Urteil vom Oberlandesgericht Koblenz (6. Zivilsenat) - 6 U 49/11

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer - 2. Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Mainz vom 17. Dezember 2010 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die Klägerin mit einer Kommanditbeteiligung von 100.000 € Gesellschafterin der ...[A] GmbH & Co. KG (HRA…, LG Cottbus) ist.

Die Kosten beider Rechtszüge hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Feststellung, dass sie weiterhin Gesellschafterin der ...[A] GmbH & Co. KG (im Folgenden: ...[A]) ist.

2

Nach dem Gesellschaftsvertrag der ...[A] vom 19. Dezember 2001 (Anlage K 1) sind die Parteien Kommanditisten der ...[A]. Komplementärin ist die ...[A] Verwaltungs-GmbH. Die Parteien und die Komplementärin haben am 8. Februar /22. Februar 2010 vereinbart, dass die Komplementärin an dem vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt wird und sie die Entscheidung des Gerichts für sich als bindend anerkennt (Anlage K 17).

3

Die Beklagte ist ein Unternehmen der ...[B]-Gruppe. Die Klägerin, die einen Kommanditanteil von 100.000 € an der ...[A] hält, ist eine Tochtergesellschaft der ...[C] AG. Die ...[C] AG ist eine börsennotierte Aktiengesellschaft. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags der ...[A] im Dezember 2001 hatte die ...[C] AG folgende Aktionärsstruktur: Größter Aktionär mit einer Beteiligung von 22 % des stimmberechtigten Aktienkapitals war die ...[D] GmbH & Co. KG, weitere Großaktionäre waren die ...[E] AG mit 17,1 %, ...[F] mit 10,4 % und die ...[G] Bank AG mit einem Anteil von 8,7 %; rund 42 % der Aktien befanden sich im Streubesitz. Im Jahr 2005 erhöhte ...[F] seinen Aktienanteil und hielt in der Folgezeit rund 80 % des Aktienkapitals. Nach seinem Tod im Jahr 2009 wurde ...[H] als Rechtsnachfolger Hauptaktionär.

4

Im Jahr 2009 führte die ...[C] AG eine Barkapitalerhöhung durch. Die Kapitalerhöhung sowie Verkäufe der von ...[H] kontrollierten Unternehmen hatten zur Folge, dass sich der von ...[H] direkt oder indirekt gehaltene Anteil an der ...[C] AG auf 24,4 % verringerte. Die weiteren Aktien befinden sich im Streubesitz. Hierbei halten die ...[J] Inc. einen Anteil von 7,04 % und die ...[K] LLC einen Anteil von 3,01 %. Vereinbarungen über eine gemeinsame Stimmrechtsausübung der Aktionäre bestehen nicht.

5

Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin aufgrund der in § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A] enthaltenen Regelung aus der ...[A] ausgeschieden ist.

6

§ 15 ("Überfremdung eines Gesellschafters") lautet wie folgt:

7

"Wechselt die Kontrolle über einen Gesellschafter, der in Form einer Personen- oder Kapitalgesellschaft betrieben wird, anders als durch Vorgänge nach § 12 Abs. 5, gleich auf welcher Stufe einer durch Stimmenmehrheitsbesitz verbundenen Gesellschafterkette dieser Wechsel stattfindet, scheidet der betroffene Gesellschafter aus und wird gemäß § 18 abgefunden. Ein Wechsel der Kontrolle liegt insbesondere dann vor, wenn ein Anteilseigner unabhängig davon, ob er bereits bei Gründung der Gesellschaft oder im Zeitpunkt des Beitritts der Gesellschaft an diesem beteiligt war, erstmals mehr als 50 % der Anteile an dem Gesellschafter erwirbt".

8

Wegen des weiteren Inhalts des Gesellschaftsvertrags wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen.

