18“ bei ihm keine Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen o.ä. stattgefunden. Auch sei ihm kein Exemplar einer Verbotsverfügung zugegangen.
19Der Kläger hat beantragt,
20die Beklagte zu verurteilen, nachfolgende Aussagen in Bezug auf den Kläger zu unterlassen:
21- „Laut dem Recherchenetzwerk NSU Watch zählt er [X] seit 2003 zum deutschen C-18-Führungskader.“
22- „Im Umkreis der Band entstand die C-18-Zelle P T -Crew.“
23für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Beklagte ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,- Euro, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft, zu vollziehen an den Mitgliedern der Geschäftsführung, festzusetzen;
24die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.184,05 Euro nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.07.2019 zu zahlen.
25Der Beklagte hat beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Die Beklagte hat behauptet, der Kläger zähle zum Führungskader von „Combat 18“. Sie hat insoweit die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Schlussbericht des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses III vom 27.03.2017 (Drs. 16/14400) und einer Vielzahl weiterer ernstzunehmender Quellen ergäbe, dass der Kläger einer der führenden Köpfe in der neonazistischen Szene sei und eben auch als Schlüsselfigur bzw. Führungspersönlichkeit der Organisationseinheit „Combat 18“ ausgewiesen werde. Hierdurch würden die Aussagen der Redaktion ausreichend belegt.
28Hinsichtlich der Formation der „P T - Crew“ könne aufgrund der Organisationsstruktur und der großen Nähe zu „Combat 18“ von der „Herausbildung einer Combat-18‘“-Zelle gesprochen werden.
29Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Berichterstattung verletze den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Bei den angegriffenen Aussagen handele es sich schon nicht um reine Tatsachenbehauptungen, sondern überwiegend um Wertungen der Redaktion betreffend der Person des Klägers (Aussage 1) sowie Entwicklungen in dessen Wirkungskreis (Aussage 2), die diese in dem beschriebenen rechten Netzwerk einordnen und charakterisieren. Die Bezeichnung als Führungskader sei eine Wertung, die nicht dem Beweis zugänglich sei. Aber auch wenn man dies anders sähe, seien die Tatsachenbehauptungen wahr. Zudem würden die Tatsachenbehauptungen, selbst wenn sie falsch wären, mit dem darstellten Inhalt angesichts der Vita und Ideologie des Klägers schon nicht in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreifen. Negative Folgen für den Kläger durch die Berichterstattung seien angesichts seiner steten Beobachtung durch den Verfassungsschutz und die Politik nicht zu erwarten. Die Detailfrage, ob die P-Crew selbst als Combat-18-Zelle zu werten sei, sei überdies nicht zusätzlich abträglich für den Kläger.
30Mit dem angefochtenen Urteil vom 19.02.2020 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Der Kläger habe gegen die Beklagte gem. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen. Die Beklagte habe mit der Darstellung im Zeitungsbericht vom 18.06.2019 das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig verletzt.
31Die Bezeichnung des Klägers als „C18-Führungskader“ beinhalte die Behauptung, dass der Kläger seit 2003 bis ins Jahr 2020 hinein Mitglied einer bewaffneten Gruppe einer verbotenen Organisation sei, die den NSU unterstützt habe, deren Mitglied D eine schwere Straftat begangen habe, der sogar der Mordverdächtige T.F. nahestehe und durch die zu weiteren Taten aufgerufen werde. Nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittslesers müsse der Eindruck entstehen, dass es bei „Combat 18“ eine Organisationsstruktur – einen Kader – gebe und der Kläger zu den Personen gehöre, die Gewalttaten planen, anordnen oder gar bewaffnet durchführen.
32Die Bezeichnung der von ihm mitbegründeten „P T - Crew“ als „C-18-Zelle“ beinhalte die Behauptung, dass sämtliche Crewmitglieder, und damit auch der Kläger, zugleich Mitglieder einer bereits gegründeten Terrorzelle seien, die bereit sei, im Sinne der Idee von „Combat 18“, nämlich als unabhängig agierende kleine Vereinigung, Gewalttaten zu planen und zu begehen.
33Soweit die Beklagte der Ansicht sei, das Persönlichkeitsrecht des Kläger könne aufgrund seiner Verstrickung und Vernetzung in Bezug auf „Combat 18“ nicht verletzt sein, teile das Gericht diese Auffassung nicht. Der Kläger stehe zwar unstreitig der rechtsextremen Szene nahe und sei mit seiner Musikband darin eingebunden. Die strafrechtlichen Vorschriften unterschieden aber klar, ob jemand mit Gewalttaten anderer sympathisiert – dies sei moralisch verwerflich, aber straffrei – oder ob er konkret zu Gewalttaten anstiftet, Beihilfe leistet oder Mittäter ist. Das unvoreingenommene und verständige Durchschnittspublikum, an das sich der Artikel wende, unterscheide gleichermaßen.
34Die Beklagte habe weder die Richtigkeit der die Persönlichkeit verletzenden Äußerungen beweisen können noch eine hinreichend sorgfältige Recherche, die die Aufstellung und Verbreitung der Tatsachenbehauptungen zur Wahrnehmung berechtigter Interessen rechtfertigen würde, weil zwar der Wahrheitsgehalt der Äußerungen ungeklärt sei, aber eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Angelegenheit betreffe.
35Die Quellen die die Beklagte beigebracht habe, belegten das, was im vorliegenden Verfahren unstreitig sei, nämlich
36- die Verwurzelung des Klägers seit seiner Jugend in der neonazistischen Szene
37- seine Kontakte national wie international zu führenden Köpfen der rechtsextremen Szene
38- sein Netzwerken in der Szene unter Beteiligung der Rechtsrock-Band „P“
39- die Verbreitung rechtsextremer Ziele und der Ideologie von „Combat 18“ mit Hilfe der Band
40- den Umstand, dass die Szene ihn als Repräsentant von „Combat 18“ sieht, weil er in der Szene gut vernetzt ist, ein „Combat 18“-Tattoo trägt, in der Vergangenheit mit der Band „P“ einen „Combat 18“ verherrlichenden Song gesungen hat und auf Konzerten unter dem Banner von „C18“ aufgetreten ist
41- die Überwachung durch verschiedene Verfassungsschutzbehörden.
42Es fänden sich in den Quellen auch Hinweise darauf, dass es bei dem Kläger tatsächlich Bestrebungen gegeben habe, eine „C 18“-Zelle in E zu gründen. Aber sämtliche Quellen, die sich mit der Weiterentwicklung der Gruppe befassen, berichteten übereinstimmend, dass diese Gruppe sich 2006 aufgelöst habe bzw. die Bestrebungen im Sand verliefen. Das Ergebnis der Prüfung des Verfassungsschutzes NRW sei vielmehr gewesen, dass man keine Hinweise erhalten habe, dass „Combat 18“ auch wirklich gelebt worden sei. In dem Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses 6/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Thüringer Landtages werde auf S. 992 sogar vom ehemaligen deutschen „Combat 18“-Vertreter N.X. (Sänger P) gesprochen und schließlich auf S. 996 ausgeführt, dass sich die Eer „Combat 18“-Zelle um G 2006 aufgelöst haben wolle und auch die Crew ihre Aktivitäten zeitlich aus ungeklärten Gründen aufgegeben habe.
43Auf der Grundlage der vorgelegten Quellen, die nur auf zeitlich weit zurück liegende eigene Gewaltbestrebungen hindeuten und dem Umstand, dass der Kläger angibt, dass die Zeit sich geändert habe, er – jedenfalls für sich selbst – Gewalttaten ablehne, zudem nach der Antwort der Landesregierung vom 24.09.2019 keine Erkenntnisse dafür vorlägen, dass Mitglieder von „Combat 18“ aus NRW aktive Mitglieder einer Rechtsrock-Band seien, sei es nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt, den Kläger unter Nennung seines Namens und ohne kritische Auseinandersetzung mit seinen eigenen Angaben als „C 18-Führungskader“ zu bezeichnen.
