Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 U 40/12
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.02.2012 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte bleibt verurteilt, an die Klägerin 348.509,12 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 7.467,50 € seit dem 16.01.2006 und auf weitere 341.041,62 € seit dem 04.04.2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 48 % und die Beklagte 52 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000 €.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 281.183,92 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
- 1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Architektenhonorar.
- 2
Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Vertrag vom 28.06.2000 mit Architektur- und Ingenieurleistungen für den Umbau des Rathauses in A. samt Innenhofgestaltung. Nach Abschluss der Architektenleistung hat die Klägerin der Beklagten unter dem 25.09.2006 eine Schlussrechnung erteilt, die mit einer offenen Restforderung von 403.545,08 € endete. Die Schlussrechnung vom 25. September 2006 ging der Beklagten am 01.10.2006 mit einer Fristsetzung zur Zahlung bis zum 31.10.2006 zu. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.12.2006 hat die Klägerin die Beklagte erneut zur Zahlung aufgefordert. Am 23.02.2007 erteilte die Klägerin unter dem Datum „25.09.2006/23.02.2007“ eine von ihr als solche bezeichnete „Honorarschlussrechnung – Neuberechnung“, die bei einem Gesamthonorar von 1.369.100,50 € abzüglich geleisteter Abschlagszahlungen und angerechneter Schadenspositionen als offenen Forderungsbetrag noch einen Rest von 357.075,55 € aufwies.
- 3
Auf Grundlage dieser Schlussrechnung erhob die Klägerin am 26.03.2007 Klage auf Zahlung von 393.130,88 € nebst Zinsen. Diese Hauptforderung setzte sich zusammen aus dem Schlussrechnungsbetrag von 357.075,55 € und mehreren gesonderten Forderungen aus weiteren Rechnungen für Zusatzleistungen über insgesamt 34.053,83 €. Die Klage wurde der Beklagten am 03.04.2007 zugestellt.
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Nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch die Kammer und Einholung eines Sachverständigengutachtens vom 15.04.2011 über die Höhe des angemessenen Honorars berechnete die Klägerin ihre Honorarforderung neu und erteilte am 19.05.2011 eine neue Schlussrechnung über einen Restbetrag von nunmehr 672.313,79 €. Auf dieser Grundlage erhöhte die Klägerin ihre Klage mit Schriftsatz vom 07.06.2011, zugestellt am 19.06.2001, um 281.183,92 € auf 672.313,30 € nebst Zinsen und außergerichtlicher Kosten.
- 5
Die Beklagte bestritt die Höhe der Honorarforderung, rechnete hilfsweise mit Gegenansprüchen auf und erhob hinsichtlich der Klageerweiterung die Einrede der Verjährung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten, einschließlich der erstinstanzlichen Anträge der Parteien und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung vom 22.02.2012 Bezug genommen.
- 7
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 629.693,04 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf Grundlage des eingeholten Gutachtens hat die Kammer ein Resthonorar von 664.712,44 € als berechtigt angesehen. Da die Klägerin aber, so die Kammer, wegen einer Hilfsaufrechnung gegenüber den Schadensersatzforderungen der Beklagten mit einem Teilbetrag von 34.053,83 € aus der Schlussrechnung vom 19.05.2011 letztlich nur einen Betrag von 638.259,47 € als Klageforderung geltend gemacht habe, sei von dieser geringeren Summe auszugehen. Hiervon hat das Landgericht zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzansprüche der Beklagten in Höhe von 16.033,93 € in Abzug gebracht und einen weiteren Vergütungsanspruch der Klägerin wegen eines Zusatzauftrages in Höhe restlicher 7.467,50 € (Lichtplanung) addiert. So kam die Kammer zu der zugesprochenen Gesamtsumme von 629.693,04 €.
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Das Landgericht hat die Ansicht vertreten, die Mehrforderung aus der neuen Schlussrechnung vom 19.05.2011 sei nicht verjährt. Die Verjährung beginne erst mit der Erstellung dieser neuen Schlussrechnung, da die Klageforderung zuletzt auf dieser Schlussrechnung vom 19.05.2011 beruhe. Die Existenz der alten Schlussrechnung stehe dem nicht entgegen. So werde auch bei einer Klage auf Vorschusszahlung eines bestimmten Betrages zur Mängelbeseitigung die Verjährung bezüglich eines noch nicht mit der Klage geltend gemachten höheren Betrages aufgrund der erst deutlich später endgültig bekannt gewordenen und sachlich zutreffenden Beseitigungskosten gehemmt, obwohl die Verjährung der ursprünglich eingeklagten Forderung ohne Hemmung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB im Zeitpunkt der Klageerhebung vollendet gewesen wäre. Das Landgericht vertritt deshalb die Auffassung, die Hemmungswirkung in Folge der Klageerhebung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfasse auch den noch nicht mit der Klage geltend gemachten höheren Betrag, wenn der Anspruchsgrund gleich bleibe und die eingeklagte Forderung sich auf das gesetzliche Mindesthonorar aufgrund des Architektenvertrages beziehe.
