Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (2. Strafsenat) - 2 Ws 183/18
Tenor
Die weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 32, vom 03. August 2018 wird auf Kosten des Beschwerdeführers mit der Maßgabe verworfen, dass der Vermögensarrest sowie der Hinterlegungsbetrag jeweils auf einen Betrag in Höhe von 40.758,60 € herabgesetzt werden.
Gründe
I.
- 1
Das Finanzamt für Prüfdienste und Strafsachen in Hamburg ermittelt gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Ihm wird vorgeworfen, für sein gewerbliches Einzelunternehmen in der Zeit vom 29. Dezember 2014 bis zum 28. Februar 2017 in den für die Kalenderjahre 2013 und 2014 beim Finanzamt Hamburg-Bergedorf und für das Kalenderjahr 2015 bei dem Finanzamt Hamburg-Ost eingereichten Umsatzsteuererklärungen Vorsteuern aus Rechnungen der Firmen M... ...GmbH, N... GmbH, Q... GmbH und A... GmbH geltend gemacht zu haben, obwohl diese - wie er gewußt habe - sogenannte „Servicegesellschaften“ gewesen seien, die keinerlei Geschäftstätigkeiten ausgeübt und lediglich Scheinrechnungen ausgestellt haben.
- 2
Der Beschuldigte hatte in den Jahren 2014 bis 2017 die folgenden Umsatzsteuerjahreserklärungen an das Finanzamt übermittelt:
- 3
Eingang
Umsatzsteuer
Vorsteuerbeträge gem.
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG29. Dezember 2014
103.189,38 €
56.796,04 €
(Vorauszahlung 46.201,60 €)29. Februar 2016
75.806,39 €
44.022,52 €
(Vorauszahlung 32.323,56 €)28. Februar 2017
32.137,74 €
17.575,75 €
(Vorauszahlung 7.2015,69 €)
- 4
Zu diesen Umsatzsteuerjahreserklärungen waren jeweilig vom Finanzamt Mitteilungen, und zwar unter dem 13. Januar 2015, 10. März 2016 und 10. März 2017, an den steuerlichen Berater erfolgt, dass den eingegangen Umsatzsteuerjahreserklärungen zugestimmt werde.
- 5
Am 29. Januar 2018 wurde eine Betriebsprüfung (§ 193 Abs. 1 AO) für die Jahre 2013 - 2015 angeordnet. Aus den am 07. Februar 2018 auf der Amtsstelle vorgelegten Geschäftsunterlagen erstellte die Betriebsprüferin eine Auflistung von - in Hinblick auf als Schreiben von Scheinrechnungen aufgefallenen - Fremdleistern.
- 6
Diesbezüglich stufte sie die folgenden Rechnungen als Scheinrechnungen ein:
- 7
Jahr 2013
- 8
Rechnung
Datum
Netto-Umsatz
ausgewiesene
UmsatzsteuerBrutto-Umsatz
M... GmbH
28. Juni 2013
18.000 €
3.420,00 €
21.420,00 €
N... GmbH
30. Juli 2013
17.910,00 €
3.402,90 €
21.312,90 €
„
30. August 2013
17.100,00 €
3.249,00 €
20.349,00 €
„
30. August 2013
8.640,00 €
1.641,60 €
10.281,60 €
„
29. Oktober 2013
19.620,00 €
3.727,80 €
23.347,90 €
„
31. Dezember 2013
17.280,00 €
3.283,20 €
20.563,20 €
- 9
Jahr 2014
- 10
Rechnung
Datum
Netto-Umsatz
ausgewiesene
UmsatzsteuerBrutto-Umsatz
Q... GmbH
30. April 2014
12.240,00 €
2.325,60 €
14.565,50 €
„
30. Mai 2014
13.680,00 €
2.599,20 €
16.279,20 €
„
30. Juni 2014
9.920,00 €
1.884,80 €
11.804,80 €
A... GmbH
31. Juli 2014
21.000,00 €
3.990,00 €
24.990,00 €
„
30. September 2014
(Schlussrechnung)20.120,00 €
3.822,80 €
23.942,80 €
„
31. Oktober 2014
(Schlussrechnung)20.870,00 €
3.965,30 €
24.835,30 €
„
15. Dezember 2014
9.670,00 €
1.187,30 €
11.507.30 €
„
31. Dezember 2014
11.890,00 €
2.259,10 €
14.149,10 €
- 11
Jahr 2015
- 12
Rechnung
Datum
Netto-Umsatz
ausgewiesene
UmsatzsteuerBrutto-Umsatz
A... GmbH
