Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg - 1 U 46/15 (Hs)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 10.3.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (8 O 1425/11) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.400,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.5.2011 sowie weitere 349,55 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 53 % und die Beklagte zu 47 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

und beschlossen:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.681,30 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Parteien schlossen auf der Grundlage des Angebots der Beklagten vom 11.5.2009 (wie Anlage B 1) einen Vertrag über Betonsanierung (wie Betreff Anlage B 1) am „Theater ...“ B.. Vereinbart wurde die Geltung der VOB/B (Angebot S. 3, Textteil, 4. Abs.).

2

Die Klägerin hatte für das Bauvorhaben Winkelstützelemente in Sichtbetonqualität geliefert. Nach dem Einbau der Elemente vor Ort wurden die vorhandenen Transport- und Montageanker mit einem Reprofilierungsmörtel überspachtelt. Noch vor Fertigstellung des Amphitheaters traten im Bereich der Anker Rostfahnen auf, zu deren Beseitigung die Klägerin einen Schutzanstrich und eine Anti-Graffiti-Schutzbeschichtung aufbrachte. Im Jahre 2008 traten an den Winkelstützelementen Risse und Farbabplatzungen auf. Mängelbeseitigungsarbeiten der Klägerin blieben erfolglos. Mit der weiteren Mängelbeseitigung wurde die Beklagte beauftragt. Das Angebot der Beklagten (K 1 AB K) vom 11.5.2009 nahm die Klägerin am 13.5.2009 an. Die Beklagte führte die Arbeiten im Mai und Juni 2009 durch. Sie wurde während der Durchführung der Arbeiten weiter mit der Aufbringung eines Schutzlackes beauftragt (B 4 AB B).

3

Im Frühjahr 2011 traten im Bereich der Winkelstützelemente Abplatzungen und Beulen auf. Die Klägerin forderte die Beklagte zur Mängelbeseitigung auf, was die Beklagte mit Schreiben vom 11.10.2010 (B 6 AB B) ablehnte. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sich nach den Feststellungen des Herstellers S. der aufgebrachte Feinspachtel nicht von den Winkelstützelementen löse, sondern sich die Bruchstelle im Betongefüge befinde.

4

Die Klägerin beauftragte daraufhin die Fa. R. mit der Beseitigung der Mängel im Wege der Ersatzvornahme. Die Fa. R. berechnete für die Arbeiten einen Betrag i.H.v.19.062,55 Euro, auf den die Klägerin unter Berücksichtigung eines Skontoabschlages 18.681,30 Euro zahlte. Diesen Betrag macht sie mit der vorliegenden Klage gegenüber der Beklagten geltend.

5

Die Klägerin hat eine gutachterliche Stellungnahme der ... Ingenieurgesellschaft mbH (K 22 AB K) eingeholt und dazu vorgetragen, dass die Betonsanierung ohne ausreichende Untergrundbehandlung durchgeführt worden sei, sodass sich der aufgebrachte PCC Mörtel und die darauf aufgebrachte Beschichtung großflächig von den Winkelstützen ablösten. Entgegen der unter 2.3. des Angebots angebotenen Vorbereitungsarbeiten, sei bei den Sandstrahlarbeiten zur Herstellung eines Untergrundes frei von Staub, losen Teilen und sonstigen lose aufliegenden Verunreinigungen nicht mit der erforderlichen Sorgfalt gearbeitet worden, um einen tragfähigen Untergrund herzustellen. Dieser für eine Beschichtung mit PCC Mörtel unzureichend hergestellte Untergrund stelle die Ursache für die Abplatzungen dar.

6

Neben dem Mangel der unzureichenden Herstellung eines tragfähigen Untergrundes hätte die Beklagte eine eventuell nicht ausreichende Haftzugfestigkeit prüfen und anzeigen müssen. Nach den Herstellerangaben zu dem von der Beklagten verwendeten Feinspachtel (TF 200) hätte der vorbereitete Untergrund zum Auftragen des Feinspachtels eine mittlere Abreißfestigkeit von 1.3.N/mm² aufweisen müssen. Gemessen worden seien dagegen zum Teil nur Werte von 0,45N/mm².