44Gleiches gelte für die Äußerung, die „P T - Crew“ sei eine „C 18“-Zelle. So heiße es in dem von der Beklagten selbst zitierten Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses III (NSU) des Landtages NRW auf S. 136, dass die Crew und die Gruppe um Combat 18 nicht identisch seien, da nur ein kleiner Teil der Crew-Mitglieder zu der Gruppe in Bezug auf „Combat 18“ zählten.
45Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer am 03.04.2020 eingelegten und am 05.05.2020 begründeten Berufung.
46Die Beklagte macht unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und ihres Vorbringens im vorangegangene Verfügungsverfahren (Az.: 4 O 264/19) geltend, das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft ergangen.
47Die Entscheidung durch die Einzelrichterin ohne die Parteien vorher anzuhören nach Befassung der Kammer im einstweiligen Verfügungsverfahren habe das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt. Der Sachverhalt des Urteils sei nicht ordnungsgemäß vollständig und nachvollziehbar aufgearbeitet.
48Die rechtliche Würdigung sei dogmatisch fehlerhaft, was zu einem eklatanten Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit geführt habe. Eine Abwägung der betroffenen Rechte, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Presse- und Meinungsfreiheit der Beklagten und unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger allenfalls in seiner Sozialsphäre betroffen sei, habe das Landgericht ebenso wenig vorgenommen wie eine ausgewogene Abwägung mit der Vielzahl der durch die Beklagte vorgelegten Beweisangebote.
49Die Feststellungen des Gerichts in Bezug auf die Rolle des Klägers in der rechtsextremistischen Szene und insbesondere in der verfassungsfeindlichen Organisation „Combat 18“ seien unvollständig und fehlerhaft. Die exponierte Stellung des Klägers in der Terrororganisation „Combat 18“ werde nicht thematisiert bzw. irrig von einem reinen „Sympathisieren mit Combat 18“ durch den Kläger ausgegangen. Die unvollständigen und falsch erfassten Feststellungen des Landgerichts zur Einordnung des Klägers in die Strukturen von „Combat 18“ seien entscheidungserheblich, da das Landgericht im Rahmen einer ausgewogenen, alle vorgetragenen Beweistatsachen berücksichtigenden Abwägung zu dem Ergebnis hätte kommen müssen, dass der Kläger durch die Eiordnung der Beklagten als dem Führungskader von „Combat 18“ zugehörig aufgrund seiner Historie, offen nach außen getragenen rechtsradikalen Überzeugungen und dem klaren Bekenntnis zu „Combat 18“ nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sein könne.
50Die Feststellungen des Landgerichts, die Bezeichnung des Klägers als „C18-Führungskader“ beinhalte die Aussage, dass der Kläger seit 2003 bis ins Jahr 2020 hinein Mitglied einer bewaffneten Gruppe einer verbotenen Organisation sei gehe schon deshalb fehl, weil das Gericht durch die Antizipation des erst später erfolgten Verbots von „Combat 18“ unzulässiger Weise eine Einordnung der Berichterstattung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgenommen habe, die Sachverhaltskenntnisse voraussetze, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels noch gar nicht vorlagen. Dass der Kläger zu Personen gehöre, die „Gewalttaten planen, anordnen oder gar bewaffnet durchführen“, die auch den NSU unterstützt habe, etc. sei von der Beklagten nicht gesagt und sei eine unzulässige Eigeninterpretation des Gerichts. Verbreitet worden sei von der Beklagten lediglich die Zurechnung des Klägers zum vordersten Feld der bekannten Persönlichkeiten in Bezug auf „Combat 18“.
51Auch stelle das Landgericht im Zusammenhang mit seiner Interpretation der Äußerung zur P T -Crew falsch eine Betroffenheit des Klägers durch diese Aussage her. Dass der Kläger selbst Teil der „C18“-Zelle innerhalb der „P T -Crew“ sei, werde von der Beklagten nicht behauptet.
52Das Landgericht habe verkannt, dass den Kläger die Beweislast dafür treffe, dass er nicht vorbestraft sei und bei ihm im Zuge des „Combat 18“-Verbots keine Hausdurchsuchungen o.ä. stattgefunden hätten.
53Die Beklagte und Berufungsklägerin hat beantragt,
54das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 19.02.2020 zum Az.: 4 O 348/19 abzuändern und die Klage abzuweisen.
55Der Kläger und Berufungsbeklagte hat beantragt,
56die Berufung zurückzuweisen.
57Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil unter Vertiefung und Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
58Der Senat hat die Akte 4 O 264/19 des Landgerichts Dortmund beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf den Inhalt der Beiakte wird Bezug genommen.
59Entscheidungsgründe
60Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet und im Übrigen unbegründet.
61I.
62Das Landgericht hat nicht - wie von der Beklagten gerügt - gegen das Recht der Beklagten auf den gesetzlichen Richter i.S.d. Art. 103 Abs. 1 GG, 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, indem die Vorsitzende Richterin am Landgericht den Rechtsstreit als Einzelrichterin und nicht wie im Verfahren 4 O 264/19 in der Besetzung als Kammer entschieden hat. Da die zuständige Richterin Vorsitzende Richterin am Landgericht ist, bestand für den Rechtsstreit gem. § 348 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine originäre Einzelrichterzuständigkeit. Anhaltspunkte darauf, dass hier eine Kammerzuständigkeit gegeben sein sollte, bestehen nach dem 2019 gültigen Recht nicht. Eine Spezialkammer für Streitigkeiten über Ansprüche aus Veröffentlichungen durch Druckerzeugnisse, Bild- und Tonträger jeder Art, insbesondere in Presse, Rundfunk, Film und Fernsehen war nach dem Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Dortmund nicht eingerichtet.
63Aber auch wenn vorliegend eine Kammersache vorgelegen haben sollte, kommt es darauf nicht mehr an. Der Senat entscheidet als gesetzlicher Richter in der Sache. Eine Zurückverweisung kommt auch bei Verstoߠdes erstinstanzlichen Gerichts gegen den Anspruch der Parteien auf den gesetzlichen Richter nur im Rahmen des § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Betracht (OLG Hamm, Urteil vom 17.10.2006, 4 U 101/06, juris Rdn. 23; OLG München, Urteil vom 12.01.2017, 23 U 1994/16, juris Rdn. 28). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben, da der Rechtsstreit entscheidungsreif ist.
64II.
65Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.
661. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf Unterlassung der Äußerung „Laut dem Recherchenetzwerk NSU Watch zählt er seit 2003 zum deutschen C-18 Führungskader“. Denn die Beklagte hat durch ihre Äußerung im Zeitungsbericht vom 18.06.2019 das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig verletzt.
67a) Die Aussage der Beklagten begründet einen rechtswidrigen Eingriff in das aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK abgeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
68Der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als offenem Rahmenrecht entspricht es, dass sein Inhalt nicht abschließend umschrieben ist, sondern seine Ausprägungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet werden müssen. So sind als Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt unter anderem die Privatsphäre, Geheimsphäre und Intimsphäre, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, die persönliche Ehre, das Verfügungsrecht über die Darstellung der eigenen Person, das Recht am eigenen Bild und am gesprochenen Wort und unter bestimmten Umständen das Recht, von der Unterschiebung nicht getaner Äußerungen verschont zu bleiben. Diese Ausformungen des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts müssen entsprechend beachtet werden, wenn es sich um gerichtliche Entscheidungen über kollidierende Interessen nach den Vorschriften des Privatrechts handelt (BGH, Urteil vom 26.11.2019 - VI ZR 20/19, juris Rn. 13, 14).
