Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 U 36/14
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 3) gegen das am 28. Januar 2014 verkündete Einzelrichterurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg wird zurückgewiesen.
Der Beklagte zu 3) trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren beträgt 6.200,84 Euro.
Gründe
I.
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Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
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Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) - Haftpflichtversicherung und Halterin des von dem Beklagten zu 3) gesteuerten Gabelstaplers - insgesamt abgewiesen und den Beklagten zu 3) unter Zurückweisung der gegen ihn gerichteten Klage im übrigen zur Zahlung von Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB in Höhe von 6.200,48 Euro verurteilt.
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Im Ergebnis der Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 3) habe dieser bei der Verladetätigkeit in dem Lkw, insbesondere beim Herablassen der Gitterbox, was letztendlich zur Verletzung des Klägers geführt habe, nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen. Es habe jedenfalls keine deutliche Absprache zwischen beiden gegeben, wie das Verladen vonstatten gehen sollte. Der im Wesentlichen unstreitige Geschehensablauf spreche dafür, dass der Beklagte zu 3) sich vor dem Absetzen der letztlich den Unfall auslösenden Gitterbox gerade nicht darüber vergewissert habe, dass sich der Kläger oder dessen Kollege gefahrlos in dem noch zur Verfügung stehenden geringen Laderaum aufhielten. Gerade weil der Beklagte zu 3) und der Kläger nach ihren übereinstimmenden Angaben keine Verfahrensweise besprochen gehabt hätten und auch während des Verladevorgangs nicht etwa über Zuruf tätig geworden seien, hätte der Beklagte zu 3) sich aber vor jedem Absetzen einer Gitterbox vergewissern müssen, dass er den Kläger und dessen Kollegen nicht gefährden würde. Dies gelte erst recht bei der zunehmenden Beladung des Laderaumes, wodurch der Bewegungsspielraum für den Kläger und seinen Kollegen E. einerseits und dem Beklagten zu 3) andererseits zunehmend eingeschränkt und auch das Blickfeld für den Beklagten zu 3) verschlechtert gewesen sei.
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Der Beklagte zu 3) hafte jedoch nicht allein, sondern der Kläger müsse sich ein Mitverschulden in Höhe von einem Drittel anrechnen lassen. Denn auch dem Kläger sei es aufgrund der Gegebenheiten bewusst gewesen, dass mit dem zunehmenden Befüllen der Ladefläche dem Beklagten zu 3) die Sicht auf ihn, den Kläger, und seinen Kollegen erschwert würde. Insofern hätte es an dem Kläger gelegen, auch selbst dafür Sorge zu tragen, dass er durch den Ladevorgang des Gabelstaplers nicht gefährdet wird. Da sich der Kläger jedoch während des Beladens, jedenfalls zeitweise unstreitig vom Gabelstapler abgewandt bewegt habe, nämlich wenn er die jeweilige Gitterbox mit dem Hubwagen zu ihrem endgültigen Standplatz im Lkw-Laderaum verfrachtete, und der Beklagte zu 3) als Führer des motorbetriebenen Gabelstaplers eine deutlich höhere Betriebsgefahr beherrscht habe als der Kläger, so überwiege das Verschulden des Beklagten zu 3) das Mitverschulden des Klägers.
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Eine Haftung des Beklagten zu 3) sei auch nicht wegen einer Haftungsprivilegierung gemäß §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen. Im Ergebnis der Beweisaufnahme durch das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. sei nach niederländischem Recht eine Haftung der drei Beklagten durch Regelungen, die in ihren Rechtswirkungen den §§ 104 ff. SGB VII des deutschen Rechts entsprechen würden, nicht ausgeschlossen. Solche Haftungsprivilegierungen gebe es nach niederländischem Recht nicht. Dass insoweit das niederländische Recht anzuwenden sei, folge aus Art. 249 Abs. 2 EGV, wonach die EWG-VO 1408/71 bzw. EGV 1992/2006 unmittelbar anzuwendendes Recht seien und Vorrang vor den entsprechenden nationalen Vorschriften der Mitgliedsstaaten genießen würden. Nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 seien die sozialrechtlichen Vorschriften zur Haftungsfreistellung von Arbeitgebern und den von ihnen beschäftigten Arbeitnehmern bei Arbeitsunfällen dem Sozialversicherungsrecht zu entnehmen, das auf den Geschädigten anzuwenden ist. Einschlägig sei das Sozialrecht des Mitgliedsstaates, in dem der Arbeitnehmer abhängig beschäftigt ist. Da der Kläger in den Niederlanden wohne, gelte niederländisches Recht.
