Endurteil vom Oberlandesgericht München - 21 U 2719/19

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 29.04.2019, Az. 53 O 1107/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird hinsichtlich der Beklagten zu 2) zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht einen Anspruch auf Minderung bzw. Schadensersatz in Höhe des merkantilen Minderwerts sowie einen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden gegen den Verkäufer (der seine Verkäufereigenschaft bestritten hat) und den Hersteller eines vom sogenannten „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeugs geltend. Der Kläger hatte am 11.05.2009 bei der Beklagten zu 1) einen VW Golf GTD 2,0 l TDI für 26.940 € als Neuwagen bestellt, der ihm am 17.04.2010 übergeben wurde. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug am 01.04.19 nach Angaben des Klägers 174.992 km.

Zum Zeitpunkt des Kaufs befand sich in dem Fahrzeug eine Software zur Abgassteuerung, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird. Es wird in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1 geschaltet, einen Stickoxidoptimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist.

Das vom Kraftfahrbundesamt freigegebene Softwareupdate wurde zunächst nicht aufgespielt, in der Berufungsinstanz hat der Kläger allerdings vorgetragen, „das Update sei aufgespielt“ (Schriftsatz vom 07.05.2020, S. 4 = Bl. 711 d.A.).

Mit Schreiben vom 14.11.17 (Anlage K 1a) forderte der Kläger - anwaltlich vertreten - in Ausübung seines Wahlrechts Nachlieferung von der Beklagten zu 1), was diese zurückwies.

Der Kläger ist der Auffassung, gegenüber der Beklagten zu 1) bestehe ein Anspruch aus Gewährleistungsrecht, der nicht verjährt sei, sowie ein vorvertraglicher Schadensersatzanspruch. Die Beklagte zu 2) sei im Rahmen eines deliktischen Schadensersatzanspruches verpflichtet, der Klägerseite einen durch die Abgasmanipulation entstandenen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs von mindestens 25% zu erstatten sowie etwaige weitere Schäden. Die Beklagte zu 2) hätte sittenwidrig gehandelt, es bestehe daher ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. Der Kläger hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er von dem Mangel Kenntnis gehabt hätte.

Die Beklagte zu 1) hat ihre Haftung unter Hinweis auf die mangelnde Verkäufereigenschaft bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben. Sie bestreitet - wie auch die Beklagte zu 2) - unter anderem die Aktivlegitimation des Klägers. Der Kläger sei nicht (mehr) Eigentümer des Fahrzeugs, zudem sei der Wagen kreditfinanziert gewesen.

Die Beklagte zu 2) bestreitet, dass sie - aus welchem Rechtsgrund auch immer - haftbar sei. Sie ist insbesondere der Auffassung, der Kläger habe keinen Schaden erlitten. Die Klage sei bereits deshalb abzuweisen, weil im Falle eines Schadens sowieso nur das negative Interesse verlangt werden könne. Einen Anspruch auf Rückabwicklung mache der Kläger aber nicht geltend. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.04.2019 die Klage abgewiesen und zwar die Anträge zu Ziffern 1. und 3. als unbegründet und den Feststellungsantrag zu Ziffer 2. als unzulässig. Zum Feststellungsantrag habe der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises nicht substantiiert dargelegt, welche Schäden er befürchte. Die Klage sei im übrigen unbegründet. Deliktische Ansprüche würden ausscheiden, da der Kläger seine bestrittene Eigentümerstellung nicht nachgewiesen habe und nach Deliktsrecht der Ersatz eines merkantilen Minderwertes nicht geschuldet sei. Ansprüche gegen die Beklagte zu 1), die sich als Verkäuferin behandeln lassen müsse, seien verjährt.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend gemäß § 540 ZPO auf das Urteil Bezug genommen.

