Beschluss vom Hanseatisches Oberlandesgericht (2. Zivilsenat) - 2 W 76/20
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 11.11.2020 abgeändert und gegen die Antragsgegnerin zur Erfüllung der Verpflichtung aus Ziff. 1 S. 1 – 4 des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 14.6.2019, Az. 322 O 302/18, ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 € festgesetzt. Im übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
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Die Antragsgegnerin wurde mit Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14.6.2019 Ziff. 1 S- 1 – 4 des Tenors verpflichtet, an die Antragsteller Auskunft über den Bestand des Nachlasses ihres verstorbenen Ehemannes, von diesem getätigte lebzeitige Zuwendungen und den ehelichen Güterstand ihres Ehemannes zu erteilten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Tenor der Entscheidung des Landgerichts Bezug genommen. Das hinsichtlich der Auskunftsverpflichtung für vorläufig vollstreckbar erklärte Urteil wurde der Antragsgegnerin am 18.6.2019 zugestellt. Mit Beschluss vom 24.7.2019 hat das Landgericht das Urteil im Tenor zur Auskunftserteilung dahingehend nach § 319 BGB berichtigt, dass es anstatt „2214 BGB“ im Tenor nunmehr „2314 BGB“ lautet. Der Berichtigungsbeschluss wurde der Antragsgegnerin am 26.7.2019 zugestellt. Sowohl Urteil als auch Beschluss sind jeweils in beglaubigter Abschrift zugestellt worden. Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Berufungseinlegung zugleich beantragt, die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts anzuordnen. Diesen Antrag der Antragsgegnerin hat der Senat im Hinblick auf die hier gegenständliche Auskunftsverpflichtung mit Beschluss vom 7.11.2019 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Gehörsrüge blieb erfolglos. Mit Urteil vom 20.12.2019 hat der Senat die Berufung der Antragsgegnerin gegen die Verurteilung zur Auskunftserteilung zurückgewiesen. Die Entscheidung ist der Antragsgegnerin am 20.12.2019 zugestellt worden und ist mittlerweile rechtskräftig.
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Die Antragsgegnerin ist an Demenz erkrankt und daher geschäfts- und prozessunfähig. Sie ist selbst nicht in der Lage, die geschuldete Auskunft zu erteilen. Sie hat ihrer Tochter, Frau E... M... G... und Herrn Dr. R... K... 2010 eine Generalvollmacht erteilt, die sie zur gemeinsamen Vertretung berechtigen (Anlage B 1).
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Mit beim Landgericht Hamburg am 29.8.2019 eingegangenem Antrag beantragten die Antragsteller ursprünglich, gegen die Antragsgegnerin zur Erzwingung der in Ziff. 1 des landgerichtlichen Urteils geregelten Auskunftsverpflichtung ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft festzusetzen. Nachdem der Senat das Urteil im Hinblick auf die in Ziff. 1 ursprünglich ebenfalls noch enthaltene Verpflichtung zur Belegvorlage abgeändert hat, haben die Antragsteller ihren Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln mit Schriftsatz vom 18.2.2020 auf die Verpflichtung zur Auskunftserteilung beschränkt.
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Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Der Antrag sei schon unzulässig, weil als Antragstellerin die Erbengemeinschaft als solche auftrete. Diese sei aber weder rechts- noch parteifähig. Zudem lägen auch in der Sache schon die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen nicht vor. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Zustellung des Titels nach § 750 ZPO. Da das Urteil des Landgerichts durch nachfolgenden Beschluss berichtigt worden sei, habe eine Ausfertigung des Urteils mit einem vom Urkundsbeamten unterschriebenen Vermerks über die spätere Berichtigung zugestellt werden müssen. Auch sei die Sicherheitsleistung nicht ordnungsgemäß erbracht worden. Auch an den besonderen Voraussetzungen für eine Zwangsmittelfestsetzung nach § 888 ZPO würde es fehlen. Da die Antragsgegnerin demenzbedingt nicht in der Lage sei, die Auskünfte zu erteilen, sei sie durch die zu vollstreckende Entscheidung zu einer unmöglichen Leistung verurteilt worden. Dies hindere aber die Festsetzung von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO. Sie könne für die Auskunftserteilung auch nicht auf ihre Bevollmächtigten verwiesen werden, weil diese ihre Vollmacht jederzeit niederlegen könnten. Insofern sei die Situation eine andere, als wenn der Antragsgegnerin ein gesetzlicher Betreuer beigeordnet worden wäre. Zudem umfasse die Auskunftspflicht familieninterne Vorgänge, in die die Bevollmächtigten keine Einblick hätten und die daher nur die Antragsgegnerin persönlich beauskunften könne, was aber demenzbedingt nicht möglich sei.
