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| Das Amtsgericht H. erließ am 21.5.2013 gegen den nicht vorbestraften mittlerweile 76-jährigen Angeklagten wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr Haftbefehl aufgrund des dringenden Tatverdachts des unerlaubten Erwerbs von Schusswaffen zur Überlassung an Nichtberechtigte in sieben Fällen gemäß §§ 52 Abs. 1 Nr. 2a), Abs. 3 Nr. 1, 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 zum WaffG, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1. |
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| Der Angeklagte wurde am 24.5.2013 festgenommen und am Folgetag wurde der Haftbefehl in Vollzug gesetzt. Am 10.10.2013 übergab die Kriminalpolizei H. der Staatsanwaltschaft H. die vollständigen Akten verbunden mit einem 55 Seiten umfassenden Schlussbericht vom 30.9.2013. Das Ermittlungsverfahren richtete sich gegen insgesamt elf Beschuldigte. |
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| Am 21.10.2013 erweiterte das Amtsgericht H. auf Antrag der Staatsanwaltschaft den Haftbefehl gegen den Angeklagten auf 22 Fälle des unerlaubten Erwerbs von Schusswaffen zur Überlassung an Nichtberechtigte. Am 24.10.2013 äußerte sich der Angeklagte zur Sache und räumte die ihm vorgeworfenen Taten - teilweise - ein. Am selben Tag beantragte er Haftprüfung mit dem Ziel der Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung des Haftbefehls. |
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| Die Staatsanwaltschaft beantragte am 31.10.2013 den Erlass eines die Tatvorwürfe ändernden Haftbefehls, der vom Amtsgericht H. am 4.11.2013 eröffnet und erlassen wurde. Dem Angeklagten wird hierin vorgeworfen, seit 2010 bis zum 24.5.2013 - dem Tag seiner Festnahme - sich in 17 Fällen Schusswaffen beschafft und an Personen verkauft zu haben, die nicht über die für den Umgang mit Schusswaffen erforderliche behördliche Erlaubnis verfügen und bis zum 30.10.2013 die tatsächliche Gewalt über vier Schusswaffen und weiteres Zubehör ohne die erforderliche Erlaubnis gehabt zu haben. Das Amtsgericht H. bejahte weiterhin die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr, setzte allerdings den Haftbefehl unter den Auflagen, sich drei Mal wöchentlich bei der Polizei zu melden, bestimmte Kontaktverbote einzuhalten und eine Sicherheit in Höhe von 3.000 EUR zu leisten, außer Vollzug. Der Angeklagte war nachfolgend nicht in der Lage die Sicherheitsleistung, die mit Beschluss vom 12.11.2013 auf 1.500 EUR reduziert worden war, aufzubringen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft H. beschloss das Amtsgericht H. am 19.11.2013 die Außervollzugsetzung des Haftbefehls vom 4.11.2013 ohne Sicherheitsleistung. Der Angeklagte wurde sodann am 19.11.2013 freigelassen. Die Meldeauflage wurde am 21.8.2014 auf einmal wöchentlich reduziert. |
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| Nach dem am 10.10.2013 der Staatsanwaltschaft vorgelegtem Schlussbericht sind nach Aktenlage noch folgende Ermittlungshandlungen durchgeführt worden: |
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polizeiliche Vernehmung des Beschwerdeführers |
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polizeiliche Vernehmung des Mitbeschuldigten K. |
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Erlass eines Haftbefehls und Durchsuchungsbeschlusses gegen den Mitbeschuldigten L. |
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polizeiliche Vernehmung des Mitbeschuldigten L.; |
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Durchsuchung der Wohnung der Mitbeschuldigten F.; |
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Durchsuchung des Kellerraums der Nachbarin des Angeklagten sowie deren polizeiliche Vernehmung |
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Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses betreffend den Angeklagten |
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Weitere polizeiliche Vernehmung des Mitbeschuldigten L. |
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Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses der Wohnung der nicht beschuldigten Frau M. |