69aa) Der Kläger ist insoweit betroffen als die Äußerung seinen sozialen Geltungsanspruch betrifft, indem ihm eine Führerstellung in einer Gruppe zugesprochen wird, ohne dass er dies möchte. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht entfaltet seinen Schutz dabei auch gegenüber Zuschreibungen von Gruppenmitgliedschaften, sofern diesen Bedeutung für die Persönlichkeit zukommt und deren Bild in der Öffentlichkeit nachteilig beeinflussen (BVerfG, Beschluss vom 10.11.1998, 1 BvR 1531/96, juris Rdn. 41 ff.). Ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers kann dabei nicht deshalb von vorn herein abgelehnt werden, weil aus dem Blickwinkel eines Neonazis die Darstellung als Führungskader von „Combat 18“ an und für sich eine besondere Hervorhebung der Bedeutung des Klägers darstellen könnte. Denn der von einer Äußerung Betroffene definiert seinen sozialen Geltungsanspruch und damit auch dessen Verletzung selbst (BGH, Urteil vom 15.11.2005, VI ZR 274/04, juris Rdn. 12). Allerdings betrifft die streitgegenständliche Äußerung nur die (am schwächsten) geschützte Sozialsphäre des Klägers, nämlich dessen nach außen gewandtes Verhalten, seine Beziehungen zur Umwelt und sein politisches Wirken. Darüber hinaus beeinträchtigt die Darstellung als Führungskader von „Combat 18“ den Kläger als bekennenden Neonazi, unstreitigen Symphatisant von „Combat 18“ und Leadsänger der „Combat 18“-nahen Rechtsrock-Band P deutlich weniger stark in seinem Persönlichkeitsrecht als dies bei einer Person der Fall wäre die keine Bezüge zur Neonaziideologie hat. Denn das soziale Selbstbild und die Eingriffsintensität unterscheidet sich in beiden Fallkonstellationen grundlegend. In Bezug auf den Kläger ist graduell ein eher geringfügiger Grundrechtseingriff anzunehmen. Dabei ist auch nicht zu erwarten, dass die Berichterstattung in der „C-Zeitung“ für den Kläger konkrete negative Folgen (wie z.B. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen o.ä.) hat. Denn zum einen würde allein ein Zeitungsartikel wie der vorliegende hierfür weder eine rechtliche Grundlage noch auch nur ein Beweisanzeichen geben, zum anderen wird der Kläger ohnehin bereits langjährig unter anderem vom Verfassungsschutz beobachtet.
70bb) Wegen der Eigenart des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden,bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenenGrundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 18.06.2019, VI ZR 80/18, juris, Rdn. 20; BGH, Urteil vom 04.04.2017, VI ZR 123/16, juris Rdn. 23 m.w.N.; BGH, Urteil vom 13.01.2015, VI ZR 386/13, juris, Rdn. 13).
71Im konkreten Fall ist eine Güter- und Interessenabwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers und der ebenfalls grundrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit der Beklagten (Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK) vorzunehmen.
72b) Zurecht stellt das Landgericht als weichenstellend für die Prüfung einer etwaigen Grundrechtsverletzung zunächst die Erfassung des Inhalts der Aussage voraus.
73Die Interpretation einer Äußerung setzt die Ermittlung ihres objektiven Sinns aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums voraus. Bei der Erfassung des Aussagegehalts muss die beanstandete Äußerung ausgehend von dem Verständnis eines unbefangenen Durchschnittslesers und dem allgemeinen Sprachgebrauch in dem Gesamtzusammenhang beurteilt werden, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst und einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH, Urteil vom 12.04.2016 – VI ZR 505/14, juris Rn. 11 m.w.N.; BGH, Urteil vom 27. 09.2016, VI ZR 250/13, juris Rdn. 12). Fern liegende Deutungen sind auszuscheiden. Ist der Sinn einer Äußerung unter Zugrundelegung des vorstehend erörterten Maßstabs eindeutig, ist er der weiteren Prüfung zugrunde zu legen. Zeigt sich dagegen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum die Äußerung als mehrdeutig wahrnimmt, oder verstehen erhebliche Teile des Publikums den Inhalt jeweils unterschiedlich, ist von einem mehrdeutigen Inhalt auszugehen (BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98, juris Rn. 31).
74Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die Bezeichnung des Klägers als „C-18-Führungskader“ so zu verstehen, dass der Kläger seit 2003 bis zur Veröffentlichung des Zeitungsartikels 2019 dem Personenkreis der Führungskräfte von „Combat 18“ Deutschland angehörte. Zutreffend geht das Landgericht bei seiner Auslegung davon aus, dass dem streitgegenständlichen Satz einerseits auch die Aussage immanent ist, dass der Kläger über diese gesamte Zeitspanne Mitglied von „Combat 18“ war und zum anderen, dass es bei „Combat 18“ so etwas wie einen Führungskader überhaupt gibt und der Kläger diesem angehörte. Unter einem „Kader“ versteht man dabei laut https://www.duden.de/rechtschreibung/Kader eine Gruppe von Personen, die wichtige Funktionen in Partei, Wirtschaft, Staat o. Ä. haben. Unter Berücksichtigung des Kontexts des Zeitungsartikels wird der unvoreingenommene Leser weiter zu der Erkenntnis gelangen, dass „Combat 18“ für Kampfgruppe Adolf Hitler steht und der bewaffnete Arm des verbotenen Netzwerks „Blood & Honour“ („Blut und Ehre“) ist. Die entsprechende Auslegung ist dabei eindeutig und ist somit der weiteren Prüfung zugrundezulegen.
75Wenn das Landgericht weiter ausführt, dass dies ebenfalls bedeute, dass der Kläger von 2003 bis 2020 Mitglied einer verbotenen Organisation sei, so ist diese Auslegung unzutreffend. Denn zum Zeitpunkt des Erscheinens des streitgegenständlichen Artikels war „Combat 18“ noch nicht verboten, sodass der durchschnittliche Leser die Aussage nicht wie vom Landgericht interpretiert verstehen kann. In Bezug auf das Geschehen für die Zeit nach der Veröffentlichung des Artikels (Mitte 2019 - 2020) können dem Artikel überdies denknotwendig keinerlei Äußerungen entnommen werden.
76Die Beklagte hat, auch wenn sie sich auf NSU-Watch bezieht, eine eigene Äußerung abgegeben und nicht lediglich eine fremde Äußerung verbreitet. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte durch den Wortlaut ihrer Erklärung eine eigene Auswertung der Erkenntnisse von NSU-Watch vorgenommen hat. Jedenfalls aber hat sie sich die fremden Äußerungen in ihrer Berichterstattung zu Eigen gemacht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, juris Rdn. 19).
77c) Die streitgegenständliche Äußerung ist als Tatsachenbehauptung einzustufen.
78Tatsachenbehauptungen sind charakterisiert durch eine objektive Beziehung zwischen Äußerung und Wirklichkeit, während für Werturteile die subjektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Aussage kennzeichnend ist (BVerfG, Beschluss vom 16.03. 1999, 1 BvR 734/98, juris Rdn. 24). Wesentlich für die Einstufung als Tatsachenbehauptung ist deshalb, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit Mitteln des Beweises zugänglich ist. Dies scheidet bei Werturteilen und Meinungsäußerungen aus, weil diese durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet sind und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen können. Sofern eine Äußerung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind, wird sie als Meinung von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt. Das gilt insbesondere dann, wenn eine Trennung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufhöbe oder verfälschte. Würde in einem solchen Fall das tatsächliche Element als ausschlaggebend angesehen, so könnte der grundrechtliche Schutz der Meinungsfreiheit wesentlich verkürzt werden (BGH, Urteil vom 16.12.2014, VI ZR 39/14, Rdn. 8; BGH, Urteil vom 28.07.2015, VI ZR 340/14, juris Rdn. 24 jeweils m.z.w.N.).
79Voraussetzung für eine zutreffende Einordnung einer Äußerung ist die Ermittlung des Aussageinhalts in seinem Kontext. Dieser ist somit stets im Gesamtzusammenhang zu sehen. Da es auf die Erfassung des objektiven Sinns einer Äußerung ankommt, ist nicht das Verständnis der Parteien des Rechtsstreits entscheidend, sondern das Verständnis, das der Äußerung unter Berücksichtigung der erkennbaren,den Sinn der Äußerung mitbestimmenden Begleitumstände von den angesprochenen Verkehrskreisen, hier den unvoreingenommenen Lesern der Zeitung beigemessen wird. Bei Äußerungen, die sowohl Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen enthalten, kommt es auf den Kern oder die Prägung der Aussage an, insbesondere ob die Äußerung insgesamt durch ein Werturteil geprägt ist und ihr Tatsachengehalt gegenüber der subjektiven Wertung erkennbar in den Hintergrund tritt oder aber ob der sich Äußernde überwiegend über tatsächliche Vorgänge berichtet und dabei nur nebenher wertet (BVerfG, Beschluss vom 21. 12.2016,1 BvR 1081/15, juris Rdn. 21; BGH, Urteil vom 24. 01.2006, XI ZR 384/03, juris, Rdn. 63 f.).