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Die Antragsteller sind diesen Einwänden entgegengetreten.
- 6
Das Landgericht Hamburg hat den Antrag mit Beschluss vom 11.11.2020, den Antragstellern am 19.11.2020 zugestellt, zurückgewiesen. Eine Zwangsmittelfestsetzung scheide aus, weil richtiger Adressat im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht die Antragsgegnerin, sondern ihre Bevollmächtigten seien.
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Gegen diese Entscheidung haben die Antragsteller mit beim Landgericht Hamburg am 26.11.2020 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde erhoben, mit der sie ihren Zwangsgeldantrag weiter verfolgen. Hilfsweise beantragen sie nunmehr, Zwangsmittel gegen die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin, Frau M... G... und Herrn Dr. R... K..., festzusetzen.
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Die Antragsgegnerin tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt die angefochtene Entscheidung des Landgerichts.
II.
- 9
Die zulässige sofortige Beschwerde erweist sich im Hinblick auf die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen die Antragsgegnerin als begründet, im übrigen ist sie jedenfalls unbegründet.
1.)
- 10
Der Antrag ist nicht schon deswegen unzulässig, weil er von der nicht rechts- und parteifähigen Miterbengemeinschaft gestellt worden wäre. Wie schon im Erkenntnisverfahren vom Senat ausgeführt, sind sowohl Kläger als auch Antragsteller die Miterben, handelnd als gesamthänderisch gebundene notwendige Streitgenossen. Der Senat verweist auf seine Ausführungen im Urteil vom 9.12.2019, 2 U 17/19, S. 7. Dies gilt vollumfänglich auch für den vorliegenden Antrag nach § 888 ZPO. Schon in der Antragsschrift wird durchgängig von „Antragsteller“ und „Gläubiger“ in der Mehrzahl gesprochen und gerade nicht von „der Antragstellerin“ oder „der Gläubigerin“ wie es zu erwarten wäre, wenn die Miterbengemeinschaft den Antrag gestellt hätte.
2.)
- 11
Die Zulässigkeit der begehrten Zwangsmittelfestsetzung scheitert auch nicht daran, dass es an der Zustellung des (richtigen) Titels gem. § 750 Abs. 1 ZPO fehlen würde. Richtig ist zwar der Ausgangspunkt der Antragsgegnerin, dass auch im Rahmen der Zwangsmittelfestsetzung nach § 888 ZPO die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen zu beachten sind. Daher ist gem. § 750 Abs. 1 ZPO der Titel zuzustellen. Die Voraussetzungen des § 750 Abs. 1 ZPO sind vorliegend aber erfüllt. Unstreitig sind sowohl das Urteil des Landgerichts als auch der Berichtigungsbeschluss der Antragsgegnerin in beglaubigter Abschrift zugestellt worden. Mehr erfordert § 750 Abs. 1 ZPO aber nicht. Die Norm selbst regelt die Zustellung nicht. Daher gelangen die allgemeinen Vorschriften zur Zustellung zur Anwendung. Diese sehen in § 317 Abs. 1 S. 1 ZPO vor, dass eine Abschrift des Urteiles zuzustellen ist. Gem. § 169 Abs. 2 ZPO ist diese Abschrift zu beglaubigen. Eine solche beglaubigte Abschrift sowohl des Urteils als auch des Berichtigungsbeschlusses ist der Antragsgegnerin aber zugestellt worden. Soweit die Antragsgegnerin hiervon abweichend fordert, dass eine Ausfertigung zuzustellen sei, legt sie ihren Erwägungen die bis zum 31.12.2013 geltende Rechtslage zugrunde. Das Erfordernis der Zustellung von Urteilsausfertigungen ist mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl I S. 3786) mit Wirkung zum 1.1.2014 entfallen, so dass ab diesem Zeitpunkt die Zustellung beglaubigter Abschriften genügt (vgl. z.B. auch Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, § 317 Rn. 2).