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Der Höhe nach habe der Kläger Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 Euro unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von einem Drittel. Der Kläger habe ferner Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 133,33 Euro. Der Kläger habe durch Vernehmung seiner Mutter beweisen können, dass er unfallbedingt jedenfalls während seiner verletzungsbedingten Arbeitsunfähigkeit keine Einkäufe für die Versorgung seines Haushalts habe tätigen können. Einen darüber hinausgehenden Haushaltsführungsschaden könne der Kläger nicht ersetzt verlangen, da er durch Vernehmung der Zeugin U. nicht bewiesen habe, vor der unfallbedingten Verletzung Tätigkeiten in einem solchen Umfang in seinem Haushalt verrichtet zu haben, dass eine monatliche Vergütung für eine Hilfskraft in Höhe von 1.585,55 Euro gerechtfertigt sei. Der Kläger habe weiter Anspruch auf Erstattung der nutzlos aufgewendeten Flugkosten unter Berücksichtigung der Haftungsquote in Höhe von 540,00 Euro. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei dem Kläger kein Mitverschulden deswegen anzulasten, weil er eine Reiserücktrittsversicherung nicht abgeschlossen habe, da er hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Der Kläger habe ferner Anspruch auf Schadensersatz wegen der zerstörten Bekleidung unter der Berücksichtigung der Haftungsquote in Höhe von insgesamt 39,99 Euro. Der Kläger habe auch Anspruch auf Erstattung der Reisekosten in Höhe von - nach Quotierung - 38,40 Euro für Fahrtkosten zur Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik D. GmbH am 25. September 2008. Der Kläger habe schließlich Anspruch auf Verdienstausfall wegen nicht geleisteter Überstunden nach Schätzung gemäß § 287 ZPO in Höhe von 1.449,12 Euro. Demgegenüber habe der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung von zusätzlichen Telefonkosten für Handy-Telefonate von Deutschland ins Ausland. Im Übrigen hat das Landgericht die gegen alle drei Beklagten erhobene Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte zu 3) mit seiner Berufung, mit der er die Abweisung der Klage auch insoweit verfolgt, als er zur Zahlung verurteilt worden ist.
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Ausgehend von der Prämisse des Landgerichts, dass niederländische Rechtsvorschriften anzuwenden seien, hätten auch die einzelnen Schadenspositionen unter Berücksichtigung der niederländischen Rechtslage geprüft werden müssen. Tatsächlich wende das Gericht bei den verschiedenen Schadenspositionen fehlerhaft deutsche Rechtsprechungsgrundsätze und deutsche Rechtsvorschriften an. Das Landgericht habe nicht geklärt, dass und welche niederländischen Rechtsvorschriften den deutschen Rechtsvorschriften entsprechen würden und wie jene anzuwenden seien. Die diesbezügliche Beweiserhebung habe das Landgericht unterlassen. Nach Erstattung des schriftlichen Sachverständigengutachtens seien von ihm Fragen gestellt worden, die auch in der nachfolgenden mündlichen Erläuterung des Gutachtens nicht oder nur sehr unvollständig beantwortet worden seien. Der diesbezüglich fortbestehende Aufklärungsbedarf sei von Beklagtenseite dem Gericht ausdrücklich mitgeteilt worden. In diesem Unterlassen der weiteren Beweiserhebung liege einerseits ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, andererseits ein erheblicher Verfahrensmangel, der die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung rechtfertige. Das Gutachten kläre nämlich nicht, welches konkrete Recht anzuwenden sei. Auch sei seitens der Beklagten schon in erster Instanz vorgetragen und unter Beweis gestellt gewesen, dass verschiedene Schadenspositionen nach niederländischem Recht durchaus anders zu behandeln seien als nach deutschem Recht. So seien Haushaltshilfekosten zugesprochen worden, obwohl nach niederländischem Recht grundsätzlich eine Haushaltshilfe nur anerkannt werde, wenn die Hilfsnotwendigkeiten ärztlich attestiert seien. So seien dem Kläger Aufwendungen für seinen Urlaubsflug nach Thailand zugesprochen worden, obwohl entgangene Urlaubsfreuden nach niederländischem Recht generell nicht ersetzt würden. So seien Bekleidungsschäden zugesprochen worden, obwohl nach niederländischem Recht ein Ersatzanspruch nur gegeben sei, wenn die Bekleidungsstücke zu Beweissicherungszwecken aufbewahrt würden. So würden außerdem Heilbehandlungskosten auch nur gegen Nachweis und nur nach Maßgabe ärztlicher Verordnung ersetzt. Entsprechende Nachweise habe der Kläger aber nicht erbracht. Weiterhin seien Verdienstausfallansprüche zugunsten des Klägers entschieden worden, obwohl nach niederländischem Recht nur ein real entgehender Nettoverdienst beansprucht werden könne, irgendwelche fiktiven Überstunden seien nach niederländischem Recht gerade nicht mit zu berücksichtigen. Bei dieser Schadensposition sei weiter ungeachtet geblieben, was zusätzlicher Beweiserhebung unter Ermittlung der niederländischen Rechtslage bedürfe, dass vom Kläger abgeleistete Überstunden sehr wohl bei den Arbeitgeber-Lohnfortzahlungsansprüchen nach niederländischem Recht berücksichtigt worden seien. Außerdem sei die Frage, ob und wie ein Mitverschulden des Klägers und eine Mitverursachungskomponente auch seines Arbeitgebers nach niederländischem Recht zu berücksichtigen sei, von durchaus wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung des Rechtsstreits. Diesbezüglich habe das Landgericht auf Feststellungen gar keinen Wert gelegt und auch das erstinstanzlich eingeholte Gutachten enthalte dazu keinerlei Aussage.
