Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 17 U 73/05

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 11. März 2005 -1 O 279/04 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckungsschuldnerin darf die Zwangsvollstreckung der Gläubigerin gegen Sicherheitsleistung von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 142.866,52 Euro.

Gründe

 
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten für die Lieferung und das Verlegen von Betonstahl auf restliche Zahlung von Kaufpreis und Werklohn aus abgetretenem Recht in Anspruch.
Die Klägerin, deren Gesellschaftszweck auf die wirtschaftliche Förderung ihrer Mitgliedsunternehmen, zu denen seit 1993 auch die Firma St. (künftig: Zedentin) gehört, gerichtet ist, unterhält laufende Geschäftsbeziehungen zu so genannten Vertragslieferanten, von denen sie die im Zentralregulierungsgeschäft von Mitgliedern benötigten Waren (hier aus dem Bereich der Stahlproduktion) bezieht. Das Mitgliedsunternehmen (hier die Zedentin) hat das Recht, im Delkredere- bzw. Zentralregulierungsgeschäft bei den Vertragslieferanten einzukaufen, wobei die Klägerin gegenüber den Vertragslieferanten zum Ausgleich sämtlicher Kaufpreisansprüche verpflichtet ist. Nach den zu Grunde liegenden Lieferungs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin (vgl. §§ 9 -11) vereinbart die Klägerin mit ihren Kunden (Mitgliedern) einen verlängerten Eigentumsvorbehalt bezüglich der gelieferten Waren.
Die Zedentin verpflichtete sich in dem Nachunternehmervertrag gegenüber den Beklagten am 7.6.2000 zur Lieferung und Verlegung von Betonstahl und Baustahlmatten für das Bauvorhaben "N." zu den von den Beklagten gestellten Bedingungen im Nachunternehmervertrag. Unter der Titelüberschrift "Zahlung" ist dort in Ziff. 16.4 geregelt:
"Eine Abtretung der dem NU aus dem Vertrag zustehenden Forderungen an Dritte ist ohne schriftliche Zustimmung des AG nicht gestattet."
Die Zedentin erteilte den Beklagten Schlussrechnung über netto 2.390.546,89 Euro, woraus sie Zahlung einer Restforderung in Höhe von 172.866,52 Euro begehrt. Diese Restforderung macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage unter Berufung auf die Abtretung geltend.
Die Beklagten halten den Abtretungsvertrag für rechtsunwirksam und sind im Übrigen der Auffassung, auch die Forderung sei nicht begründet.
Das Landgericht hat die Klage mangels Aktivlegitimation der Klägerin abgewiesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Landgericht habe § 354 a HGB falsch angewendet und sich dabei verfahrensfehlerhaft (Verstoß gegen Art. 103 GG) nicht mit der entgegenstehenden Rechtsprechung und dem Klägervortrag auseinander gesetzt. Im Hinblick auf das in Rede stehende Großbauprojekt mit einem Baukostenvolumen von ca. 250 Millionen EURO, das auf Grund der Vielzahl der hierfür erforderlichen Rechtsgeschäfte und der notwendigen organisatorischen Grundlagen einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere, könne nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte 1 als Zusammenschluss von Formkaufleuten ein Gewerbe i. S. des § 1 Abs. 2 HGB betreibe und damit ohne jeden Publizitätsakt von Gesetzes wegen offene Handelsgesellschaft sei. Daher erhalte § 354 a Satz 1 HGB den hier streitigen Zahlungsansprüchen ihre Abtretbarkeit. Das Landgericht habe die Aktivlegitimation somit zu Recht verneint.
Die Beklagten treten der Berufung entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil des Landgerichts.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil sowie auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsrechtszug verwiesen.
II.
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht gerechtfertigt.
12 
Das Landgericht hat richtig entschieden und der Klägerin die Aktivlegitimation abgesprochen, weil die Forderungsabtretung an die Klägerin an Ziff. 16. 4 der Bedingungen zum Nachunternehmervertrag scheitert. Die von der Berufung gegen die Rechtauffassung des Landgerichts vorgebrachten Einwendungen führen nicht zu einer anderen Beurteilung der Rechtslage.
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1. Die Berufung erinnert mit Recht nichts gegen den Ausgangspunkt des Landgerichts, dass das formularmäßige Abtretungsverbot einer Inhaltskontrolle gem. § 9 AGBG standhält. Sie greift das Urteil nur deshalb an, weil das Landgericht die Anwendbarkeit des § 354 a HGB mangels Kaufmannseigenschaft der Beklagten 1 verneint hat. Insoweit ist dem Landgericht jedoch ein Rechtsfehler nicht unterlaufen.
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a) Nach § 354 a Satz 1 HGB ist, wenn die Abtretung einer Geldforderung durch Vereinbarung mit dem Schuldner gem. § 399 BGB ausgeschlossen ist und das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft ist, die Abtretung gleichwohl wirksam. Diese Vorschrift soll den Refinanzierungsspielraum mittelständischer Unternehmen gegenüber den in Allgemeinen Geschäftsbedingungen von marktmächtigen Unternehmen auf der Anbieter- oder Nachfragerseite (und der öffentlichen Hand) enthaltenen Abtretungsverbote absichern (Karsten Schmidt, in: Münchener Kommentar HGB, § 354 a Rdnrn. 1 f). In ihrem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich macht die Vorschrift das vereinbarte Zessionsverbot nicht unwirksam, setzt also nicht wieder die Grundnorm des § 137 Satz 1 BGB in Geltung, sondern erhält der Forderung ihre Abtretbarkeit (Roth, in: Koller/Roth/Morck, HGB, 3. Aufl., § 354 a Rdnr. 3).