80Nach diesen Grundsätzen ist die angegriffene Äußerung ihrem Kerngehalt nach als Tatsachenäußerung zu verstehen. Zwar beinhaltet die Beurteilung, ob es bei „Combat 18“ so etwas wie einen Führungskader gibt und ob der Kläger Teil davon ist, stets eine gewisse Bewertung. Auch ist der Begriff des Kaders eher vage und nicht klar definiert, insbesondere nicht legal definiert. Allerdings sind diese Fragen prinzipiell einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit durch Beweisaufnahme zugänglich. Ob eine solche Beweisaufnahme angesichts des im Untergrund Handelns von „Combat 18“ und der schweren Durchschaubarkeit der Strukturen für Außenstehende möglicherweise schwierig ist, ist dabei ohne Relevanz. Dafür, dass eine Tatsachenbehauptung vorliegt, spricht für den durchschnittlichen Leser im Kontext der Berichterstattung die Darstellung im Zuge der Hintergrundberichterstattung zu den rechtsradikalen Netzwerken als von einem Dritten beschriebene Tatsache. Soweit die Beklagte geltend gemacht, dass ihre Äußerung lediglich darauf beruht, dass sie eine Wertung aus dem ihr vorliegenden Recherchematerial vorgenommen hat, so wird das Vorliegen einer solchen Wertung für den Leser weder im Wortlaut der Äußerung noch in ihrem Kontext deutlich. Bei der Auslegung kommt es aber nicht auf die Sicht der Beklagten sondern die Sicht eines verständigen Durchschnittslesers an. Relativierende Kennzeichnungen, die darauf hindeuten, dass es sich hier lediglich um eine Wertung bzw. Schlussfolgerung der Beklagten handeln könnte fehlen an dieser Stelle aber. Insoweit als eine Relativierung durch die Bezugnahme auf Angaben eines Dritten („laut dem Recherchenetzwerk“) erfolgt, folgt auch daraus keine Relativierung, denn es folgt zweifelsfrei aus dem Inhalt des Beitrags und wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt, dass sich die Beklagte diese Äußerung zu Eigen macht. Auch die Aufnahme einer Zeitangabe „seit 2003“ wie auch der gesamte Aufbau des Artikels verstärkt den Eindruck, dass dem Leser hier faktenbasiert Hintergrundinformationen vermittelt werden sollen. Etwas anderes ergibt sich dabei auch nicht daraus, dass im textlichen Zusammenhang in Bezug auf den Kläger auch der von diesem nicht angegriffene Begriff der „Schlüsselfigur“ verwandt wird, der angesichts seines offenen Aussagegehalts als Meinungsäußerung zu werten ist. Denn in ihrem Kontext wird diese Meinungsäußerung der Beklagten gerade durch die nachfolgenden tatsachenbasierten Informationen („Sänger der Neonazi-Band „P“ und „C18-Führungskader“) konkretisiert. Nach alledem ist hier der Kerngehalt der Äußerung in einer Tatsachendarstellung zu sehen, während Wertungsgesichtspunkte in den Hintergrund treten.
81d) Geht es um Tatsachenbehauptungen, die, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, grundsätzlich vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG erfasst sind, hängt die Abwägung maßgeblich von ihrem Wahrheitsgehalt ab. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung herabsetzender Tatsachenbehauptungen, die unwahr sind, besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit kein schützenswertes Interesse. Wahre Tatsachenbehauptungen müssen dagegen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind (vgl. BGH, Urteil vom 28.07.2015, VI ZR 340/14, juris Rdn. 31; BVerfG, Kammerbeschluss vom 07.12.2011, 1 BvR 2678/10, juris Rdn. 33 jeweils m.w.N. zur Rspr.). Die Beweislast für die Richtigkeit ehrbeeinträchtigender Tatsachenäußerungen trägt angesichts der ins Zivilrecht transformierten Beweisregel des § 186 StGB der Äußernde (BGH, Urteil vom 17.12.2013, VI ZR 211/12, juris Rdn. 24)
82e) Vorliegend ist es der Beklagten aber nicht gelungen zu beweisen, dass die Tatsachenbehauptung, dass der Kläger seit 2003 bis zum Erscheinen des streitgegenständlichen Beitrags konstant zum Führungskader von „Combat 18“ gehöre, wahr ist. Zwar spricht viel dafür, es als bewiesen anzusehen, dass der Kläger jedenfalls bis zu seinem Wegzug nach Schweden im Jahr 2012 dem Führungskader von „Combat 18“ Deutschland angehörte. Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Denn für die Zeit danach verbleiben an einer Mitgliedschaft des Klägers in „Combat 18“ Deutschland und damit erst recht an einer Zugehörigkeit zum Führungskader erhebliche Zweifel, sodass der Beweis von der Beklagten nicht erbracht ist. Die von der Beklagten aufgestellte Behauptung ist in ihrer Gesamtheit im Ergebnis als unwahr einzustufen.
83Dies ergibt die Auswertung und Gesamtschau des von der Beklagten beigebrachten umfangreichen Recherchematerials. Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich die Beklagte zum großen Teil auf privilegierte Quellen stützt. Dies ist entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten für die Entscheidung des Rechtsstreits aber im Ergebnis nicht von entscheidender Bedeutung (zu den Besonderheiten betreffend die Bedeutung von privilegierten Quellen vgl. BVerfG, Beschluss vom 09.03.2010, 1 BvR 1891/05, juris Rdn. 35). Denn die inhaltlichen Aussagen des eingereichten Materials werden von dem Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nicht in Abrede gestellt, sondern sind unstreitig. Kernproblem des vorliegenden Rechtsstreits ist vielmehr, ob die Äußerungen aus dem vorgelegten Material ausreichen, um den Beweis der Wahrheit der aufgestellten Tatsachenbehauptung zu erbringen. Dieser Beweis ist der Beklagten indes nicht gelungen.
84Problematisch ist insoweit im Ausgangspunkt bereits, dass die Aussage, dass der Kläger seit 2003 bis zur Veröffentlichung des Zeitungsartikels am 18.06.2019 Führungskader von „Combat 18“ gewesen ist, in dem Recherchematerial so an keiner Stelle gemacht wird. Es handelt sich insoweit um einen Schluss, den die Beklagte zieht. Dieser Schluss ist aber so aus dem Recherchematerial nicht gerechtfertigt.
85Im Einzelnen gilt hierzu:
86aa) Explizit wird in der streitgegenständlichen Aussage Bezug genommen auf Aussagen des Recherchenetzwerks NSU-Watch. In dem diesen Verfahren vorausgegangenen einstweiligen Rechtsschutzverfahren, dass entgegen der Rechtsauffassung des Landgerichts angesichts eines entsprechenden Antrags der Beklagten, auch zum Gegenstand dieses Rechtsstreits zu machen war, hat die Beklagte einen Artikel „Der NSU im Netz von Blood & Honour und Combat 18 – Teil 4“ eingereicht (vgl. Bl. 29-34 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19). Dort wird eine E-Mail von N.S., eines Mitglieds der Hammerskin Nation vom 05.07.2011, zitiert, in der über ein Gespräch von ihm mit dem Kläger geschrieben wird. Dabei kommt zum Ausdruck, dass der Kläger jedenfalls von S. 2011 als kompetenter Gesprächspartner für „Combat 18“ in Deutschland wahrgenommen wurde. Zudem wird beschrieben, dass die Band P und damit auch ihr Leadsänger(zusammen mit zwei anderen Bands) die Sprachrohre von „Combat 18“ in Deutschland sind.
87Darüber hinaus finden sich die Aussagen, dass im engen Kreis um P um das Jahr 2000 eine Gruppe E-er Neonazis das Label „Combat 18“ für sich entdeckte und sich als eine „C18-Gruppe“ verstand, dass es im Frühjahr 2006 eine innige Verbindung zwischen L-er und E-er Neonazis gab, die sich als „deutsches Combat 18“ verstanden und dass im Jahr 2006 aus der „P T - Crew“ erneut eine Kleingruppe entstand, die „Combat 18“ umsetzen wollten, eines derer Mitglieder der Kläger war.