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Aber selbst in der Anwendung deutschen Rechts sei das Urteil fehlerhaft. Das Landgericht habe bei der Bemessung des Schmerzensgeldbetrages eine fehlerhafte Methode angewendet. Bei mitwirkendem Verschulden des Verletzten sei grundsätzlich nicht die Quote des angemessenen Schmerzensgeldes zu bestimmen. Vielmehr sei das Mitverschulden nur ein Faktor zur Bestimmung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Die Mitverursachung des Schadensfalles durch fehlende ausreichende Vorgaben von Seiten des Arbeitgebers müssten anders berücksichtigt werden, als das in der pauschalen Quotierung des Landgerichts zum Ausdruck komme. Schließlich müsse dabei auch bedacht werden, dass der Kläger nicht etwa allein dem beklagten Gabelstaplerfahrer gegenübergestanden habe, sondern dass der Kläger mit seinem Kollegen auf der Ladefläche des Lkw zusammengearbeitet habe bei der Abnahme und beim Weiterverfrachten der Container. Diese beiden seien eher als er in der Lage gewesen, den Beladungsvorgang dort oben zu beherrschen und auf den Beladungstakt im Zusammenwirken mit ihm als Fahrer des Gabelstaplers Einfluss zu nehmen. Er sei weniger in der Lage gewesen, relevante Takthindernisse auf der Ladefläche aus seiner Position heraus festzustellen und umzusetzen. Zulasten des Klägers und nicht etwa zu seinen Lasten sei auch zu berücksichtigen, dass der Ladevorgang schon eine halbe Stunde lang gelaufen sei. In diesem Zeitraum seien nach den Angaben der Beteiligten wohl 20 bis 24 Paletten erfolgreich in dem schematisierten Ablauf aufgeladen und verstaut worden. Dabei sei für den Kläger die Verringerung des Bewegungs- und Arbeitsraums auf der Ladefläche des Lkw sukzessive immer deutlicher geworden. Dennoch habe er auf eine Kontaktaufnahme zu ihm verzichtet und keinerlei Anweisungen zur Verlangsamung des Verladevorgangs gegeben. Damit überwiege das Eigenverschulden des Klägers, dies auch deshalb, weil er es gewesen sei, der auf der Ladefläche mit dem Hubwagen hantiert habe und sich in die Rückwärtsbewegung begeben habe und damit in ein gesteigertes Risiko, nichts von dem mitzubekommen, was sich hinter ihm abspielt. Die Beherrschung des gesamten Vorgangs auf der Ladefläche und die Übersicht über das Geschehen haben ausschließlich beim Kläger und seinem Gehilfen gelegen und nicht etwa bei ihm. Insofern sei es auch grob ungerecht bzw. unbillig, wenn ein bedauerlicher Fehler eines Helfers aus Gefälligkeit ein höheres Mitverursachungsgewicht bekomme als die Eigenverursachung durch den Kläger bei Wahrnehmung seiner originären Pflichten. Fehlerhaft sei es auch, wenn als quotierungsfähiger Umstand in der Entscheidung des Landgerichts zulasten der Beklagten die Betriebsgefahr des Gabelstaplers mit angesetzt werde, weil dieser Gesichtspunkt auf das Straßenverkehrsgesetz Bezug nehme, das hier gerade nicht anwendbar sei.
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Insgesamt würden die Mitwirkungsfaktoren auf Seiten des Klägers und sein Eigenverschulden so weit überwiegen, dass seine - des Beklagten zu 3) - mögliche kurzfristige Unaufmerksamkeit deutlich zurücktreten müsse hinter den Fehlern, die auf Seiten des Klägers begangen worden seien und die den Schadenseintritt weitaus stärker begünstigt und ermöglicht hätten.