28. Januar 2015
19.800,00 €
3.762,00 €
23.562,00 €
- 13
Auf dieser Grundlage bezifferte das Finanzamt für Prüfdienste und Strafsachen in Hamburg folgende Beträge als zu niedrig festgesetzt:
- 14
Tat
Jahr
Steuerart
Eingang der
Erklärungzu hoch angemeldete
Vorsteuer1
2013
Umsatzsteuer
29. Dezember 2014
18.724 €
2
2014
Umsatzsteuer
29. Februar 2016
22.034 €
3
2015
Umsatzsteuer
28. Februar 2017
3.762 €
- 15
Es hat beim Amtsgericht Hamburg die Anordnung eines Vermögensarrestes in Höhe von 44.520,00 € gem. §§ 111e Abs. 1 StPO i.V.m. 73, 73c StGB beantragt. Das Amtsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 13. Juni 2018 diesen Antrag abgelehnt.
- 16
Das Landgericht Hamburg hat auf die Beschwerde des Finanzamtes für Prüfdienste und Strafsachen in Hamburg gegen die Ablehnung mit Beschluss vom 03. August 2018 wegen des Tatverdachts der Steuerhinterziehung gem. § 370 AO in drei Fällen die Anordnung eines Vermögensarrestes in Höhe von 44.520,00 € gem. §§ 111e Abs. 1 StPO i.V.m. 73c StGB angeordnet. Zugleich hat das Landgericht beschlossen, dass durch Hinterlegung des nämlichen Betrages die Vollziehung des Arrestes abgewendet und die Aufhebung der Vollziehung des Arrestes verlangt werden kann.
- 17
Mit Schriftsatz vom 27. August 2018 hat der Verteidiger des Beschuldigten Beschwerde, vorsorglich weitere Beschwerde eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung des Arrestbeschlusses beantragt.
- 18
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 17. September 2018 der weiteren Beschwerde nicht abgeholfen.
- 19
Nachdem am 28. August 2018 eine Sicherungshypothek und ein Veräußerungsverbot im Grundbuch von Hamburg-Bergedorf (Band ... Grundbuchblatt ...) zum Eigentum des Beschuldigten eingetragen worden waren, hat das Finanzamt für Prüfdienste und Strafsachen, nach Zahlung des Ablösebetrages durch den Beschuldigten, die Löschungsbewilligung erteilt.
- 20
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat beantragt, die weitere Beschwerde kostenpflichtig zu verwerfen.
- 21
Der Senat hat beim Finanzamt für Prüfdienste und Strafsachen in Hamburg weitere Unterlagen angefordert. Das Finanzamt für Prüfdienste und Strafsachen in Hamburg hat im Rahmen der Übersendung von Unterlagen erklärt, dass sich aus den Unterlagen für das Jahr 2013 tatsächlich ein Betrag von insgesamt 20.264 € und für das Jahr 2014 ein Betrag von insgesamt 22.684 € von zu niedrig festgesetzter Umsatzsteuern ergebe. Die zunächst für das Jahr 2015 aufgeführte Rechnung vom 28. Januar 2015 habe der Beschuldigte jedoch nicht als abziehbare Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG gebucht.
II.
- 22
Die weitere Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig (§§ 304, 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO), aber nach Maßgabe des Entscheidungstenors dieses Beschlusses überwiegend unbegründet.
- 23
1. Gemäß § 310 Abs. 1 StPO können vom Landgericht auf eine Beschwerde hin erlassene Beschlüsse mit weiterer Beschwerde angefochten werden, wenn sie eine Verhaftung, eine einstweilige Unterbringung oder einen Vermögensarrest nach § 111e StPO über einen Betrag von mehr als 20.000 Euro betreffen. Angesichts eines angeordneten Arrestes i.H.v. 44.520 Euro ist mithin das Rechtsmittel statthaft.