- 12
Auch die nachfolgend durchgeführte Berichtigung des Urteils hat nicht zur Folge, dass das mit dem Berichtigungsvermerk nach § 319 Abs.2 S.1 ZPO versehene Urteil erneut zuzustellen wäre. Ausreichend ist, wenn der Berichtigungsbeschluss - wie vorliegend auch geschehen - zugestellt wird. Im Falle einer Berichtigung der Entscheidung wirkt die Berichtigung auf den ursprünglichen Titel zurück und führt dazu, dass dieser als von Anfang an in der berichtigten Form erlassen gilt. Da das Zustellerfordernis des § 750 Abs. 1 ZPO dazu dient, den Schuldner vom Umfang seiner Verpflichtung in Kenntnis zu setzen, muss auch der Berichtigungsbeschluss zugestellt werden. Die darüber hinausgehend von der Antragsgegnerin geforderte (erneute) Zustellung des Urteils mit Berichtigungsvermerk ist demgegenüber nach § 750 Abs. 1 ZPO nicht erforderlich. Sie bringt dem Schuldner gegenüber einer Zustellung des Berichtigungsbeschlusses neben der Zustellung des ursprünglichen Titels keinerlei zusätzlichen Erkenntnisgewinn. Auch soweit die Antragsgegnerin auf die Warnfunktion der Zustellung abstellt, folgt hieraus nichts anderes. Da auch ohne Berichtigung des Urteils die erstmalige Zustellung durch das Gericht für § 750 Abs. 1 ZPO ausreicht, bleibt kein Raum dafür, im Falle einer Berichtigung zur Warnung des Schuldners eine erneute Zustellung des mit dem Berichtigungsvermerk versehenen Urteils zu verlangen. Soweit der Zustellung nach § 750 Abs. 1 ZPO neben der Informations- überhaupt noch eine gesonderte Warnfunktion zukommt, wird diese durch die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses ausreichend erfüllt. Etwas anderes folgt letztlich auch nicht aus dem in § 319 Abs. 2 S. 1 ZPO geregelten Erfordernis, dass der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht, auf dem Urteil und den Ausfertigungen zu vermerken ist. Dies dient zwar der Klarstellung, damit im Rahmen einer durchzuführenden Zwangsvollstreckung (auch) für das Zwangsvollstreckungsorgan klar ersichtlich ist, dass das Urteil später noch eine Änderung in Form der Berichtigung erfahren hat. Für das Zustellerfordernis nach § 750 Abs. 1 ZPO ist dies indes ohne Bedeutung. Der Schuldner kann mit der Vorlage des ihm zuzustellenden Berichtigungsbeschlusses gegenüber den Vollstreckungsorganen jederzeit den Nachweis erbringen, dass Gegenstand der Zwangsvollstreckung nur das Urteil in der berichtigten Form ist. Unabhängig davon ist der Berichtigungsvermerk nach § 319 Abs. 2 S. 1 ZPO sowohl auf dem Original des Urteils als auch den Abschriften und Ausfertigungen des Urteils anzubringen, so dass auch hierdurch sicher gestellt wird, dass die Berichtigung später nicht übersehen wird.