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Der Beklagte zu 3) beantragt,
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1. das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 28. Januar 2014 abzuändern,
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2. die Klage abzuweisen,
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hilfsweise
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3. die erstinstanzliche Entscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit zurückzuverweisen an das Landgericht Magdeburg zur Behebung der erstinstanzlichen Verfahrensmängel (§ 538 Abs. 2 ZPO).
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
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Die zulässige Berufung des Beklagten zu 3) ist nicht begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine abweichende Beurteilung.
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Das Landgericht hat zwar ohne inhaltliche Begründung (aber im Ergebnis zutreffend), für den hier allein in Rede stehenden Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB deutsches Recht angewendet. Denn das zugrunde zu legende Recht bemisst sich dabei nicht nach der EG-Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht (Rom II-VO), da diese Verordnung erst am 11. Januar 2009 in Kraft getreten ist, also nach dem hier streitigen Unfall. Der Schadensfall unterliegt daher nach Art. 40 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Da sich der Unfall in W. ereignet hat, gilt nach dem Tatortprinzip deutsches Recht. Dabei regelt dieses Deliktsstatut grundsätzlich alle Haftungsvoraussetzungen und Rechtsfolgen unerlaubter Handlungen. Insbesondere zählen hierzu Mitverschulden ebenso wie Art und Höhe des Schadensersatzes (z. B. Wurmnest, in: JurisPK-BGB, Stand 1. Oktober 2014, Rdn. 9 f. zu Art. 40 EGBGB; Spickhoff, in: Bamberger/Roth, BGB, Stand 1. Februar 2013, Rdn. 8, 11 zu Art. 40 EGBGB; Hohloch, in: Erman, BGB, 14. Aufl., Rdn. 22 zu Art. 40 EGBGB; Junker, in: Münchener Kommentar, BGB, 5. Aufl., Rdn. 100, 104 zu Art. 40 EGBGB).
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Von dem Tatortprinzip ist im vorliegenden Fall auch nicht ausnahmsweise abzuweichen. Denn der Kläger und der Beklagte zu 3) haben nicht im Sinne von Art. 40 Abs. 2 EGBGB ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem gemeinsamen dritten Staat. Der Kläger lebt in den Niederlanden, der Beklagte zu 3) in Deutschland. Ebenso wenig besteht im Sinne des Art. 41 EGBGB eine wesentlich engere Verbindung mit dem Recht eines anderen Staates als Deutschland. Hier hatte der niederländische Fahrer eines niederländischen Lastkraftwagens in Deutschland bei einem deutschen Unternehmen durch einen deutschen Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall erlitten. Daraus lässt sich keine engere Verbindung des Schadensfalls zur niederländischen Rechtsordnung als zu dem deutschen Recht ableiten.
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Da in der angefochtenen Entscheidung zutreffend deutsches Schadensrecht angewendet worden ist, geht der Berufungsangriff des Beklagten zu 3) hinsichtlich der geforderten weiteren Klärung des anwendbaren Rechts schon im Ausgangspunkt ins Leere. Das Landgericht hat seiner Entscheidung gerade nicht die Prämisse zugrunde gelegt, dass niederländisches Recht anzuwenden sei. Insofern hat es auch nicht verfahrensfehlerhaft versäumt, die konkrete niederländische Rechtslage hinsichtlich der einzelnen Schadenspositionen und des Mitverschuldens zu ermitteln. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn den entsprechenden Beweisanträgen der Beklagten hierzu nicht nachgegangen worden ist.
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Auch für die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes ist kein niederländisches Recht anzuwenden. Zwar können diesbezüglich gegebenenfalls die Verhältnisse des Landes zu berücksichtigen sein, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (z. B. OLG Frankfurt, ZfS 2004, 452; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 1030; OLG Köln, VersR 1993, 977; KG, VersR 2002, 1567; OLG München, VersR 1984, 745). Dieser Grundsatz führt allerdings nicht zur Abkehr vom Tatortprinzip für das auf das Schmerzensgeld anzuwendende Recht. Der Umstand, dass der Geschädigte auch einen gewissen Bezug zu einem anderen Staat als Deutschland hat, kann sich vielmehr nur als einer von mehreren Faktoren bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auswirken. Soweit der Beklagte zu 3) ausgeführt hat, dass selbst bei Anknüpfung an deutsches Recht die ausländischen Regeln (hier die niederländische Rechtsprechung) zu beachten sei, liegt dem ein unzutreffendes Verständnis des von ihm zitierten Urteils des Bundesgerichtshofs (NJW 1988, 648) zugrunde. In diesem Fall stand aber fest, dass österreichisches Recht anzuwenden war. In der Entscheidung ist nur zusätzlich ausgeführt worden, dass das deutsche Gericht nicht nur die ausländischen Gesetze, sondern auch die konkrete Ausgestaltung des ausländischen Rechts, insbesondere die ausländische Rechtsprechung zu berücksichtigen habe. In vorliegenden Fall ist aber zweifelsfrei deutsches Recht anzuwenden, wie es durch die Rechtsprechung ausgestaltet worden ist.