- 24
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht auf die Beschwerde des Finanzamtes für Prüfdienste und Strafsachen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Juni 2018 aufgehoben und den Vermögensarrest angeordnet. Das Beschwerdevorbringen des Beschuldigten führt lediglich nach Maßgabe des Entscheidungstenors dieses Beschlusses zu einer abweichenden Bewertung.
- 25
a) Die angefochtene Entscheidung ist ohne formale Fehler ergangen.
- 26
Insbesondere weist der Beschluss noch den gem. § 111e Abs. 4 StPO notwendigen Inhalt auf. Soweit das Landgericht Hamburg den Beschuldigten nicht vor Erlass des Beschlusses gem. § 33 Abs. 2 und 3 StPO angehört hat, bestand vorliegend ein derartiges Anhörungsrecht gem. § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO nicht, da der Zweck der Maßnahme durch eine Anhörung offensichtlich gefährdet worden wäre.
- 27
b) Die materiellen Voraussetzungen der Anordnung eines Vermögensarrestes gem. § 111e Abs. 1 StPO liegen ebenfalls vor.
- 28
aa) Vorliegend finden die am 01. Juli 2017 in Kraft getretenen Vorschriften des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 aufgrund der Übergangsvorschriften von Art. 316h Satz 1 EGStGB und § 14 EGStPO auch für die vor dem Inkrafttreten begangenen Taten, soweit eine Entscheidung über die Anordnung noch nicht ergangen ist, Anwendung.
- 29
bb) Nach § 111e Abs. 1 Satz 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Das erfordert den einfachen Tatverdacht, dass die Voraussetzungen für die spätere gerichtliche Anordnung von Wertersatzeinziehung vorliegen (vgl. OLG Stuttgart NJW 2017, 3731; OLG Hamm StraFo, 2018, 63; Meyer-Goßner/Köhler, § 111e Rn. 4), mithin dass ein einfacher Tatverdacht der Begehung einer Straftat besteht und Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass in dem Urteil die Einziehung von Wertersatz angeordnet werden wird (Arrestanspruch). Weiter erforderlich ist, dass ein Sicherungsbedürfnis besteht (Arrestgrund) und die Anordnung verhältnismäßig ist. Liegen dringende Gründe für diese Annahme vor, soll der Vermögensarrest angeordnet werden, § 111e Abs. 1 Satz 2 StPO.
- 30
(1) Gegen den Beschuldigten besteht der einfache Tatverdacht der Steuer-hinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO in zwei Fällen mit einer Hinterziehung von Umsatzsteuern in Gesamthöhe von 40.758,60 €.
- 31
(aa) Nach Aktenlage besteht der Verdacht, dass der Beschwerdeführer für sein gewerbliches Einzelunternehmen in der Zeit vom 29. Dezember 2014 bis zum 29. Februar 2016 in den für die Kalenderjahre 2013 und 2014 beim Finanzamt Hamburg-Bergedorf eingereichten Umsatzsteuerjahreserklärungen Vorsteuern aus Rechnungen der nachfolgend aufgeführten Gesellschaften geltend gemacht hat, obwohl diese - wie er wusste - sogenannte „Servicegesellschaften“ waren, die keinerlei Geschäftstätigkeiten ausgeübt und lediglich Scheinrechnungen ausgestellt hatten. Dergestalt hat er Vorsteuern aus folgenden Rechnungen geltend gemacht:
- 32
Rechnung
Datum
Netto-Umsatz
in Euroausgewiesene Umsatzsteuer
in EuroBrutto-Umsatz
in EuroM... GmbH
28. Juni 2013
18.000
3.420,00
21.420,00
N... GmbH
30. Juli 2013
17.910,00
3.402,90
21.312,90
„
30. August 2013
17.100,00
3.249,00
20.349,00
„
30. August 2013
8.640,00
1.641,60
10.281,60
„
29. Oktober 2013
19.620,00
3.727,80
23.347,90
„
31. Dezember 2013
17.280,00
3.283,20
20.563,20
- 33
Q... GmbH
30. April 2014
12.240,00
2.325,60
14.565,50
„
30. Mai 2014
13.680,00
2.599,20
16.279,20
„
30. Juni 2014
9.920,00
1.884,80
11.804,80
A... GmbH
31. Juli 2014
21.000,00
3.990,00
24.990,00
„
30. September 2014
- Schlussrechnung -
(Abschlagsrechnung vom 12. September 2014)20.120,00
3.822,80
23.942,80
„
31. Oktober 2014
- Schlussrechnung -
(Abschlagsrechnung vom 15. Oktober 2014)20.870,00
3.965,30
24.835,30
„
15. Dezember 2014
9.670,00
1.187,30
11.507.30
„
31. Dezember 2014
11.890,00
2.259,10
14.149,10
- 34
(aaa) Der Beschuldigte hat den Tatvorwurf über seinen Verteidiger bestritten und ausgeführt, dass er die den Rechnungen zu Grunde liegenden Arbeiten bei den Unternehmen in Auftrag gegeben habe und diese die jeweiligen Arbeiten erbracht und abgerechnet hätten. Auch habe er keinerlei Kenntnis darüber gehabt, dass die Gesellschaften inaktiv gewesen sein könnten, andernfalls hätte er diese nicht beauftragt.