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Durchsuchung der Wohnung von Frau M. |
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Datum des Waffengutachtens der LPD Karlsruhe |
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Schriftliche Einlassung der Mitbeschuldigten F. |
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Datum eines molekulargenetischen Untersuchungsberichts des LKA Baden-Württemberg |
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Neuanlage der Akten seitens der Staatsanwaltschaft; |
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Abtrennung des Ermittlungsverfahrens gegen fünf Beschuldigte; |
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| Nachfolgend sind bis zur Abschlussverfügung vom 17.07.2014 keine weiteren das Verfahren fördernden Handlungen ersichtlich. Hinsichtlich der am 23.1.2014 abgetrennten Verfahren kam es am 31.3.2014 (Mitbeschuldigter E.), am 14.5.2014 (Mitbeschuldigter K.), am 26.5.2014 (Mitbeschuldigte F.), am 5.6.2014 (Mitbeschuldigter W.) und am 2.9.2014 (Mitbeschuldigter S.) zu erstinstanzlichen Verurteilungen jeweils des Amtsgerichts - Strafrichter. |
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| In der Anklageschrift vom 14.7.2014, die am 24.7.2014 beim Landgericht H. einging, wird dem Angeklagten nunmehr vorgeworfen ab Anfang 2012 bis zu seiner Festnahme, begangen durch eine rechtliche Handlung in 15 Fällen ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG Schusswaffen erworben zu haben, um sie entgegen § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG einem Nichtberechtigten zu überlassen und in zehn dieser Fälle ohne Erlaubnis nach § 2 Abs.2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 halbautomatische Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 erworben und besessen zu haben und in einem weiteren Fall ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 halbautomatische Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 erworben und besessen zu haben und in einem weiteren Fall ohne Erlaubnis nach § 2 Abs.2 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 halbautomatische Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 3 Nr. 1.1 sowie eine Schusswaffe erworben und besessen zu haben und entgegen § 2 Abs. 1 oder 3 jeweils in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1.2.1 eine vollautomatische Schusswaffe - Maschinenpistole Eigenbau - zum Verschießen von Patronenmunition besessen zu haben, strafbar als eine Tat des unerlaubten Erwerbs von Schusswaffen zur Überlassung an Nichtberechtigte in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb und Besitz von Schusswaffen und unerlaubtem Besitz einer vollautomatischen Schusswaffe gemäß §§ 51 Abs. 1, 52 Abs. 1 Nr. 2 a) und b), 52 Abs. 3 Nr. 2a), 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 und 4, 2 Abs. 1 - 3, 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG i.V.m. Anlage 2 zum WaffG Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.1, Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 Satz 1 und Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2.2 und Unterabschnitt 3 Nr. 1.1, § 52 StGB. |
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| Nach Zustellung der Anklageschrift mit Verfügung vom 28.7.2014, teilte der Vorsitzende der Strafkammer den Verteidigern der fünf Angeschuldigten mit Schreiben vom 31.7.2014 mit, dass beabsichtigt sei, die Hauptverhandlung - für den Fall der Eröffnung - zwischen dem 12.1. und 14.2.2015 durchzuführen. Mit Verfügung vom 1.8.2014 bat er die Staatsanwaltschaft die Niederschriften der Aufzeichnungen von zwei Telefonaten zu übersenden. Mit Verfügung vom 5.8.2014 ersuchte er die LPD Karlsruhe um ergänzende gutachterliche Stellungnahme zu verschiedenen der verfahrensgegenständlichen Waffen. Zudem teilte er den Verteidigern die vorgesehenen fünf Verhandlungstermine zwischen dem 14.1.2015 und 30.1.2015 mit. |
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| Die ergänzende gutachterliche Stellungnahme ging am 1.10.2014 beim Landgericht H. ein und wurde am gleichen Tag an die Verteidiger und die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Mit Beschluss vom 17.10.2014 eröffnete das Landgericht H. das Hauptverfahren und terminierte das Verfahren, beginnend am 14.1.2015. |
