Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (10. Zivilsenat) - 10 U 26/11 (Hs), 10 U 26/11

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 17. Juni 2011 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Halle, Az: 7 O 127/11, wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist - wie auch das angefochtene Urteil der 7. Zivilkammer (1. Kammer für Handelssachen) des Landgerichts Halle - ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 140.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils des Landgerichts Halle vom 17. Juni 2011 Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt:

2

Die Parteien schlossen am 26. Februar 2010 einen sog. Subdienstleistervertrag, mit dem die Klägerin Lagerdienstleistungen übernahm. Sie hatte insbesondere Waren anzunehmen, zu prüfen, zu lagern, zu kommissionieren und auf Paletten zum Transport vorzubereiten und zu verladen (Ziffer 3.2 Vertrag vom 26. Februar 2010). Die Vergütung erfolgte gemäß Ziffer 6.1 des Vertrages vom 26. Februar 2010 nach „Mengen- und Strukturdaten“ laut Anlage 3. Für das Bereitstellen von Lagerflächen wurde keine Vergütung vereinbart. Dem Vertrag lag die Übernahme von Lagerdienstleistungen durch die Beklagte gegenüber der E. Deutschland GmbH zugrunde. Die Klägerin baute ihre Kühlhalle um. Die Höhe der Investitionen gibt sie mit mehr als 600.000 € an. Beide Seiten gingen bei Vertragsschluss von einer langfristigen Zusammenarbeit aus. Die vereinbarten Preise schrieben sie zunächst bis 31. Mai 2011 fest. Sie vereinbarten, im Oktober 2010 eine Revision der Lagertarife und im November 2010 eine Revision der sogenannten Handlingskosten - der Bearbeitungspreise für Waren - vorzunehmen (Ziffer 6.2.1 Vertrag vom 26. Februar 2010). Einmal jährlich sollten Jahresgespräche zur Überprüfung der Ablauf- und Kostenstruktur und zur Anpassung der Vergütung für das kommende Geschäftsjahr durchgeführt werden. Hierzu wollten die Parteien im 1. Quartal jeden Jahres Gespräche aufnehmen. Jede Partei, die eine Vergütungsanpassung verlangen würde, sollte diese unter Darlegung der Veränderung der Kostenstruktur und sonstiger Faktoren begründen (Ziffer 6.2.2 Vertrag vom 26. Februar 2010). In Ziffer 6.2.3 des Vertrages vom 26. Februar 2010 vereinbarten die Parteien zudem eine außerordentliche Vergütungsanpassung unter folgenden Bedingungen:

3

„a) Bei auf die logistischen Dienstleistungen bezogenen kostenrelevanten Änderungen der gesetzlichen, behördlichen und fiskalischen Rahmenbedingungen, wenn diese kumulierten Auswirkungen einen Einfluss von > 5 % auf die Gesamtkosten haben.

4

b) Bei Strukturveränderungen von mehr als + / - 15 %, ausgehend von den in der Anlage 3 bei Vertragsabschluss festgelegten Strukturen.“

5

Gemäß Ziffer 7.1 war der Vertrag erstmals mit einer Frist von sechs Monaten zum 31.Mai 2012 kündbar. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien in Ziffer 7.2 und 7.3 außerordentliche Kündigungsrechte wie folgt:

6

„7.2 außerordentliche Kündigungsrechte für beide Parteien

7

Unbeschadet anderweitiger im Vertrag vereinbarter Kündigungsrechte haben beide Parteien in folgenden Fällen das Recht, den Vertrag außerordentlich zu kündigen.

8

a) wenn wesentliche Veränderungen in der Eigentümerstruktur eines der Vertragspartner auftreten, die nachweislich den Geschäftsinteressen des jeweils anderen Vertragspartners zuwiderlaufen.

9

b) wenn bei einem der Vertragspartner Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird. Beide Vertragsparteien werden sich im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht frühzeitig bei absehbarer drohender Insolvenz informieren.