- 9
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Urteil des Landgerichts nur teilweise anficht. Sie vertritt zunächst die Auffassung, in erster Instanz sei bis zuletzt unklar geblieben, woraus sich tatsächlich die erhobene Klageforderung zusammensetze. Dem klägerischen Vortrag sei nicht zu entnehmen, inwieweit in der Klagesumme nunmehr Architektenhonorar aus dem Hauptauftrag und andererseits Honorar aus drei weiteren Aufträgen enthalten sein solle. Ferner meint die Beklagte, das Landgericht hätte berücksichtigen müssen, dass die Honorarforderung aus dem Architektenvertrag vom 28.06.2000 im Zuge der erklärten Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen zu 16.033,93 EUR erloschen sei. Die Aufrechnung sei bereits gegen die Forderung aus der Schlussrechnung vom 25.09.2006 über 357.075,55 EUR erklärt worden.
- 10
Im Wesentlichen stützt die Beklagte ihr Rechtsmittel auf die Einrede der Verjährung. Nach wie vor ist sie der Ansicht, alle Mehrforderungen, die die Klägerin erst 2011 geltend gemacht habe, seien verjährt. Denn unabhängig von der Frage, wie hoch das Mindesthonorar nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich zu bemessen sei, habe die vorliegende Klage die Verjährung der Honorarforderung nur in der geltend gemachten Höhe von 357.075,55 EUR gehemmt. Der darüber hinausgehende Betrag von 281.183,92 € aus der Schlussrechnung vom 19.05.2011 hätte, so meint die Beklagte, der Klägerin wegen Verjährung nicht zugesprochen werden dürfen. Richtigweise führe das Landgericht zwar aus, dass sich auch im Hinblick auf Architektenhonorarforderungen der Verjährungsbeginn laut § 8 HOAI a.F. mit der Fälligkeit bestimme. Fälligkeitsvoraussetzung sei aber neben der vertragsgemäßen Leistungserbringung nur die Überreichung einer prüffähigen Honorarschlussrechnung. Mit der ursprünglichen Honorarschlussrechnung vom 25.09.2006/23.02.2007 sei daher eine Fälligkeit der gesamten, zu diesem Architektenvertrag gemäß den Regelungen der HOAI angemessenen Honorarforderung eingetreten. Damit habe die Verjährung des Anspruchs insgesamt – gleich in welcher Höhe er letztlich begründet sei – begonnen. Wenn nach Verjährungseintritt eine weitergehende Forderung erhoben werde, so meint die Beklagte, unterliege der übersteigende Differenzbetrag keiner Hemmung durch die ursprüngliche Klage.
- 11
Die Beklagte beantragt,
- 12
das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 22.02.2012 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 348.509,12 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 7.467,50 € seit dem 16.01.2006 und auf weitere 341.041,62 € seit dem 04.04.2007 zu zahlen, und die Klage im Übrigen abzuweisen.
- 13
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
- 15
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und akzeptiert ausdrücklich die vom Landgericht vorgenommenen Abzüge in Höhe von insgesamt 42.620,26 €.
- 16
Sie sieht die Voraussetzungen einer Verjährung nicht als erfüllt an. Da der im Berufungsverfahren noch verbliebene Betrag von 281.183,92 € auf der Schlussrechnung vom 25.09.2006/23.07.2007 über 357.075,55 € beruhe, sei mit Zustellung der Klage die Verjährung dieser noch streitigen Forderung gehemmt. Aber auch dann, wenn man von der gesamten Restforderung über 672.313,79 € aus dem Hauptvertrag laut Schlussrechnung vom 19.05.2011 ausgehe, sei Verjährung nicht eingetreten. Denn zuvor habe die Klägerin nicht wissen können, wie hoch ihr Honoraranspruch tatsächlich sei. Der Anspruch auf das höhere Honorar sei daher erst nach Kenntnis vom Gutachten des Sachverständigen entstanden und alsbald im Wege der Klageerhöhung geltend gemacht worden. Zu Recht sei das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin an die alte Schlussrechnung nicht gebunden sei. Die Klägerin sei daher auch im Jahre 2011 nicht gehindert gewesen, eine neue Schlussrechnung zu erteilen, durch die erst die Fälligkeit der erweiterten Klage ausgelöst worden sei.