9

Die Beklagte ist der Auffassung, die Veränderung der Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung der ...[C] AG sei ein Anwendungsfall des § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A]; die Klägerin sei deshalb nicht mehr Gesellschafterin der ...[A]. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Feststellungsklage. Die Klägerin ist der Auffassung, dass auf der Ebene der Aktionäre der ...[C] AG kein "Kontrollwechsel" im Sinne des § 15 des Gesellschaftsvertrags, sondern ein von der Klausel nicht erfasster bloßer "Kontrollverlust" stattgefunden habe.

10

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung im Einzelnen und der weiteren tatbestandlichen Feststellungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

11

Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

12

Die Klägerin beantragt,

13

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Mainz vom 17. Dezember 2010 festzustellen, dass die Klägerin mit einer Kommanditbeteiligung von 100.000 € Gesellschafterin der ...[A] GmbH & Co. KG (HRA …, LG Cottbus) ist.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie trägt vor, die früheren Aktionäre ...[D] und ...[F] hätten im Jahre 2001 in der weitaus überwiegenden Mehrheit im Aufsichtsrat ihr Abstimmungsverhalten koordiniert und dadurch im Wesentlichen sowohl auf Ebene des Aufsichtsrates als auch auf Ebene der Hauptversammlung die Geschicke der Gesellschaft geprägt.

17

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

18

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache Erfolg. Das Urteil des Landgerichts ist deshalb abzuändern und die begehrte Feststellung zu treffen.

19

1. Die Klage ist zulässig.

20

Insbesondere begegnet es keinen Bedenken, dass die Klägerin lediglich ihre Mitkommanditistin, die Beklagte, verklagt hat, nicht dagegen die Komplementärin der ...[A]. In der handelsrechtlichen Personengesellschaft ist der Streit, ob jemand der Gesellschaft angehört, grundsätzlich nicht mit der Gesellschaft, sondern nur im Prozess mit den Mitgesellschaftern auszutragen (BGHZ 91, 132, 133). Hierbei ist anerkannt, dass die Klage nur gegen die bestreitenden Gesellschafter zu richten ist (MünchKommHGB/Enzinger, 3. Aufl., § 119 Rdnr. 97 m.w.Nachw.). Die Komplementärin hat sich durch Vereinbarung vom 8. Februar/22. Februar 2010 der Entscheidung des Gerichts in dem nur zwischen den Kommanditisten geführten Rechtsstreit unterworfen.

21

2. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin ist weiterhin Kommanditistin der ...[A].

22

a) Es bedarf keiner Entscheidung, ob § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A], der einen Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters nach §§ 161 Abs. 2, 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 HGB begründet, wirksam ist.

23

Es kann auch offen bleiben, ob die Parteien, wie die Klägerin unter Beweisantritt vorträgt, bei Vertragsabschluss ein gemeinsames Verständnis darüber hatten, dass durch die Klausel nur Übertragungen der Beteiligung an der ...[A] aus dem jeweiligen Konzern der Gesellschafter heraus erfasst sein sollten, so dass - wie hier - Veränderungen auf der Ebene der Aktionäre der ...[C] AG von § 15 des Gesellschaftsvertrags nicht erfasst seien.

24

b) Bereits die objektive Auslegung der Klausel ergibt, dass sie den vorliegenden Fall des Absinkens einer Mehrheitsbeteiligung an der ...[C] AG bei gleichzeitiger Entstehung von nicht durch eine Stimmrechtsvereinbarung koordiniertem Streubesitz nicht erfasst.

25

aa) Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und demgemäß in erster Linie dieser und der ihm zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen. Bei seiner Willenserforschung hat der Tatrichter aber auch den mit der Absprache verfolgten Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen erhellen können. Dabei sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Empfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (BGHZ 184, 128, Tz. 33 m.w.Nachw., zitiert nach Juris).