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| Am 14.1.2015 erschien der Beschwerdeführer nicht zur Hauptverhandlung. Der Verteidiger teilte mit, die Ehefrau des Beschwerdeführers hätte ihn einige Tage zuvor informiert, dass der Beschwerdeführer vom Fahrrad gefallen sei und sich deshalb einer Hüftoperation unterziehen müsse und stationär im Krankenhaus sei. Dies habe auch die Lebensgefährtin des Angeklagten bestätigt. Der Vorsitzende kündigte - nach Unterbrechung der Sitzung - an, die Kammer erwäge den bestehenden Haftbefehl wieder in Vollzug zu setzen und ergänzend auf die Vorschrift des § 230 Abs. 2 StPO zu stützen, wenn sich herausstellen sollte, dass das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt sei. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft stellte sodann einen entsprechenden - bedingten - Antrag. |
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| Der Beschwerdeführer befand sich vom 8.1.2015 bis zum 19.1.2015 in der S.-Klinik in L. Hintergrund des Klinikaufenthalts war eine länger geplante Operation des Hüftgelenks, die am 9.1.2015 durchgeführt worden war. |
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| Die den Angeklagten behandelnde Oberärztin erklärte gegenüber dem Vorsitzenden, der Beschwerdeführer habe bei der Absprache des Operationstermins die Hauptverhandlung verschwiegen; hätte die Klinik davon gewusst, hätte sie - medizinisch ohne weiteres vertretbar - einen späteren Termin vorgeschlagen. Nunmehr - nach der durchgeführten Operation - müsse sich der Beschwerdeführer einer Rehabilitationsbehandlung unterziehen. Er sei deswegen als verhandlungsunfähig anzusehen, da er bestimmte Körperhaltungen nicht über einen längeren Zeitraum hinweg einnehmen könne, zum Transport auf speziell eingerichtete Fahrzeuge angewiesen und mehrstündiges Sitzen ärztlich nicht zu verantworten sei. Der Beschwerdeführer befand sich vom 19.1.2015 bis 5.2.2015 in einer Rehabilitationsklinik in B. |
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| Am 16.1.2015 bestimmte der Vorsitzende neue Hauptverhandlungstermine, beginnend ab 22.4.2015. Am 20.1.2015 beantragte die Staatsanwaltschaft H. die Wiederinvollzugsetzung des Haftbefehls vom 21.5.2013 nach Maßgabe der Anklageschrift vom 14.7.2014, hilfsweise Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO zu erlassen. Mit Verfügung vom 26.1.2015 stellte der Strafkammervorsitzende die Entscheidung über den vorgenannten Antrag im Hinblick auf die Rehabilitationsbehandlung des Angeklagten zurück. |
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| Am 9.3.2015 erließ die Strafkammer den angefochtenen Beschluss, wonach der Haftbefehl des Amtsgerichts H. vom 4.11.2013 mit der Maßgabe wieder in Vollzug gesetzt wird, dass der Haftbefehl zusätzlich auch auf den Haftgrund des § 230 Abs. 2 StPO gestützt wird. Der Verteidiger des Angeklagten legte hiergegen am 13.3.2015 Beschwerde ein und beantragte, den Haftbefehl wieder außer Vollzug zu setzen. Haftgründe seien nicht gegeben. Auch im Hinblick auf § 230 Abs. 2 StPO reiche ein Vorführbefehl als weniger einschneidende Maßnahme aus. |
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| Mit Beschluss vom 16.3.2015 half die Strafkammer der Beschwerde nicht ab. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte am 26.3.2015 die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Dem Verteidiger wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. |
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| Der Angeklagte konnte bisher nicht festgenommen werden, er ist nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft H. vom 10.4.2015 untergetaucht und es werde intensiv nach ihm gefahndet. In einem an das Landgericht H. gerichteten Schreiben vom 15.3.2015 kündigte er - unter massiver Beleidigung der am Verfahren beteiligten Personen - seine Selbsttötung an. |
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| Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des Beschlusses vom 16.3.2015 und des Haftbefehls vom 4.11.2013. Statt dessen ordnet der Senat gegen den Angeklagten die Haft gemäß § 230 Abs. 2 StPO an. |