- 35
(bbb) Der Tatverdacht, dass es sich bei den vorgenannten Rechnungen um Scheinrechnungen handelt, gründet sich auf die zur Akte gelangten Urkunden, insbesondere die in der Akte befindlichen Rechnungen, und die weiteren Ermittlungen hinsichtlich der genannten Gesellschaften.
- 36
Allen verfahrensgegenständlichen Rechnungen ist zunächst gemein, dass sie keine konkreten Leistungsbeschreibungen und - zumindest im Abrechnungsteil - einen nahezu identischen Aufbau aufweisen.
- 37
Die Rechnungen der M... GmbH, der N... GmbH und der A... ....GmbH weisen jeweils Unstimmigkeiten der Anschriften bzw. der Firmierung bzw. des Erscheinungsbildes auf.
- 38
So ist bei der Rechnung der M... GmbH vom 28. Juni 2013 neben der eigenen Anschrift in der Kopfzeile auch die „N... GmbH ... Hamburg“ aufgeführt.
- 39
Die Rechnungen der A... GmbH vom 12. und 30. September 2014 sowie vom 15. Oktober 2014 führen im Briefkopf als Rechnungsanschrift „S... 2a“ und in der Fußzeile die Anschrift „E... ... Berlin“, obwohl ausweislich des Auszuges aus dem Handelsregisters die Änderung des Firmensitzes erst zum 16. Oktober 2014 eingetragen ist. Sodann führen die Rechnungen vom 15. und 31. Dezember 2014 die genannten Anschriften in Berlin und Hamburg.
- 40
Das Erscheinungsbild der - selbst auf denselben Rechnungstag datierten - Rechnungen der N... GmbH erweist sich in Hinblick auf unterschiedliche Formen von Layout, Aufbau, Schreibweise und Schriftart als auffällig und mithin indiziell für den Tatverdacht.
- 41
Für die Bewertung der vorgenannten Rechnungen als Scheinrechnungen spricht indiziell auch der Umstand, dass diese nach der Urkundenlage sämtlich im Wege der Barzahlung beglichen worden sein sollen.
- 42
Weiter gestützt wird der Tatverdacht durch die in der Akte dokumentierten Erkenntnisse zu den jeweilig rechnungsstellenden Gesellschaften:
- 43
Für die „M... GmbH“ sind die kurze Lebensdauer vom 19. April 2012 bis zum 30. Januar 2014, als sie gem. § 394 Abs. 1 Satz 1 FamFG wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde, häufig wechselnde Geschäftsführer (drei) und Geschäftsanschriften (vier) als den Tatverdacht stützend anzusehen. Dies gilt zudem für die Verflechtung in Hinblick auf die vertretungsberechtigten Personen: Der in der Zeit vom 30. September 2012 bis zum 17. Januar 2013 amtierende Geschäftsführer E... war ab dem 20. Dezember 2012 bis zum 30. Dezember 2013 auch Prokurist der „N... GmbH“.