7

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten: Sie hält an ihrer bereits im Schreiben vom 11.10.2010 geäußerten Ansicht fest, dass sich nicht der aufgebrachte Feinspachtel von den Winkelstützelementen löse, sondern sich die Bruchstelle im Betongefüge befinde. Es liege schon deshalb keine mangelhafte Vorbereitung des Untergrundes vor, weil der Abriss im darunter liegenden Beton erfolge. Dies belege sich zudem daraus, dass auch nach den Arbeiten der Fa. R. wieder Beulen und Abplatzungen aufgetreten seien.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

9

Das Landgericht hat auf der Grundlage des Auflagen- und Beweisbeschlusses vom 14.5.2012 (Bl. 46ff. II) ein schriftliches Sachverständigengutachten von Dipl.-Ing. Rh. eingeholt, das dieser mit Datum vom 14.3.2014 schriftlich erstattet und mit Datum vom 25.9.2014 schriftlich ergänzt hat (2 Bd. Gutachten).

10

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen:

11

(1) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nicht fest, dass die Arbeiten der Beklagten mangelhaft gewesen seien. Der Sachverständige habe keine Anhaltspunkte dafür finden können, dass eine mangelhafte Untergrundvorbereitung die Ursache für die Abplatzungen an den von der Beklagten aufgebrachten Schichten darstelle. Die Untersuchung von Betonteilen habe vielmehr ergeben, dass der hergestellte Beton C 25/30 eine zu geringe Abreißfestigkeit und einen erhöhten Sulfatgehalt in Form einer Mineralphase Ettringit aufweise, wodurch er von einem normgerecht hergestellten Beton abweiche. Auch die unterschiedlichen Reaktionen der von der Beklagten einerseits und von der Fa. R. andererseits eingesetzten Materialien auf den Beton widerlege die Existenz einer Bruchstelle im Betongefüge nicht.

12

(2) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin folge auch nicht aus einer von der Beklagten unterlassenen Prüfung der Haftzugfestigkeit. Die von der Beklagten aufgebrachten Produkte stellten zwar Anforderungen an die Abreißfestigkeit des Betonuntergrundes. Diese Abreißfestigkeit könne aber nicht durch eine visuelle Prüfung, sondern nur durch eine Messung festgestellt werden. In der Instandsetzungsrichtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton werde zwar die Bestimmung der Abreißfestigkeit gefordert, aber nicht zwingend durch das ausführende Unternehmen, weil es sich bei der Messung nach der ATV Betoninstandsetzungsarbeiten um eine besondere Leistung handele, die nicht automatisch zu erbringen, sondern gesondert auszuschreiben sei. Soweit der Sachverständige weiter ausführe, dass sich die Beklagte von der Beschaffenheit des zu bearbeitenden Untergrundes habe überzeugen müssen und dazu entweder selbst Messungen durchführen oder vom Auftraggeber solche Messungen verlangen müssen, könne dem nicht gefolgt werden. Dies widerspreche der zunächst gemachten Aussage, dass Feststellungen über die Abreißfestigkeit nicht durch Inaugenscheinnahme, sondern nur durch Messungen getroffen werden könnten. Der Sachverständige benenne auch keine Merkmale, anhand derer die Beklagte eine zu geringe Abreißfestigkeit hätte feststellen können. Mangels konkreter Anhaltspunkte habe die Beklagte darauf vertrauen dürfen, dass der von der Klägerin hergestellte Beton die normgerechte Haftzugsfestigkeit aufgewiesen habe. Eine Verpflichtung zur Messung habe vor diesem Hintergrund nicht bestanden.