88Dieser Artikel deutet darauf hin, dass es jedenfalls zwischen Anfang der 2000 er Jahre und 2011 „Combat 18“ in Deutschland gab und X als Mitglied und auch als Sprecher dieser Gruppierung wahrgenommen wurde. Insoweit ergibt sich hieraus ein gewisser Anhalt, dass X bei „Combat 18“ in dieser Zeit eine Führungskraft war. Irgendwelche Informationen für die Zeit nach 2011 finden sich in dem Artikel jedoch nicht.
89bb) Weiter wird der Artikel einer antifaschistischen Rechercheplattform „„Combat 18“ Reunion von EXIF – Recherche & Analyse” eingereicht. Dort heißt es in Bezug auf „Combat 18“, dass sich im Jahr 2012 die Neonaziorganisation „Combat 18“ in Deutschland gründete. „Combat 18” (C18) Deutschland sei die „autorisierte“ deutsche Division eines internationalen Netzwerks von C18-Gruppen, die sich als eine weltweite Bruderschaft verstehen und organisatorisch und sozial eng verbunden seien. Regionale Schwerpunkte in Deutschland bildeten der Raum E, Ostholstein, Thüringen und Nordhessen. Von ca. 50 Personen lasse sich eine Mitgliedschaft in „Combat 18” Deutschland belegen (vgl. Bl. 35 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19).
90„Combat 18“ Deutschland habe eine feste Organisationsstruktur. Ein Richtlinien-Papier, das im Stil einer Vereinssatzung gehalten werde, lege diverse „Bruderpflichten“, monatliche Treffen und Beitrittszahlungen, Aufnahme- und Ausschlusskriterien und sogar eine Kleiderordnung fest. Die Gründung von „Combat 18“ auf internationaler Ebene im Jahr 2012 sei unter dem Motto „Reunion 28“ – Wiedervereinigung erfolgt. „Combat 18“ Deutschland sei die Weiterführung einer Struktur, die seit den 1990er Jahren existiere. Diese Struktur erlebte Flauten und Hoch-Zeiten, Umbrüche und personelle Fluktuation, wie es in vielen politischen Zusammenhängen passiere. Die „Reunion“ im Jahr 2012 sei je nach Sichtweise eine Reorganisierung, Wiederbelebung, Neustrukturierung und Neugründung. (Vgl. Bl. 35 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19, vgl. zu den Richtlinien von „Combat 18“ Bl. 55 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19). Laut dem Artikel formierten sich Neonazis der „Kameradschaft E“ und der „Kameradschaft F“ um das Jahr 2000 zu einer C18-Gruppe. Die „Kameradschaft E“ sei weitgehend identisch mit dem engeren Kreis um die Neonazi-Band „P“. Es wird berichtet, dass um das Jahr 2003 aus der „P T -Crew“ eine Kleingruppe entstanden sei, die „Combat 18“ umsetzen wollte. Als Mitglied wurde u.a. N.X. genannt.
91In Bezug auf den Kläger heißt es in dem Artikel auszugsweise: „N.X. (geboren 1972) steht wie kein zweiter als Aushängeschild für die Band „P“. Als Rechtsrock-„Star“ und altgedienter C18-Macher hat X einen herausgehobenen Status in der internationalen C18-Struktur. Aus dem engeren Umfeld von „P“ entstanden schon um 2000 und ab 2003 C18-Gruppen, denen X angehörte. Die 2003 gegründete „P T - Crew“ ist die wichtigste Vorläuferstruktur des neuen alten „Combat 18“ Deutschland.“
92Allerdings heißt es sodann auch weiter: “X verließ 2012 seine Komfortzone in E mit einer Abschiedsparty und als die Polizei Ende 2012 im Rahmen des Verbots der Kameradschaft „Nationaler Widerstand E “ seine Wohnung in E durchsuchen wollte, war diese bereits leer. Ob X als C18-Mitglied im Zuge der Selbstenttarnung des NSU und den folgenden Ermittlungen in Deutschland nervös wurde, ist unklar. X zog nach Schweden und kehrte 2016 nach Deutschland zurück. Doch einige Neonazis, die ihn lange und gut kennen, behandeln ihn mit Skepsis. Denn X hat den Ruf, seit beinahe 20 Jahren „seine“ Leute stets dazu anzustacheln, militante Gruppen zu gründen, sich zu bewaffnen und Aktionen auszuführen – und sich selbst aber zurückzuhalten. Und wenn die Polizei bei den Kameraden vor der Tür steht, dann hat sich X in aller Regelmäßigkeit bereits aus dem Staub gemacht.“ (Vgl. Bl. 47 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19).
93Weiter wird in dem Artikel als größter, umtriebigster und einflussreichster Zusammenhang von „Combat 18“ Deutschland Neonazis aus Nordrhein-Westfalen aus dem Kreis der Band „P“ beschrieben. Aus dem engeren Umfeld von „P“ seien schon um 2000 und ab 2006 C18-Gruppen entstanden. Die 2003 gegründete „P T -Crew“ sei die wichtigste Vorläuferstruktur des neuen alten „Combat 18“ Deutschland (vgl. Bl. 61 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19).
94In Bezug auf Rechtsrockbands heißt es: „Mehrere Bands gehören der Struktur von „Combat 18“ Deutschland an. Sie treten offen als Bands von «Combat 18» Deutschland auf, ihre Musiker (nicht notwendigerweise alle) sind Mitglieder von «Combat 18» Deutschland und sie spielen auf Treffen des C18-Netzwerkes im In- und Ausland. Allen voran die Eer Bands «P» und «U», wobei «U» seit 2015 inaktiv ist...“ (vgl. Bl. 66 d.A. LG Dortmund, 4 O 264/19).
95In einem abschließenden Teil des Artikels heißt es „Das hier aufgezeigte Netzwerk aus etwa 20 Ländern und insgesamt weit über 100 Mitgliedern hat sich den bewaffneten Kampf zum Ziel gesetzt. Kontinuität seit Gründung von „Combat 18“ stellen die zentralen Personen U.J., V.C. und vor allem N.X., bzw. „P“ dar. Die Nachzeichnung der Restrukturierung zurück zu ihren Wurzeln macht ersichtlich, dass sich viele Mitglieder des heutigen C18-Netzwerks bereits lange kennen und sie auf alte, bestehende Kontakte zurückgreifen. Es ist demnach keine komplett neue Organisierung aus dem Nichts, sondern ein Aufbau des alten „Combat 18“-Netzwerks.“
96Die Darstellungen in und Rechercheergebnisse aus diesem Artikel liefern durchaus gewisse Anhaltspunkte für die Schlussfolgerung der Beklagten, dass X seit 2003 bis in die Gegenwart zum Führungskader von „Combat 18“ gehöre. Denn X wird seit 2003 bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels als kontinuierliches Mitglied und zentrale Figur in Bezug auf „Combat 18“ mit herausgehobenem nationalen und internationalem Status beschrieben, was auch mit konkreten Tatsachen belegt wird. Jedoch spricht gegen das Zutreffen der Behauptung der Beklagten, dass in dem Artikel auch deutlich wird, dass X seit seinem Wegzug aus Deutschland in 2012 offiziell in Bezug auf „Combat 18“ nicht mehr stark in Erscheinung getreten ist. Insoweit wird eine gewisse Zäsur im Leben des Klägers deutlich. Zudem wird angemerkt, dass der Kläger im Ruf stehe, zwar andere zu Aktionen aktiviere, sich selbst aber zurückzuhalten. Dies sind aber Anhaltspunkte die gegen eine konstante Führungsrolle des Klägers bei „Combat 18“ von 2003 bis 2019 sprechen.
97Zudem ist die Belastbarkeit des Artikels für sich genommen zweifelhaft. Der konkrete Herausgeber des Artikels ist nicht bekannt. Aus den Angaben auf der Homepage, auf der der Artikel abgedruckt ist, findet sich der Hinweis: „Diese Recherche basiert auf Zusammenarbeit und Ergebnissen vieler antifaschistischer Recherchegruppen und Einzelpersonen“.