10

c) Bei Verstoß gegen wesentliche Vertragspflichten steht das Recht zur außerordentlichen Kündigung einem Vertragspartner nur dann zu, wenn eine zweimalige schriftliche Abmahnung des jeweils anderen Vertragspartners erfolgt ist. Zwischen der ersten und der zweiten Abmahnung muss eine Frist von sechs Wochen liegen. Außerdem muss die Abmahnung konkret die Nichterfüllung oder Schlechterfüllung der vertraglichen Leistungen bezeichnen und eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen. Die Abmahnung(en) sind entbehrlich, wenn dem anderen Vertragspartner die Erfüllung seiner Vertragspflichten insgesamt oder teilweise aus einem von ihm zu vertretenden Grund unmöglich ist, oder er die Erfüllung endgültig verweigert.

11

7.3. Außerordentliches Kündigungsrecht für G.

12

G. hat neben den in Ziffer 7.2 genannten Rechten,

13
bei mindestens dreimaliger, durch T. verschuldeter Abweichung in Höhe von mindestens 3 % einzelner im Pflichtenheft vereinbarter Qualitätskennziffern innerhalb eines Geschäftsjahres von G., die die Vertragsparteien gemeinsam zur Bewertung der Qualität der von T. erbrachten Logistikleistungen festgelegt haben, das Recht, zu kündigen, wenn die nach schriftlicher Mahnung und angemessener Fristeinräumung seitens G. von T. eingeleiteten Gegenmaßnahmen keinen Erfolg zeigen. Bei durch T. später verschuldeten Abweichungen von 10 % und mehr hat G. die Möglichkeit zu kündigen, ohne Einhaltung von Fristen.
14
Wegfall der wirtschaftlichen Grundlage zwischen G. und E. “.

15

Am 13. Dezember 2010 erklärte die Beklagte gegenüber der Klägerin die außerordentliche Kündigung des Vertrages mit Wirkung zum 28. Februar 2011. Hilfsweise kündigte sie ordentlich mit Wirkung zum 31. Mai 2012. Zur Begründung führte die Beklagte aus, ihre Geschäftsbeziehung zur E. Deutschland GmbH werde mit Wirkung zum 28. Februar 2011 einvernehmlich enden. Die wirtschaftliche Grundlage des Subdienstleistervertrages der Parteien entfalle damit i.S. Ziffer 7.3. Die Klägerin widersprach mit anwaltlichem Schreiben vom 14. Dezember 2010 der außerordentlichen Kündigung. Die bloße Beendigung des Vertragsverhältnisses der Beklagten mit der E. Deutschland GmbH ließe nur die rechtliche nicht aber die wirtschaftliche Grundlage entfallen. Die Klägerin bot ihre Leistungen über den 28. Februar 2011 hinaus an. Die Beklagte wies mit anwaltlichem Schreiben vom 22. Dezember 2010 den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Subdienstleistervertrag zwischen den Parteien sei ausschließlich zur Erfüllung des Vertrages der Beklagten mit der E. Deutschland GmbH geschlossen worden, weshalb die Parteien auch das außerordentliche Kündigungsrecht nach Ziffer 7.3 vereinbart hätten.

16

Die Klägerin forderte die Beklagte auf, vom 01.10.2010 bis 28.02.2011 neuen Lagertarifen und vom 01.11.2010 bis 28.02.2011 neuen Bearbeitungspreisen für die Abrechnung zuzustimmen.

17

Sie begehrte erstinstanzlich die Feststellung, dass der Subdienstleistervertrag über den 28.02.2011 hinaus bis zur ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit am 31.05.2012 fortbestehe und zwischen den Parteien vom 01.10.2010 bis 28.02.2011 neue Lagertarife und vom 01.11.2010 bis 28.02.2011 neue Bearbeitungspreise für Waren für die Abrechnung gelten würden, die sie jeweils bezifferte. Darüber hinaus hatte die Klägerin für das Vorhalten von Flächen die Zahlung von 62.500 € geltend gemacht. Insoweit hatte sie vor Erhebung der Zahlungsklage zunächst begehrt, festzustellen, dass zwischen den Parteien für die Abrechnung von Bewirtschaftungsflächen im Umfang von 2.500 qm ab dem 1.10.2010 jeweils 5,00 € gelten würden. Die Beklagte sei häufig mit den Transporten in Verzug geraten, weshalb kommissionierte Aufträge zwischenzulagern gewesen seien.