B.
- 17
Die Berufung der Beklagten ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
I.
- 18
Eine unzulässige Teilklage, die einer Entscheidung über die Begründetheit der verbliebenen Klageforderung entgegenstehen könnte, sieht der Senat allerdings im Gegensatz zu der Beklagten nicht.
- 19
Die Klageforderung von zuletzt 672.313,30 €, besteht nach den insoweit eindeutigen und maßgeblichen Erklärung der Klägerin in erster Instanz, zuletzt vom 13.01.2012, aus einem erstrangigen Teil der Schlussrechnungsforderung vom 19.05.2011 und im Übrigen aus den ursprünglichen Zusatzforderungen, die auch nicht in die Schlussrechnung vom 25.09.2006/23.02.2007 eingeflossen waren. Dass die Klägerin mit dem verbleibenden Rest der Schlussrechnungssumme in Höhe von 34.053,83 € wohl hilfsweise gegen Schadensersatzansprüche der Beklagten aufrechnen wollte, und die Kammer möglicherweise verkannt hat, dass der (zweitrangige) Restbetrag aus der Schlussrechnung vom 19.05.2011 damit zumindest hilfsweise hätte Streitgegenstand werden können, bedarf im Berufungsverfahren keiner Entscheidung. Denn die Klägerin hat kein Rechtsmittel eingelegt und die Abzüge der Kammer ausdrücklich anerkannt.
- 20
Hinsichtlich des erstrangigen Teilbetrags aus der Schlussrechnung vom 19.05.2011 ist zwar zweifelhaft, ob die darin enthaltene Mehrforderung verjährt ist. Dies ist aber eine Frage der Begründetheit der verbliebenen Klageforderung. Eine hinreichende Bestimmtheit als Zulässigkeitsvoraussetzung ist jedenfalls im Berufungsverfahren zu bejahen, da über alle Nebenansprüche, die u.U. zu Abgrenzungsproblemen führen könnten, durch das Landgericht rechtskräftig entschieden wurde.
II.
- 21
Die Klage aus § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1 HOAI a.F. ist unbegründet, soweit sie 348.509,12 € übersteigt.
- 22
Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede steht der Klageforderung aus dem streitgegenständlichen Hauptvertrag vom 28.06.2000 entgegen, soweit sie über den Betrag der ursprünglichen Klage von 357.075,55 € hinausgeht. Der Senat teilt nicht die Rechtsauffassung des Landgerichts, die Verjährung habe erst nach Erteilung der Schlussrechnung vom 19.05.2011 (erneut) begonnen.
- 23
1. Für das Schuldverhältnis der Parteien gilt das BGB in der vor dem 01.01.2002 geltenden Fassung (Art. 229 § 5 EGBGB). Die HOAI gilt in der Fassung von 1996 (§ 103 Abs. 1 und 6 HOAI).
- 24
2. Die Verjährungsfrist beträgt zwei Jahre, höchsten drei Jahre, je nachdem ob man die alte oder neue Verjährungsfrist anwendet.
- 25
Von dem o. g. Grundsatz, dass gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB auf die am 1.1.2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche bereits das neue Verjährungsrecht Anwendung findet, regeln Art. 229 § 6 Abs. 3 und 4 EGBGB Rückausnahmen, die unter bestimmten Voraussetzungen zur Geltung des früheren Verjährungsrechts führen. Nach Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB kommt es für die Frage, ob die alten oder die neuen Verjährungsfristen anzuwenden sind, auf einen Fristenvergleich an, der dazu dient, das gesetzgeberische Prinzip des Vorrangs der früher vollendeten Verjährung zu verwirklichen. Dies gilt auch für den Fall, dass der Anspruch am Stichtag des Gesetzes, dem 01.01.2002, mangels Fälligkeit noch nicht bestanden hat. Zwar bezieht sich der Wortlaut des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB nur auf Ansprüche, die am 01.01.2002 bereits entstanden waren. Um solche Ansprüche handelt es sich hier nicht, da der Zahlungsanspruch erst mit der Schlussrechnung fällig geworden ist. Damit ist jedoch die Anwendung des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB und auch des Abs. 3 dieser Vorschrift nicht ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 19.1.2005 - VIII ZR 114/04; Urteil vom 26.10.2005 - VIII ZR 359/04) ist die Regelung des Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB über die Geltung des neuen Verjährungsrechts für Ansprüche aus vor dem 1.1.2002 entstandenen Schuldverhältnissen nicht auf die am 01.01.2002 bereits bestehenden Ansprüche beschränkt, sondern erstreckt sich - erst recht - auf solche Ansprüche, die nach dem 01.01.2002 entstanden sind (vgl. LG Osnabrück, BauR 2007, 160). Der streitgegenständliche Honoraranspruch wird also sowohl von Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB als auch von Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB erfasst, so dass die kürzere zweijährige Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F. maßgeblich ist. Zum Anwendungsbereich des § 196 Abs. 1 Nr. 7 BGB a.F. gehören auch Honorarforderungen von Architekten (vgl. BGHZ 59, 165).