- 44
Die „N... GmbH“ hat zunächst trotz scheinbar umfangreicher Tätigkeiten keine Kraftfahrzeuge angemeldet. In diesem Kontext sind auch die mit den Gesellschaften „P... GmbH“ und „Gebr. ... GmbH“ dokumentierten Beziehungen von indizieller Bedeutung. Hiernach resultierten in der Zeit von Januar bis April 2013 mit der „P... GmbH“ und für den Monat Mai 2013 mit der „Gebr. ... GmbH“ sämtliche anrechenbare Vorsteuern und von anderen Unternehmen erbrachten Leistungen nach § 13b UStG aus Rechnungen dieser Gesellschaften, wobei vor diesem Zeitraum Umsatzsteuer-voranmeldungen mit 0 € (Dezember 2012 und Januar 2013) bzw. in nur geringer Höhe (Februar 2013) eingereicht und nach diesem Zeitraum lediglich Umsatzsteuervoranmeldungen von geringen Umfang bzw. ab September 2013 keine Umsatzsteuervoranmeldungen mehr eingereicht wurden.
- 45
Gleiches ist für die „A... GmbH“ anzuführen. Diese Gesellschaft verfügte trotz umfangreicher Tätigkeitsgebiete über kein nennenswertes Personal, hatte keine Kraftfahrzeuge angemeldet, und die Rechnungen weisen eklatante Schreibfehler auf. Weiter indiziell für eine nur scheinbare Geschäftstätigkeit ist, dass die Gesellschaft nach kurzer „Ruhepause“ und Umfirmierung im 2. Quartal 2014 sprunghaft Umsätze im sechststelligen Bereich erklärte, jedoch eine geringe Umsatzsteuerzahllast aufwies und schließlich - zeitnah und nach Ankündigung einer Umsatzsteuersonderprüfung - mit Datum des 20. Januar 2015 ihren Sitz nach Berlin verlegte und dort nicht mehr erreichbar war.
- 46
Für die „Q... GmbH“ ist mit Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 26. März 2015, rechtskräftig seit dem 03. April 2015, aufgrund der geständigen Einlassung des dort Verurteilten Y... festgestellt, dass diese Gesellschaft selbst eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2013 aus Scheinrechnungen geltend gemacht hatte. Der als verantwortlicher Geschäftsführer eingetragene Verurteilte fungierte dort nach seiner Einlassung lediglich als „Strohmann“.
- 47
(bb) Die steuerrechtliche Versagung des Vorsteuerabzuges für allein aufgrund des Steuerausweises gem. § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer ergibt sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG, wonach nur die für eine Lieferung bzw. Leistung gesetzlich geschuldete (i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. UStG) Umsatzsteuer abziehbar ist. Die allein aufgrund des Rechnungsausweises gem. § 14c UStG geschuldete Steuer ist in diesem Sinne keine gesetzlich aufgrund eines Umsatzes geschuldete Steuer.
- 48
(cc) Die Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist auch jeweils vollendet.
- 49
(aaa) Bei der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO handelt es sich nicht lediglich um ein Erklärungsdelikt, sondern auch um ein Erfolgsdelikt (BGH NStZ-RR 2018, 141f.). Eine Vollendung der Tat nach dieser Vorschrift tritt ein, wenn Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Bei der Hinterziehung von Umsatzsteuern mit unrichtigen Steueranmeldungen (§ 150 Abs. 1 Satz 3 AO) - hier Umsatzsteuerjahreserklärungen (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG) - hängt die Vollendung davon ab, ob die Steueranmeldung zu einer Zahllast oder Steuervergütungen geführt haben (vgl. BGH a.a.O.; NStZ-RR 2016, 172). Gem. § 168 Satz 1 AO steht eine Steueranmeldung zwar einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Soweit jedoch die Steueranmeldung zu einer Herabsetzung der bisher entrichteten Steuer oder zu einer Steuervergütung geführt hat, gilt dies erst dann, wenn die Finanzbehörde der Steueranmeldung zugestimmt hat, § 168 Satz 2 AO.
- 50
(bbb) Vorliegend hat die Finanzbehörde auf die verfahrensgegenständlichen Angaben der Jahressteuerumsatzerklärungen jeweils die Zustimmung unter dem 13. Januar 2015 und 10. März 2016 erklärt.