18

Mit dem am 17. Juni 2011 verkündeten Urteil hat die 7. Zivilkammer des Landgerichtes Halle die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klage auf Feststellung der Fortdauer des Subdienstleistungsvertrages habe keinen Erfolg, weil der Vertrag durch die Beklagte gemäß Ziffer 7.3. Abs. 2 wirksam zum 28. Februar 2011 gekündigt worden sei. Die sprachlich unvollständige Regelung in Ziffer 7.3., 2. Abs. des Vertrages sei dahin auszulegen, dass der Beklagten bei Wegfall der wirtschaftlichen Grundlage zwischen ihr und der E. Deutschland GmbH ein außerordentliches Kündigungsrecht gegenüber der Klägerin eingeräumt worden sei. Dies setze nicht voraus, dass die Geschäftsgrundlage des Vertrages zwischen der Beklagten und der E. Deutschland GmbH entfallen sein müsse. Die Formulierung sei dahin zu verstehen, dass die wirtschaftliche Grundlage des Vertrages der Parteien die Vertragsverhältnisse zwischen der Beklagten und der E. Deutschland GmbH seien und dass bei deren Wegfall der Beklagten ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen sollte. Hiernach entfalle nach dem Wortlaut der Vereinbarung die wirtschaftliche Grundlage zwischen G. und E. bei jedem Ende dieser Beziehung unabhängig davon, ob es von der E. Deutschland GmbH oder von der Beklagten oder durch andere Umstände herbeigeführt worden ist. Auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage komme es nicht an. Hätte die Klägerin diesen Rechtsbegriff verwenden wollen, hätte sie sich nach Ansicht des Landgerichts hier seiner bedienen müssen. Auch aus § 313 Abs. 1 BGB ergebe sich nichts anderes. Die klägerische Auslegung halte die Kammer auch nach den sprachlichen Gepflogenheiten des Geschäftslebens für nicht zutreffend. Auch aus dem Sinn der Regelung folge nichts Abweichendes. Die Beklagte habe sich mit dem außerordentlichen Kündigungsrecht eine auch gegenüber der Klägerin nicht missbräuchliche Handlungsfreiheit gegenüber der E. Deutschland GmbH gewahrt. Zudem habe die Beklagte sich so vor der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen aus ihrer Vertragsbeziehung mit der E. Deutschland GmbH gegenüber der Klägerin geschützt. Jedenfalls für den Transportvertrag der Beklagten mit der E. Deutschland GmbH habe auch eine Vertraulichkeitsabrede bestanden. Die Klägerin habe zudem ihr behauptetes Investitionsvolumen auch bis zur ersten Möglichkeit der ordentlichen Vertragskündigung nicht in vollem Umfang erwirtschaften können. Sie habe schlicht auf eine längere Vertragsdauer gehofft. Im Wege der Vertragsautonomie hätten die Parteien den Ausgleich ihrer widerstreitenden Interessen unter Einbeziehung sämtlicher vertraglicher Regelungen aushandeln müssen. Gemäß Ziffer 7.4 Satz 2 des Vertrages hätte die Beklagte mit sofortiger Wirkung kündigen können. Erst recht habe sie mit Wirkung zum 28. Februar 2011 kündigen dürfen.

19

Die Klägerin könne für die Monate Oktober 2010 bis Februar 2011 auch keine Anhebung der Tarife verlangen. Nach der Kündigung sei die Beklagte nicht mehr zur Aufnahme von Verhandlungen über die Revision von Teilsegmenten der Tarife verpflichtet gewesen. Ziel der Vereinbarung in Ziffer 6.2.1 Abs. 2 des Vertrages sei es, langfristigen Preisentwicklungen zu begegnen, nicht aber durch kleinteilige Abänderungen von Tarifen für vier, fünf Monate Preise zu ändern. Zudem sei die Beklagte auch ohne Kündigung insoweit nur zur Aufnahme von Verhandlungen verpflichtet. Über die Verpflichtung zu einer Prüfung der Angemessenheit von Tarifen hinaus ergebe sich aus Ziffer 6.2.1 Abs. 2 des Vertrages keine Handlungspflicht hinsichtlich konkreter Tarifänderungen. Weder die systematische Einbettung der Vertragsregelung in den gesamten Vertragstext noch der Vergleich mit den übrigen vertraglichen Vereinbarungen ergebe eine konkrete Zustimmungspflicht der Beklagten aus Ziffer 6.2.1 Abs. 2 des Vertrages. Es lasse sich insoweit zwischen „harten“ Regelungen mit relativ konkret formulierten Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine bestimmte Tarifänderung und „weichen“ vor allem kommunikationsfördernden Regelungen unterscheiden. In Ziffer 6.2.3 des Vertrages werde deutlich formuliert, welche Schwellenwerte überschritten werden müssten, damit nach dem Verständnis der Parteien eine Anpassung der Vergütung verlangt werden könne. Aus der dort geregelten unbedingten Handlungspflicht ergebe sich, dass bei den übrigen nur kommunikationsfördernden Regelungen keine Verpflichtung zur Vergütungsanpassung bestehe. Durch diese „harten“ Regelungen seien die Parteien hinreichend geschützt.

