Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 9 U 118/11

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 07.06.2011 - 4 O 395/10 ME - aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den an den Gewölbekeller auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... der Gemarkung Ü. angebauten zusätzlichen Kellerraum (ca. 3,95 m x 3,25 m groß, nordöstlich des auf dem Grundstück einschließlich Gewölbekeller befindlichen Gebäudes) zu beseitigen.

3. Der Antrag auf Androhung eines Zwangsgeldes wird zurückgewiesen.

4. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin macht Ansprüche aus einer im 19. Jahrhundert entstandenen Grunddienstbarkeit geltend. Sie ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flst.-Nr. ... ( L. Gasse 8) in Ü. . Die Beklagte erwarb im Jahr 1997 das Nachbargrundstück Flst.-Nr. ... ( L. Gasse 6). Zum Zeitpunkt des Erwerbs handelte es sich um ein Gartengrundstück, auf dem sich lediglich ein alter Gewölbekeller befand.
Im Grundbuch von Ü. , Blatt-Nr. ... , ist für das Grundstück der Beklagten in der zweiten Abteilung folgende Belastung eingetragen:
Der Eigentümer ist verpflichtet, die Gebäulichkeiten nicht zu erweitern. Eintrag im Grundbuch Band 9, Nr. … Seite … vom 26. März 1857 und Band 23 Nr. … Seite … vom 14. Februar 1882, umgeschrieben am 16. Juni 1995.
Im Grundbuch von Ü. Blatt-Nr. ... befindet sich für das Grundstück der Klägerin im Bestandsverzeichnis folgende Eintragung:
Der Eigentümer vom Grundstück Flst.-Nr. ... ist verpflichtet, die Gebäulichkeiten nicht zu erweitern; eingetragen im Grundbuch Band 30 Heft … Ü. Abt. II Nr. 1.
Aus den Grundakten ergeben sich für die Grundstücke der Parteien unter anderem folgende Grundbucheintragungen aus dem 19. Jahrhundert:
Band IX Seite … Nr. … (Eintragung vom 26.03.1857):
„Dem Käufer J. B. (Rechtsvorgänger der Beklagten) wurden in § 6 der Bedingungen (Bezugnahme auf eine frühere Vereinbarung) gestattet, auf den an ihn eben verkauften 21 Ruthen 40 Fuß Garten eine Hütte oder Schopf zu bauen.
J. B. hat nun einen Schopf über fraglichem Keller erbaut, welcher jedoch über 126 a auf unberechtigtem Platz gegen V.s Garten hier steht.
10 
Wir sind nun dahin übereingekommen, dass J. B. V. (Rechtsvorgänger der Klägerin) gegen das Entstehen besagten Schopfes in seiner gegenwärtigen Größe nichts einwendet, dagegen tritt J. B. an J. B. V. l gegen Osten des letzten Garten anstoßend 126 a Fuß von seinem Garten Mappe IX Nr. 218 a/b, zu Eigentum ab gegen eine dem nachstehenden Eintrag besagte Vergütung an J. B. .
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Wir bitten nun, die hiernach durch J. B. erworbene Grundlast auf besagtem Schopf und Keller und dem Rest des Gartens desselben sowohl, als auf dem Garten des J. B. V., hier im Grundbuch eintragen zu wollen.“
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Band ...III Seite … Nr. …:
13 
„Bestehende Bedingung: Der Garten unter Ziff. III. Nr. 2 (Grundstück der Beklagten) darf nach Eintrag im Grundbuch Band IX Seite … Nr. … nicht weiter überbaut werden als der jetzige Bestand nachweist.“
14 
Die Beklagte beabsichtigte nach dem Erwerb des Grundstücks, über dem noch existierenden Gewölbekeller ein Wohnhaus zu errichten. In der Folgezeit gab es Auseinandersetzungen zwischen den Parteien, ob die Beklagte auf Grund der aus dem Grundbuch ersichtlichen Belastung ihres Grundstücks berechtigt war, dieses zu bebauen, und wenn ja, ggfs. in welchem Umfang. In einem Vorprozess (Landgericht Konstanz - 4 O 254/99 G -) erging am 29.02.2000 ein Teil-Anerkenntnis-Urteil auf Antrag der Beklagten gegen die Klägerin, in welchem festgestellt wurde, dass die Beklagte im Verhältnis zur Klägerin berechtigt war, auf dem fraglichen Grundstück über dem bestehenden Gewölbekeller eine Bebauung zu Wohnzwecken zu errichten, soweit bestimmte Maße (Länge, Breite und Höhe) eingehalten wurden. Dabei gingen die Parteien davon aus, dass die festgelegten Maße für das zu errichtende Wohnhaus dem Ausmaß eines Schopfes entsprachen, welcher sich im 19. Jahrhundert zur Zeit der Grundbucheintragungen von 1857 und 1882 über dem Gewölbekeller befunden hatte.