13

(3) Weiter habe die zu geringe Haftzugfestigkeit nicht zum Versagen der Instandsetzungsarbeiten der Beklagten geführt. Vielmehr deute das Vorhandensein von Ettringit fast 7 Jahre nach Herstellung der Winkelstützelemente auf eine spätere (sekundäre) Ettringitbildung hin, was zu Schädigungen des Betongefüges durch Treiberscheinungen führen könne. Die unterlassene Prüfung der Haftzugfestigkeit habe letztlich nur dazu geführt, dass Mängel an dem Beton nicht erkannt worden seien.

14

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung:

15

(1) Das Landgericht habe es unterlassen, das geschuldete Leistungssoll zu bestimmen. Soweit das Landgericht es als ausreichend ansehe, dass die durch die Beklagte aufgetragenen Sanierungsschichten in sich halten und an ihrer wandzugewandten Seite in der Lage sind, Beton zu binden, greife dies zu kurz. Die Beklagte habe kein autarkes Materialgemisch, das auf der einen Seite klebt, herzustellen gehabt, sondern einen Sanierungsaufbau, der an einer Betonwand hafte und diese vor Umwelteinflüssen schütze und optisch ansprechend sei. Eine Oberflächensanierung habe das Ziel, dauerhaft direkt an der Oberfläche des zu beschichtenden Grundkörpers zu haften (unter Hinweis auf einzelne Positionen des Angebots, insbesondere 2.3 [Herstellen eines tragfähigen Untergrundes]).Vor diesem Hintergrund sei das Ziel einer Betonsanierung durch die Arbeiten der Beklagten nicht erreicht worden. Die Winkelelemente wiesen Blasen und Abplatzungen auf, sodass ein Mangel i.S.v. § 634 BGB vorliege.

16

(2) Liege - entgegen der Ansicht des Landgerichts - ein Mangel vor, schulde die Beklagte auch den Ausgleich der im Zuge der Selbstvornahme angefallenen Kosten, ohne dass es auf ein Verschulden der Beklagten ankomme.

17

(3) Selbst wenn man dies aber nicht annehme, verkenne das Landgericht immer noch, dass dann der Unternehmer - also die Beklagte - den Entlastungsbeweis führen müsse (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Davon könne aber keine Rede sein, die Beklagte habe es vielmehr unterlassen, vor dem Auftragen des Feinspachtels die Tragfähigkeit der Oberfläche zu überprüfen. Hätte sie dies getan, hätte sie festgestellt, dass die von ihr selbst vorbereitete Oberfläche nicht tragfähig gewesen sei und weitere Oberflächenschichten abzutragen gewesen seien. Die Beklagte habe weder die erforderlichen Messungen vorgenommen, noch die Klägerin auf die Problematik der fehlenden Abreißfestigkeit hingewiesen. Die Ansicht des Landgerichts, dass die Beklagte - weil nicht Vertragsgegenstand - dazu nicht verpflichtet gewesen sei, verkenne die sich aus 2.3. des Angebots ergebenden vertraglichen Pflichten. Dies umso mehr, als auch die Beklagte selbst die nachgewiesene Haftzugfähigkeit im weiteren Verlauf der Arbeiten benötigt habe. Nach 2.4. des Angebots habe die Beklagte das Auftragen eines PCC-Feinspachtels (gemäß technischem Merkblatt) geschuldet. Nach dem technischen Merkblatt des Herstellers benötige der Feinspachtel eine genau definierte Haftzugfestigkeit des Untergrundes, die aber gerade nicht erreicht werde. Wobei auch der Feststellung des Landgerichts zu widersprechen sei, dass die Beklagte auf eine bestimmte Betonqualität habe vertrauen dürfen. Die Klägerin habe eine solche Zusage nicht gemacht.

18

(4) Es liege jedenfalls ein Verstoß gegen § 242 BGB vor. Selbst wenn die Beklagte nicht zur Vornahme der Messung verpflichtet gewesen wäre, hätte es ihr als vertraglicher Nebenpflicht immer noch oblegen, der Klägerin mitzuteilen, dass - ohne Kenntnis davon, ob der Untergrund tragfähig ist - völlig offen sei, ob das Werk gelinge.