20

Aus denselben Gründen habe auch der Zahlungsantrag keinen Erfolg. Der insoweit neue Tatsachenvortrag der Klägerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09. Juni 2011 sei gemäß § 296 a ZPO nicht zu berücksichtigen. Selbst wenn dies schon in der Verhandlung so vorgetragen worden wäre, rechtfertige dies keine andere Entscheidung, da der Vortrag jedenfalls nicht ausreichend konkret sei, um die Höhe des geltend gemachten Anspruches nachvollziehen zu können.

21

Die Erwägungen des Landgerichts zur Vertraulichkeit trügen nicht, da die Beklagte durch Offenlegung der Interna zur E. gegenüber der Klägerin keine Nachteile erleiden würde, da das Vertragsverhältnis dann ja ohnehin beendet sei und die Klägerin keinen Nutzen mehr ziehen könne. Zudem führe gerade die Verwendung des Begriffs der „wirtschaftlichen Grundlage“ zu Nachfragen hinsichtlich der konkreten Umstände der Beendigung. Insoweit sei es ersichtlich naheliegender, dass die Parteien dann auf die bloße Vertragsbeendigung abgestellt hätten. Auch könne nicht auf den Transportvertrag abgestellt werden, da Grundlage des Vertragsverhältnisses der Parteien die Lagerdienstleistungen seien.

22

Auch das Abstellen des Landgerichtes auf die Befristung des Vertrages überzeuge nicht. Nur weil bei einer ordentlichen Kündigung zum frühesten Zeitpunkt noch keine Vollamortisation der Anfangsinvestitionen erfolgt wäre, könne der Klägerin nicht das berechtigte Interesse an mindestens einer Teilamortisation abgesprochen werden. Beide Seiten hätten eine langfristige und partnerschaftliche Zusammenarbeit angestrebt. Die Umbauarbeiten seien ausschließlich auf die von der Beklagten gestellten Anforderungen zurückgegangen. Außer der Beklagten habe nur ein weiterer Kunde bei Vertragsbeginn Waren in der Kühlhalle der Klägerin gelagert. Der Vertrag mit der Beklagten sei für die Amortisation der Kühlanlage bedeutsam gewesen.

23

Die Auslegung des Vertrages, die das Landgericht vornehme, führe zu Widersprüchen. Die Beklagte habe gegen die vertraglich übernommene Verpflichtung zur partnerschaftlichen langfristigen Zusammenarbeit verstoßen, indem sie ohne Not die Zusammenarbeit mit der E. Deutschland GmbH beendet habe. Die vertraglichen Regelungen zum außerordentlichen Kündungsrecht sprächen dafür, dass die Wahrnehmung des Rechts zur außerordentlichen Kündigung nicht gleichzeitig einen Verstoß gegen das Gebot zur kooperativen Zusammenarbeit darstellen dürfe. Alles spräche dafür, dass die Beklagte schlicht kein Interesse mehr an der Vertragsbeziehung zur E. Deutschland GmbH gehabt habe und bei ihrem Vorgehen die Interessen der Klägerin völlig unberücksichtigt gelassen habe. Darüber hinaus habe das Landgericht übersehen, dass es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, das Vertragsverhältnis ordentlich zu kündigen.