- 13
Da der Senat die Entscheidung des Landgerichts im Hinblick auf die hier nur noch gegenständliche Auskunftserteilung nach Ziff. 1 S. 1 – 4 des Tenors nicht abgeändert hat, kommt es auf die – allerdings ebenfalls erfolgte – Zustellung des Berufungsurteils nicht an. Vollstreckungstitel ist und bleibt das Urteil des Landgerichts (vgl. auch BeckOK-ZPO/Ulrici § 750 Rn. 23.1; MüKoZPO/Heßler, §750 Rn. 70).
3.)
- 14
Da die Entscheidung des Landgerichts mittlerweile in Rechtskraft erwachsen ist, kommt es auf die von der Antragsgegnerin ursprünglich aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit der Erbringung der Sicherheitsleistung nicht mehr an.
4.)
- 15
Der Antrag ist auch nicht deswegen zurückzuweisen, weil der Antragsgegnerin die Erfüllung der Auskunftspflicht unmöglich wäre. Zwar ist unstreitig, dass die Antragsgegnerin selbst krankheitsbedingt nicht in der Lage ist, die begehrte Auskunft zu erteilen. Richtig ist auch, dass sich die Antragsgegnerin hierauf (auch) im Rahmen des § 888 ZPO berufen kann. Denn § 888 ZPO macht die Verhängung von Zwangsmitteln seinem Wortlaut nach davon abhängig, dass die geschuldete Handlung „ausschließlich von dem Willen des Schuldners“ abhängt. Daran fehlt es aber, wenn Unmöglichkeit vorliegt. Aufgrund des klaren Wortlauts der Norm kann dieser Einwand auch dann noch erhoben werden, wenn die Unmöglichkeit von Anfang an vorlag, also auch schon im Rahmen des Erkenntnisverfahrens hätte berücksichtigt werden können. Denn eine dem § 767 Abs. 2 ZPO vergleichbare Präklusionsvorschrift enthält § 888 ZPO nicht (siehe auch Rensen in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl. 2015, § 888 Rn. 13 ff.). Auch der Sinn und Zwecke gebietet keine anderweitige Auslegung. Denn den Schuldner zur Beugung seines Willens mit Zwangsgeld oder Zwangshaft anzuhalten, wenn ihm die Erbringung der geschuldeten Handlung unmöglich ist, wäre unverhältnismäßig und zwar sowohl im Falle der von Anfang an als auch erst später eintretenden Unmöglichkeit.
- 16
Gleichwohl liegt aber in der Sache keine Unmöglichkeit vor. Es gelten insofern die Ausführungen des Senats aus dem Erkenntnisverfahren. Der Senat verweist zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf seine Ausführungen auf S. 9 unten im Urteil vom 20.12.2019, 2 U 17/19. Die Antragsgegnerin kann sich zur Erteilung der von ihr geschuldeten Auskünfte ihrer Bevollmächtigten bedienen. Bei der geschuldeten Auskunft handelt es sich zwar um eine unvertretbare, aber nicht höchstpersönliche Verpflichtung. Tatsächlich sind die Bevollmächtigten der Antragsgegnerin - wie sie Antragsgegnerin selbst ausführt - auch tätig, um die Auskunftserteilung vorzubereiten. Allein wegen des Umfanges und der Komplexität der zu erteilenden Auskunft sei diese bislang noch nicht erteilen worden. Von einer Unmöglichkeit der Auskunftserteilung kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein. Auch die Erwägung der Antragsgegnerin, die Auskunft betreffe zum Teil Vorgänge, die nur von ihr selbst beauskunftet werden könnten, weil sie innerfamiliäre Sachverhalte betreffen, führt für sich genommen ebenfalls nicht zur Unmöglichkeit der Auskunft. Die Bevollmächtigten haben sich ggfs. unter Zuhilfenahme Dritter in zumutbarer Weise Kenntnis von Vorgängen zu verschaffen, die nicht in ihrem Wissen stehen (BGH, Beschluss vom 18. 12. 2008 - I ZB 68/08; NJW 2009, 2308; OLG Köln v. 10.2.2005, 6 W 123/04, GRUR-RR 2006, 31, OLG Düsseldorf v. 31.7.2008, 2 W 60/06, juris; MüKo-ZPO/Gruber, ZPO, § 888 Rz 15). Nur soweit auch dies nicht erfolgreich ist, muss insoweit keine (positive) Auskunft erteilt werden. Dies ist aber keine Frage der Unmöglichkeit der Auskunft, sondern des Inhalts und des geschuldeten Umfangs der zu erteilenden Auskunft.
