Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Senat für Familiensachen) - 8 UF 177/12

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 3 wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Schönebeck vom 20. Juni 2012 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (Entgeltpunkte), Versicherungsnummer ..., zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 2,2641 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.06.2001, übertragen.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.770,80 EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

Gründe

I.

1

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht über den zuvor nach § 2 Abs. 1 S. 2 VAÜG i. V. m. § 628 (a. F.) ZPO abgetrennten und ausgesetzten öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich entschieden und im Hinblick darauf, dass der ursprüngliche Antragsteller als insgesamt Ausgleichspflichtiger nach Rechtskraft der Scheidung verstorben ist, angeordnet, dass vom Versicherungskonto des Antragstellers 2,7026 Entgeltpunkte (Ost) auf das Konto der Antragsgegnerin zu übertragen seien und ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Beteiligten Ziffer 2 nicht stattfinde.

2

Gegen diese ihr am 28.06.2012 zugestellte Entscheidung wendet sich die Beteiligte Ziffer 3 mit ihrer am 11.07.2012 beim Familiengericht eingegangenen Beschwerde. Sie beanstandet, dass auf dem Versicherungskonto des Antragstellers lediglich ein Ausgleichswert von 2,5744 Entgeltpunkten (Ost) zur Verfügung stehe und demnach nicht 2,7026 Entgeltpunkte (Ost) übertragen werden könnten. Der Ausgleich müsse daher über das Westanrecht des Antragstellers erfolgen.

II.

3

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 4 Satz 1 FGG-RefG, §§ 50 Abs. 1 Ziffer 2, 48 Abs. 2 Ziffer 1 VersAusglG das seit dem 01.09.2009 geltende materielle und Verfahrensrecht anzuwenden.

4

Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig und auch sachlich gerechtfertigt.

5

Da der Antragsteller nach Rechtskraft der Ehescheidung aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich nach den §§ 9 bis 16 VersAusglG verstorben ist, sind lediglich seine Anrechte auszugleichen; denn die Erben des Verstorbenen haben keinen Anspruch auf Wertausgleich gegen den überlebenden (früheren) Ehegatten. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass der überlebende (frühere) Ehegatte besser gestellt wird, als wenn der Versorgungsausgleich in ursprünglicher Form durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Im Ergebnis werden somit Anrechte des Verstorbenen nur in dem Umfang auf den überlebenden (früheren) Ehegatten übertragen oder begründet, wie sich zu dessen Gunsten eine Ausgleichsbilanz im Falle des Gesamtausgleichs ergeben hätte.

6

Nach diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht zutreffend einen Ausgleichsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe eines Kapitalwertes von 23.647,66 DM bzw. 12.090,85 EUR ermittelt:

7

Die geschiedenen Ehegatten haben nach Auskunft der Versorgungsträger während der Ehezeit folgende Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben

8

der Ehemann:  

- 12,7336 EP (Ausgleichswert 6,3668 EP, korresp. Kapitalwert 66.498.96 DM)
- 2,5744 EP Ost (Ausgleichswert 1,2872 EP Ost, korresp. Kapitalwert 11.262,75 DM)

die Ehefrau:

- 12,3692 EP Ost (Ausgleichswert 6,1846 EP Ost, korresp. Kapitalwert 54.114,05 DM).

9

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin ein Anrecht bei dem Beteiligten Ziffer 2 (dem Kommunalen Versorgungsverband Sachsen-Anhalt, Zusatzversorgungskasse) mit einem Ehezeitanteil von 12,92 und einem Ausgleichswert von 6,46 Versorgungspunkten erworben, die einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.987,43 DM entsprechen.

10

Soweit das Amtsgericht bei seiner Vergleichsberechnung nach § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG die Vorschrift des § 18 Abs. 2 VersAusglG angewendet und das (geringwertige und nicht gleichartige) Anrecht bei dem Beteiligten Ziffer 2 ausgenommen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Nach Auffassung des Senats ist bei der Frage, ob im Vergleich zum „normalen“ Wertausgleich unter Lebenden eine Besserstellung eintritt, angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG eine Alternativberechnung durchzuführen und zu prüfen, wie der Ausgleich bei Anwendung der §§ 9 bis 19 VersAusglG durchzuführen gewesen wäre und zu welchem Ergebnis dies geführt hätte. Ein Ausgleich nach § 31 VersAusglG ist an dieser Alternativberechnung auszurichten und der Anspruch auf den Betrag zu begrenzen, den der Berechtigte auch bei einem Gesamtausgleich im Ergebnis als Überschuss bekommen hätte. Dabei ist auch § 18 VersAusglG zu berücksichtigen. Denn der Ausgleich wäre in dem Umfang nicht durchgeführt worden, wie Bagatellanrechte ausgenommen worden wären, wodurch das tatsächliche Ausgleichsergebnis (im Sinne des zu ermittelnden Überschusses) ersichtlich beeinflusst wird. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang die Versorgungsträger bei einem Ausgleich nach § 31 VersAusglG mit Aufwand belastet werden, kommt es nicht an (so aber OLG Hamm im Hinblick auf Sinn und Zweck des § 18 VersAusglG, NJW-RR 2011, 1376; wie hier wohl OLG Brandenburg, FamRZ 2011, 1299 und OLG Dresden, MDR 2011, 566).

11

Der Antragsteller hat während der Ehezeit insgesamt Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Kapitalwert von 77.761,71 DM erworben, die Antragsgegnerin in Höhe von 54.115,05 DM. Die Differenz der Kapitalwerte beträgt demnach 23.647,66 DM bzw. 12.090,85 EUR.

12

Allerdings kann für einen Ausgleich in diesem Umfang nicht das Ostanrecht des Antragstellers herangezogen werden. Insofern beanstandet die Beschwerdeführerin zu Recht, dass lediglich ein Wert von 2,5744 Entgeltpunkte (Ost) zur Verfügung steht (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG), so dass der Ausgleich in Entgeltpunkten vorzunehmen ist. Dabei ergibt sich bei Ansatz eines Umrechnungsfaktors von 0,0000957429 ein Wert von 2,2641 EP.

13

Da das Anrecht der Antragsgegnerin bei dem Beteiligten Ziffer 2 nicht nach § 18 VersAusglG sondern nur mittelbar gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG unberück-sichtigt bleibt, findet § 224 Abs. 3 FamFG keine Anwendung.

III.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewertes auf § 50 Abs. 1 Satz 2 FamGKG; der Wert orientiert sich an der Festsetzung des Amtsgerichts, die von den Beteiligten nicht angegriffen wurde.

IV.

15

Im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen in der Rechtsprechung zur Anwendung des § 18 VersAusglG im Rahmen des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG ist die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, § 70 Abs. 1 und 2 FamFG.


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