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Die Abtretung des Werklohnanspruches der Zedentin gegen die Beklagte 1 ist daher nur wirksam, wenn die Auftragsvergabe im Nachunternehmervertrag, dem die Zessionsforderung entspringt, nicht nur für die Zedentin (als Formkaufmann gem. § 6 Abs. 1 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG), sondern auch für die Beklagte 1 ein Handelsgeschäft gem. §§ 6 Abs. 1, 105 Abs. 1, 343 HGB darstellt. Daran fehlt es jedoch, weil die Beklagte 1 kein Handelsgewerbe betreibt, § 1 HGB.
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b) Der Gesellschaftszweck der Beklagten 1 ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht auf die Führung eines Gewerbebetriebes im Sinne des § 1 Abs. 2 HGB gerichtet. Bei der Beklagten 1 handelt es sich daher nicht um eine OHG, sondern um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gem. § 705 BGB.
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Der Annahme einer OHG steht entgegen, dass die Beklagte 1 ungeachtet des zeitlichen und gegenständlichen Umfangs ihrer Tätigkeit und des Erfordernisses kaufmännischer Einrichtung nach dem satzungsmäßigen Gesellschaftszweck ein Gewerbe nicht betreibt.
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Nach der bisherigen Definition durch die Rechtsprechung erfordert der Betrieb eines Gewerbes jedenfalls eine entgeltliche Tätigkeit, die selbstständig auf Dauer angelegt und planmäßig betrieben wird, auf dem Markt erkennbar nach außen hervortritt und nicht gesetzes- oder sittenwidrig ist. Eine auf Dauer angelegte Geschäftstätigkeit liegt dann nicht vor, wenn das Unternehmen -wie im Streitfall das der Beklagten 1 -durch den Gesellschaftszweck auf ein bestimmtes Bauvorhaben begrenzt ist. Arbeitsgemeinschaften (Arge) im Baugewerbe sind aus diesem Grunde seit jeher in einheitlicher Rechtsprechung (LGU 6 m. w. N.) als Gesellschaften bürgerlichen Rechts qualifiziert worden.
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Demgegenüber will das OLG Dresden in der Entscheidung vom 20.11.2001 eine Bau-Arge allein mit Rücksicht auf ihren kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb als offene Handelsgesellschaft einstufen (ebenso OLG Frankfurt, OLGR 2005, 257 im Anschluss an KG, BauR 2001, 1790 jeweils zu § 95 Abs. 1 Ziff. 1 GVG). Eine Legitimationsgrundlage für diese Rechtsfortbildung des Gewerbebegriffs bietet aber entgegen der Auffassung des OLG Dresden (A I 1 b aa 1.1.2 der Gründe) die Handelsrechtsreformgesetzgebung 1998 gerade nicht (Ulmer, in: Münchener Kommentar, BGB, vor § 705 Rdnr. 43, und dezidiert Karsten Schmidt, DB 2003, 703, 705 f). Der Gesetzgeber hat vielmehr herausgestellt, dass auch für den neu definierten Begriff des "Handelsgewerbes" und damit für die Begründung der Kaufmannseigenschaft wie schon bisher maßgebliches Kriterium der Umstand ist, dass überhaupt ein "Gewerbe" betrieben wird. Er hat jedoch davon abgesehen, eine Legaldefinition des Gewerbebegriffs in das Handelsgesetzbuch aufzunehmen. Zur Begründung hat er angegeben, dass dies nur dann notwendig wäre, "wenn für das neue Recht von dem geltenden, durch die Rechtsprechung entwickelten Gewerbebegriff abgewichen werden solle. Dies empfiehlt sich nach den eingehenden Überlegungen der Bundesländer-Arbeitsgruppe aber nicht. … Es soll deshalb auch nach diesem Entwurf grundsätzlich bei der bisherigen Definition durch die Rechtsprechung verbleiben, wie sie schon zum Gewerbebegriff des geltenden § 2 HGB entwickelt worden ist" (Schaefer, Handelsrechtsreformgesetz, erläuternde Darstellung des neuen Rechts anhand der Materialien, 1. Aufl., 1999, Seite 23/24).
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Die für den überkommenen Gewerbebegriff gerade nicht relevante Nachfragetätigkeit des Unternehmers hat daher bei der Entscheidung der Kaufmannseigenschaft von Bau-Arbeitsgemeinschaften außer Betracht zu bleiben. Für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit ist allein entscheidend, dass diese auf eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften ausgerichtet ist. An dieser Voraussetzung fehlt es jedoch nach dem vom Landgericht festgestellten Gesellschaftszweck der Beklagten 1 in dem vorliegenden Streitfall.
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Eine analoge Anwendung des § 354 a HGB, wie von der Klägerin angeregt kommt im Hinblick auf den Annahmecharakter der Vorschrift nicht in Betracht.
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2. Die Zahlungsklage scheitert somit an der fehlenden Aktivlegitimation der Klägerin, so dass es nicht mehr auf die ebenfalls streitige Frage nach dem Bestand der Zessionsforderung ankommt. Das Urteil des Landgerichts ist daher richtig und die Berufung der Klägerin ohne Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO zur Grundlage. Die Revision ist im Hinblick auf die abweichenden obergerichtlichen Entscheidungen zur Herbeiführung einer einheitlichen Rechtsprechung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert festzusetzen.

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