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Zutreffend hat das Landgericht auf einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten zu 3) in Höhe von 6.200,84 Euro erkannt. Der Beklagte zu 3) hat, was von ihm mit der Berufung auch gar nicht mehr in Abrede genommen wird, den Kläger fahrlässig an Körper und Gesundheit geschädigt. Er haftet daher dem Grunde nach auf Schadensersatz.
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Ebenso zutreffend hat das Landgericht ein Mitverschulden des Klägers bei der Entstehung des Schadens nach § 254 Abs. 1 Satz 1 BGB im Umfange von einem Drittel berücksichtigt. Das Vorbringen des Beklagten zu 3), dass dem Kläger ein höheres Mitverschulden zugerechnet werden müsse, ist nicht begründet. Im Grunde erkennt er an, dass das Landgericht in seiner Entscheidung alle Faktoren bei den Zurechnungskriterien berücksichtigt hat. Er ist jedoch der Ansicht, dass diese unzutreffend zu seinen Lasten gewertet wurden. Die hierzu vom Landgericht im Ergebnis der verfahrensfehlerfrei durchgeführten Beweiserhebung getroffenen Tatsachenfeststellungen und Wertungen sind aber nach Ansicht des Senats zutreffend und überzeugend. Es gab - was beiden Seiten gleichermaßen zur Last fällt - keinerlei konkrete Absprache über den möglichst gefahrlosen Ablauf der bevorstehenden Beladung des LKW, obwohl sprachliche Hindernisse offenbar nicht bestanden. Sie erschöpfte sich in der Verabredung der Art und Weise des Verladens der Gitterboxen. Ebenso wenig haben die Beteiligten während der Arbeit durch Kommandos oder Handzeichen bzw. Warnsignale kommuniziert. Es ist auch nicht zu erkennen, dass dem Kläger eine größere Verantwortung für den Beladungsvorgang zukam als dem Beklagten zu 3). Mangels Laderampe im Betrieb der Beklagten zu 2) hatte der Beklagte zu 3), was schon nach seinen eigenen Angaben durch seinen Vorgesetzten angeordnet war, die Gitterboxen mittels Gabelstapler auf die Ladefläche des LKW zu heben, wo sie durch den Kläger bzw. den Zeugen E. mit einem Hubwagen an ihre endgültige Position zu bringen waren. Sicherlich hatten der Kläger und der Zeuge E. insofern den besseren Überblick über den Beladungsvorgang, als sie sich oben auf der Ladefläche befanden und grundsätzlich auch den Fortgang der Tätigkeit des Beklagten zu 3) sehen konnten. Demgegenüber war der Beklagte zu 3) im Zweifel nicht in der Lage, die Tätigkeit des Klägers und des Zeugen E. bis in den Laderaum hinein zu überblicken. Dieses Ungleichgewicht hat sich allerdings für die Herbeiführung der Verletzung des Klägers nicht ausgewirkt. Diese geschah nämlich im vorderen Bereich der Ladefläche, also dort, wo der Beklagte zu 3) seinen Teil des Beladungsvorganges durch Abstellen der Gitterbox abzuschließen hatte. Dieser Bereich war grundsätzlich nicht außerhalb seiner - potentiellen - Wahrnehmung. In gleichem Umfang fällt es Kläger und Beklagtem zu 3) zur Last, dass sie nach dem Aufladen einer ganzen Reihe von Gitterboxen, wohl 20 bis 24 Stück, über einen Zeitraum von etwa einer halben Stunde beide hätten realisieren müssen, dass der Raum zum Manövrieren auf der Ladefläche immer enger wurde, was Manövriervorgänge dort erschwerte, die zeitlichen Abläufe sukzessive veränderte und damit die Gefahr von Kollisionen erhöhte. Unter Beachtung dieser sich steigernden Gefahr kann beiden Seiten der Vorwurf gemacht werden, nicht die Initiative ergriffen zu haben, sich auf eine Verlangsamung des Tempos und auf konkrete Kommandos zu verständigen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es die beiderseitige Tätigkeit mit sich brachte, dass teilweise in die Richtung des anderen gearbeitet wird, ohne dessen Aktivität genau beobachten zu können. Der Kläger hatte gemeinsam mit dem Zeugen E. die Gitterbox mit dem Hubwagen zunächst mit dem Rücken zum Fahrerhaus in den LKW hineinzuziehen, den Hubwagen dort zu drehen und schließlich - nun mit dem Rücken zum hinteren Ende der Ladefläche und auch zu der Tätigkeit des Beklagten zu 3) die Gitterbox auf die vorgesehene Abstellfläche zu bringen. Dem Beklagten zu 3) wiederum war durch das Ladegut auf der Gabel des Staplers die Sicht nach vorne versperrt. Dies bedeutet, dass