In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er sei der Käufer des Fahrzeugs und damit auch aktivlegitimiert, zudem sei er nach wie vor Eigentümer des Wagens. Ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zu 2) sei nicht zwingend auf Rückabwicklung des Kaufvertrags ausgerichtet. Vielmehr habe der Kläger ein wertgemindertes Fahrzeug erhalten. Dieser Vermögensschaden wäre ohne die Täuschung nicht eingetreten und sei zu ersetzen.

Aus Gewährleistungsrecht bestehe ein Minderungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1). Hinsichtlich der Beklagten zu 1) sei Verjährung noch nicht eingetreten. Ihr sei das Verhalten der Beklagten zu 2) zuzurechnen.

Der Feststellungsantrag sei zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne neben der Minderung auch ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung geltend gemacht werden. Es sei bereits in erster Instanz umfassend vorgetragen worden, dass zukünftig Schäden eintreten können. Das Landgericht habe den Vortrag zu den laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum Entzug der Typengenehmigung nicht berücksichtigt. Außerdem habe die Klagepartei bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass es durch die Manipulation bereits zu Schäden an Fahrzeugen gekommen sei, u.a. an den Dieselpartikelfiltern und den Ventilen. Dies sei auch bei seinem Wagen zu befürchten. Zudem sei der Kläger möglichen Steuernachforderungen ausgesetzt. Zudem wolle sich der Kläger die Möglichkeit einer Rückabwicklung vorbehalten (Bl. 695 d.A.).

Der Kläger beantragt zuletzt,

Das Urteil des LG Ingolstadt vom 29.04.2019, Az. 53 O 1107/18 wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG Ingolstadt zurückverwiesen.

Hilfsweise beantragt er:

Das Urteil des LG Ingolstadt vom 29.04.2019, Az. 53 O 1107/18 wird wie nachfolgend abgeändert.

1. Die Beklagtenparteien werden verurteilt, der Klägerpartei einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs VW Golf 2.0 TDI, FIN: …27 dessen Höhe in das Ermessen des gerichts gestellt wird, jedoch mindestens € 8.564,59 betragen muss, zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenparteien verpflichtet sind, der Klägerpartei Schadensersatz, der über den Minderungsbetrag hinausgeht, zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass das Fahrzeug VW Golf 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: …27) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.

3. Die Beklagtenparteien werden, jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch, verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 2.256,24 freizustellen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) bestreitet weiter die Aktivlegitimation des Klägers und hält an ihrer Einrede der Verjährung fest.

Auch die Beklagte zu 2) hält das Urteil des Landgerichts für zutreffend. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig. Der Kläger könne dasselbe Ziel mit einer Leistungsklage erreichen. Sollte die Klagepartei letztlich doch das Ziel verfolgen, das Fahrzeug an die Beklagte zurückzugeben, stünde ihr hierfür ein Leistungsantrag offen. Zudem drohten Anschlussstreitigkeiten.

In der Sache richte sich der deliktische Schadensersatz ausschließlich auf das negative Interesse. Ein etwaiger Minderwert sei daher nicht erstattbar. Außerdem sieht die Beklagte zu 2) einen Schadensersatzanspruch bereits deshalb für nicht gegeben an, weil dem Kläger ein Schaden nicht entstanden sei. Der Vertragsschluss sei für den Kläger weder wirtschaftlich noch subjektiv konkret nachteilig. Das Update habe keine negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug. Auch habe der Kläger die haftungsbegründende Kausalität nicht hinreichend dargelegt und bewiesen.

Ergänzend wird Bezug genommen auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze. Vergleichsverhandlungen blieben letztlich erfolglos.

II.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich im Ergebnis als zutreffend. Nicht gefolgt werden kann allerdings dem Standpunkt des Landgerichts, wegen fehlender Eigentümerstellung sei der Kläger nicht aktivlegitimiert. Abgesehen davon, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 07.05.2020 den Fahrzeugschein vorgelegt hat, aus dem sich ergibt, dass er Halter des Fahrzeugs ist (was für seine Eigentümerstellung spricht), hat der Senat aufgrund der vorgelegten Anlage K 1 keinen Zweifel daran, dass der Kläger - worauf es maßgeblich ankommt - Vertragspartner des Kaufvertrages über den streitgegenständlichen Wagen war.