- 17
Der Antragsgegnerin ist es auch nicht derzeit deswegen unmöglich, die Auskunft zu erteilen, weil sie für die Ermittlung und Zusammenstellung der hierfür notwendigen Informationen noch weitere Zeit benötigt. Seit Zustellung des für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteils des Landgerichts am 18.6.2019 sind mittlerweile über 1 ½ Jahre vergangen. Auch unter Berücksichtigung des mit der Auskunftserteilung verbundenen erheblichen Aufwandes ist mittlerweile ausreichend Zeit vergangen. Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, die geschuldete Auskunft immer noch nicht erteilen zu können, da sie die hierfür notwendigen Informationen erst zusammentragen müsse.
5.)
- 18
Das Zwangsgeld ist gegen die Antragsgegnerin und nicht gegen ihre Bevollmächtigten festzusetzen. Zwar ist die Frage des zutreffenden Adressaten von Zwangsmitteln nach § 888 ZPO bei einer wie hier vorliegenden Prozessunfähigkeit des Auskunftsschuldners umstritten. Die wohl einhellige Ansicht in der Rechtsprechung und ihr folgend ein Teil der Literatur nehmen an, dass jedenfalls Zwangsgeld auch im Falle der Prozessunfähigkeit des Auskunftsschuldner gegen sein Vermögen und nicht das Vermögen der ihn vertretenen Bevollmächtigten festzusetzen ist (OLG v. 16.4.2013, 7 W 20/13, Karlsruhe JurBüro 2013, 661, 662; OLG Zweibrücken v. 23.04.2003, 3 W 78/03, OLGR Zweibrücken 2003, 347, 348 f.; OLG Koblenz v. 24.02.2003, 3 W 114/03, FamRZ 2003, 1486; BayOblG v. 17. 12. 1974, 2 Z 58/74, NJW 1975, 740; Dierck/Morvilius/Vollkommer, Handbuch des Zwangsvollstreckungsrechts, 2. Teil, 7. Kapitel Rn. 70; Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 11. Aufl. 2019, § 888 Rn. 41; MüKo-ZPO/Gruber § 888 Rn. 26; Zöller/Seibel, § 888 Rn. 8). Demgegenüber stellt eine in der Literatur vertretene Gegenansicht darauf ab, wessen tatsächlicher Wille zu beugen ist, von wessen tatsächlichem Willen die Auskunftserteilung mithin abhängt. Ist dies in tatsächlicher Hinsicht nicht der Wille des Auskunftsschuldners, sondern seines Bevollmächtigten, sei das Zwangsgeld gegen ihn und damit sein Vermögen festzusetzen (so Walker/Koranyi in Schuske/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtschutz, 7. Aufl. 2020, § 888 ZPO Rn. 35; Bartels in Stein/Jonas, ZPO, § 888 Rn. 40; Musielack/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 888 Rn. 10; Rensen in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 888 Rn. 22). Der Senat folgt der in der Rechtsprechung und von Teilen der Literatur vertretenen Auffassung, nach der auch im Falle der Prozessunfähigkeit (nur) der Auskunftsschuldner richtiger Adressat der Zwangsgeldfestsetzung ist. Schuldet der prozessunfähige Schuldner die Auskunft, haftet auch sein Vermögen dafür, dass diese erfüllt wird. Der prozessunfähige Schuldner ist ohnehin nur dann zur Erteilung der Auskunft verpflichtet, wenn keine Unmöglichkeit vorliegt. Liegt aber keine Unmöglichkeit vor, weil er sich dritter Personen bedienen kann, bleibt es auch weiter dabei, dass sein und nicht das Vermögen der Vertreter für die Erfüllung der Verpflichtung haftet. Soweit die Bevollmächtigten im Innenverhältnis eine Rechtspflicht zum Handeln gegenüber dem Schuldner trifft, kann sich dieser ggfs. schadlos bei seinen Bevollmächtigten halten, falls er aufgrund ihres (Nicht)Handelns Zwangsgelder hat leisten müssen. Es besteht daher kein Grund, zwischen der Person des im Titel festgestellten materiell-rechtlichen Schuldners einerseits und den Adressaten etwaiger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - soweit es das Zwangsgeld betrifft - zu differenzieren. Es bleibt vielmehr bei der in § 750 ZPO als selbstverständlich vorausgesetzten Grundregel, dass Adressat der Zwangsvollstreckung allein der im Titel genannte Schuldner ist.