19

(5) Der Sachverständige führe in seinem Gutachten aus (SV S. 24):

20

„Unabhängig von der vertraglichen Situation musste die Beklagte sich von der Beschaffenheit des zu bearbeitenden Untergrundes überzeugen. Dazu hätte sie Messungen der Abreißfestigkeit entweder selbst durchführen oder vom Auftraggeber fordern müssen. Eine zu geringe Haftzugfestigkeit wäre bei den Messungen zu erkennen gewesen. Die Beklagte hätte dann auf diesen Umstand hinweisen müssen.“

21

Über diese Feststellung setzte sich das Landgericht einfach hinweg, soweit es insoweit einen Widerspruch zu anderen Feststellungen des Sachverständigen unterstelle. Wenn das Landgericht dies so gesehen habe, hätte es mit dem Sachverständigen diesen - vermeintlichen - Widerspruch aufklären müssen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 13.4.2015 (Bl. 56ff. II)

23

Die Klägerin beantragt,

24

das am 10.3.2015 verkündete Urteil des Landgerichts Halle (8 O 1425/11) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 18.681,30 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.5.2011 sowie weitere 413,90 Euro vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

25

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

27

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren Vortrag aus erster Instanz:

28

(1) Der Klägerin sei durch das von ihr selbst eingeholte Gutachten der ... Ingenieurgesellschaft mbH bekannt gewesen, dass die Ursache der Beschichtungsabplatzungen in einer fehlenden Vertikalabdichtung der unterhalb der Treppenoberkante gelegenen Innenwände zu sehen sei. Der Wasserdampf-Diffusionsdruck habe zu einer Blasenbildung in der Beschichtung geführt. Insbesondere bei starken Niederschlägen komme es zum Aufstauen von Niederschlagswasser unterhalb der Treppenstufen, da sowohl das Bettungs- als auch das Tragmaterial unterhalb der Treppenstufen aus hydraulisch gebundenen Materialien bestünden. Auf diese Umstände sei die Beklagte bei Vertragsschluss nicht hingewiesen worden. In Kenntnis dieser Umstände hätte sie eine grundlegende Betonsanierung verlangt. Der aufgebrachte Beton bzw. der für die Herstellung der Winkelstützelemente verwandte Beton sei nicht regelwerkskonform gewesen:

29

- sehr mehlkornreiche, helle Matrix
- Mangel an grober Gesteinskörnung im Gefüge
- überhöhter Sulfatgehalt

30

Den Beton aber habe die Klägerin hergestellt.

31

(2) Die Werkleistung der Beklagten sei mangelfrei. Sie habe die Arbeiten in folgenden Einzelschritten durchgeführt:

32

- Herausstemmen der 150 Ösen (je zwei Ösen bei 75 Winkelstützen);
- Abstemmen der Flächen, wo sich Abplatzungen zeigten;
- Untergrundvorbereitung durch Abstrahlen
- Löcher verschließen mit Grobmörtel
- Verschließen mit Feinspachtel und später einem Anstrich mit Graffitischutz
- Beschichten mittels Eposilan Schutzlack 2 K im Streich- und Spritzverfahren (gemäß Vorgabe der Klägerin).

33

(3) Damit habe die Beklagte eine mangelfreie Werkleistung erbracht, was auch der Sachverständige festgestellt habe (SV S. 20):

34

„An keiner Probe trat ein Bruch zwischen Betonunterlage und Feinspachtel ein. An dieser Stelle würde sich eine mangelhafte Oberflächenvorbereitung durch verringerte Haftung bemerkbar machen.“

35

Dazu weiter unter Hinweis auf S. 9 der Stellungnahme der ... Ingenieurgesellschaft mbH.

36

Damit sei die Behauptung der Klägerin widerlegt, dass die Beklagte entgegen 2.3. des Angebots eine unzureichende Untergrundbehandlung vorgenommen habe.