15 
Im März 2001 erhielt die Beklagte von der Stadt Ü. eine Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf ihrem Grundstück. Die Ausführung des Bauvorhabens verzögerte sich, da es weitere Auseinandersetzungen zwischen den Parteien gab. Im Jahr 2007 übertrug die Beklagte das von ihr erworbene Grundstück Flst.-Nr. ... auf Grund eines Übergabevertrages an ihre Tochter C.-M. K.. Diese wurde am 18.01.2007 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Das Bauvorhaben wurde auch nach dem Eigentümerwechsel von der Beklagten weitergeführt.
16 
Im Jahr 2010 wurde das Bauvorhaben von der Beklagten schließlich durchgeführt, und ein Wohnhaus über dem alten Gewölbekeller auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... errichtet. Die Beklagte ließ dabei einen unterirdischen Technikraum errichten, der ca. 3,95 m x 3,25 m groß ist. Der Technikraum enthält die für das Gebäude erforderliche Haustechnik (Anschlüsse der Versorgungsleitungen). Aus dem alten Gewölbekeller wurde ein Zugang in diesen Technikraum geschaffen.
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Die Klägerin hat im Verfahren vor dem Landgericht von der Beklagten verlangt, den unterirdischen Technikraum zu beseitigen. Die Beklagte habe mit dem Bau des Technikraumes gegen die auf dem Grundstück lastende Baubeschränkung verstoßen.
18 
Die Beklagte ist dem Verlangen der Klägerin mit verschiedenen Einwendungen entgegengetreten. Bei dem Verlangen der Klägerin handele es sich um Schikane. Denn mit dem unterirdischen Technikraum seien für das Nachbargrundstück der Klägerin keinerlei Nachteile oder Beeinträchtigungen verbunden. Die im Grundbuch eingetragene Baubeschränkung beziehe sich zudem nur auf oberirdische Gebäude, und nicht auf einen unterirdischen Technikraum. Selbst wenn man entgegen dieser Auffassung den im Grundbuch verwendeten Begriff „Gebäulichkeiten“ auch auf unterirdische Räume anwenden würde, stünde dies dem Technikraum nicht entgegen. Denn an der Stelle des nunmehr errichteten Technikraums habe sich bereits im 19. Jahrhundert ein weiterer Keller neben dem existierenden Gewölbekeller befunden. Der Bau des Technikraums stelle daher keine Erweiterung im Sinne der Grundbucheintragung dar. Die Beklagte sei zudem gezwungen gewesen, den Technikraum zu schaffen. Denn aus Gründen des Denkmalschutzes wäre es nicht möglich gewesen, die Haustechnik im (existierenden) Gewölbekeller unterzubringen. Daher wäre ohne den Technikraum eine haustechnische Versorgung des über dem Gewölbekeller errichteten Einfamilienhauses nicht möglich gewesen.
19 
Das Landgericht hat mit Urteil vom 07.06.2011 die Beseitigungsklage abgewiesen. Zwar widerspreche die Errichtung eines zusätzlichen Kellerraumes der im Grundbuch eingetragenen Baubeschränkung. Die Klägerin könne sich auf die Baubeschränkung auf dem Nachbargrundstück nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) jedoch nicht berufen. Denn es seien keine schützenswerten Beeinträchtigungen des Grundstücks der Klägerin durch den unterirdischen Technikraum ersichtlich. Durch den Anbau ergebe sich keine bedeutsame Nutzungserweiterung für das von der Beklagten bebaute Grundstück. Zu Gunsten der Beklagten sei bei einer Abwägung im Rahmen von § 242 BGB zu berücksichtigen, dass eine Verlegung der technischen Versorgungseinrichtungen in andere Stockwerke des Gebäudes nur unter erheblichem finanziellen Aufwand möglich wäre.