er in dem Moment des Abstellens der Gitterbox auf der Ladefläche nicht erkennen konnte, ob sich dort ein Hindernis befindet. Dieses gleichsam „blinde“ Arbeiten des Beklagten zu 3) einerseits und des Klägers und des Zeugen E. andererseits machte dringend eine Verständigung für das Beladen jedes einzelnen Gitterbehälters erforderlich. Das Schwergewicht des Verschuldens, diese Verständigung nicht vorgenommen und stattdessen die Gitterboxen ohne vorherige Rückmeldung des Klägers bzw. des E. auf die Ladefläche gehoben zu haben, liegt hier allerdings bei dem Beklagten zu 3). Zwar kann, wie dieser zu Recht eingewandt hat, hier nicht mit dem Gesichtspunkt einer erhöhten Betriebsgefahr des Gabelstaplers gegenüber einer Person argumentiert werden. Dieses Argument kann unmittelbar nur im Zusammenhang mit einem Unfall im Sinne des StVG gelten. Dessen ungeachtet ist doch entscheidend, dass sich der Kläger zwar in einer gefährlichen Umgebung bewegte, er aber doch die Hoffnung haben durfte, dass sich der Beklagte zu 3) so verhält, dass er nicht körperlich gefährdet oder gar geschädigt wird. Demgegenüber hat der Beklagte zu 3) die jeweils 800 kg schweren Gitterboxen immer wieder auf einen anderen Menschen hinzu bewegt, ohne zu wissen, wo sich dieser genau befindet. Insofern liegt dem Unfall nicht nur eine kurzfristige Unaufmerksamkeit des Beklagten zu 3) zugrunde, die auf seiner Seite womöglich zur Annahme eines geringen Maßes an Verschulden hätte führen können. Hinzu kommt, dass das Landgericht im Ergebnis der Beweisaufnahme auf der Grundlage der Aussage des Zeugen E. auch überzeugend festgestellt hat, dass der Beklagte zu 3) die ganze Zeit zu schnell gewesen ist und immer schon die nächste Palette bereitgehalten hat, wenn die vorherige noch gar nicht wirklich verstaut gewesen ist. Dies alles lässt es gerechtfertigt erscheinen, entsprechend dem vom Landgericht durch Vernehmung der Beteiligten gewonnenen Eindruck dem Beklagten zu 3) das leicht überwiegende Verschulden an der Verletzung des Klägers zuzuweisen und ein Mitverschulden nur im Umfange von einem Drittel zu berücksichtigen.
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Der zuerkannte Schadensersatz ist der Höhe nach gerechtfertigt. Der Kläger kann von dem Beklagten zu 3) ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000,00 Euro verlangen. Zwar ist dem Beklagten zu 3) im Ausgangspunkt zuzugeben, dass im Unterschied zum Ersatz materiellen Schadens bei der Bemessung des Schmerzensgeldes das Mitverschulden des Verletzten nicht etwa in der Weise zu berücksichtigen ist, dass zunächst ein Schmerzensgeld ermittelt wird, wie es ohne das Mitverschulden des Verletzten angemessen wäre, und sodann eine der Mitverschuldensquote entsprechende Kürzung erfolgt. Vielmehr stellt das Mitverschulden bei der Festsetzung des Schmerzensgeldes lediglich ein Bemessungselement neben anderen dar, wobei sich die einzelnen Bemessungselemente je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles unterschiedlich auswirken können (vgl. BGH, NZV 1991, 305; OLG Brandenburg, MDR 2009, 1274; OLG Zweibrücken, NJW-RR 2014, 33). Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist in erster Linie dessen Ausgleichsfunktion zu berücksichtigen. Dabei kommt es auf die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung an. Maßgeblich sind Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden, Entstellungen und psychischen Beeinträchtigungen, wobei Leiden und Schmerzen wiederum durch die Art der Primärverletzung, die Zahl und Schwere der Operationen, die Dauer der stationären und der ambulanten Heilbehandlungen, den Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit und die Höhe des Dauerschadens bestimmt werden. Zu berücksichtigen ist - wie ausgeführt - auch ein etwaiges Mitwirken des Verschuldens des Verletzten (z.B. OLG Brandenburg, MDR 2009, 1274). Das Landgericht ist in der Summe unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände unter Einschluss eines Mitverschuldens des Geschädigten und in Abwägung mit vergleichbaren Fällen aus der Rechtsprechung zu einem angemessenen Schmerzensgeld gelangt. Auch nach der Überzeugung des Senats