98cc) Aus den weiteren im hiesigen Rechtsstreit eingeführten Quellen ergeben sich folgende relevante Informationen konkret in Bezug auf die Beziehung des Klägers zu „Combat 18”.
99Aus dem Schlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses III zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen vom 27.03.2017 ergibt sich, dass der Kläger in der Mitte der 2000er Jahre, spätestens ab 2003, in der Neonaziszene als Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland wahrgenommen wurde (vgl. S. 146, 166, 168, 194 der Anlage B 4). Explizit hießt es dabei im Schlussbericht auch „Mehrere seit 2003 bei der Abteilung 6 eingegangene Quellenmeldungen enthielten die Information, dass X eine wichtige Führungsperson von „Combat 18“ in Deutschland ist“ (S. 194 der Anlage B4). Auch im Bericht des 3. Untersuchungsausschusses gem. Art. 44 GG des Bundestags (DT Drs. 18/12950) heißt es über X, dass er neben U.J. einer der herausragendsten Repräsentanten von „Combat 18“ in Deutschland sei (vgl. S. 991 der Anlage B12). Der Kläger habe insoweit in E eine „Combat 18“-Zelle aufgebaut (vgl. Anlage B2, Anlage B3 (dort auch deren Anlage 2), S. 168, 180, 195, 196 der Anlage B4; vgl. auch S. 979 der Drucksache 6/7612 des Thüringer Landtags; S. 991 Anlage B12), deren Einbindung in das internationale Netzwert von „Bloood & Honour / Combat 18“ über Jahre Bestand gehabt haben soll (vgl. S. 180 der Anlage B4). Die Stellung des Klägers als wichtiger Repräsentant von „Combat 18“ in Deutschland wird jedenfalls auch bis hinein in das Jahr 2011 berichtet. Insoweit wird auch im Schlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses des Landes NRW Bezug genommen auf die schon vorzitierte E-Mail von einem Vertreter der „Hammerskin Nation“ mit „den deutschen Combat 18 Leuten“, wobei namentlich der Kläger genannt und als Vertreter wahrgenommen wird (S. 194 der Anlage B4; vgl. dazu im Detail bereits die Ausführungen zu dem Artikel von EXIF). Des Weiteren wird berichtet, dass X selbst sich bzw. seine Gruppe als offiziellen Ableger von „Combat 18 Deutschland“ bezeichnet habe (vgl. S. 194 der Anlage B4).
100Der Kläger ist überdies unstreitig gut in der nationalen und internationalen „Combat 18“-Szene vernetzt. Im Schlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in Nordrhein-Westfalen heißt es insoweit, dass der Kläger spätestens ab Frühjahr 2003 zahlreiche Kontakte zu den führenden Vertretern von „Blood & Honour“ und „Combat 18“ aus Deutschland, England, Schweden, Spanien und Belgien gehabt habe (S. 179, 180 der Anlage B4).
101Allerdings heißt es auch, dass z.B. von dem Zeugen A bei seiner Vernehmung im Jahr 2015 berichtet worden sei, dass die Sache mit der „Combat 18“-Gruppe in E im Sand verlaufen sei und X selbst dies aus Angst inhaftiert zu werden, nicht mehr mit Konsequenz weiterverfolgt habe (vgl. S. 197-198 der Anlage B4).
102Auch in einem Bericht des Untersuchungsausschusses 6/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Thüringer Landtags wird der Kläger lediglich als „ehemaliger „Combat 18“-Vertreter bezeichnet (vgl. S. 992 der Anlage B6).
103Darüber hinaus war das Ergebnis der Prüfung des Verfassungsschutzes NRW, dass es keine Hinweise gegeben habe, „dass „Combat 18“ auch wirklich gelebt worden sei“. In Bezug auf den Kläger wird insoweit von Zeugen aus den Reihen des Verfassungsschutzes ausgeführt, dass die Einschätzung gewesen sei, dass er das Label genutzt habe, aber keine konkreten Anhaltspunkte bestanden hätten, dass er eine „Combat 18“-Gruppe tatsächlich hochgezogen habe. In Bezug auf „Combat 18“ in E wird angegeben, man habe dort keine terroristische Organisation als „C18“ gesehen, obwohl die Ideologie vorhanden gewesen sei (vgl. S. 209-211, 268, 269, 270, 617, 619 der Anlage B4 und S. 24 der Anlage B10). Auch das Polizeipräsidium E zog in einem Vermerk vom 19.01.2011 das Fazit, dass es nach dortigem Erkenntnisstand naheliegend sei, dass eine „Combat 18“-Zelle in E nicht zur Gründung gekommen sei. Ebenso sahen BKA und LKA keine „Combat 18“-Strukturen in Deutschland. Allerdings werden jedenfalls seitens des Verfassungsschutzes insoweit auch Fehler eingeräumt. So hat der damalige Gruppenleiter beim Verfassungsschutz G in seiner Zeugenaussage in Bezug darauf, dass der Verfassungsschutz die Beobachtungen in Bezug auf die „Combat 18“-Gruppe aufgegeben habe ausgesagt: „Ich würde heute viel deutlicher sagen, dass eine Ideologie wie diese Ideologie der ‚C18‘ so gefährlich ist, dass man so lange dranbleiben muss als Verfassungsschutz, bis man wirklich alles ausschließen kann, und nicht – nur weil man im Moment keine deutliche Struktur erkennt – die Beobachtung zurückfährt. Und deswegen bleiben wir heute auch daran.“
104Der Kläger ist Leadsänger, der von ihm gegründeten Band “P“, die als bekennende „Combat 18“-Band wahrgenommen wird und sich selbst so darstellt (vgl. z.B. Bl. 84, 136, 138, 146, 176, 178, 260 der Anlage B4; S. 16 der Anlage B7). Die Band ist häufig unter dem Labeln „Combat 18“ und „Blood & Honour“ aufgetreten (vgl. dazu auch Plakate im Anlagenkonvolut B4). Unter anderem ist P in Bulgarien auch im Jahr 2019 auf einem Konzert unter dem Motto „Blood & Honour 20 Years“ aufgetreten (Anlagenkonvolut B4a). In seinen Liedtexten bezieht sich der Kläger jedenfalls in drei Liedern ausdrücklich auf „Combat 18“ und identifiziert sich auch hiermit. In den Lyrics von „Q“ aus 2008 heißt es insoweit explizit: (von der Darstellung des Refraintextes wird abgesehen – Die Redaktion ). Der 2006 veröffentlichte Song „Y“ wird als „Combat 18“-Hymne wahrgenommen (vgl. Bl. 138 der Anlage B4). Der Liedtext enthält unter anderem die Passage: (von der Darstellung des Refraintextes wird abgesehen - Die Redaktion) In dem Song „Z“ findet sich der Appell an die Hörer: (von der Darstellung des Liedtextes wird abgesehen – Die Redaktion). Der im Schlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in NRW zitierte Sachverständige B hat hierzu herausgestellt, dass von besonderem Interesse nicht nur der für die Band obligatorische Hass, sondern vor allem sei, dass die Band hier das Konzept des Leaderless Resistance und der Zellenstruktur propagiere (vgl. S. 177 der Anlage B4 m.w.N.; vgl. auch nähere Darstellung von B zu „P“ auf S. 14 in Anlage B7). Der im Schlussbericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Terror in NRW zitierte Sachverständige H führte über die Bezüge von „P“ zu „Combat 18“ aus: „Wir hatten mit einem Aussteiger gesprochen, der gesagt hat: „… Wenn ich P höre, weiß ich, das ist Combat 18, also der militante terroristische Ableger von Blood & Honour. P ist also gleich Combat 18. Sie haben das Logo Y. Sie verwenden noch heute das Logo C 18 immer wieder…“ (vgl. S. 178, Anlage B4)“.
105Der Kläger hat überdies unstreitig eine großformatige „Combat 18“-Tätowierung auf der Brust.
106dd) Nach Erscheinen des streitgegenständlichen Zeitungsartikels beantwortete die Landesregierung NRW am 24.09.2019 eine Kleine Anfrage der Abgeordneten W.T. von Bündnis 90/Die Grünen zu welchen Rechtsrock-Bands der Landesregierung Erkenntnisse zu Überschneidungen von Mitgliedern von „Combat 18“ vorliegen dahingehend, dass dem Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen zwar Verbindungen zwischen „Combat 18“ und Rechtsrock-Bands bekannt sind, aber keine Erkenntnisse dafür vorliegen, dass Mitglieder von „Combat 18“ aus Nordrhein-Westfalen aktive Mitglieder einer Rechtsrock-Band sind (S. 3 der Anlage B8).