- 51
(dd) Der Beschuldigte handelte auch vorsätzlich. Der Vorsatz ergibt sich bereits aus den oben dargelegten objektiven Umständen zu den jeweiligen Scheinrechnungen.
- 52
(2) Kein Tatverdacht besteht nach Aktenlage betreffend die zunächst angeführte Tat vom 28. Februar 2017, mit der dem Beschuldigten zur Last gelegt wurde, für das Jahr 2015 Vorsteuern aus der Rechnung der A... GmbH vom 28. Januar 2015 in Höhe von 3.762,00 € zu Unrecht geltend gemacht zu haben, nachdem dem Senat die Mitteilung erreicht hat, dass der Beschuldigte diese Rechnung nicht als abziehbare Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG verbucht hat.
- 53
(3) Diese - im Sinne des Anfangsverdachts - hinterzogenen Steuern in einer Gesamthöhe von insgesamt 40.758,60 € sind i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB aus der Tat erlangt. Das erlangte Etwas kann auch in hinterzogenen Steuern in Form ersparter Aufwendungen bestehen (vgl. BGH NStZ 2017, 361; OLG Stuttgart a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Februar 2013, Az.: 1 Ws 534/12 (juris); OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Juni 2017, Az.: 4 Ws 146+148/16 (juris); Kohlmann-Steuerstrafrecht/Schauf, § 370, Rn. 1130.5 und 6; Fischer, § 73 Rn. 20), so dass Gründe für die Annahme vorliegen, dass in einem späteren Urteil die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73c Satz 1 StGB) angeordnet werden wird.
- 54
(4) Es besteht auch ein Sicherungsbedürfnis (Arrestgrund) i.S.d. § 111e Abs. 1 StPO.
- 55
(aa) Gem. § 111e Abs. 1 StPO kann der Vermögensarrest in das Vermögen des Beschuldigten dann angeordnet werden, wenn der Vermögensarrest der Sicherung der Vollstreckung dient, mithin erforderlich ist (vgl. BT-Drucks 18/9525 S. 76; Köhler a.a.O., Rn. 6). Zwar entfiel mit der Neuregelung des § 111e Abs. 1 StPO n.F. und der ersatzlosen Streichung des § 111d Abs.2 StPO a.F. der Verweis auf § 917 ZPO, mithin die Besorgnis einer Erschwerung oder wesentlichen Vereitelung der Forderungsvollstreckung. Das Erfordernis eines Arrestgrundes einschließlich der dazu ergangenen Rechtsprechung sollte nach dem gesetzgeberischen Willen allerdings nicht tangiert werden. Bereits in der Gesetzesbegründung ist klargestellt, dass sich das Erfordernis eines Sicherungsgrundes als Ausprägung des Übermaßverbotes nunmehr unmittelbar aus der StPO ergeben soll, da der Vermögensarrest nur „zur Sicherung der Vollstreckung einer Wertersatzeinziehung“ angeordnet werden dürfe (vgl. BT-Drucks 18/9525 S. 49).
- 56
Die Erforderlichkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn zu besorgen steht, dass die künftige Vollstreckung ohne Anordnung eines Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert werden wird (BGH wistra 2014, 452).
- 57
Wegen des in der Arrestanordnung liegenden schwerwiegenden staatlichen Grundrechtseingriffs zu Lasten eines einer Straftat nur erst Verdächtigen müssen hierfür - über den Tatverdacht als solchen und nie ausschließbare ganz allgemeine Möglichkeiten hinausgehend - in objektiver Hinsicht oder in Hinblick auf das Verhalten des Beschuldigten konkrete Umstände vorliegen, die besorgen lassen, dass ohne eine Arrestanordnung der staatliche Anspruch ernstlich gefährdet wäre (vgl. BVerfG StV 2004, 409).
- 58
Dabei sind grundsätzlich alle Umstände zu würdigen, die geeignet sind, Anhaltspunkte für oder gegen eine drohende Vereitelung oder Erschwerung der Vollstreckung zu ergeben (BGH a.a.O.). Diese können sich aus der Person des Beschuldigten, seinen Lebensumständen, dem den Ermittlungen vor- und nachgelagerten Verhalten sowie der Art und Weise der Tatbegehung ergeben (vgl. Köhler a.a.O).