24

Bezüglich der Preisanpassungsklauseln verkenne das Landgericht die Konzeption im Vertrag. Ziffer 6.2.3 des Vertrages betreffe einen gänzlich anderen Sachverhalt, nämlich die objektive Änderung von Kostenpositionen oder Strukturveränderungen im Laufe des Vertragsverhältnisses, während die Regelung in Ziffer 6.2.1 keine dauerhaft anwendbare Regelung für nachträglich eintretende Änderungen, sondern eine ausschließlich für den Beginn des Vertragsverhältnisses vorgesehene einmalige Anpassung darstelle. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 21. Oktober 2010, Anlage B 4, vorgerichtlich den Anpassungsanspruch der Klägerin anerkannt, indem sie mitgeteilt hatte, es sei davon auszugehen, dass es sich bei einer Revision nur um eine geringfügige Anpassung handeln könne. Selbst eine Vertragsbeendigung zum 28. Februar 2011 unterstellt, stünde der Klägerin ein Anspruch auf Preisanpassung bezüglich der Lagertarife für vier und bezüglich der Handlingskosten für drei Monate zu. Folge man der gegenteiligen Auffassung des Landgerichts, würde die Beklagte noch einen wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen, dass sie das Vertragsverhältnis außerordentlich zum 28. Februar 2011 beendet hat. Wäre die Beklagte vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ihrer Vertragspflicht zur Preisanpassung nachgekommen, stünde der Klägerin der Erhöhungsbetrag unzweifelhaft zu.

25

Das Landgericht habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör bezüglich des Aufwendungsersatzes für Bereitstellungsflächen verletzt. Bereits im Termin habe der Klägervertreter erklärt, dass der Aufwendungsersatzanspruch losgelöst von der Preisanpassung zu erfolgen habe, da der Subdienstleistungsvertrag der Parteien eine Regelung zur Vergütung von Bewirtschaftungsflächen nicht enthalte. Der Schriftsatz vom 09. Juni 2011 habe keinen neuen Tatsachenvortrag enthalten, sondern nur das mündliche Tatsachenvorbringen wiedergegeben. Es wäre Sache des Gerichts gewesen, denselben zu protokollieren. Ein Hinweis, dass weiteres Vorbringen erforderlich wäre, sei nicht erfolgt. Für die Bereitstellung von Flächen für Zwischenlagerungen wegen verspäteter Abholungen durch die Beklagte seien vertraglich keine Regelungen getroffen worden. Statt der vereinbarten 500 m² Kommissionierungsfläche für den Warenausgang seien der Beklagten durch die Klägerin monatlich 3.400 m² zur Verfügung gestellt worden. Für 2.500 m² mache sie je m² mtl. 5 € für die Monate Oktober 2010 bis Februar 2011 mithin insgesamt 62.500 € geltend. Auf den Bereitstellungsflächen seien fertig kommissionierte Verkaufspaletten bis zum Eintreffen der dauerhaft verspäteten Lkw der Beklagten zwischengelagert worden. Der Anspruch erwachse aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag.

26

Die Klägerin beantragt,

27

das Urteil des Landgerichts Halle vom 17. Juni 2011 abzuändern und

28
1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien am 28.02.2010 abgeschlossene Subdienstleistervertrag über den 28.02.2011 hinaus bis zur ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit am 31.05.2012 fortbesteht;
29
2. festzustellen, dass zwischen den Parteien vom 01.10.2010 bis 28.02.2011 folgende neuen Lagertarife und vom 01.11.2010 bis 28.02.2011 folgende neue Bearbeitungspreise für Waren für die Abrechnung gelten:

30

a) Bearbeitungspreise für Waren für die Abrechnung

31

- Wareneingang und Warenausgang pro Palette: 5,70 €

- Lagenkommissionierung: 2,40 €

- Umkartonkommissionierung: 0,26 €

- Verkaufspalettenkommissionierung: 2,15 €

32

b) Lagertarife

33

Lagergeld pro Palette: 5,70 €

34
3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 62.500 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25.05.2011 zu zahlen.