37

(4) Zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass die Beklagte die Abreißfestigkeit des Betonuntergrundes nicht habe prüfen müssen. Mit dieser Prüfung sei die Beklagte nicht beauftragt worden. Mit den von ihr ergriffenen Maßnahmen sei das „Vorbereitungsziel“ gemäß 2.3. des Angebotes vertragsgerecht erreicht worden

38

(5) Die Beklagte bestreitet die Angemessenheit der Kosten für die Selbstvornahme.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 19.6.2015 (Bl. 87ff. II).

40

Die Klägerin hat darauf mit Schriftsatz vom 10.7.2015 (Bl. 103ff. II) erwidert, auf dessen Inhalt verwiesen wird.

41

Der Senat hat den Sachverständigen Dipl.-Ing. Rh. mündlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 21.9.2015 (Bl. 121ff. II).

II.

42

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg:

43

Die Klägerin kann von der Beklagten Aufwendungsersatz im Rahmen einer durchgeführten Ersatzvornahme (§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B; § 637 Abs. 1 BGB) in Höhe von 8.400,-- Euro verlangen:

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(1) Das Werk der Beklagten ist mangelhaft (§ 13 Nr. 1 VOB/B; § 633 Abs. 2 BGB):

45

(a) Dafür ist es unerheblich, ob die Klägerin das Leistungsverzeichnis vorgegeben hat und die Beklagte dieses lediglich mit Einheitspreisen versehen als Angebot vorgelegt hat. Daraus folgt nicht, dass die Beklagte lediglich eine Abfolge von Einzelleistungen gemäß den Positionen des Leistungsverzeichnisses schuldete, sondern den Erfolg der sich aus den Einzelschritten ergebenden Gesamtleistung, sprich: Die Beseitigung der Abplatzungen und der blasenartigen Ablösung in der Umgebung der Abplatzungen (Beschreibung wie SV. S 14) und damit doch - entgegen Schriftsatz der Beklagten vom 23.9.2015 - eine Betonsanierung in diesem Umfang (s. dazu auch Betreff des streitgegenständlichen Angebots.). Dass dieser Leistungserfolg nicht eingetreten ist, stellt die Beklagte nicht in Abrede. Damit ist sie grundsätzlich zur Mängelbeseitigung verpflichtet bzw. zum Aufwendungsersatz (bei Vorliegen der dafür notwendigen Voraussetzungen: Fristsetzung und/oder endgültige Verweigerung der Nacherfüllung; vorliegend unstreitig), und zwar selbst dann, wenn die Werkleistung an sich mangelfrei gewesen sein sollte (dazu: Anhörung des Sachverständigen; Ergänzungsgutachten vom 25.9.2014, S. 5). Da der vertraglich vorausgesetzte Leistungserfolg nicht eingetreten ist, ist das Werk mangelhaft.

46

(b) Der Unternehmer ist in einem solchen Fall nur dann nicht für die Mängel an seinem Werk verantwortlich, wenn diese auf verbindliche Vorgaben des Bestellers zurückzuführen sind und der Unternehmer seine Prüfungs- und Hinweispflicht erfüllt. Die Beweislast für diese Voraussetzungen trägt der Unternehmer (BGH Urteil vom 29.9.2011 - VII ZR 87/11 - [z.B. BauR 2012, 115]; hier: zitiert nach juris [Rn. 14]). Dies gilt in gleicher Weise, wenn sich der Unternehmer darauf berufen will, dass der Mangel auf einem vom Besteller gelieferten Stoff zurückgeht (Palandt/Sprau BGB, 73. Aufl., § 633, Rn. 4; zur Problematik: Staudinger/Peters/ Jacoby BGB, Neubearbeitung 2014, § 633, Rn. 191).