107ee) Im Berufungsverfahren hat der Kläger einen Verbotsbescheid des Bundesministeriums des Inneren gegen die Vereinigung „Combat 18 Deutschland” vorgelegt, auf dem als Adressat verschiedene Mitglieder, nicht aber der Kläger aufgeführt werden (vgl. Bl. 191 ff. d.A.).
108ff) In ihrer Gesamtschau lässt sich aus den vorliegenden Materialien Folgendes ableiten:
109(1) Der Senat sieht durchaus starke Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger von 2003 bis 2011 Mitglied des Führungskaders von „Combat 18“ in Deutschland war. Dafür sprechen die umfassenden Quellen, die belegen, dass der Kläger zu dieser Zeit als Repräsentant und Führungsperson von „Combat 18“ in Deutschland wahrgenommen wurde und im Bereich E eine C-18-Zelle aufgebaut hat, wobei diese Feststellung von verschiedensten Quellen ganz unterschiedlicher Richtung seien es andere Neonazis, Antifaschisten, Sachverständigen wie auch dem Untersuchungsausschuss des Landes NRW übereinstimmend getroffen wurden. Auch der Kläger selbst stellt vorliegend nicht in Abrede, dass er eine Schlüsselfigur von „Combat 18“ ist. In der Vergangenheit soll er sich auch selbst bzw. seine Gruppe als offiziellen Ableger von „Combat 18 Deutschland“ bezeichnet haben. Dass dabei in den Materialien an keiner Stelle von „Führungskader“ die Rede ist, sondern zumeist von „Repräsentant“, steht dem nicht entgegen. Ein Repräsentant ist nach der dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechenden Definition unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Repraesentant jemand, der eine größere Gruppe von Menschen oder eine bestimmte Richtung (2) nach außen, in der Öffentlichkeit als Exponent vertritt, für sie spricht. Exponent ist dabei nach https://www.duden.de/rechtschreibung/Exponent der herausgehobener Vertreter einer Richtung, Partei usw. Der besonders herausgehobene Vertreter einer Einheit zählt jedoch erfahrungsgemäß im Regelfall auch zu den Führungsperson derselben. Darüber hinaus wird in den Materialien der Kläger nicht nur als Repräsentant, sondern an einzelnen Stellen durchaus explizit als „Führungsperson in Bezug auf „Combat 18“ in Deutschland bezeichnet.
110Eine besondere Rolle zur Untermauerung der Führungsrolle des Klägers für „Combat 18“ spielt dabei auch die bedeutende Rolle der Band P, deren Leadsänger der Kläger ist. In den Recherchematerialien kommt deutlich zum Ausdruck, dass es sich bei P um eine bekennende „Combat 18“-Band handelt. Dies hat der Kläger selbst durch seine Liedtexte ausgedrückt, z.B., wenn es in der „Combat 18“-Hymne „Y“ (von der Darstellung des Liedtextes wird abgesehen – Die Redaktion) heißt oder wenn in „Q“ gesungen wird: (von der Darstellung des Liedtextes wird abgesehen - Die Redaktion), zeigt sich aber auch in der Rezeption von P in der nationalen und internationalen Szene.
111Die durch verschiedene Quellen belegte starke Vernetzung des Klägers mit nationalen und internationalen Führungskräften von „Combat 18“ ist ein weiterer Beleg für dessen eigene Führungsrolle bei „Combat 18 Deutschland“. Zudem zeigt auch die großformartige „Combat 18“-Tätowierung des Klägers dessen starke Identifizierung mit „Combat 18“.
112Dafür, dass es überhaupt einen Führungskader in Bezug auf „Combat 18“ in Deutschland gibt, bestehen ebenfalls verschiedene Hinweise. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass dem gewissermaßen das Prinzip des „Leaderless Resistence“ entgegensteht. Allerdings werden durchgehend im gesamten Recherchematerial einzelne Personen als besonders bedeutende Vertreter von „Combat 18“ herausgestellt. So entspricht es auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass es in größeren Gruppen regelmäßig Personen gibt, die die Führung übernehmen.
113Letztlich kann die Frage, ob der Kläger in der Zeit von 2003 bis 2012 zum Führungskader von „Combat 18“ in Deutschland gehörte, jedoch dahingestellt bleiben.
114(2) Denn der Senat sieht es jedenfalls nicht als erwiesen an, dass der Kläger auch ab 2012 bis 2019 noch zum deutschen Führungskader von „Combat 18“ gehörte.
115In den Recherchematerialien wird dies konkret überhaupt nur in dem Artikel „Combat 18“ Reunion von EXIF – Recherche & Analyse behauptet, in den anderen Artikeln finden sich entsprechende Hinweise für die Zeit ab 2012 nicht.
116So behandelt der Schlussbericht des Landtags NRW zur Aufarbeitung der NSU-Verbrechen (Anlage B 4) ausweislich Ziffer 1. des Auftrags schwerpunktmäßig die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses, die am 04.11.2014 erfolgte (vgl. S. 1 der Anlage B4). Positive Hinweise betreffend eine herausgehobene Stellung des Klägers in Bezug auf „Combat 18“ für die Zeit danach finden sich in dem Schlussbericht dagegen nicht. Im Gegenteil wird wiedergegeben, dass von dem Zeugen A bei seiner Vernehmung im Jahr 2015 berichtet worden sei, dass die Sache mit der „Combat 18“-Gruppe in E im Sand verlaufen sei und X selbst dies aus Angst inhaftiert zu werden, nicht mehr mit Konsequenz weiterverfolgt habe (vgl. S. 197-198 der Anlage B4). Auch im Bericht des Untersuchungsausschusses 6/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ des Thüringer Landtags wird der Kläger ausdrücklich als „ehemaliger „Combat 18“-Vertreter bezeichnet (vgl. S. 992 der Anlage B6).
117Gegen eine Führungsrolle des Klägers spricht zudem auch unter Berücksichtigung des Artikels von EXIF, dass es im Jahr 2012 eine Neugründung von „Combat 18“ gegeben haben soll, sodass eine Kontinuität nicht gegeben sein muss. Gegen eine herausragende Bedeutung Gottschalks in Bezug auf das deutsche „Combat 18“ in dieser Zeit spricht auch und vor allem, dass der Kläger Deutschland 2012 verlassen hat und zwischenzeitlich nach Schweden umzog. Insofern findet sich im Leben des Klägers eine Zäsur.
118Zwar mag es durchaus sein und kann vom Senat auch nicht ausgeschlossen werden, dass sich der Kläger nur offiziell zurückgezogen und seine Aktivitäten in den Untergrund verlagert hat, ohne dabei seine Führungsrolle in Bezug auf „Combat 18“ einzubüßen. Dafür könnte sprechen, dass der Kläger unstreitig seine rechtsradikale Gesinnung nicht aufgegeben hat, sein großflächiges „Combat 18“-Tatoo behalten hat und weiterhin Leadsänger der „Combat 18“-Band P geblieben ist, die in besonderem Maße „Combat 18“ in Deutschland repräsentiert. Auch ist die Band P noch im Jahre 2019 ausweislich Anlagenkonvolut B4a in Bulgarien auf einem Konzert unter dem Motto „Blood & Honour 20 Years“ aufgetreten. Ebenso verkennt der Senat nicht, dass ein konspiratives Vorgehen und die Verlegung von Aktivitäten in den Untergrund gerade dem von „Combat 18“ verfolgten Prinzip des „leaderless resistence“ entspricht. Ein solches Agieren dürfte für den Kläger auch sinnvoll gewesen sein, da sich angesichts des Bekanntwerdens der NSU-Morde Ende 2011/2012 der politische Druck auf Neonazis in Deutschland deutlich erhöht hat.
119Bei all diesen Erwägungen betreffend eine fortdauernde Führungsrolle des Klägers bis in die jüngere Vergangenheit hinein handelt es sich jedoch um reine Mutmaßungen. Bewiesen ist dies dagegen nicht.