- 59
Hat der Täter sich schon durch eine vorsätzliche Straftat einen rechtswidrigen Vermögensvorteil verschafft, ist regelmäßig anzunehmen, dass die Arrestforderung nicht mehr beigetrieben werden kann (vgl. BGH WM 1983, 614; Senatsbeschluss vom 19. Dezember 2011, Az.: 2 Ws 123/11; OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2005, 111; Köhler a.a.O. Rn. 7). In diesem Sinne ist auch eine einfache Steuerhinterziehung für die Anordnung bereits ausreichend, da es sich um eine gegen fremdes Vermögen gerichtete Straftat handelt und dies die Gefahr einer Vollstreckungserschwerung bzw. Vereitelung indiziert (vgl. Kohlmann a.a.O. Rn. 84.2 m.w.N.).
- 60
(bb) Nach diesen Maßstäben besteht ein Sicherungsbedürfnis i.S.v. § 111e StPO. Es besteht der einfache Tatverdacht einer Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs.1 Nr. 1 AO, mithin einer gegen das Vermögen gerichteten Straftat. Hinzu treten vorliegend in der Tatbegehung liegende konkrete Umstände, die besorgen lassen, dass ohne eine Arrestanordnung der Anspruch des Steuerfiskus gefährdet ist.
- 61
Bereits die konkrete Art der Tatbegehungen zeichnet sich sowohl durch auf Verschleierung beruhendes Verhalten als auch durch eine erhebliche kriminelle Energie zur Eigenbereicherung aus, indem der Beschuldigte über einen längeren Zeitraum durch die systematische Nutzung von Scheinrechnungen unter Einbezug verschiedener „Service-gesellschaften“ Vorsteuern gegenüber der Finanzbehörde geltend machte, um sein Vermögen zu mehren. Mithin war das Verhalten darauf angelegt, fortlaufend durch Verletzung der Abgabepflichten den Gewinn zu erhöhen.
- 62
Soweit diesbezüglich in den Blick zu nehmen ist, dass der Beschuldigte sowohl in familiär stabilen und - angesichts der zwischenzeitlichen Einzahlung der Abwendungssumme - in finanziell geordneten Verhältnissen lebt, als auch in Hamburg fest verwurzelt ist, streiten diese Umstände gleichwohl in der Gesamtabwägung nicht gravierend gegen ein Sicherungsbedürfnis.
- 63
(cc) Die Anordnung des Vermögensarrestes ist auch verhältnismäßig.
- 64
(aaa) Der im Wege einer Gesamtbetrachtung nochmals zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Anordnung des Arrestes nicht entgegen. Dabei bedenkt der Senat, dass das möglicherweise strafbar erlangte Vermögen zu einem Zeitpunkt sichergestellt wird, in dem lediglich ein Tatverdacht besteht und noch nicht über die Strafbarkeit entschieden worden ist. Das Eigentumsgrundrecht verlangt in diesen Fällen eine Abwägung des Sicherstellungsinteresses des Staates mit der Eigentumsposition des Betroffenen (vgl. BVerfG a.a.O.). Bei der Entscheidung ist zu berücksichtigen, dass dem Betroffenen auch durch eine vorläufige Maßnahme ein erheblicher Nachteil zugefügt werden kann, der die wirtschaftliche Handlungsfreiheit beschränkt, wobei auch mittelbare Beeinträchtigungen - etwa bei der Berufsausübung oder bei der Kreditwürdigkeit - in den Blick zu nehmen sind, und der Eigentumseingriff sich mit der Fortdauer der Maßnahme intensiviert (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 07. Juli 2006, Az.: 2 BvR 583/06 (juris)).
- 65
(bbb) Vorliegend hat der Senat den nicht unerheblichen Verdachtsgrad, den erheblichen Betrag der wahrscheinlichen Steuerhinterziehung und die durch verschleierndes Verhalten gekennzeichneten Tatumstände in die Abwägung eingestellt. Zudem dauert der Vermögensarrest erst seit kurzer Zeit an.