20 
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält die Erwägungen des Landgerichts zu § 242 BGB aus rechtlichen und aus tatsächlichen Gründen für unzutreffend. Die Beklagte hätte die haustechnischen Einrichtungen ohne Weiteres im Gewölbekeller unterbringen können. Hintergrund der Schaffung des Technikraums sei jedoch gewesen, dass die Beklagte den Gewölbekeller für gastronomische Zwecke nutzen wolle, was bei einer Unterbringung der Haustechnik im Gewölbekeller erschwert werde. Die Klägerin habe ein erhebliches Interesse daran, dass der Gewölbekeller nicht oder nur in geringem Umfang zu gastronomischen Zwecken genutzt werde, da die von der Beklagten beabsichtigte Nutzung mit erheblichen Lärmbeeinträchtigungen für das Grundstück der Klägerin verbunden wäre.
21 
Die Klägerin beantragt,
22 
das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 07.06.2011 - 4 O 395/10 ME - abzuändern, und
23 
1. die Beklagte zu verurteilen, den an den Gewölbekeller auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... der Gemarkung Ü. angebauten zusätzlichen Kellerraum (ca. 3,95 m x 3,25 m groß, nordöstlich des auf dem Grundstück einschließlich Gewölbekeller befindlichen Gebäudes) zu beseitigen, und
24 
2. für den Fall der Nichterfüllung der Beklagten ein Zwangsgeld von jeweils 10.000,00 EUR anzudrohen.
25 
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
27 
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Sie ergänzt und vertieft im Übrigen ihre weiteren erstinstanzlichen Einwendungen gegen die Klage.
28 
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
29 
Der Senat hat durch den Einzelrichter Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. St. zu der Frage, wie der Begriff „Gebäulichkeiten“ zur Zeit der maßgeblichen Grundbucheintragungen im 19. Jahrhundert zu verstehen war, durch Einholung eines mündlichen Gutachtens der Sachverständigen Dr. Sch. zu Fragen des Denkmalschutzes, und durch Vernehmung mehrerer Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vom 10.11.2013 (II 279 ff.) und auf das Protokoll vom 20.01.2014 (II 339 ff.) verwiesen.
II.
30 
Die zulässige Berufung ist begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, den von ihr auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... in Ü. errichteten Technikraum zu beseitigen.
31 
1. Der Anspruch der Klägerin beruht auf §§ 1004 Abs. 1, 1027 BGB. Zu Gunsten des Grundstücks der Klägerin ist auf dem Nachbargrundstück eine Grunddienstbarkeit eingetragen, die eine Baubeschränkung enthält. Die Errichtung des Technikraums verstößt gegen diese Baubeschränkung. Die Beklagte ist als Störerin zur Beseitigung verpflichtet.
32 
a) Die auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... in der zweiten Abteilung eingetragene Grunddienstbarkeit ist in den Jahren 1857/1882 durch sogenannte Vergünstigung der damaligen Grundstückseigentümer gemäß Art. 690 Badisches Landrecht (im Folgenden abgekürzt: BadLR) entstanden (vgl. zur Entstehung von Grunddienstbarkeiten im 19. Jahrhundert durch Vergünstigung nach Badischem Landrecht OLG Karlsruhe - 6. Zivilsenat -, Justiz 1983, 115; OLG Karlsruhe - 6. Zivilsenat -, Justiz 1995, 473). Über die tatsächlichen Voraussetzungen der Entstehung der Grunddienstbarkeit im 19. Jahrhundert, die im Grundbuch von Ü. Band IX Nr. … Seite … und Band ...III Nr. … Seite … dokumentiert wurde (siehe oben), besteht zwischen den Parteien kein Streit. Gemäß Art. 184 EGBGB sind die nach Badischem Landrecht bestellten Dienstbarkeiten mit dem Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches bestehen geblieben mit der Maßgabe, dass die für eine Grunddienstbarkeit maßgeblichen Vorschriften der §§ 1020 - 1028 BGB Anwendung finden.