47

(aa) Vorliegend bedeutet dies, dass die Beklagte beweisen müsste, dass durch die sekundäre Ettringitbildung Treiberscheinungen eingetreten sind, in deren Folge es in einem Maße zur Verringerung der Abreißfestigkeit des Betons (also eines vom Besteller gelieferten Stoffes [§ 645 Abs. 1 BGB]) gekommen ist, dass der von der Beklagten geschuldete Werkerfolg nicht eintreten konnte. Diesen Beweis kann die Beklagte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht führen. Zwar hat der Sachverständige bei seiner Anhörung durch den Senat zunächst erklärt, dass Treiberscheinungen im Beton wahrscheinlich zu einer geringen Abreißfestigkeit und zu dem damit verbundenen Ablösungsprozess geführt haben. Ob dies aber dazu führt, dass der Leistungserfolg deshalb überhaupt nicht eintreten konnte, konnte er für den konkreten Fall nicht verlässlich beantworten (unter Hinweis auf Messprotokolle der Fa. R., aus denen sich ausreichende Abreißfestigkeitswerte ergeben).

48

(bb) Weiter oblag es der Beklagten, die Klägerin über Umstände aufzuklären, die für den Leistungserfolg maßgeblich sind. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass nach der Instandsetzungsrichtlinie des Deutschen Ausschusses für Stahlbeton die Abreißfestigkeit (zu ergänzen: vor Beginn der Arbeiten) zu bestimmen ist. Zwar mag es richtig sein, dass die Beklagte zur Bestimmung dieses Wertes nicht selbst aufgrund des bestehenden Werkvertrages verpflichtet war, schon deshalb nicht, weil es sich nach den Bekundungen des Sachverständigen um eine extra auszuschreibende und zu vergütende Leistung handelt. Es ist weiter zu berücksichtigen, dass der Klägerin als Fachunternehmen die Problematik der Abreißfestigkeit bekannt sein musste. Dies enthob die Beklagte aber nicht von der Verpflichtung, die Werte bei der Klägerin abzufragen als Grundlage dafür, dass der Leistungserfolg bei ausreichender Abreißfestigkeit herbeigeführt werden konnte, bzw. dass die Klägerin im Falle unzureichender Werte auf das Misslingensrisiko hätte hingewiesen werden können (vgl. dazu Anhörung des Sachverständigen, S. 3, Abs. 4, Satz 3 und 4). Es wäre dann Sache der Klägerin gewesen, die Werte zu beschaffen. Eine entsprechende Nachfrage der Beklagten bei der Klägerin hat es indes unstreitig nicht gegeben.

49

Im Ergebnis ist das Werk der Beklagten mangelhaft und es liegen keine Umstände vor, die ihre Mangelbeseitigungsverpflichtung wieder entfallen lassen würden.

50

(2) Aufwendungsersatzanspruch

51

(a) Dass die formalen Voraussetzungen für die Ersatzvornahme gegeben sind, ist zwischen den Parteien nicht streitig (Schreiben vom 8.9.2010 [K6] und 11.10.2010 [K 7]).