ist ein niedrigeres Schmerzensgeld als 4.000,00 Euro nicht gerechtfertigt. Insbesondere hat der Kläger eine gewichtige Verletzung erlitten, einen Außenknöchelbruch des linken Sprunggelenks, verbunden mit einer fast zweiwöchigen stationären Behandlung vom 23. März 2006 bis 4. April 2006. Er war für fast drei Monate auf die Hilfe von Gehstützen angewiesen, musste mehrere Monate lang physiotherapeutische Behandlungen in Anspruch nehmen, die medizinische Nachsorge dauerte bis Dezember 2006. Die zur Stabilisierung der Gelenke eingesetzte Stahlplatte musste im Oktober 2007 operativ entfernt werden, verbunden mit einem nochmaligen zweiwöchigen stationären Krankenhausaufenthalt. Bis zum 3. August 2006, also für mehr als vier Monate, war der Kläger zu 100 % in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert, ebenso während des stationären Aufenthaltes im Oktober 2007. In der Zeit vom 4. August 2006 bis zum 18. September 2006 war die Erwerbsfähigkeit um 30 % vermindert, in der Zeit vom 19. September 2006 bis Oktober 2007 um 10 %. Diese Umstände stehen zutreffend und von dem Beklagten zu 3) mit der Berufung auch nicht angegriffen, im Kern der Betrachtung durch das Landgericht. Die im Zusammenhang mit dem Mitverschulden des Klägers festgestellten Umstände haben ebenfalls großes Gewicht bei der Bemessung des Schmerzensgeldes. Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass das Landgericht ausgehend von vergleichbaren Fällen, in denen ein Mitverschulden keine Rolle spielte und in denen auf Schmerzensgeld zwischen 5.500,00 Euro und 7.000,00 Euro erkannt worden war, ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000,00 Euro in Betracht gezogen hat, dieses wegen des gewichtigen Mitverschuldens des Klägers im vorliegenden Fall aber im Ergebnis auf 4.000,00 Euro bemessen hat.
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Zwar hat das Landgericht als weiteren potentiellen Bemessungsfaktor nicht die Verhältnisse des Landes, in dem der Geschädigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, in Betracht gezogen. Dazu bestand allerdings im vorliegenden Fall auch kein Anlass. Für das Schmerzensgeld ist nämlich nicht danach zu unterscheiden, welche Rechte und Ansprüche dem Geschädigten im Heimatland zustünden, so beispielsweise in der Türkei überhaupt kein Schmerzensgeld oder in den Vereinigten Staaten ein besonders hohes Schmerzensgeld (vgl. KG, VersR 2002, 398). Die allgemeine Behauptung des Klägers, dass Schmerzensgeldbeträge in den Niederlanden grundsätzlich geringer ausfallen würden als in Deutschland, ist daher unerheblich. Die auswärtigen Verhältnisse hätten allenfalls dann Einfluss auf die Bemessung des Schmerzensgeldes haben können, wenn unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Klägers in einem anderen Land erschwerte Auswirkungen des Unfalls im „Schmerzensbereich“ erkennbar gewesen wären. Dies meint den möglichen Einsatz des Schmerzensgeldes zu gleichen Konditionen, also unter Berücksichtigung vergleichbarer Wirtschafts- und Kaufkraftverhältnisse (vgl. z.B. OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 1030). Dass sich diese Lebensverhältnisse des Klägers in den Niederlanden erheblich von den Lebensverhältnissen in Deutschland unterscheiden würden, und zwar im Sinne eines deutlich niedrigeren Niveaus in den Niederlanden als in Deutschland, ist nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
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Der Kläger kann von dem Beklagten zu 3) auch materiellen Schadensersatz in Höhe von 2.200,84 Euro verlangen, nämlich - unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von einem Drittel - Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 133,33 Euro, Ersatz nutzlos aufgewendeter Flugkosten in Höhe von 540,00 Euro, Ersatz für zerstörte Kleidung in Höhe von 39,99 Euro, Ersatz von Kosten zur Anreise zu einer Klinik in Deutschland am 25. September 2008 in Höhe von 38,40 Euro, Ersatz von Verdienstausfall wegen nicht geleisteter Überstunden in Höhe von 1.449,12 Euro. Gegen diese mit vertretbarer Begründung zuerkannten Schadenspositionen erinnert der Beklagte zu 3) mit der Berufung nichts.