35

Die Beklagte beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Sie stützt sich im Wesentlichen auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der Vertrag und seine Anlagen seien in der Zeit von Juli 2009 bis Februar 2010 zwischen den Beteiligten in mehreren Treffen im Einzelnen ausgehandelt worden. Eine Verpflichtung zum Ersatz von Investitionskosten sei zwischen den Parteien vertraglich nicht vereinbart worden. Die Klägerin habe in dem Kühllager Regionallager Süd auch Aufträge anderer Kunden abgefertigt. Sie habe auf ihr Risiko das komplette Lager mit einer Kühlanlage ausgestattet, weshalb in Ziffer 3.1 des Vertrages die Beklagte der Einlagerung von Waren anderer Auftraggeber zugestimmt habe. Im Dezember 2010 habe die Zeugin H. für die Beklagte nur erklärt, dass die von der Klägerin geforderten Preiserhöhungen und die zu Grunde liegenden Kalkulationen geprüft würden. Ein Anerkenntnis habe hierin nicht gelegen. Die Beklagte habe nie behauptet, dass der Vertrag durch die E. Deutschland GmbH gekündigt worden sei. Vielmehr habe sie von Anfang an deutlich gemacht, dass die Geschäftsbeziehung zur E. Deutschland GmbH mit Wirkung zum 28. Februar 2011 einvernehmlich beendet werde. Die Vertragsregelung in Ziffer 7.3 sei eindeutig. Zudem habe selbst eine ergänzende Vertragsauslegung Vorrang vor § 313 BGB. Zur Substantiierung des Aufwendungsersatzanspruches sei es jedenfalls erforderlich, vorzutragen, an welchen Tagen im Interesse der Beklagten aufgrund von Transportverzögerungen welche zusätzlichen Lagerflächen zur Verfügung gestellt werden mussten. Der der Berechnung zugrunde gelegte pauschalierte Quadratmeterpreis sei nicht angemessen.

38

Im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Der Senat hat die Klägerin bezüglich der Feststellungsbegehren jeweils auf Zulässigkeitsbedenken hingewiesen. Darüber hinaus hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass ihr Vortrag zum Zahlungsanspruch nicht hinreichend substantiiert ist. Der Klägerin wurde hierzu Schriftsatznachlass bis zum 3. August 2012 gewährt, wovon die Klägerin fristgerecht Gebrauch gemacht hat.

II.

39

Die zulässige Berufung ist im Ergebnis nicht begründet.

40

1. Die Klage auf Feststellung, dass der zwischen den Parteien am 28. Februar 2010 geschlossene Subdienstleistervertrag über den 28. Februar 2011 hinaus bis zur ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit am 31. Mai 2012 fortbesteht, ist nicht zulässig. Die Klägerin hat kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung i.S. § 256 Abs. 1 ZPO. Hierauf hat der Senat hingewiesen.

41

Zwar kann gemäß § 256 Abs. 1 ZPO Klage auf Feststellung des Fortbestands eines Vertragsverhältnisses erhoben werden. Hierbei muss es sich aber grundsätzlich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handeln (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256, Rn 3a). Das streitgegenständliche Rechtsverhältnis ist unstreitig nicht gegenwärtig. Ein vergangenes Rechtsverhältnis kann indes nur dann Gegenstand einer Feststellungsklage sein, wenn sich hieraus noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder die Zukunft ergeben (vgl. BAG, Urteil vom 15.12.1999, Aktenzeichen: 5 AZR 457/98, NZA 2000, 775; Zöller-Greger, ebenda, m.w.N). Dies gilt auch, wenn das Rechtsverhältnis während des Rechtsstreits erlischt (BAG, Urteil vom 05.11.2003, Aktenzeichen: 4 AZR 632/02, MDR 2004, 817). Andernfalls sind derartige Klagen unzulässig (BAG, Urteil vom 06.05.2003, Aktenzeichen: 1 AZR 340/02, NZA 2003, 1422). Es war Sache der Klägerin, darzutun, welche Rechtsfolgen sich für die Gegenwart oder die Zukunft aus der Frage, ob das Vertragsverhältnis bis zum 31. Mai 2012 fortbestand, herleiten. Hierzu hat die Klägerin auch nach Hinweis des Senats im nachgelassenen Schriftsatz vom 1. August 2012 nicht vorgetragen.