33 
b) Die Klägerin ist als Eigentümerin des Grundstücks Flst.-Nr. ... Berechtigte der Grunddienstbarkeit. Zwar ist im Grundbuch Blatt ... bei der Belastung nicht eingetragen, zu Gunsten welchen Grundstücks die Baubeschränkung gelten soll. Dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks Flst.-Nr. ... berechtigt sein soll, ist der Grunddienstbarkeit jedoch im Wege der Auslegung zu entnehmen. Bei einer unvollständigen Grundbucheintragung können Eintragungsunterlagen und bei den Grundakten befindliche Urkunden zur Auslegung mit herangezogen werden (vgl. OLG Frankfurt, Rechtspfleger 1980, 185; Merkel, GBO, 10. Auflage 2009, § 53, RdNr. 31). Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den zitierten Urkunden aus den Jahren 1957 und 1882 (siehe oben), dass die Dienstbarkeit zu Gunsten des Grundstücks der Klägerin bestellt wurde. Außerdem ergibt sich die Begünstigung des klägerischen Grundstücks aus der Eintragung im Bestandsverzeichnis des Grundstücks der Klägerin (siehe oben). (Vgl. zur Berücksichtigung von Eintragungen an einer falschen Stelle im Grundbuch bei der Auslegung von dinglichen Rechten BayObLG, Beschluss vom 14.12.1995 - 2Z BR 127/95 -, zitiert nach Juris.)
34 
c) Es bestehen keine Bedenken gegen die Bestimmtheit der Grunddienstbarkeit. Bei einer Baubeschränkung handelt es sich um einen gebräuchlichen und üblichen Inhalt einer Grunddienstbarkeit, die mit bestimmten Vorteilen für das herrschende Grundstück verbunden sein kann. Im vorliegenden Fall lässt sich der Inhalt der Baubeschränkung zwar nicht aus dem Grundbuch allein vollständig bestimmen. Denn die Verpflichtung, „die Gebäulichkeiten nicht zu erweitern“, bezieht sich auf den Zeitpunkt der Begründung der Dienstbarkeit, also auf das Jahr 1857 bzw. 1882. Das bedeutet, dass der Umfang der auf dem Grundstück lastenden Baubeschränkung dadurch bestimmt werden muss, dass Feststellungen zum baulichen Zustand 1857/1882 getroffen werden. Dies widerspricht nicht dem Grundsatz der Bestimmtheit. Denn es ist auch sonst gebräuchlich, dass der konkrete Inhalt einer im Grundbuch beschriebenen Dienstbarkeit nur unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Verhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt werden kann. (Vgl. zur Bestimmtheit und zur Auslegung von Grunddienstbarkeiten BGH, NJW 1982, 1039; BGH, Rechtspfleger 2002, 352.)
35 
d) Maßgeblich für die Baubeschränkung, welche die Beklagte bei ihrem Bauvorhaben zu beachten hatte, ist der Begriff „Gebäulichkeiten“. Es darf keine Erweiterung von „Gebäulichkeiten“ auf dem Grundstück stattfinden, die über den Bestand im 19. Jahrhundert hinausgeht. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. St. steht fest, dass der Begriff „Gebäulichkeiten“ auch Keller und unterirdische Räume umfasst. Die Beklagte war daher nicht berechtigt, einen zusätzlichen Kellerraum zu schaffen, der im 19. Jahrhundert nicht vorhanden war.