- 26
3. Mit Zugang der Schlussrechnung vom 25.09.2006 begann die Verjährungsfrist zu laufen.
- 27
a) Für die Beurteilung des Verjährungsbeginns gilt § 199 BGB n.F., denn gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 1 EGBGB findet auf die am 01.01.2002 bestehenden und noch nicht verjährten Ansprüche bereits das neue Verjährungsrecht Anwendung. Die Verjährungsfrist beginnt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F. mit Entstehen der Forderung. Bei Architektenhonorarforderungen wie der vorliegenden ist die Forderung entstanden, wenn sie gem. § 8 HOAI a.F. fällig geworden ist. Dies ist mit Erstellen einer Schlussrechnung der Fall, mit der Folge, dass die Verjährung ab diesem Zeitpunkt beginnt (vgl. BGH, Baurecht 2001, 1610; OLG Frankfurt, Urteil vom 09.12.2004 - 1 U 278/03 -; BGH, Baurecht 2004, 316 und NJW-RR 2004, 445, 446). Auf die Höhe oder die Richtigkeit der Schlussrechnungsforderung kommt es dabei nicht an, nicht einmal auf deren Prüffähigkeit. Der Eintritt der Fälligkeit des Honoraranspruchs des Architekten setzte zwar nach der früheren Rechtsprechung des BGH grundsätzlich eine prüffähige Schlussrechnung voraus (vgl. BGH, BauR 1991, 489 f. m.w.N.). Später hat der BGH seine diesbezügliche Rechtsprechung geändert. Danach beginnt die Verjährung einer auf eine nicht prüffähige Honorarschlussrechnung gestützte Forderung spätestens, wenn die Frist von zwei Monaten abgelaufen ist, ohne dass der Auftraggeber substantiiert Einwendungen gegen die Prüffähigkeit vorgebracht hat (BGH, NJW-RR 2004, 445, 448; vgl. auch OLG Bremen, NJW-RR 2009, 1510 ff.). Im vorliegenden Fall liegen diese Voraussetzungen schon mit der ersten Schlussrechnung vor. Selbst wenn man deren Prüffähigkeit in Zweifel ziehen wollte und außerdem den Verjährungsbeginn von der Prüffähigkeit abhängig machen wollte, wären auch diese strengeren Anforderungen spätestens mit der Korrektur vom 23.02.2007 erfüllt.
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b) Auch die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB n.F. liegen vor, denn bei Erteilung der Schlussrechnung kannte die Klägerin die Umstände, die den Anspruch begründen und die Person der Schuldnerin. Erforderlich ist insofern nur die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen. Nicht erforderlich ist, dass der Gläubiger diese tatsächlichen Umstände zutreffend rechtlich beurteilt oder bewertet (vgl. BGH, NJW 2008, 1729; ZIP 2008, 1268; Palandt-Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 199 Rdn. 27 m.w.N.). Ein Irrtum insoweit hindert den Verjährungsbeginn nicht (vgl. BGH NJW 2007, 830, NJW-RR 2005, 1148; ZIP 2008, 1538). Andernfalls könnte etwa ein Architekt die Verjährung seines abgerechneten Honoraranspruchs unbegrenzt der Verjährung entziehen, indem er sich darauf beruft, seinen Anspruch falsch berechnet oder bewertet zu haben. Der Verjährungsbeginn hängt deshalb auch nicht von einer behördlichen Rechnungsprüfung (vgl. dazu BGH, NJW 2008, 2427) oder - wie hier - gar dem Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung der erteilten Rechnung ab. Die Klägerin, die alle maßgeblichen tatsächlichen Umstände für die Berechnung ihres Honorars kannte, kann sich daher nicht darauf berufen, sie habe erst durch das Gutachten des Landgerichts erkannt, in welcher Höhe ihre Forderung begründet sei.