- 66
Mithin überwiegt nach durchgeführter Würdigung vorliegend das Sicherungsinteresse des Staates das Eigentumsschutzbedürfnis des Betroffenen.
- 67
(dd) Die Möglichkeit der Anordnung eines dinglichen Arrestes nach § 324 AO steht auch (weiterhin) der Anordnung eines Vermögensarrestes nach § 111e Abs. 1 StPO nicht entgegen.
- 68
Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung am 01. Juli 2017 war grundsätzlich anerkannt, dass § 73 Abs. 1 StGB auch Steueransprüche erfasst und der Fiskus insoweit Verletzter ist. Die im früheren Recht vielfach erörterte Frage, in welchem (Rang-)Verhältnis der strafprozessuale dingliche Arrest nach §§ 111b Abs. 5, Abs. 2 i.V.m. 111d StPO und der steuerrechtliche dingliche Arrest nach § 324 AO zueinander stehen, ist im Rahmen der Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beseitigt worden. Nach dem gesetzgeberischen Willen stehen künftig die beiden Sicherungs-instrumente des Vermögensarrests nach der StPO und des steuerlichen Arrests gemäß § 324 der Abgabenordnung gleichrangig nebeneinander. Hierdurch sollte eine rechtliche Unsicherheit bei der vorläufigen Sicherung von Vermögenswerten in Steuerstrafverfahren beseitigt werden (BT-Drucks. 18/9525 S. 78; vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; Köhler, § 111e Rn. 21).
III.
- 69
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 4 StPO. Es ist nicht unbillig, dem Beschwerdeführer die Kosten insgesamt aufzuerlegen.
- 70
Nach § 473 Abs. 4 Satz 1 StPO hat das Gericht bei einem Teilerfolg des Rechtsmittels die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Bei der Beurteilung dieser Frage kommt es entscheidend auf das Maß des erreichten Teilerfolges und darauf an, ob Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschwerdeführer die angefochtene Entscheidung hingenommen hätte, wenn sie schon entsprechend der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts gelautet hätte (vgl. BGH, NStZ 1987, 86; OLG Düsseldorf StV 1996, 613; Schmitt, § 473 Rn. 26; LR-StPO/Hilger, § 473 Rn. 51)
- 71
Nach diesen Maßstäben erscheint es nicht unbillig, dem Beschwerdeführer sämtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wobei maßgeblich war, dass das dessen vorrangiges Anliegen ersichtlich die Aufhebung des Vermögensarrestes war. Auch stellt das Ausmaß des teilweisen Erfolges der Beschwerde im tenorierten Umfang keinen erheblichen Teilerfolg dar.
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Referenzen
- StPO § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 2x
- StPO § 33 Gewährung rechtlichen Gehörs vor einer Entscheidung 2x
- 2 Ws 123/11 1x (nicht zugeordnet)
- StGB § 73 Einziehung von Taterträgen bei Tätern und Teilnehmern 2x
- § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 324 AO 2x (nicht zugeordnet)
- § 13b UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 14 EGStPO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 917 Arrestgrund bei dinglichem Arrest 1x
- § 168 Satz 2 AO 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG 2x (nicht zugeordnet)
- StGB § 73c Einziehung des Wertes von Taterträgen 1x
- § 370 Abs.1 Nr. 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 304 Zulässigkeit 1x
- § 14c UStG 2x (nicht zugeordnet)
- § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 3x (nicht zugeordnet)
- StPO § 111d Wirkung der Vollziehung der Beschlagnahme; Rückgabe beweglicher Sachen 1x
- StPO § 111e Vermögensarrest zur Sicherung der Wertersatzeinziehung 12x
- § 168 Satz 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 193 Abs. 1 AO 1x (nicht zugeordnet)
- 2 BvR 583/06 1x (nicht zugeordnet)
- § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG 1x (nicht zugeordnet)
- 1 Ws 534/12 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 310 Weitere Beschwerde 2x
- § 370 AO 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 111b Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung oder Unbrauchbarmachung 1x
- § 1 Abs. 1 Nr. UStG 1x (nicht zugeordnet)
- § 150 Abs. 1 Satz 3 AO 1x (nicht zugeordnet)
- FamFG § 394 Löschung vermögensloser Gesellschaften und Genossenschaften 1x