36 
Der Sachverständige Dr. St. hat in seinem Gutachten den üblichen Sprachgebrauch im 19. Jahrhundert erläutert. Danach gehörten im 19. Jahrhundert beliebige Bauwerke, auch Keller, zum Begriff „Gebäulichkeiten“. Dies galt insbesondere für den hier maßgeblichen Sprachgebrauch in Baden. Die Auslegungsregeln nach den Vorschriften des Badischen Landrechts, die der Sachverständige angeführt hat, führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Es gibt nach dem Gutachten des Sachverständigen auch aus dem Zusammenhang der vorliegenden Grundbucheintragung keine Anhaltspunkte für einen vom üblichen abweichenden Sprachgebrauch. Der Sachverständige zitiert (Seite 4 des Gutachtens, II 285) als Beispiel aus der Rechtssprache des 19. Jahrhunderts einen Versteigerungsbeschluss aus dem Jahr 1829, in dem deutlich wird, dass mit „Gebäulichkeiten“ auch Keller gemeint sind. Die Kritik des Beklagtenvertreters an diesem Argument im Schriftsatz vom 10.01.2014 (II 319/321) greift nicht durch. Denn der Sachverständige hat in seinem Gutachten erläutert, dass sich das Verständnis des Begriffs „Gebäulichkeiten“ in dem von ihm zitierten Versteigerungsbeschluss in eindeutiger Weise aus dem Kontext seines Zitats ergebe.
37 
e) Der von der Beklagten errichtete Technikraum stellt eine im Hinblick auf die Grunddienstbarkeit unzulässige Erweiterung der Gebäulichkeiten dar. Denn an der Stelle, an welcher der Technikraum eingerichtet wurde, befand sich im 19. Jahrhundert, als die Dienstbarkeit begründet wurde, kein in irgendeiner Weise nutzbarer Kellerraum. Zwar wurden auf dem Grundstück Flst.-Nr. ... Reste einer älteren mittelalterlichen Bebauung entdeckt. Dabei handelt es sich um Überreste eines Kellers des ehemaligen Pfründehauses der Kaplanei St. Barbara in Ü.. Das Pfründehaus wurde jedoch bereits im Jahr 1664 abgebrochen. Der dazugehörige Gewölbekeller (auf dem Grundstück neben dem heute existierenden Gewölbekeller) wurde zur gleichen Zeit, also im 17. Jahrhundert, verfüllt.
38 
Dass die früher existenten weiteren Kellerräume bereits im 17. Jahrhundert verfüllt wurden, konnte die Sachverständige Dr. Sch. aus den Keramikfragmenten schließen, die im Schutt auf dem Grundstück zu finden waren. Außerdem konnte die Sachverständige historischen Unterlagen entnehmen, dass das Kaplanei-Pfründehaus bereits im 17. Jahrhundert aufgegeben wurde, so dass zu dieser Zeit die Verfüllung der früheren Kellerräume erfolgt sein muss. Da sich im 19. Jahrhundert bei Bestellung der Dienstbarkeit neben dem vorhandenen Gewölbekeller mithin keine weiteren nutzbaren Kellerräume befanden, sondern nur mit Schutt und Erdreich verfüllte Ruinen, kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, sie habe nur einen Kellerraum wieder hergestellt, der bereits im 19. Jahrhundert vorhanden gewesen sei.
39 
Auf die Angaben der Zeugen A. und M. kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die beiden Zeugen haben zwar berichtet, dass sie bei Arbeiten bzw. bei Besichtigungen auf dem Grundstück (im Jahr 2008 bzw. Ende 1999 oder 2000) im Bereich des heutigen Technikraums einen bereits vorhandenen älteren Raum gesehen hätten, der nur teilweise mit Geröll verfüllt gewesen sei. Es steht jedoch fest, dass dieser Zustand zu einem früheren Zeitpunkt von der Beklagten hergestellt wurde. Die Beklagte hat zu einem früheren Zeitpunkt eine sekundär zugemauerte Türöffnung im Gewölbekeller öffnen lassen, und anschließend in die außerhalb des Kellers angetroffenen Auffüllschichten einen Stollen vortreiben lassen. Dies hat die Beklagte ausweislich des Aktenvermerks vom 30.10.1999, den der damals zuständige Mitarbeiter der Denkmalbehörde angefertigt hat, diesem gegenüber eingeräumt (vgl. den Vermerk vom 30.10.1999 bei den von der Sachverständigen im Termin übergebenen Unterlagen). Die Beklagte hat diesen Sachverhalt im Verfahren nicht bestritten. Danach steht fest, dass vom Vorhandensein eines weiteren Kellerraums im 19. Jahrhundert keine Rede sein kann.