120Gegen eine bis zum Erscheinen des Artikels aktuelle Mitgliedschaft des Klägers bei „Combat 18“ spricht dabei deutlich, dass die Landesregierung NRW eine Kleine Anfrage der Abgeordneten W.T. von Bündnis 90/Die Grünen zu welchen Rechtsrock-Bands der Landesregierung Erkenntnisse zu Überschneidungen von Mitgliedern von „Combat 18“ am 24.09.2019 dahingehend beantwortete, dass dem Verfassungsschutz von Nordrhein-Westfalen zwar Verbindungen zwischen „Combat 18“ und Rechtsrock-Bands bekannt sind, aber keine Erkenntnisse dafür vorliegen, dass Mitglieder von „Combat 18“ aus Nordrhein-Westfalen aktive Mitglieder einer Rechtsrock-Band sind. Hieraus ergibt sich klar, dass der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse hat, dass der Kläger, der unstreitig Mitglied einer Rechtsrock-Band ist, Mitglied von „Combat 18“ ist.
121Auch auf der von dem Kläger vorgelegten Verbotsverfügung vom 06.12.2019 betreffend „Combat 18 Deutschland“ wird der Kläger nicht als Mitglied von „Combat 18 Deutschland“ aufgeführt. Soweit der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angeführt hat, dass die vorgelegte Verbotsverfügung nicht die einzige sei und es mehrere geben müsse, handelt es sich hierbei um eine unbeachtliche, durch nichts belegte, Angabe ins Blaue hinein. Angesichts der Beweislast der Beklagten wäre es jedoch an dieser gewesen z.B. durch Beibringung entsprechender Unterlagen die Mitgliedschaft des Klägers in „Combat 18“ zu beweisen.
122Ist aber schon nicht erwiesen, dass der Kläger bis 2019 Mitglied von „Combat 18“ war, so kann erst recht nicht festgestellt werden, dass er von 2003 - 2019 Teil des Führungskaders von „Combat 18“ war.
123Die Aussage der Kläger zähle seit 2003 zum deutschen C-18-Führungskader ist nach alledem, da die Beklagte ihr Zutreffen nicht bewiesen hat, als unwahr zu behandeln.
124f) Ist aber die streitgegenständliche Äußerung unwahr, so ist die Rechtsfolge, dass die Äußerung zu unterlassen ist. Denn an der Aufrechterhaltung und Weiterverbreitung einer unwahren herabsetzender Tatsachenbehauptungen besteht unter dem Gesichtspunkt der Meinungsfreiheit von vorn herein kein schützenswertes Interesse. Auf eine Abwägung kommt es dabei angesichts der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nicht mehr an.
125g) Die Äußerung kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verdachtsberichterstattung aufrecht erhalten werden. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unmissverständlich klargestellt, dass sie sich nicht auf die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung stützt. Zudem lägen auch die Voraussetzungen für eine zulässige Verdachtsberichterstattung (dazu z.B. BGH, Urteil vom 12.04.2016, VI ZR 505/14, juris Rdn. 38 ff.; BGH, Urteil vom 18.11.2014, VI ZR 76/14, juris Rdn. 15 jeweils m.z.w.N.) nicht vor. Denn es besteht aus den vorstehenden Gründen schon kein Mindestmaß an Beweistatsachen für die streitgegenständliche Äußerung. Darüber hinaus ist die streitgegenständliche Äußerung vorverurteilend formuliert und es fehlt auch an der Einräumung einer Stellungnahmemöglichkeit vor Veröffentlichung.
126h) Rechtsfolge ist, dass die erste streitgegenständliche Äußerung vollständig zu unterlassen ist. Insoweit kann auch nicht einschränkend ausgesprochen werden, dass die Beklagte die Äußerung, dass der Kläger zum deutschen C-18-Führungskader gehöre nur für die Zeit ab 2012 unterlassen muss. Denn die von der Beklagten aufgestellte Äußerung ist nicht teilbar. Prägend für die Äußerung ist gerade die dargestellte Kontinuität der Mitgliedschaft im Führungskader von 2003 bis in die Gegenwart. Würde man hier den Unterlassungsanspruch nur teilweise gewähren, so würde dies dazu führen, dass eine qualitativ andere vom ursprünglichen Inhalt nicht umfasste Aussage („Aliud“) bestehen bleiben würde.
1272. Dagegen hat der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK auf Unterlassung der Äußerung „Im Umkreis der Band entstand die C-18-Zelle P T -Crew“. Denn die Beklagte hat durch diese Äußerung im Zeitungsbericht vom 18.06.2019 das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nicht rechtswidrig verletzt.
128Dabei kann es dahingestellt beiben, ob die Äußerung „Im Umkreis der Band entstand die C-18 Zelle P T - Crew“ als Tatsachenbehauptung dahingehend auszulegen ist, dass sämtliche Mitglieder der P T -Crew auch Mitglieder der Combat 18-Zelle waren. Ebenso kann es dahingestellt bleiben, ob diese Äußerung unwahr ist, da dem nicht so war.
129Denn ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts begründet die Äußerung keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.
130Das Persönlichkeitsrecht ist nur bei Darstellungen berührt, die von nicht ganz unerheblicher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind; es gebietet hingegen nicht, dem Betroffenen einen Abwehranspruch zuzubilligen, wenn es allein um Tatsachenbehauptungen geht, die sich nicht in nennenswerter Weise auf das Persönlichkeitsbild des Betroffenen auswirken können (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 23.10.2007, 1 BvR 150/06, juris Rdn. 20). Derartige „wertneutrale Falschdarstellungen“ begründen keine Unterlassungsansprüche (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2017, 4 U 166/16, juris Rdn. 166; OLG Dresden, Beschluss vom 11.09.2018, 4 U 1214/18, juris Rdn. 7).
131So liegt der Fall aber hier. Die Äußerung betrifft den Kläger schon nicht. Er selbst wird nicht in Bezug genommen. Er ist auch kein Vertreter oder Mitglied der – im Übrigen wohl nicht mehr existenten – P T -Crew. Er hat diese lediglich mitgegründet. Dass aber eine Äußerung über die P T - Crew irgendetwas Negatives über den Kläger selbst aussagt ist nicht ersichtlich.
132Im Übrigen bestehen aufgrund der von der Beklagten eingereichten Rechercheunterlagen aus Sicht des Senats durchaus hinreichende Beweise dafür, dass der Kläger jedenfalls in der Vergangenheit bis 2011 eine „Combat 18“-Gruppe begründet hat. Wenn dem aber so ist, begründet die Falschdarstellung der P-Crew als eine solche Gruppe keine irgendwie gesteigerte negative Darstellung des Klägers. Vor diesem Hintergrund liegt eine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers insoweit nicht vor.
1333. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (berechnet nach einem Streitwert von 10.000 Euro) in Höhe von 887,03 Euro aus § 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG. Der Zinsanspruch diesbezüglich folgt aus §§ 280, 286, 288 BGB.
134III.
135Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 1x
- VI ZR 123/16 1x (nicht zugeordnet)
- 4 U 101/06 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 76/14 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 386/13 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 4x
- ZPO § 538 Zurückverweisung 1x
- 1 BvR 1891/05 1x (nicht zugeordnet)
- 23 U 1994/16 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- 4 U 1214/18 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 80/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- 1 BvR 734/98 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 274/04 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 211/12 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 544 Nichtzulassungsbeschwerde 1x
- 1 BvR 150/06 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 340/14 2x (nicht zugeordnet)
- 4 U 166/16 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 250/13 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 348 Originärer Einzelrichter 1x
- 1 BvR 1081/15 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- VI ZR 39/14 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 1 BvR 1696/98 1x (nicht zugeordnet)
- 1 BvR 2678/10 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 505/14 2x (nicht zugeordnet)
- 4 O 348/19 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 186 Üble Nachrede 1x
- 1 BvR 1531/96 1x (nicht zugeordnet)
- 4 O 264/19 11x (nicht zugeordnet)
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- XI ZR 384/03 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 2x
- VI ZR 20/19 1x (nicht zugeordnet)