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Aus der Entscheidung des BGH vom 23.10.2019, NJW 2020, 1143 ergibt sich nichts anderes. Nach dem BGH scheidet lediglich eine Festsetzung von Zwangsgeld gegen den rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten aus. Der BGH führt in dieser Entscheidung aus, dass der auf Grundlage einer rechtsgeschäftlich erteilten Vorsorgevollmacht Bevollmächtigte zwar für den von ihm Vertretenen die Vermögensauskunft nach § 800c ZPO erteilen kann (BGH, NJW 2020, 1143 Rn. 24 ff.), hierauf aber nicht zwangsvollstreckungsrechtlich in Anspruch genommen werden könne. Daher dürfe er auch nicht nach § 800f ZPO vom Gerichtsvollzieher zur Abgabe der Vermögensauskunft geladen werden (BGH, NJW 2020, 1143 Rn. 45 ff.). Denn der lediglich rechtsgeschäftlich Bevollmächtigte sei nicht verpflichtet, von seiner Vollmacht überhaupt Gebrauch zu machen. Sie gebe ihm nur eine Rechtsausübungsmacht, aber keine Rechtsausübungspflicht, was Zwangsmaßnahmen gegen ihn von vornherein ausschließe. Etwas anderes gelte nur für den gesetzlichen Betreuer. Dieser sei kraft Gesetzes nicht nur zur Vertretung berechtigt, sondern auch zum Handeln gegenüber dem von ihm Betreuten verpflichtet und könne daher auch zwangsvollstreckungsrechtlich selbst in Anspruch genommen werden (BGH, NJW 2020, 1143 Rn. 50). Diese Erwägungen stehen aber der Festsetzung von Zwangsgeldern gegenüber der Antragsgegnerin nicht im Wege.
6.)
- 20
Die Festsetzung sowohl von Ersatzzwangshaft als auch Zwangshaft scheidet demgegenüber aber sowohl gegenüber der Antragsgegnerin selbst als auch deren Bevollmächtigten aus. Daher kann der Senat auch die Frage offen lassen, ob die Antragsteller überhaupt zulässigerweise ihren Zwangsmittelantrag erstmals mit der Beschwerde hilfsweise (auch) gegen die Bevollmächtigten richten konnten. Anders als die Festsetzung von Zwangsgeld richtet sich die Festsetzung von Zwangshaft (und auch Ersatzzwangshaft) unmittelbar gegen die Person und nicht nur gegen das Vermögen. Daher steht dem mit Zwangshaft belegten Schuldner auch keine adäquate Möglichkeit offen, seine Bevollmächtigten in Regress zu nehmen, falls er auf Grund eines Verschuldens seiner Bevollmächtigten in Haft genommen wurde. Daher kommt die Festsetzung von Zwangshaft gegenüber dem prozessunfähigen Auskunftsschuldner nur dann in Betracht, wenn er rein tatsächlich auch in der Lage ist, die geschuldete Auskunft zu erteilen, die Inhaftnahme also der Beugung seines natürlichen Willens dient. Darüber besteht anders als zum Zwangsgeld auch Einigkeit (vgl. OLG Karlsruhe v. 16.4.2013, 7 W 20/13, JurBüro 2013, 661, 662; OLG Zweibrücken v. 23.04.2003, 3 W 78/03, OLGR Zweibrücken 2003, 347, 348 f.; Dierck/Morvilius/Vollkommer, Handbuch des Zwangsvollstreckungsrechts, 2. Teil, 7. Kapitel Rn. 70; Lugani in Prütting/Gehrlein, ZPO, 11. Aufl. 2019, § 888 Rn. 41; MüKo-ZPO/Gruber § 888 Rn. 26; Zöller/Seibel, § 888 Rn. 8; Walker/Koranyi in Schuske/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtschutz, 7. Aufl. 2020, § 888 ZPO Rn. 35; Bartels in Stein/Jonas, ZPO, § 888 Rn. 40; Musielack/Voit/Lackmann, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 888 Rn. 10; Rensen in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 888 Rn. 22). Da die Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht krankheitsbedingt nicht in er Lage ist, die Auskunft selbst zu erteilen, scheidet eine (Ersatz-)Zwangshaftfestsetzung gegen sie aus.