40 
f) Die Beklagte ist als Handlungsstörerin passiv legitimiert für den Anspruch der Klägerin aus § 1004 Abs. 1 BGB. Denn sie hat den Technikraum errichten lassen. Der Umstand, dass sie seit dem Jahr 2007 nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks ist, hat auf den Anspruch der Klägerin keine Auswirkungen. (Vgl. zur Verantwortlichkeit des Handlungsstörers bei dinglichen Ansprüchen BGH, NJW 1992, 1101; BGH, NJW 2010, 2341.)
41 
2. Die Einwendungen der Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin haben keinen Erfolg.
42 
a) Der Grundsatz der schonenden Ausübung einer Grunddienstbarkeit (§ 1020 BGB) steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Denn die „schonende Ausübung“ betrifft Benutzungsrechte auf dem belasteten Grundstück, und die Unterhaltung von Anlagen auf dem anderen Grundstück, nicht jedoch Dienstbarkeiten wie eine Baubeschränkung (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 73. Auflage 2014, § 1020 BGB, RdNr. 2, 3).
43 
b) Die Dienstbarkeit ist nicht gemäß Art. 703 BadLR i. V. m. Art. 189 Abs. 1 Satz 1 EGBGB erloschen. Die nach dem Badischen Landrecht begründete Dienstbarkeit würde nach dieser Regelung (entsprechend § 1019 Satz 1 BGB) erlöschen, wenn ein Vorteil für das herrschende Grundstück nicht mehr in Betracht käme. Dies ist jedoch nicht der Fall. Eine Baubeschränkung ist zwar nicht mit einer Nutzungsbeschränkung identisch. Die Baubeschränkung führt jedoch in ihrer Konsequenz zu Begrenzungen der Nutzungsmöglichkeiten des belasteten Grundstücks. Nutzungseinschränkungen, wie z. B. Hindernisse für eine mögliche gastronomische Nutzung auf dem Grundstück Flst.-Nr. ..., sind weiterhin mit Vorteilen für das klägerische Grundstück verbunden, da mögliche Immissionen vom Nachbargrundstück (Lärm etc.) geringer sein können.
44 
c) Für die Durchsetzung der Rechte aus einer Grunddienstbarkeit kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Fall eine bestimmte Abweichung von der zugelassenen Bebauung konkrete Störungen für die Klägerin verursacht. Vielmehr reicht - solange der Vorteil aus der Grunddienstbarkeit für das herrschende Grundstück nicht objektiv und endgültig weggefallen ist - eine Abweichung von der zugelassenen Bebauung als solche aus, um einen Abwehranspruch der Klägerin zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1967 - V ZR 67/64 -, RdNr. 23, zitiert nach Juris).
45 
d) Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) dem klägerischen Anspruch nicht entgegen.
46 
aa) Die Geltendmachung von Rechten aus einer Grunddienstbarkeit kann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn in der Zeit nach der Begründung des Rechts erhebliche Veränderungen eingetreten sind, die dazu geführt haben, dass - auf Grund der Veränderung der Verhältnisse - die Beschränkungen durch die Dienstbarkeit für den Belasteten nicht mehr zumutbar erscheinen (vgl. BGH, DNotz 1959, 240; BGH, WM 1970, 193; OLG Zweibrücken, OLGR 2004, 399). Solche nachträglichen Veränderungen, die zwingend zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen wären, kann der Senat nicht feststellen.
47 
bb) Es kann dahinstehen, welche konkreten Vorstellungen die damaligen Grundstückseigentümer im 19. Jahrhundert bei der Bestellung der Dienstbarkeit hatten. Jedenfalls bedeutete das Verbot, auf dem belasteten Grundstück die Gebäulichkeiten zu erweitern, eine indirekte erhebliche Nutzungseinschränkung für dieses Grundstück. Für das herrschende Grundstück bedeutete dies, dass der Eigentümer nicht mit zusätzlichen Immissionen vom Nachbargrundstück rechnen musste, mit denen bei einer weitergehenden Bebauung zu rechnen gewesen wäre. Diese generelle Zweckrichtung der Baubeschränkung ist für das herrschende Grundstück heute grundsätzlich in gleicher Weise sinnvoll wie im 19. Jahrhundert. Das Interesse des Eigentümers des herrschenden Grundstücks, eine Zunahme von Immissionen vom dienenden Grundstück durch die Dienstbarkeit zu begrenzen, besteht in gleicher oder ähnlicher Weise weiter. Dabei kommt es nicht im Detail darauf an, inwieweit sich Bebauung und Nutzung der betreffenden Grundstücke und der umgebenden Grundstücke verändert haben.