Die Klage bleibt dennoch aus nachfolgenden Gründen erfolglos.

1. Berufung hinsichtlich des Antrags zu 1. (Leistungsantrag)

Gegenüber der Beklagten zu 1) ist ein etwaiger Minderungs- oder Schadensersatzanspruch verjährt und gegenüber der Beklagten zu 2) hat der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses.

a. Berufung hinsichtlich der Beklagten zu 1)

Die Beklagte zu 1) bestreitet, Vertragspartnerin des Klägers zu sein. Dafür, dass sie als Verkäuferin aufgetreten ist, spricht die vom Kläger als Anlage K 1 vorgelegte Bestellung des Fahrzeugs. Letztlich kommt es darauf jedoch ebenso wenig an wie auf eine etwaige Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs infolge der Ausstattung mit der bekannten unzulässigen „Umschaltlogik“, weil Gewährleistungsrechte des Klägers jedenfalls verjährt sind. Unstreitig ist die 2-Jahresfrist des § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB längstens abgelaufen. § 438 Abs. 3 BGB ist nicht einschlägig, weil der Beklagten zu 1) ein arglistiges Verschweigen des Mangels gegenüber dem Kläger nicht nachgewiesen werden kann. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Landgerichts Ingolstadt im angegriffenen Urteil wird verwiesen. Soweit der Kläger zur Untermauerung seiner Behauptung, die Beklagte zu 2) sei Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1), ein Urteil des Landgerichts Ingolstadt zitiert, das sich auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 23.03.2017, Az. 3 U 4316/16 bezieht, geht dieser Hinweis fehl. Aus dem Beschluss ergibt sich lediglich, dass der Hersteller im Rahmen der Nachbesserung (Softwareupdate) als Erfüllungsgehilfe des Verkäufers nach § 278 BGB fungiert. Dies ist zutreffend, weil der Hersteller damit zur Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung des Verkäufers gegenüber dem Käufer tätig wird. Hier geht es dagegen um eine andere Frage, nämlich die Frage der Zurechnung eines arglistigen Verhaltens im Rahmen des § 438 BGB. Zwischenzeitlich hat der 3. Senat des Oberlandesgerichts München in einer gleichgelagerten Fallkonstellation Ansprüche gegen einen Händler wegen Verjährung abgelehnt und in diesem Zusammenhang ausgeführt, weswegen sich der Händler ein arglistiges Verhalten der Hersteller bzw. Entwickler nicht zurechnen lassen muss (OLG München, Urteil vom 03.07.19, Az. 3 U 4029/18 - die Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH, Az. VIII ZR 200/19 wurde vom hiesigen Klägervertreter zurückgenommen). Mittlerweile gibt es hierzu auch eine höchstrichterliche Entscheidung. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 09.06.2020, Az. VIII ZR 315/19 eine Zurechnung und damit auch eine Haftung des Händlers nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungsfrist verneint.

Nachdem der Beklagten zu 1) das Verhalten der Beklagten zu 2) nicht zuzurechnen ist, ergibt sich auch kein Anhalt dafür, die Berufung auf die Verjährung als rechtsmissbräuchlich anzusehen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 09.06.2020, Az. VIII ZR 315/19).

Ein vorvertraglicher oder deliktischer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) ist nicht ersichtlich. Ein etwaiges sittenwidriges Verhalten der Beklagten zu 2) ist ihr, wie dargelegt, nicht zuzurechnen.

b. Berufung hinsichtlich der Beklagten zu 2)

Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch aus Delikt in Höhe des behaupteten Minderwertes des Fahrzeugs gegen die Beklagte zu 2).