- 29
4. Die Verjährungsfrist trat also im vorliegenden Fall mit dem Schluss des Jahres 2006 in Lauf, in dem erstmals eine prüffähige Schlussrechnung vorlag. Stellte man auf die Korrektur dieser Rechnung am 23.07.2007 ab, so hätte spätestens mit Ablauf des Jahres 2007 die zweijährige Verjährung begonnen. Am 31.12.2008, spätestens aber am 31.12.2009 ist daher die Honorarforderung der Klägerin verjährt, soweit nicht durch die zuvor erhobene Klage eine Hemmung eingetreten war.
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Selbst wenn man den obigen Ausführungen zur Anwendbarkeit der alten Verjährungsfrist (s.o. B. II. 2.) nicht folgen wollte und von der dreijährigen Frist des § 195 BGB n.F. ausginge, wäre auch diese nach jeder Alternative spätestens am 31.12.2010 abgelaufen und hätte durch die Klageerweiterung vom 07.06.2011 nicht mehr gehemmt werden können. Letztlich kommt es daher nicht darauf an, ob die alte zweijährige oder die neue dreijährige Frist gilt.
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5. Die vorliegende Klage hat die Honorarforderung der Klägerin, soweit sie auf dem Vertrag vom 28.06.2000 beruht, nur in dem eingeklagten Umfang von 357.075,55 € gehemmt.
- 32
a) Wird nur ein Teil eines einheitlichen Anspruches eingeklagt, wird die Verjährung auch nur insoweit gehemmt (vgl. OLG Hamm, IBR 2012, 253). Sind nicht alle Abrechnungsmöglichkeiten ausgeschöpft und kann auch während eines Prozesses daraus die Honorarforderung noch erhöht werden, besteht diese Möglichkeit der nachträglichen Erhöhung einer Honorarforderung nicht unbegrenzt, sondern nur innerhalb der Verjährungsregelungen ab Fälligkeit der Honorarforderung (vgl. OLG Hamm, Baurecht 2009, 1325). Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist sowohl für den Umfang einer Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB als auch für den Umfang der Rechtskraft der den prozessualen Anspruch bildende Streitgegenstand maßgebend, der durch den Klageantrag und den zu seiner Begründung vorgetragenen Lebenssachverhalt bestimmt wird (vgl. BGH, NJW 2009, 1950). Die Grenzen einer Hemmung der Verjährung sind grundsätzlich mit denen der Rechtskraft kongruent. Wird nur ein Teil eines einheitlichen Anspruchs eingeklagt, wird die Verjährung auch nur insoweit gehemmt und die Rechtskraft beschränkt sich auf diesen eingeklagten Teilbetrag. Dies gilt auch, wenn für die Beteiligten nicht erkennbar war, dass nur ein Teil eingeklagt wurde. Von diesem Grundsatz sind zwar Ausnahmen zugelassen. Allein die Ungewissheit des Ausgangs einer Beweisaufnahme reicht insofern aber nicht aus (vgl. BGH, a.a.O., insoweit allerdings nur für Werklohn nach VOB entschieden; desgl. OLG Hamm, IBR 2012, 253.)
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b) Das Landgericht ist dagegen der Auffassung, eine bezifferte Honorarklage, die auf einer prüffähigen Schlussrechnung beruht, jedoch aus Unkenntnis unter dem Mindestsatzhonorar lag, könne auch nach Verjährungseintritt noch erhöht werden.
- 34
Dafür gibt es nach Ansicht des Senats keine Grundlage. Die Rechtsprechung, auf die das Landgericht seine Meinung scheinbar stützt (z.B. BGH, BauR 2007, 586; OLG Köln, NJW-RR 1999, 1109 ff. und OLG Hamm, BauR 2009, 1325 ff.), betrifft nicht die Verjährung einer Honorarforderung, sondern nur die Frage der Bindungswirkung einer Schlussrechnung, die auch schon vor Verjährung eintritt und mit der Verjährung nicht gleichgesetzt werden darf. Denn die Durchbrechung der Bindungswirkung einer erteilten Schlussrechnung mit dem Argument unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) macht die ursprüngliche Rechnung nicht gegenstandslos oder unwirksam und kann insbesondere die seit wirksamer Rechnungserteilung laufende Verjährung nicht aushebeln.