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Schließlich ist die Haftung des Beklagten zu 3), wie das Landgericht zutreffend begründet hat, auch nicht wegen einer Haftungsprivilegierung gemäß §§ 104 ff. SGB VII ausgeschlossen.
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Ungeachtet dessen, dass auf den deliktischen Anspruch des Klägers deutsches Recht anzuwenden ist, ist für die Frage der Haftungsfreistellung niederländisches Recht maßgeblich. Denn nach Art. 249 Abs. 2 EGV ist die EWG-VO 1408/71 unmittelbar anwendbares Recht mit Vorrang vor den entsprechenden nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten. Nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 sind die sozialrechtlichen Vorschriften zur Haftungsfreistellung von Arbeitgebern und den von ihnen beschäftigten Arbeitnehmern bei Arbeitsunfällen dem Sozialversicherungsrecht zu entnehmen, das auf den Geschädigten anzuwenden ist. Sozialrechtliche Haftungsprivilegien sind nicht dem materiellen Deliktsrecht zuzuordnen, welches die EWG-VO 1408/71 unberührt lässt. Für die Frage der Haftungsbefreiung bei Arbeitsunfällen gelten nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, nach denen für den Arbeitsunfall Leistungen zu erbringen sind, dessen Sozialversicherungsträger die Unfallfürsorge also zu gewähren haben. Diese Rechtsvorschriften gelten auch dann, wenn das zivilrechtliche Haftungsrecht und das Sozialversicherungsrecht für Arbeitsunfälle dem Recht verschiedener Mitgliedsstaaten zu entnehmen ist (vgl. BGHZ 177, 237; BGH, NJW 2007, 1754). Nach Art. 13, 14 EWG-VO 1408/71 kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Kläger dem niederländischen Sozialversicherungsrecht unterliegt. Er war bei einem niederländischen Arbeitgeber beschäftigt und wohnte auch in den Niederlanden. War der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses also nicht Versicherter der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung, ist die Anwendung der §§ 104 ff. SGB VII zu Lasten des Geschädigten ausgeschlossen.
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Der Beklagte zu 3) ist aber auch nicht nach niederländischem Sozialversicherungsrecht von einer Haftung befreit. Wie das Landgericht durch Einholung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. R. zum niederländischen Recht vom 31. März 2011, nachfolgend mündlich und schriftlich durch den Sachverständigen ergänzt, festgestellt hat, gibt es eine Haftungsfreistellung, vergleichbar den §§ 104 ff. SGB VII, in der niederländischen Rechtsordnung nicht, was der Beklagte zu 3) mit seiner Berufung auch gar nicht mehr angreift.
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Zu einer Anwendung des deutschen sozialversicherungsrechtlichen Haftungsausschlusses nach §§ 104 ff. SGB VII zwingt auch nicht der hier geltende - und nicht etwa die Erwägungsgründe und Artikel der erst am 11. Januar 2009 in Kraft getretenen Rom II-Verordnung - Grundsatz des ordre public gemäß Art. 6 EGBGB. Danach ist eine Rechtsnorm eines anderen Staates nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Dabei kann sich auch aus dem Fehlen einer gesetzlichen Regelung ein Verstoß gegen deutschen ordre public ergeben, wobei als Folge des Verstoßes hilfsweise deutsches Recht als Ersatzrecht angewendet werden kann (z. B. Palandt/Thorn Rdn. 5, 13 zu Art. 6 EGBGB). Ein solcher Verstoß ist hier nicht festzustellen. Sowohl ein Auseinanderfallen von Deliktsrecht (nach deutschem Recht) und Sozialversicherungsrecht (nach auswärtigem Recht) ist möglich als auch das Fehlen einer Haftungsfreistellung nach dem ausländischen Recht, obwohl der Tatort in Deutschland war (vgl. BGHZ 177, 237; BGH, NJW 2007, 1754; beide ohne eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts auch nur zu erörtern).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, die Streitwertentscheidung auf §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- BGB § 254 Mitverschulden 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 2x
- ZPO § 538 Zurückverweisung 1x
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- §§ 104 ff. SGB VII 6x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 529 Prüfungsumfang des Berufungsgerichts 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- ZPO § 546 Begriff der Rechtsverletzung 1x
- ZPO § 513 Berufungsgründe 1x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
- §§ 3 ZPO, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x