48 
cc) Es ist vor allem nicht ersichtlich, dass für die Beklagte bzw. für die Tochter als heutige Grundstückseigentümerin die mit der Dienstbarkeit verbundenen Nachteile wesentlich anders oder wesentlich größer wären als zur Zeit der Bestellung im 19. Jahrhundert. Bei der Begründung der Dienstbarkeit, als sich über dem Gewölbekeller ein „Schopf“ befand, stand offenbar eine Nutzung für landwirtschaftliche Zwecke im Vordergrund. Bereits damals wäre eine Nutzung zu Wohnzwecken bei einem Umbau des Schopfes nur in sehr begrenztem Umfang möglich gewesen. Es ist der Beklagten zuzumuten, diese Beschränkungen auch weiter hinzunehmen, da sie das Grundstück in Kenntnis der Belastung und der sich daraus für eine Nutzung voraussichtlich ergebenden Konsequenzen erworben hat.
49 
dd) Schließlich kann es für den Gesichtspunkt von Treu und Glauben keine Rolle spielen, mit welchen Aufwendungen die Beseitigung des Technikraums für die Beklagte verbunden ist. Es mag sein, dass für die Beklagte oder für ihre Tochter als Grundstückseigentümerin hohe Kosten für den erforderlichen Umbau anfallen werden, da die Installation der technischen Einrichtungen neu konzipiert und geplant werden muss. Einer Berücksichtigung dieses Umstandes zu Gunsten der Beklagten steht jedoch entgegen, dass sie zu keinem Zeitpunkt damit rechnen konnte, dass die Klägerin die Einrichtung des Technikraums akzeptieren würde. Die Beklagte kannte die Belastung des Grundstücks, und sie konnte auf Grund der vorangegangenen Auseinandersetzungen vorhersehen, dass die Klägerin der Erweiterung des Kellers entgegentreten würde. Wenn die Beklagte unter diesen Umständen mit dem Bau des Technikraums vollendete Tatsachen schaffen wollte, hat sie die daraus resultierenden finanzielle Nachteile selbst zu tragen.
50 
3. Das Teil-Anerkenntnis-Urteil vom 29.02.2000 (Landgericht Konstanz - 2 O 254/99 G -) steht dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen.
51 
a) Auf Grund dieser Entscheidung ist die Klägerin verpflichtet, eine Bebauung des Nachbargrundstücks „zu Wohnzwecken“ in bestimmtem Umfang zu dulden. Zu den „Wohnzwecken“ gehören sämtliche technischen Einrichtungen (wie Wasser, Abwasser und Versorgung mit Elektrizität), die nach heutigen Maßstäben für eine Wohnnutzung unabdingbar sind. Die Klägerin könnte bestimmten technischen Einrichtungen auf dem Nachbargrundstück daher dann nicht widersprechen, wenn diese Einrichtungen die einzige Möglichkeit darstellen würden, um die Wohnung mit Versorgungsleitungen wie Wasser oder Elektrizität auszustatten. Hiervon ist bei dem von der Beklagten errichteten Technikraum jedoch nicht auszugehen. Das auf dem Gewölbekeller errichtete Wohnhaus könnte in gleicher Weise genutzt werden, wenn die Beklagte die Versorgungsanschlüsse nicht in einem gesonderten Technikraum, sondern in dem bereits bestehenden Gewölbekeller untergebracht hätte. Bei einer Installation der Versorgungsanschlüsse im Gewölbekeller wäre der Bau des Technikraums nicht erforderlich gewesen.
52 
b) Es gibt, wie die Sachverständige Dr. Sch. in ihrem Gutachten ausgeführt hat, keine Gesichtspunkte des Denkmalschutzes, die einer Unterbringung der Versorgungsanschlüsse im existierenden Gewölbekeller entgegenstehen würden. Erforderlich ist nach den Ausführungen der Sachverständigen lediglich, dass sich die Beklagte bei einer Neukonzeption der technischen Einrichtungen mit der Denkmalbehörde ins Benehmen setzt, damit die Einrichtung der notwendigen Anschlüsse in dem unter Denkmalschutz stehenden Gewölbekeller mit der Behörde abgestimmt wird.