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| Das Vorliegen der Haftvoraussetzungen ist stets von Amts wegen zu prüfen (Meyer-Goßner/Schmitt, 57. Aufl. 2014, § 120 StPO, Rn. 2); es kommt daher nicht darauf an, dass der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerde nicht ausdrücklich den Haftbefehl vom 4.11.2013 angreift, sondern lediglich dessen Invollzugsetzung. Denn die Invollzugsetzung des Haftbefehls würde den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzen, wenn der Vollzug der Haft auf einen Haftbefehl gestützt wird, dessen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind. Es wäre angesichts der knapp sechs Monate vollzogenen Untersuchungshaft auch widersinnig, wenn der Senat zunächst die Invollzugsetzung des Haftbefehls - wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO - bestätigen würde, um kurz darauf den Haftbefehl - wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots - aufzuheben. Der Haftbefehl darf daher hier nur dann wieder in Vollzug gesetzt werden, wenn wichtige Gründe iSd. § 121 Abs. 1 StPO ein Urteil bisher nicht zugelassen haben, woran es bei einem erheblichen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz - auch erst nach Außervollzugsetzung des Haftbefehls - fehlt (OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2006, 43 HEs 31/06, BeckRS 2007, 04341; KK-StPO/Schultheis, 7. Aufl. 2013, § 121 StPO, Rn. 26). |
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| Der Haftbefehl vom 4.11.2013 unterfällt der Aufhebung, weil das sich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 5 Abs. 3 Satz 2 EMRK ergebende Beschleunigungsgebot in einem Maße verletzt wurde, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt ist. Eine Strafsache ist dabei auch dann wie eine Haft-sache zu behandeln, wenn der Haftbefehl außer Vollzug gesetzt ist (BVerfG, Beschluss vom 29.11.2005, 2 BvR 1737/05; KG, Beschluss vom 18.8.2003, 3 Ws 370/03, BeckRS 2014, 12484; OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2013, 2 Ws 599/13, BeckRS 2014, 03545; OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2006, 43 HEs 31/06). |
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| Ein sachlicher Grund, warum die Staatsanwaltschaft bis zum 17.7.2014 mit der Anklageerhebung zugewartet hat, obwohl es - spätestens - nach dem 23.1.2014 keine verfahrensfördernden Handlungen mehr gegeben hat, ist nicht ersichtlich. Die pauschale Behauptung der Staatsanwaltschaft eine frühere Anklageerhebung sei wegen des Umfangs und der Komplexität des Verfahrens sowie wegen der Bearbeitung anderer Haftsachen nicht möglich gewesen, kann eine solch langdauernde Verzögerung nicht rechtfertigen. Ggfs. hätte durch behördeninterne Geschäftsverteilungsmaßnahmen oder den Einsatz weiterer Staatsanwälte eine deutlich zügigere Bearbeitung sichergestellt werden müssen (KK-StPO/Schultheis, 7. Aufl. 2013, § 121 StPO, Rn. 19). Unter Berücksichtigung der bereits knapp sechs Monate vollzogenen Untersuchungshaft und der den Angeklagten nicht unerheblich einschränkenden Auflage, sich drei Mal in der Woche bei der Polizei zu melden, ist die Nichtbearbeitung des Verfahrens für einen Zeitraum von nahezu sechs Monaten als so gravierende Verletzung des Beschleunigungsgebots anzusehen, dass der Haftbefehl vom 4.11.2013 keinen Bestand mehr haben kann (OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2006, 43 HEs 31/06, BeckRS 2007, 04341; OLG Dresden, Beschluss vom 19.11.2013, 2 Ws 599/13, BeckRS 2014, 03545). |
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| Das nicht genügend entschuldigte Ausbleiben in dem Hauptverhandlungstermin vom 14.1.2015 rechtfertigt indes den Erlass eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO. Die Aufhebung des Haftbefehls vom 4.11.2013 steht dem nicht entgegen, da es sich beim Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO um einen qualitativ anderen Haftbefehl handelt, der nicht an die Voraussetzungen der §§ 112 ff. StPO geknüpft ist und dessen Wirkung auch lediglich bis zum Ende der Hauptverhandlung reicht (KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl. 2013, § 121 StPO, Rn. 31, BeckOK-Krauß, StPO, Stand 15.1.2015, § 122 StPO, Rn. 9; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.5.2010, 3 Ws 175/10, BeckRS 18852; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2.4.2013, 1 Ws 28/13, BeckRS 2013, 12200). |