Der Kläger steht mit der Beklagten zu 2) in keinem Vertragsverhältnis. In Betracht kommen daher nur Ansprüche aus Delikt.

Mit Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, ist grundsätzlich geklärt, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Umschalteinrichtung eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt und das Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch die Beklagte zu 2) eine sittenwidrige Schädigung der Käufer zur Folge haben kann. Dabei greift in Bezug auf die von der Beklagten bestrittenen Kausalität ein Erfahrungssatz zugunsten des Erwerbers, wonach dieser das Fahrzeug bei Kenntnis der unzulässigen Technik und der damit verbundenen Risiken nicht gekauft hätte. Der Schaden des Erwerbers eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ist dabei in der „ungewollten Verbindlichkeit“ in Form des geschlossenen Vertrages zu sehen. Der Käufer kann damit grundsätzlich von der Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Wagens unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich gezogenen Nutzungen verlangen. Dies wäre hier - bei einer Gesamtlaufleistung von ca. 275.000 km und einer Nutzung von mindestens 180.000 km - noch ein Betrag von ca. 9.300 €. Er kann jedoch vom Hersteller keine „Minderung“ verlangen, wie im Rahmen der Gewährleistung von seinem Vertragspartner. Im Falle einer unerlaubten Handlung der Beklagten hat der Kläger nach der Rechtsprechung des BGH nämlich grundsätzlich keinen Anspruch auf das Erfüllungsinteresse (positives Interesse), sondern er kann nur sein negatives Interesse ersetzt verlangen (so ausdrücklich auch BGH vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, Rn. 70). Der Käufer kann deshalb lediglich fordern, so gestellt zu werden, als hätte er den Pkw nicht gekauft (BGH, NJW 2011, 1962, 1963 Rn. 11). Eine Rückabwicklung des Kaufvertrags begehrt der Kläger aber mit den Anträgen zu 1. und 2. nicht. Im Einzelnen:

Ob ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, ist nach der sogenannten Differenzhypothese durch einen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Der nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB oder nach § 826 BGB zum Schadensersatz Verpflichtete hat den Differenzschaden zu ersetzen. Davon zu unterscheiden ist der Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses. Dieses ist zu ersetzen, wenn der Anspruchsinhaber verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob eine Verbindlichkeit ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Regelmäßig besteht nur bei vertraglichen oder vertragsähnlichen Beziehungen die begründete Erwartung der Deckung des Erfüllungsinteresses. Da die deliktische Haftung nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft, stellt sich im Deliktsrecht die Frage nach dem Erfüllungsinteresse als solche nicht (hierzu mit vielen Nachweisen BGH, Urteil vom 18.01.2011, Az. VI ZR 325/09).

Der Kläger kann also - bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen im Übrigen - nur verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er nicht über die Manipulation getäuscht worden wäre, mithin so, als ob er den Kaufvertrag über das Fahrzeug nicht abgeschlossen hätte. Er kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als hätte er einen Vertrag zu einem niedrigeren, den „Mangel“ angemessen berücksichtigenden Preis geschlossen. Einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages hat der Kläger jedoch nicht geltend gemacht. Hier will der Kläger das Fahrzeug behalten und darüber hinaus noch den ihm „aus dem Erwerb entstandenen Schaden“ ersetzt erhalten. In der Sache ist sein Begehren mithin darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als hätte er einen Kaufvertrag über ein nicht manipuliertes Fahrzeug abgeschlossen. Damit beansprucht er aber das Erfüllungsinteresse, denn er möchte im Ergebnis so gestellt werden, als wäre der Vertrag ihm gegenüber ordnungsgemäß erfüllt worden. Ein solcher Anspruch steht ihm gegenüber der Beklagten als Dritter nach den für Ersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß § 249 Satz 1 BGB maßgebenden Grundsätzen der Differenzhypothese nicht zu (wie hier: OLG Karlsruhe, Az. 13 U 670/19; a.A. dagegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.12.2019, Az. 14 U 92/19).