- 21
Anderes gilt zwar im Grundsatz für den Bevollmächtigten, weil dieser rein tatsächlich durchaus in der Lage wäre, die Auskunft zu erteilen. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des BGH vom 23.10.2019, NJW 2020, 1143 scheidet eine Festsetzung von (Ersatz-)Zwangshaft vorliegend aber aus, weil die Bevollmächtigten nicht verpflichtet sind, von ihrer Vollmacht überhaupt Gebrauch zu machen. In Bezug auf die Inhaftnahme führt der BGH in seiner Entscheidung in Rn. 50 ausdrücklich aus, dass der Erlass eines Haftbefehls nach Maßgabe des § 800g ZPO gegen den nur rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten ausscheidet. Im Anwendungsbereich des § 888 ZPO kann dann aber nichts anderes gelten.
- 22
Dies schränkt die Rechte der Antragsteller nicht unzumutbar ein. Denn sollte die Antragsgegnerin die geschuldete Auskunft trotz Festsetzung und Beitreibung von Zwangsgeldern nicht erteilen, lägen die Voraussetzungen für die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung mit dem Wirkungskreis Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten vor, weil insoweit die Vorsorgevollmacht dann nicht geeignet ist, den Betreuungsbedarf entfallen zu lassen (BGH vom 23.10.2019, NJW 2020, 1143 Rn. 45 ff.). Der dann eingesetzte gesetzliche Betreuer wiederum wäre verpflichtet, für die Antragsgegnerin die Auskunft zu erteilen und wäre seinerseits auch zutreffender Adressat einer anzuordnenden Zwangshaft. Allerdings müsste dazu vorliegend die zweimalige erfolglose Festsetzung von Zwangsgeldern gegen die Antragsgegnerin durchgeführt worden sein.
7.)
- 23
Kommt damit aus Rechtsgründen allein die Festsetzung von Zwangsgeld in Betracht, beschränkt sich das dem Senat nach § 888 ZPO eingeräumte Ermessen allein auf die Höhe des festzusetzenden Zwangsgeldes. Da es sich einerseits um die erstmalige Festsetzung von Zwangsmitteln handelt, die Antragsgegnerin aber andererseits über erhebliches Vermögen verfügt, ist hier ein Zwangsgeld von 15.000 € angemessen.
8.)
- 24
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891, 91 f. ZPO. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen, weil der Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln letztlich Erfolg gehabt hat. Darauf, dass die Festsetzung von zumindest auch Ersatzzwangshaft vorliegend ausscheidet, kommt es kostenmäßig nicht an, weil es sich um ein allenfalls geringfügiges Unterliegen handelt. Die Antragsteller haben die festzusetzenden Zwangsmittel ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt und nur ausgeführt, dass entweder Zwangsgeld und Ersatzzwangshaft oder Zwangshaft festzusetzen ist.
- 25
Eine Festsetzung des Streitwerts findet nicht statt, weil sich die Gerichtsgebühren nach einem Festbetrag richten (KV GKG Nr. 2121: 33 €).
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Referenzen
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