42

Die gegenwärtigen oder zukünftigen Rechtsfolgen ergeben sich auch nicht unmittelbar aus dem Vertrag. Zwischen den Parteien bestand ein Lagervertrag i.S. §§ 467 HGB ff. Gemäß Ziffer 3.2 des Vertrages oblagen der Klägerin die „üblichen Aufgaben eines Lagerdienstleisters“. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass ihr auch dann eine Vergütung oder ein Schadenersatzanspruch zustehen sollte, wenn die Beklagte keine Waren zur Lagerung und Kommissionierung übergibt. Dies ergibt sich auch nicht von vornherein aus der Vergütungsregelung in Ziffer 6 des Vertrages. Die zur Akte gereichte Anlage 3 „Modul 2 - Betreibung Lager“ war gemäß Ziffer 6.1. Satz 2 des Vertrages Grundlage der Rechnungslegung. Der Inhalt dieser Anlage 3 aber spricht für eine Abrechnung nach der Zahl der gelagerten Paletten und bzgl. der Kommissionierung nach der Anzahl der Umkartons und Displays (Verkaufspaletten). Zwar hat die Klägerin sich in Ziffer 3.4 des Vertrages verpflichtet, für die Beklagte im Regionallager Süd West für die Dauer des Vertrages bis zu 12.000 Europalettenplätze vorzuhalten. Eine gesonderte Vergütung hierfür vereinbarten die Parteien indes nicht. Vielmehr sollte bei einem Absinken des Jahresmittels unter 6.000 Europaletten die Klägerin eine teilweise Freigabe der 12.000 Europalettenplätze verlangen können, um die Wirtschaftlichkeit des Vertrages wieder herzustellen. Nach der Kündigung der Beklagten stand fest, dass keine Palettenplätze mehr beansprucht würden. Die Klägerin begründet ihr Feststellungsbegehren auch nicht z.B. dahin, dass sie unabhängig von der Inanspruchnahme ihrer Leistungen einen Vergütungsanspruch oder wegen der Nichtinanspruchnahme einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte hätte, den sie noch nicht beziffern könnte.

43

Enthält ein Lagerhaltungs- und Logistikvertrag keine anderweitigen Abreden, kann der Lagerhalter Entgelte auch nur für die Güter verlangen, die er tatsächlich eingelagert hat (vgl. LG München I, Urteil vom 22.12.2005, Aktenzeichen: 3HK O 9954/05, 3 HKO 9954/05, TranspR 2007, 82-83). Mangels eines von der Leistungserbringung unabhängigen Vergütungsanspruchs ist ohne Sachvortrag nicht ersichtlich, welche Rechtsfolgen sich aus der von der Klägerin begehrten Feststellung des Fortbestehens des Subdienstleistervertrages über den 28. Februar 2011 hinaus bis zur ersten ordentlichen Kündigungsmöglichkeit am 31. Mai 2012 noch ergeben könnten. Unstreitig erbrachte die Klägerin über den 28. Februar 2011 hinaus keine Lagerdienstleistungen mehr für die Beklagte. Eine Mindestauslastung hatte die Beklagte gegenüber der Klägerin nach dem Vertragsinhalt nicht garantiert. Die Klägerin war nach der Kündigung des Vertrages durch die Beklagte zum 28. Februar 2011 auch nicht mehr zum Vorhalten von Palettenplätzen oder von Personal verpflichtet. Allein die Nichtinanspruchnahme der klägerischen Leistungen begründet nach dem klägerischen Vortrag noch keinen Anspruch. Auf eine rechtliche Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung ohne ein berechtigtes Interesse aber hat die Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO keinen Anspruch.

44

2. Auch für die Klage auf Feststellung, dass zwischen den Parteien vom 01.10.2010 bis 28.02.2011 neue Lagertarife und vom 01.11.2010 bis 28.02.2011 neue Bearbeitungspreise für Waren für die Abrechnung gelten, fehlt es nach dem Sachvortrag der Klägerin an dem erforderlichen rechtlichen Interesse i.S. § 256 Abs. 1 ZPO, worauf der Senat die Klägerin hingewiesen hat. Insoweit stehen der Klägerin bessere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung (Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 256, Rn 7a). Die Klägerin hat auch nicht dargetan, dass insoweit schon das Feststellungsurteil zwischen den Parteien zu einer endgültigen Streitbeilegung führen könnte. Die erneute Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung des Leistungsanspruches kann daher nicht ausgeschlossen werden (Zöller-Greger, a.a.O., Rn 8). Es gilt der Vorrang der Leistungsklage. Die Klägerin erklärt nicht, weshalb sie insoweit nicht auf Leistung beantragt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ihr nicht zuzumuten wäre, ihren Anspruch zwischenzeitlich zu beziffern. Die Lagerungen und Kommissionierungen sind unstreitig vollständig abgeschlossen. Soweit sie zur Zeit der Klageerhebung am 23. Februar 2011 noch nicht beendet gewesen sein mögen, ist das Feststellungsinteresse jedenfalls mit Ablauf des 28. Februar 2011 entfallen. Eine teilweise Erledigungserklärung ist indes auch insoweit nicht erfolgt.