Lediglich bei einer Haftung auf Schadensersatz wegen Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten besteht unter Umständen auch im Drei-Personenverhältnis ein Wahlrecht (zwischen Vertragsaufhebung oder Festhalten am Vertrag) desjenigen, der im Vertrauen auf die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Angaben eines mit ihm vertraglich verbundenen Schädigers enttäuscht wurde und in diesem Zusammenhang eine vertragliche Bindung mit einem Dritten eingegangen ist, vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az. VI ZR 15/14. Die Voraussetzungen für eine Haftung wegen Verletzung (vor-)vertraglicher Pflichten liegen hier indessen nicht vor, weil zwischen dem Kläger und der Beklagten weder ein Vertrag noch ein vertragsähnliches Schuldverhältnis besteht. Eine Haftung der Beklagten insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB) kommt nicht in Betracht, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst hat.

Ein allgemeiner rechtlicher Grundsatz, dem zufolge vertragliche und gesetzliche Haftung stets den gleichen Inhalt haben müssten, existiert nicht. Jeder Anspruch ist nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Durchsetzung selbständig zu beurteilen und folgt seinen eigenen Regeln. Abweichungen von diesem Grundsatz kommen nur ganz ausnahmsweise in Betracht und beschränken sich typischerweise auf Fallgestaltungen, in denen die deliktischen Ansprüche den Zweck einer für den vertraglichen Anspruch geltenden Vorschrift vereiteln und die gesetzliche Regelung im Ergebnis aushöhlen würden, vgl. BGH, Urteil vom 28.10.2014, Az. VI ZR 15/14, Rdnr. 32. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben.

Zwar muss der Differenzschaden nicht notwendigerweise geringer sein als das positive Interesse des Geschädigten an der Vertragserfüllung. Es ist anerkannt, dass die Anwendung der Differenzhypothese in dem Fall, in dem der Geschädigte nachweist, dass er ohne die für den Abschluss des Vertrags ursächliche Täuschungshandlung einen anderen, günstigeren Vertrag abgeschlossen hätte, im Ergebnis das Erfüllungsinteresse verlangen kann, und zwar deswegen, weil der Schaden in diesem Ausnahmefall dem Erfüllungsinteresse entspricht, vgl. BGH, Urteil vom 18.01.2011, Az. VI ZR 325/ 09, Rdnr. 10. Hierzu fehlt jedoch jeglicher Vortrag.

2. Berufung hinsichtlich Antrag 2 (Feststellungsantrag)

Das Landgericht hat zutreffend den Antrag zu 2. als unzulässig zurückgewiesen. Gegenüber der Beklagten zu 1) ist er mangels Anspruchs (s.o. 1.a.) darüber hinaus von vornherein unbegründet.

Die Feststellungsklage ist unzulässig. Mangels Vollstreckbarkeit des Feststellungsurteils in der Hauptsache fehlt das Feststellungsinteresse in der Regel, falls der Kläger sein Leistungsziel genau benennen und deshalb auf Leistung oder Unterlassung klagen kann (MüKo/Becker-Eberhard, ZPO, § 256 Rn. 54). Im vorliegenden Fall betont der Kläger ausdrücklich, dass er sich mit dem Feststellungsantrag die Rückabwicklung des Vertrags vorbehalten will. Nachdem der Antrag, der seinem Wortlaut nach nicht eindeutig ist, in Verbindung mit dem schriftsätzlichen Vortrag auszulegen ist (BGH MDR 2017, 295), ist der Einschub „der über den Minderungsbetrag hinausgeht“ so zu verstehen, dass alle Schäden neben und über die Minderung hinaus, also etwa auch Rückabwicklung, festgestellt werden sollen (zu einschränkender Auslegung s.u. b.).