26

bb) Entscheidendes Merkmal der Klausel ist, dass die "Kontrolle" über einen Gesellschafter "wechselt". Die Klausel erfasst jedenfalls unmittelbare Veränderungen im Gesellschafterbestand der Gesellschafter der ...[A]. Dies ergibt sich aus dem konkretisierenden Satz 2 der Klausel, wonach ein Wechsel der Kontrolle insbesondere dann vorliegt, wenn ein Anteilseigner erstmals mehr als 50 % der Anteile an dem Gesellschafter (hier: der Klägerin) erwirbt. Die Klausel erfasst aber auch Veränderungen im Gesellschafterbestand auf höheren Stufen des jeweiligen Konzerns, dem die Klägerin und die Beklagte angehören ("gleich auf welcher Stufe einer durch Stimmenmehrheitsbesitz verbundenen Gesellschafterkette dieser Wechsel stattfindet"). Der Senat geht deshalb davon aus, dass auch eine den "Kontrollwechsel" begründende Veränderung im Aktionärsbestand der Muttergesellschaft der Klägerin, der ...[C] AG, grundsätzlich von § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A] erfasst wird. Dies entspricht auch dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien.

27

Der Begriff des Kontrollwechsels ist in § 15 nicht definiert. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist unter dem Begriff der "Kontrolle" einer Gesellschaft die Fähigkeit zur Beherrschung anzusehen, das heißt zumindest die Möglichkeit, einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben. Im Verhältnis der Muttergesellschaft der Klägerin, der ...[C] AG, zu ihren Aktionären besteht nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien eine Kontrolle im Sinne des § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A] jedenfalls dann, wenn ein Aktionär die Mehrheit der stimmberechtigten Aktien an der ...[C] AG inne hat. Dies war im Zeitraum zwischen 2005 und der Kapitalerhöhung im Jahr 2009 in der Person des ...[F] bzw. seines Rechtsnachfolgers ...[H] der Fall.

28

Nach dem allgemeinen Sprachverständnis ist der Begriff des "Kontrollwechsels" so zu verstehen, dass die Beherrschung der Gesellschaft - hier: der ...[C] AG - "wechselt", das heißt von einem Aktionär auf einen anderen Aktionär übergeht, der infolgedessen nun seinerseits einen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. Der bloße "Kontrollverlust", das heißt der Verlust einer Mehrheitsbeteiligung, ohne dass diese Veränderung im Aktionärsbestand zur Erlangung der Beherrschungsmöglichkeit durch einen, gegebenenfalls auch mehrere andere Aktionäre führt, unterfällt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dem Begriff des "Kontrollwechsels". Hierfür spricht auch der konkretisierende Satz 2 der Klausel, wonach es auf den Erwerb einer Mehrheit an einem der Gesellschafter der ...[A] ankommt.

29

Entgegen der Annahme der Beklagten genügt es deshalb begrifflich für einen Kontrollwechsel nicht, dass die Aktionäre der im Streubesitz befindlichen Aktien (hypothetisch) die Möglichkeit haben, eine gemeinsame Stimmrechtsausübung zwecks Beherrschung der Gesellschaft zu vereinbaren. Vielmehr ist nach dem allgemeinen Sprachverständnis Voraussetzung, dass die "Kontrolle" auch tatsächlich "wechselt", das heißt anstelle des früheren Inhabers der Kontrolle nunmehr von anderen Aktionären tatsächlich in dem durch das Aktiengesetz gesteckten Rahmen ausgeübt werden kann. Ob hierfür die Vereinbarung von Aktionären über eine gemeinsame Stimmrechtsausübung zur Begründung eines beherrschenden Einflusses ausreichen kann - wovon die Klägerin ausgeht -, kann dahinstehen, weil die Aktionäre eine solche Stimmrechtsvereinbarung unstreitig nicht getroffen haben.