53 
c) Eine Unterbringung der Versorgungsanschlüsse im Gewölbekeller kann allerdings dazu führen, dass die Möglichkeiten der Beklagten, bzw. ihrer Tochter, den Gewölbekeller zu gastronomischen Zwecken zu nutzen (Vermietung als Partykeller), eingeschränkt werden. Denn der vorhandene Raum im Gewölbekeller wird durch die Unterbringung von technischen Einrichtungen in gewissem Umfang begrenzt. Dies hat die Beklagte jedoch hinzunehmen. Denn die Klägerin hat sich im Teil-Anerkenntnis-Urteil vom 29.02.2000 nur verpflichtet, eine Bebauung zu Wohnzwecken zu dulden, und nicht darüber hinaus eine Bebauung zu davon abweichenden gewerblichen Zwecken.
54 
4. Dem Erfolg der Klage steht nicht entgegen, dass eine Erfüllung des Beseitigungsanspruchs für die Beklagte unmöglich wäre (§ 275 Abs. 1 BGB). Eine Unmöglichkeit wäre von der Beklagten darzulegen (vgl. BGH, NJW 2010, 2341). Aus ihrem Vorbringen sind zwingende Hindernisse für eine Erfüllung des Beseitigungsanspruchs nicht ersichtlich.
55 
a) Die Beseitigung des Technikraums, zu welcher die Beklagte verurteilt worden ist, bedeutet, dass sie einen Zustand herzustellen hat, bei dem außerhalb des Gewölbekellers kein weiterer in irgendeiner Weise nutzbarer Kellerraum mehr vorhanden ist. Dies kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die technischen Einrichtungen dort entfernt, und der von der Beklagten geschaffene Raum mit Aushubmaterial verfüllt wird. Letztlich bleibt es jedoch der Beklagten überlassen, auf welche Weise sie den Anspruch erfüllt. Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Sch. steht fest, dass eine Beseitigung des Technikraums nicht an Hindernissen des Denkmalschutzes scheitern wird. Zwar befindet sich der Technikraum in einem Gelände mit Mauer- und Gewölberesten aus dem Mittelalter, die dem Denkmalschutz unterliegen. Eine Beseitigung des Technikraums ist nach den Angaben der Sachverständigen jedoch möglich, wenn sich die Beklagte vorher mit der Denkmalschutzbehörde in Verbindung setzt, und Auflagen und Vorgaben der Denkmalschutzbehörde bei den Rückbaumaßnahmen berücksichtigt.
56 
b) Auch der Umstand, dass die Beklagte nicht mehr Eigentümerin des Nachbargrundstücks ist, steht ihrer Verpflichtung nicht entgegen. Denn sie hat weder dargetan noch nachgewiesen, dass ein Rückbau des Technikraums am Widerstand ihrer Tochter, der sie das Grundstück übergeben hat, scheitern würde. Es braucht daher im Erkenntnisverfahren auch nicht geklärt zu werden, ob die Tochter eventuell - beispielsweise im Hinblick auf eigene dingliche Verpflichtungen gegenüber der Klägerin - von sich aus mit einem Rückbau einverstanden sein wird, oder ob die Beklagte gegenüber ihrer Tochter einen Anspruch hat, den Rückbau zu dulden.
57 
5. Der Antrag der Klägerin, der Beklagten ein Zwangsgeld anzudrohen, ist zurückzuweisen. Hierbei kann dahinstehen, ob eine spätere Vollstreckung gemäß § 887 ZPO (vertretbare Handlungen) oder gemäß § 888 ZPO (nicht vertretbare Handlungen) erfolgen muss. Bei einer Vollstreckung nach § 887 ZPO kommt ein Zwangsgeld nicht in Betracht. Im Rahmen von § 888 ZPO kann zwar ein Zwangsmittel in Betracht kommen. Es findet jedoch gemäß § 888 Abs. 2 ZPO keine Androhung statt.
58 
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
59 
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
60 
8. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.

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