a. Dann stellt sich hier aber letztlich nicht die Frage des Vorrangs der Leistungsklage, sondern es fehlt bei diesem Antrag bereits an der Feststellung eines Rechtsverhältnisses. Der Kläger macht mit dem Antrag mehrere Rechtsschutzziele geltend und strebt damit letztlich nur eine abstrakte Klärung der Frage einer sittenwidrigen Schädigungshandlung durch die Beklagte zu 2) an, nicht aber eine Feststellung der Schadensersatzpflicht dem Grunde nach. Damit ist Gegenstand der Feststellungsklage aber eine Rechtsfrage und nicht die richterliche Feststellung eines Rechtsverhältnisses. In diesen Fällen ist die Feststellungsklage nicht statthaft (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 5. Aufl. 2016, ZPO § 256 Rn. 4). Im Einzelnen:

Der Kläger hebt hier nicht nur darauf ab, dass er seinen Schaden noch nicht genau benennen könne, sondern betont auf Seiten 3 und 5 der Berufungsbegründung (Bl. 693, 695 d.A.), dass der festzustellende Schadensersatzanspruch auch die Rückabwicklung des Kaufvertrags umfasse. Er will sich also mit dem Feststellungsantrag sämtliche Möglichkeiten offen halten: Mit dem Klageantrag zu 1. will er zunächst gegenüber beiden Beklagten eine gewisse Mindestschadenssumme (bzw. Minderungsbetrag) sicherstellen und sich mittels Feststellungsantrag Weiterungen, insbesondere eine Rückabwicklung des Vertrags gegenüber beiden Parteien vorbehalten. Er legt sich also noch nicht fest, ob er einen merkantilen Minderwert oder eine Rückabwicklung des Vertrages und gegebenenfalls noch weitere Schäden geltend macht. Sein Antrag lässt damit auch unter Berücksichtigung des schriftsätzlichen Vorbringens offen, von welchem Schaden dem Grunde nach der Kläger ausgeht. Insbesondere handelt es sich nicht einfach um einen sich entwickelnden oder einen wahrscheinlich entstehenden Schaden, sondern um verschiedene behauptete Schäden, die unterschiedliche Voraussetzungen und Grundlagen haben. Der Kläger begehrt letztlich nicht die Feststellung einer Schadensersatzhaftung dem Grunde nach, sondern nur der Tatsache, dass die Beklagte eine sittenwidrige Schädigungshandlung (Beeinflussung der Abgasmenge) vorgenommen hat. Dies ist aber eine Rechtsfrage.

Das ergibt sich aus Folgendem: Ein Offenhalten der Wahlmöglichkeit, entweder im Wege des Schadensersatzes „Rückgängigmachung“ der Folgen des geschlossenen Kaufvertrages geltend zu machen oder an dem Vertrag festzuhalten und Entschädigung des enttäuschten Vertrauens zu beanspruchen, hätte unterschiedliche Leistungsziele zum Gegenstand, die eine unterschiedliche Anspruchsbegründung erfordern. Bei der Rückabwicklung trägt der Kläger vor, er hätte das Fahrzeug nicht erworben, wenn er von der Manipulation gewusst hätte, wobei er sich zugleich gezogene Nutzungen anrechnen lassen muss. Will er einen merkantilen Minderwert geltend machen, hält er im Prinzip am Vertrag fest. Der geltend gemachte Schaden ist damit ein anderer, dies gilt auch für weitere zu erwartende Schäden. Wird der Vertrag rückabgewickelt, so sind keine Steuererhöhungen oder noch unbekannte Schäden durch das Update zu befürchten. Letztlich richtet sich die Feststellungsklage des Klägers damit auf zwei unterschiedliche Rechtsschutzziele. Zwar besteht zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis. Der Kläger begehrt aber nicht die Klärung eines bestimmten Rechtsverhältnisses, sondern lediglich einer Vorfrage. Dies ist kein statthafter Gegenstand einer Feststellungsklage.