30

Auch die Überschrift der Klausel ("Überfremdung eines Gesellschafters") spricht ihrem Wortlaut nach dafür, dass die Klausel nur den Fall erfasst, dass ein Gesellschafter der ...[A] unmittelbar oder mittelbar durch einen (oder mehrere) Gesellschafter beherrscht wird und hierdurch eine "Überfremdungssituation" eintritt. Eine solche Überfremdung ist jedoch nicht gegeben, wenn sich - wie hier - zwar der Aktionärsbestand der Muttergesellschaft ...[C] AG ändert, jedoch nicht in einer Weise, die zu einer Beherrschung der ...[C] AG durch Dritte führt.

31

cc) Ein anderes als das durch den allgemeinen Sprachgebrauch vorgegebene Verständnis der Klausel ist nicht vor dem Hintergrund geboten, dass der Begriff der Kontrolle in verschiedenen Gesetzen verwendet wird.

32

Ein Erkenntnisgewinn für die Auslegung des § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A] ergibt sich daraus bereits deshalb nicht, weil keine der Parteien vorgetragen hat, dass die Klausel auf der Grundlage bestimmter gesetzlicher Begrifflichkeiten formuliert worden wäre und die Parteien ein hierauf beruhendes Begriffsverständnis zugrunde gelegt hätten.

33

Der Senat vermag auch unabhängig davon aus den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden gesetzlichen Regelungen keine Schlüsse zu ziehen, die ein vom allgemeinen Sprachgebrauch abweichendes Verständnis nahelegen würden.

34

Nach § 37 Abs. 1 Nr. 2 GWB in der im Dezember 2001 geltenden Fassung liegt ein Zusammenschluss unter anderem dann vor, wenn ein oder mehrere Unternehmen die unmittelbare oder mittelbare Kontrolle über die Gesamtheit oder Teile eines oder mehrerer anderer Unternehmen erwerben. Die Kontrolle wird durch Rechte, Verträge oder andere Mittel begründet, die einzeln oder zusammen unter Berücksichtigung aller tatsächlichen und rechtlichen Umstände die Möglichkeit gewähren, einen bestimmenden Einfluss auf die Tätigkeit des Unternehmens auszuüben. Hierunter fällt eindeutig nicht der Fall, dass durch eine Barkapitalerhöhung und Unternehmensverkäufe eine Mehrheitsbeteiligung auf unter 25 % absinkt und im Gegenzuge ein Streubesitz entsteht, der nicht durch Vereinbarungen über eine gemeinsame Vorgehensweise "organisiert" ist.

35

Nach § 29 Abs. 2 WPÜG, der im Übrigen erst am 1. Januar 2002 - mithin kurz nach Vertragsschluss - in Kraft getreten ist, ist Kontrolle das Halten von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Zielgesellschaft. Dieses Stimmgewicht wird unstreitig durch keinen der Aktionäre der ...[C] AG erreicht.

36

Die Vorschrift des § 289 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 HGB, die den Begriff des Kontrollwechsels enthält, ist erst am 14. Juli 2006, mithin erst mehrere Jahre nach dem Abschluss des Gesellschaftsvertrags, in Kraft getreten.

37

dd) Auch der objektiv erkennbare Zweck der Kontrollwechselklausel spricht nicht dafür, die Entstehung von mehr als 75 % an Streubesitz im Aktionärsbestand der …[C] AG als Anwendungsfall der Klausel anzusehen.

