Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Senat für Familiensachen) - 8 UF 110/14 (VA), 8 UF 110/14

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Weißenfels vom 08.04.2014, Aktenzeichen 5 F 197/13 S, wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Beschwerdewert beträgt 1.000,00 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligten haben dem Amtsgericht beiderseitig die Scheidung ihrer Ehe angetragen. Das Amtsgericht holte Auskünfte der beteiligten Vorsorgungsträger ein und übersandte diese sowie den Entwurf der beabsichtigten Entscheidung zum Versorgungsausgleich, der u. a. die externe Teilung des zugunsten der Antragstellerin bestehenden Anrechts bei der M. Lebensversicherung AG vorsah, den Beteiligten zum Zwecke rechtlichen Gehörs. In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht erklärten die Verfahrensbevollmächtigten der beteiligten Ehegatten, dass keine Einwände gegen die Auskünfte und die beabsichtigte Entscheidung bestünden. Auf beiderseitigen Scheidungsantrag hat das Amtsgericht durch Verbundbeschluss vom 08.04.2014 die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Nachdem das Familiengericht den Verbundbeschluss verkündet hatte, gaben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu Protokoll folgende Erklärung ab:

2

„Wir verzichten auf das Rechtsmittel der Beschwerde, das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde, Anträge nach § 147 FamFG sowie auf eine schriftliche Begründung des Scheidungsausspruches gemäß § 38 FamFG.“.

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Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Amtsgerichts vom 08.04.2014 (Bl. 34 d. A.) wurde diese Erklärung vorgespielt und genehmigt.

4

Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, dass die Beschwerde zulässig sei, weil sich der erklärte Rechtsmittelverzicht nur auf die Ehesache bezogen habe.

II.

5

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig, weil der von ihr erklärte Rechtsmittelverzicht wirksam ist, § 67 Abs. 1 FamFG und sich offensichtlich auf sämtliche Teile der Verbundentscheidung bezieht (BGH, NJW-RR 2007, 145).

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Die Erklärung des Rechtsmittelverzichts gegenüber dem Gericht ist eine Verfahrenshandlung, deren Inhalt und Tragweite vom Senat aus der gebotenen objektiven Sicht (BGH, FamRZ 1981, 947; FamRZ 1986, 1089) zu beurteilen ist, wobei die wechselseitigen Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen sind.

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Bedenken, die gegen die Wirksamkeit der Erklärung sprechen könnten, werden von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Er ist insbesondere im Gesetzessinne nach Bekanntgabe des Beschlusses, d.h. hier nach der Verkündung, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. §§ 339 Abs. 1, 310 Abs. 1 S. 1, 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, u. a. durch mündliche Bezugnahme auf die Beschlussformel, vgl. § 142 Abs. 3 FamFG, erfolgt. Außerdem enthält das Protokoll gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i. V. m. § 162 Abs. 1 S. 1 ZPO den Vermerk, dass die Aufzeichnungen insoweit vorgelesen und genehmigt worden sind, ohne dass dies indessen Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts wäre (BGH, FamRZ 1984, 372).

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Auch der Umstand, dass die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nach allgemeiner Auffassung (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 67, Rn 9) voraussetzt, dass der Inhalt der Entscheidung und der Umfang der Beschwer bereits feststellbar ist, ist hier erfüllt. Es lag nicht nur der gefasste Tenor der vom Amtsgericht getroffenen Entscheidung im Zeitpunkt ihrer Verkündung am 08.04.2014 vor, sondern den Beteiligten war bereits am 24.02.2014 der vollständige Entwurf der beabsichtigten Entscheidung zur Kenntnis gebracht worden, ohne dass die Antragstellerin (bzw. der Antragsgegner und die Versorgungsträger) Bedenken dagegen erhoben hätte. Mithin stand der Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses unabänderlich fest.

9

Der von der Antragstellerin erklärte Rechtsmittelverzicht ist als umfassender Verzicht auf Rechtsmittel gegen die Verbundentscheidung auszulegen. Die Beteiligten haben nach dem unstreitigen Wortlaut des Rechtsmittelverzichts nicht nur auf das Rechtsmittel der Beschwerde, sondern auch auf das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde und die Stellung eines Antrages nach § 147 FamFG verzichtet. Während der Verzicht auf Anschlussrechtsmittel noch sinnvoll erscheinen kann, wenn sich beide Verzichtserklärungen auf den Scheidungsausspruch beschränken, lässt sich aus dem gleichzeitigen Verzicht auf Anträge nach § 147 FamFG eindeutig entnehmen, dass die Erklärungen der Beteiligten auch die allein mit entschiedene Folgesache des Versorgungsausgleichs umfasst. Denn dieser Verzicht hätte für den Scheidungsausspruch keinen Sinn, wenn dieser nach Verzicht auf Beschwerde und Anschlussbeschwerde nach § 144 FamFG ohnehin bereits rechtskräftig geworden wäre.

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Schließlich unterschied sich die objektive Interessenlage der Beteiligten hinsichtlich des Scheidungsausspruchs und der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nicht wesentlich. Ein Rechtsmittelverzicht gegen den Scheidungsausspruchs war nachvollziehbar, weil die Beteiligten länger als ein Jahr voneinander getrennt lebten und wechselseitige Scheidungsanträge gestellt hatten. Gleiches gilt für den Versorgungsausgleich, gegen dessen Grundlagen die Antragstellerin weder nach Vorliegen des Entscheidungsentwurfes des Gerichts noch in der mündlichen Verhandlung vom 08.04.2014 Bedenken erhoben hat.

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Dass sich der Antragsgegner auf den Verzicht nicht berufen hat, ist unerheblich. Der Senat hat von Amts wegen die Zulässigkeit der Beschwerde zu prüfen und das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, weil durch den Verzicht formelle Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung eingetreten ist (Keidel/Sternal, a. a. O, Rn 9 a; Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 67, Rn 9).

12

Der beantragten Befragung der Richterin am Amtsgericht Z. zum Beweis dafür, dass sich der Rechtsmittelverzicht nur auf den Scheidungsausspruch bezogen habe, ist nicht zu entsprechen.

13

Die Antragstellerin hat in ihrem Beweisantrag keine Tatsachen bezeichnet, aus denen sich ergibt, dass ihre Verfahrensbevollmächtigte bei der Erklärung des Rechtsmittelverzichts entgegen dem Wortlaut der Erklärung zum Ausdruck gebracht hat, der Verzicht solle auf den Scheidungsausspruch beschränkt sein. Das Beweisthema beinhaltet danach nur, dass die benannte Zeugin die Verzichtserklärung in dem von der Beschwerdeführerin behaupteten Sinne aufgefasst hat. Darauf kommt es jedoch nicht an. Verfahrenshandlungen, insbesondere verfahrensrechtliche Willenserklärungen der Verfahrensbeteiligten, sind so zu beurteilen, wie sie bei objektiver Betrachtung zu verstehen sind; ein davon abweichender innerer Wille des Handelnden ist unbeachtlich.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 S. 2, 137 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 FamFG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts rechtfertigt sich aus § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG.


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