Der gestellte Feststellungsantrag wäre im Übrigen auch nicht geeignet, Rechtsfrieden herzustellen und weitere Prozesse zu vermeiden, weil gerade die Frage, worin der Schaden liegt, im Einzelnen streitig ist (zur ungewollten Verbindlichkeit nunmehr BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19; zum merkantilen Minderwert etwa OLG München, Beschluss vom 20.01.2020, Az. 21 U 3761/19).

Der Feststellungsantrag kann auch nicht im Interesse des Klägers einschränkend in eine bestimmte Richtung ausgelegt werden, so dass er zulässig wäre. Der Kläger erklärt vorliegend ausdrücklich, dass er sich alle Optionen offenhalten will.

Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass dieses „Offenhalten“ auch nicht mit der vom Kläger beanspruchten Gleichstellung von Kauf- und Deliktsrecht in Einklang zu bringen ist. Denn im Kaufrecht hätte der Kläger sein Wahlrecht, den Wagen zurückgeben zu wollen, bereits bindend ausgeübt. Er hat vorgerichtlich Nachlieferung verlangt (so sein Anspruchsschreiben) und sein Wahlrecht spätestens mit der Geltendmachung einer Minderung im Klagewege ausgeübt. Ein Wechsel auf eine Rückabwicklung ist vertragsrechtlich nach Ausübung des Gestaltungsrechts nicht mehr möglich. Dies würde (bei Bejahung eines Anspruchs auf Ersatz des positiven Interesses) dann auch im Deliktsrecht gelten.

b. Selbst wenn der Feststellungsantrag - wie nicht - einschränkend ausgelegt werden könnte (alles über Minderung hinausgehende ohne Rückabwicklung), wäre seine Zulässigkeit hinsichtlich der möglicherweise drohenden weiteren Schäden problematisch, wie das Landgericht ausgeführt hat. Bei reinen Vermögensschäden, wie sie vorliegend in Rede stehen, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Pflichtverletzung zurückgehenden Schadenseintritts ab; hieran fehlt es, wenn der Eintritt irgendeines (weiteren oder künftigen) Schadens ungewiss ist (s. BGH, NJW 2019, 1332; NJW-RR 2015, 626, 627 Rn. 11; NJW-RR 2016, 1187 Randnummer 43, jew. mwN). Dies ist hier der Fall:

Der Kläger hat trotz Hinweises des Landgerichts vom 05.12.2018 (Bl. 366 ff) nicht substantiiert dargelegt, welche weiteren, heute noch nicht bezifferbaren Schäden, die über die mit Antrag 1. geltend gemachten hinausgehen, zu befürchten sind.

Soweit der Kläger auf drohende steuerliche Schäden abhebt, hat er - auch nach dem Hinweis in erster Instanz - nicht schlüssig dargelegt, welche Steuernachforderungen in seinem Fall drohen. (wie hier OLG Karlsruhe, 13 U 670/19; im Ergebnis anders, wobei der dortige Vortrag hier nicht bekannt ist: OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.01.2020 - I-15 U 18/19; OLG Oldenburg Urteil vom 21. Oktober 2019, Az. 13 U 73/19 -, juris Rn. 27). Zwar hat der Kläger mit der Berufungsbegründung Ausführungen zu Ermittlungen wegen Steuerhinterziehung gemacht, doch sind diese zum einen verspätet, zum anderen wird auch aus diesen Ausführungen nicht ersichtlich, dass der Kläger konkret eine Steuernachforderung zu befürchten hat. Insbesondere lässt sich aus etwaigen Ermittlungen gegen Mitarbeiter der Beklagten (Anlage KB 3 = BS 1) wegen Steuerhinterziehung nach § 370 AO nicht schließen, dass eine Steuernachforderung den betroffenen Fahrzeugeigentümern droht. Hinzu kommt, dass sich, wie die Berufungsbegründung zutreffend ausführt, die Steuer nach § 8 Nr. 1 lit b KraftStG bestimmt. Hubraum und Kohlenmonoxydemission bestimmen sich gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG nach den Feststellungen der Zulassungsbehörde und damit nach der Typengenehmigung. Das Kraftfahrtbundesamt hat aber mit der Rückrufaktion lediglich eine Nebenbestimmung zur Typengenehmigung erlassen. Der Senat teilt insoweit auch nicht die Auffassung des Klägers, wonach die Typengenehmigung „entfallen“ sei (vgl. BayVGH mit weiteren Nachweisen: „modifizierte Typengenehmigung“, BayVGH, Urteil vom 22.10.2019, Az. 11 BV 19.824).