38

Der Zweck der Klausel geht dahin, Veränderungen im Gesellschafterbestand - auch auf höheren Stufen im Konzern - dann mit der Sanktion des Ausscheidens aus der ...[A] zu belegen, wenn ein Außenstehender maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik eines Gesellschafters der ...[A] erlangt ("Überfremdung"). Wie das Landgericht zutreffend gesehen hat, steht die Überfremdungsklausel in einem sachlichen Zusammenhang mit Vinkulierungsklauseln, die die Übertragung des Geschäftsanteils an die Zustimmung der Gesellschaft binden (vgl. § 68 Abs. 2 AktG; § 15 Abs. 5 GmbHG); eine solche Klausel ist auch in § 12 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der ...[A] enthalten. Da sich die Vinkulierungsklausel grundsätzlich nur den übertragenden Gesellschafter binden kann und sie deshalb der Gefahr von Umgehungen ausgesetzt ist (Liebscher, ZIP 2003, 825; Loritz, NZG 2007, 361), kommt der Kontrollwechselklausel eine die Vinkulierungsklausel ergänzende Funktion zu (vgl. OLG Naumburg, NZG 2004, 775, 778). Wie die Vinkulierungsklausel hat die Kontrollwechselklausel den Zweck, das Eindringen fremder Einflüsse auf die Gesellschafter der ...[A] zu verhindern. Ein solcher Einfluss entsteht jedoch nicht, wenn auf der Ebene der Muttergesellschaft eines Gesellschafters eine Mehrheitsbeteiligung absinkt und durch "unorganisierten" Streubesitz ersetzt wird.

39

ee) Zu berücksichtigen ist auch das objektive Interesse der Parteien hinsichtlich der sinnvollen Anwendung des § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A]. Die Klausel hat die einschneidende Rechtsfolge, dass im Falle eines Kontrollwechsels der betroffene Gesellschafter ohne weiteres aus der ...[A] ausscheidet. Von der Klausel sind beide Kommanditisten der ...[A] in gleicher Weise betroffen. Keiner der Kommanditisten hat ein Interesse daran, ohne triftigen Grund der Rechtsfolge des Ausscheidens aus der ...[A] zu unterfallen. Umgekehrt hat kein Gesellschafter ein berechtigtes Interesse daran, ohne Vorliegen eines gewichtigen Grundes einen Mitgesellschafter aus der Gesellschaft zu drängen.

40

Auch dieser Gesichtspunkt spricht eindeutig dafür, einen "Kontrollwechsel" im Sinne der Klausel nur in dem Falle anzunehmen, dass tatsächlich ein neuer beherrschender Einfluss auf einen Gesellschafter der ...[A] entsteht. Hieran fehlt es in dem hier gegebenen Fall des "Kontrollverlusts". Die von der Beklagten vertretene Auslegung läuft den wohlverstandenen Interessen der Gesellschafter zuwider, weil die Entstehung von Streubesitz nicht dazu führt, dass gesellschaftsfremde Einflüsse geltend gemacht werden.

41

ff) Bei diesem Verständnis der Klausel kann die Beklagte nicht mit Erfolg geltend machen, sie habe den früheren Hauptaktionär ...[F] als einen im positiven Sinne dem Mittelstandsdenken verhafteten, langfristig orientierten Unternehmertyp angesehen. Diese Stringenz in der Unternehmensleitung der ...[C] AG sei aufgrund des Endes der Beherrschung durch die Familie ...[F] nicht mehr zu erwarten; vielmehr stehe - was die Klägerin bestreitet - nunmehr bei der faktisch von der ...[C] AG gesteuerten Klägerin der Gedanke des "Shareholder Value" und der Verzicht auf eine langfristig orientierte Unternehmensplanung im Vordergrund.

42

Dieser Gesichtspunkt vermag die Annahme einer "Überfremdung" im Sinne des § 15 des Gesellschaftsvertrags der ...[A] nicht zu begründen. Weder nach dem Wortlaut der Klausel noch unter Berücksichtigung der wohlverstandenen Interessen der Gesellschafter der ...[A] genügt die (vermeintliche) Änderung der Geschäftspolitik der Muttergesellschaft für die Anwendung der Klausel, sofern es an einem Kontrollwechsel fehlt. Hierfür genügt, wie ausgeführt, auch nicht die bloße Möglichkeit, dass sich aus dem Streubesitz heraus eine Gruppe von Aktionären mit beherrschendem Einfluss auf die ...[C] AG bilden könnte.

43

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

44

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

45

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Revisionsgrund nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben ist.

46

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert auf 68.750 € festzusetzen.

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