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| Das Ausbleiben des - ordnungsgemäß geladenen - Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 14.1.2015 war nicht genügend entschuldigt. Die Operation, wegen der sich der Beschwerdeführer ins Krankenhaus begeben hat, stellt keinen Entschuldigungsgrund dar, da diese - medizinisch gut vertretbar - aufschiebbar gewesen wäre (Meyer-Goßner/Schmitt, 57. Aufl. 2014, § 329 StPO, Rn. 26 mw.N.). Auch die Gesamtumstände lassen darauf schließen, dass der Angeklagte die Operation gezielt kurz vor Hauptverhandlungsbeginn durchführen ließ, um sich dadurch der Hauptverhandlung zu entziehen. Er verschwieg die Hauptverhandlung gegenüber den ihn behandelnden Ärzten und teilte diese auch dem Gericht nicht mit. Seinem Verteidiger gegenüber gab er vor, sich wegen eines Fahrradunfalles, also eines akuten Ereignisses, der Operation unterziehen zu müssen. |
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| Angesichts dieses Verhaltens ist die Anordnung der Vorführung nicht ausreichend, um die Teilnahme des Angeklagten an der Hauptverhandlung sicherzustellen. Diese Einschätzung wird durch das weitere Verhalten des Angeklagten, nämlich durch sein Untertauchen und sein Schreiben vom 15.3.2015, dem zu entnehmen ist, dass er sich dem Verfahren nicht stellen möchte, belegt. |
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| Dem Erlass des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO steht nicht entgegen, dass dieser nicht Beschwerdegegenstand wäre. Das Landgericht H. hat im Beschluss vom 9.3.2015 den Haftbefehl vom 4.11.2013 ausdrücklich auch auf den Haftgrund des § 230 Abs. 2 StPO gestützt und diesen ausführlich begründet. Die Staatsanwaltschaft H. hatte hilfsweise einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO beantragt und der Verteidiger hat sich in der Beschwerde mit dem Haftgrund des § 230 Abs. 2 StPO auseinandergesetzt. Dem Beschluss des Landgerichts ist der Wille, einen Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO zu erlassen, eindeutig zu entnehmen, wenn man nicht verkannt hätte, dass es sich beim Untersuchungshaftbefehl nach den §§ 112 ff StPO und dem Haftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO um qualitativ unterschiedliche Haftbefehle handelt, die Voraussetzungen des § 230 Abs. 2 StPO keinen Haftgrund für einen Untersuchungshaftbefehl darstellen können und der Haftbefehl vom 4.11.2013 - wegen Verletzung des Beschleunigungsgebots - aufzuheben war. |
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| Es kann vorliegend dahinstehen, ob das Landgericht in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung nach § 30 Abs. 2 GVG für den Erlass des Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO zuständig war (zum Streitstand vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 57. Aufl. 2014, § 230 StPO, Rn. 24; KK-StPO/Gmel, 7. Aufl. 2013, § 230 StPO, Rn. 17; SK-StPO/Deiters, Bd. IV, 5. Aufl. 2015, § 230 StPO, Rn 25; OLG Schleswig, SchlHA 2013, 316; LG Zweibrücken, Beschluss vom 20.11.1997, 1 Qs 147/97, NStZ-RR 1998, 112; LG Gera, Beschluss vom 20.5.1996, 5 Qs 4/96, NStZ-RR 1996, 239; OLG Köln, Beschluss vom 29.06.2004, 2 Ws 328/04). Die Beschwerdeinstanz ist bei einer Haftbeschwerde Tatsacheninstanz, das Beschwerdegericht trifft gemäß § 309 Abs. 2 StPO eine eigene Sachentscheidung. Dies gilt auch für den Fall, dass das Landgericht in unzutreffender Besetzung entschieden haben sollte. Der Senat ist nämlich ungeachtet der Besetzung des Spruchkörpers als Beschwerdegericht zuständig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.5.2010, 3 Ws 175/10, BeckRS 2010, 18852; Meyer-Goßner/Schmitt, 57. Aufl. 2014, § 309 StPO, Rn. 9). |
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| Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO; der Senat sieht Erfolg und Misserfolg des Rechtsmittels als in etwa gleichgewichtig an. |
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