- 35
Mit anderen Worten: Die Klägerin mag aus unterschiedlichen Gründen berechtigt sein, im Laufe des Prozesses ihre ursprüngliche Klageforderung auf eine neue Rechnung zu stützen. Wenn die Beklagte aber die Einrede der Verjährung erhebt, bleibt der Klageanspruch auch mit der neuen Rechnung auf den Betrag beschränkt, der vor Ablauf der Verjährungsfrist rechtshängig gemacht wurde.
- 36
Soweit das Landgericht zur Begründung seiner gegenteiligen Entscheidung eine Parallele zu einer Klage auf Vorschusszahlung bezieht, ist darauf zu verweisen, dass es hier nicht um einen Vorschuss, sondern um eine abschließende Honorarabrechnung nach Beendigung des Auftrages und Verjährungseintritt geht. Die Vorschusszahlung beinhaltet entgegen einer Honorarabrechnung in sich gerade die Vorläufigkeit mit dem Zwang zu nachträglicher Abrechnung. Schon deshalb entfällt beim Vorschuss eine spätere Bindung an die Vorschusshöhe. Eine abschließende Honorarforderung ist daher mit einem Vorschussanspruch nicht gleichzusetzen (siehe dazu BGHZ 66, 139 und 147).
- 37
Indem das Landgericht mit Sinn und Zweck der Verjährung argumentiert, verkehrt es diesen letztlich in sein Gegenteil. Folgte man der Ansicht des Landgerichts, könnte ein Architekt nach Jahr und Tag eine abgerechnete und voll bezahlte Honorarforderung schlicht dadurch der längst eingetretenen Verjährung entziehen, dass er behauptet, die Mindestsätze seien unterschritten worden, und mit dieser Begründung eine neue, höhere Schlussrechnung erteilt. Rechtsfrieden könnte in solchen Fällen also gerade nicht eintreten.
- 38
Mit der Beklagten ist der Senat daher der Auffassung, dass ein Mindesthonorarschutz und die grundsätzliche Möglichkeit der Nachforderung eines entsprechend höheren Honorars nur innerhalb der Verjährungsfrist gegeben ist.
IV.
- 39
Soweit die Ansprüche der Klägerin aus Nachträgen und Zusatzaufträgen durch das Landgericht abgewiesen wurden, ist mangels Anschlussrechtsmittel Rechtskraft eingetreten. Dies gilt ferner für die in Höhe von 16.033,93 € zugesprochenen, aber auch für die im Übrigen abgelehnten, gemäß §§ 387, 389 BGB zur Aufrechnung gebrachten Gegenforderungen der Beklagten, die ebenfalls von keiner der Parteien angegriffen wurden.
- 40
Die begründete Klageforderung ist daher, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, wie folgt zu berechnen:
- 41
Unverjährte Forderung auf Grund Hemmung in entsprechender Höhe:
357.075,55 €
abzgl. begründete Aufrechnung:
- 16.033,93 €
zuzügl. Resthonorar Lichtplanung
+ 7467,50 €
Gesamt:
348.509,12 €
- 42
Die Argumentation der Beklagten zur fehlerhaften Anrechnung ihrer Aufrechnungsforderungen allein auf die Schlussrechnung vom 19.05.2011 entspricht der vom Senat geteilten Ansicht, dass es auf die ursprüngliche Schlussrechnung ankommt. Eine eigenständige Bedeutung hat dieser Berufungseinwand nach Ansicht des Senats aber wohl nicht. Denn das Landgericht hat die Schadensersatzansprüche nicht etwa übersehen, sondern hat die Aufrechnungsposten korrekt abgezogen (s. S. 21 des LG-Urteils, letzter Absatz). Die Kammer hat lediglich – aus ihrer Sicht folgerichtig – den Abzug von der Klageforderung insgesamt vorgenommen. Die unterschiedliche Anknüpfung beim Abzug wirkt sich aber nicht zum Nachteil der Beklagten aus, nicht einmal hinsichtlich der Zinsen, denn diese wurden vom Landgericht unter Abzug der Aufrechnung zugesprochen, als wenn die Aufrechnung schon bei der ersten Rechnungslegung abgezogen worden wäre.
C.
- 43
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO.
- 44
Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 sowie 543, 544 Abs. 1 ZPO. Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Sowohl die Frage, wann die Verjährung eines Architektenhonorars beginnt, als auch die Frage, in welchem Umfang eine erhobene Honorarklage die Verjährung hemmt, ist höchstrichterlich geklärt.
- 45
Die Festsetzung des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO.
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