Soweit der Kläger rügt, dass das Erstgericht Klagevortrag zu dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen übergangen habe, und weiter pauschal vorträgt, dass vor dem Verwaltungsgericht Schleswig „offensichtlich weitere Verfahren auf Entzug der Typengenehmigung“ laufen, genügt der Kläger auch mit diesem Vortrag nicht der ihm obliegenden Darlegungslast in Bezug auf konkrete Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (BGH Urteil vom 19.5.2011, Az. VII ZR 24/08). Nachdem der Kläger nunmehr vorgetragen hat, er habe das vom Kraftfahrtbundesamt genehmigte Update aufspielen lassen (S. 4 des Schriftsatzes vom 07.05.2020, Bl. 711 d.A.), droht ohnehin keine Stilllegungsverfügung wegen der ursprünglich verwendeten Technik (mehr) und damit auch keine entsprechenden Kosten (S. 3 der Berufungsbegründung).

Die behaupteten drohenden Schäden am Fahrzeug selbst (Dieselpartikelfilter, AGR-Ventil), die nach dem Vortrag der Klagepartei in erster Instanz drohen, wenn sie das Update aufspielen lässt (S. 10 ff der Klageschrift; Schriftsatz vom 31.10.2018, S. 81 ff = Bl. 250 ff), sind ebenfalls nicht geeignet, ein Feststellungsinteresse zu begründen. Denn der Kläger will das Fahrzeug behalten und seinen Schaden auf Grundlage des Betrages berechnen, um den er das Fahrzeug wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung und damit verbundener Nachteile zu teuer erworben hat. Er verlangt damit wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er das Fahrzeug in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung unter Inkaufnahme des bestehenden Sachmangels günstiger erworben hätte. Hätte der Kläger den Kaufvertrag jedoch wegen der unzulässigen Abschalteinrichtung in Kenntnis, dass das Fahrzeug einem Software-Update mit möglichen nachteiligen Folgen unterzogen werden muss, infolge des gebilligten Mangels zu einem reduzierten Kaufpreis geschlossen, könnte er neben dem mangelbedingten Minderwert nicht Ersatz weiterer Schäden verlangen, die ihm in Folge des Mangels entstehen. Vielmehr wären diese Schäden durch die erzielte Herabsetzung des Kaufpreises ausgeglichen.

Der Feststellungsantrag ist daher unzulässig.

Nach alledem war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung bestimmt sich nach § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war hinsichtlich der Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) zuzulassen. In Richtung der Beklagten zu 1) ist die Rechtslage infolge der Verjährung klar, eine Gefahr abweichender Rechtsprechung besteht nicht. Bei der Beklagten zu 2) gibt es hinsichtlich der „Minderung“ ein abweichendes Grund- und Endurteil des Oberlandesgerichts Stuttgart (OLG Stuttgart, Grund- und Endurteil vom 11.12.2019, Az. 9 U 3/19). Hinsichtlich des Feststellungsantrags wurde jedoch mehrfach bei weitreichender Antragsformulierung ein Feststellungsinteresse bejaht, so etwa OLG Hamm, Urteil vom 01.04.2020, Az. 30 U 33/19. Die Revision war daher bezüglich der Beklagten zu 2) zuzulassen.

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