45

3. Die Berufung ist auch erfolglos, soweit der Zahlungsanspruch abgewiesen worden ist. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im nachgelassenen Schriftsatz vom 1. August 2012 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Anspruch auf Zahlung von 62.500 € zu. Der Anspruch erwächst weder aus Vertrag noch aus Gesetz. Für die Bereitstellung von Bewirtschaftungsflächen haben die Parteien unstreitig vertraglich keine gesonderte Vergütung vereinbart. Der Klägerin steht für das Bereitstellen von 2.500 qm in der Zeit von Oktober 2010 bis Februar 2011 kein Anspruch in Höhe von 5 € je qm - monatlich mithin 12.500 € - aus diesem Vertrag zu. Der Anspruch erwächst auch weder aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß § 683 BGB, wie die Klägerin meint, noch aus Verzug oder einer anderen Anspruchsgrundlage.

46

Soweit die Klägerin vorträgt, der Anspruch erwachse daraus, dass „über die üblichen (ausreichenden) Abstellflächen, die man für eine Zwischenlagerung bis zur nächsten Abholung benötigt, hinaus“ mindestens weitere 2.500 qm Bewirtschaftungsflächen für die Beklagte zur Verfügung gestellt werden mussten, um den „Rückstau“ kommissionierter, transportfertiger Paletten aufzufangen, ist der Vortrag nach wie vor nicht hinreichend substantiiert. Es genügt nach dem Bestreiten der Beklagten nicht, zu erklären, dass die Beklagte nicht in dem Umfang kommissionierte Paletten bei der Klägerin abgeholt habe, wie sie Kommissionierungsaufträge an die Klägerin gegeben habe und dass hierdurch fortlaufend ein Überhang an kommissionierten Paletten entstanden sei, der eine Fläche von mindestens 2.500 qm in Anspruch genommen hätte, weil sich die LKW der Beklagten verspätet hätten. Die Beklagte hat bestritten, die Abholung verzögert und das Unterstellen fertig kommissionierter Ware an anderen Relationsplätzen verursacht zu haben.

47

Hiernach lässt sich nicht feststellen, dass und ggf. in welchem Umfang die Klägerin wegen verspäteter Abholungen der Waren im mutmaßlichen Interesse der Beklagten wirtschaftliche Aufwendungen erbracht hat, ohne hierzu vertraglich verpflichtet gewesen zu sein. Auch ein zu ersetzender Verzugsschaden lässt sich nicht feststellen. Hierzu hätte es mindestens eines Vortrages dazu bedurft, wodurch die Beklagte ggf. jeweils in Verzug geraten ist oder wann, in welchem Umfang und wie die Klägerin die Beklagte jeweils mit der Abholung der fertig kommissionierten Ware in Verzug gesetzt hat. Die Klägerin legt auch nicht dar, welche Vereinbarungen die Parteien für die Abholung der Waren getroffen hatten, wann die Beklagte die Paletten jeweils abzuholen hatte und in welchem Umfang sie nach Ansicht der Klägerin die Abholung vertragswidrig verzögert hat (§ 304 BGB). Es wäre zudem die konkrete Anzahl und Dauer der jeweils einzulagernden Paletten zu benennen gewesen. Nach alledem ist auch ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der üblichen Lagerkosten i.S. §§ 354 Abs. 1 HGB iVm. 304 BGB oder auf Ersatz von Aufwendungen gemäß § 693 BGB für die Verwahrung fertig kommissionierte Ware nicht ersichtlich. Mangels hinreichenden Sachvortrages trotz Hinweises des Senates hatte eine Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen hierzu zu unterbleiben. Eine Beweisaufnahme wäre insoweit auf eine unzulässige Ausforschung hinaus gelaufen.

III.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Ziffer 10 iVm. 711 ZPO n.F. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG, 3 ZPO.

49

Die Revision wird nicht nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugelassen, da der Rechtssache weder eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).


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