52

(b) Grundsätzlich gibt § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B dem Besteller einen Anspruch auf Erstattung sämtlicher ihm auf Grund der Mängelbeseitigung entstandenen Kosten. Grundsätzlich einzige Einschränkung ist, dass die abgerechneten Maßnahmen entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 633 Abs. 3 BGB zur Mängelbeseitigung notwendig gewesen sein müssen. Alle Maßnahmen, die der Besteller im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr auf Grund sachkundiger Beratung oder Feststellung (dazu bereits: BGH Urteil vom 31.1.1991 - VII ZR 63/90 - [NJW-RR 1991, 789]) aufwenden musste und die sich in einem vertretbaren Rahmen halten, sind erstattungsfähig. Unter mehreren Nachbesserungsmethoden kann der Besteller die sicherste wählen. Es genügt, dass er den nachbessernden Unternehmer sorgfältig auswählt. Die Grenze der Erstattungsfähigkeit liegt dort, wo die Grenze der Erforderlichkeit eindeutig überschritten wird oder der Besteller bei der Auswahl des Drittunternehmers oder bei Abschluss des Nachbesserungsvertrages seine Schadensminderungspflicht verletzt (zu letzterem Gesichtspunkt auch OLG Karlsruhe Urteil vom 19.10.2004 - 17 U 107/04 - [NJW-RR 2005, 248, 249]; OLG Düsseldorf Urteil vom 19.7.2011 - 21 U 76/09 - [NJW-RR 2011, 530, 532]) hat (OLG Dresden Urteil vom 29.11.1999 - 17 U 1606/99 - [NZBau 2000, 333, 336]). Erforderlich können dabei nur Nachbesserungsmaßnahmen sein, die auch technisch sinnvoll sind (OLG Frankfurt Urteil vom 13.12.1996 - 24 U 51/95 - [NJW-RR 1997, 340]). Erstattungsfähig sind andererseits auch solche nutzlosen Aufwendungen, die als erforderlich i.S.v. § 633 Abs. 3 BGB anzusehen sind (BGH Urteil vom 29.9.1988 - VII ZR 182/87 - [NJW-RR 1989, 86, 88]; OLG Bamberg Urteil vom 1.4.2005 - 6 U 42/04 - [OLGR 2005, 408, 409]). Gelingt dem Besteller der Beweis, dass die veranlassten Maßnahmen als vertretbar erschienen, trägt der Unternehmer dann die Beweislast für ihre Unangemessenheit (OLG Celle Urteil vom 5.8.2009 - 7 U 237/08 - [BauR 2010, 912, 915]).

53

Für den vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin selbst ein Fachunternehmen ist, und - wichtiger - dass sie den streitgegenständlichen Beton selbst hergestellt hat. Wie unter (1) bereits angesprochen, musste ihr spätestens nachdem die Arbeiten der Beklagten gescheitert waren, die Problematik der Abrissfestigkeit (auch) für den Erfolg der Nachbesserungsarbeiten bewusst sein. Es treten daher bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Nachbesserungsarbeiten zwei Gesichtspunkte in den Vordergrund: Zum einen die Notwendigkeit als Hersteller, Feststellungen zur Ursache des Scheiterns der Arbeiten der Beklagten zu treffen, und im Falle des Unterbleibens dieser Feststellungen der Mitverschuldensgedanke. Die Beklagte hatte in ihrem Schreiben vom 11.10.2010 (K 7) vorgetragen, dass die Ursache eine Bruchstelle im Betongefüge sei. In der Stellungnahme der ... Ingenieurgesellschaft mbH (K 5) werden Feststellungen zur Ursache nicht getroffen (ebenso: Schreiben vom 24.11.2010 [K 8]). Es wird vermutet, dass eine unzureichende Untergrundbehandlung durch die Beklagte die Ursache der Abplatzungen sei. Darin liegt zum einen keine Feststellung der Ursache, und die Vermutung wird durch den Sachverständigen auch nicht bestätigt, soweit er ausführt, dass er Mängel bei der Vorbereitung des Untergrundes gerade nicht feststellen konnte. Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Sanierungskonzept der Fa. R. ebenfalls (zumindest teilweise) gescheitert ist. Der Vortrag aus dem Schriftsatz vom 24.9.2015 (S. 5), dass alle Schäden beseitigt worden seien und die noch bestehenden Schadensstellen mechanische Ursachen hätten, wird durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt. Der Sachverständige (Protokoll S. 4) hat ausdrücklich bekundet, dass an einigen Stellen mechanische Einwirkungen vorliegen könnten, nicht aber an allen von ihm festgestellten Stellen. Zwar mag die Fa. R. Messungen der Abreißfestigkeit vorgenommen haben. Aber selbst wenn diese eine ausreichende Abreißfestigkeit ergeben haben sollten, sind die Arbeiten gescheitert, die Ursache muss dann an anderer Stelle liegen. Es mag zwar zutreffen, dass grundsätzlich der Unternehmer das Prognoserisiko trägt, wenn die Mängelbeseitigungsarbeiten - wider erwarten - scheitern (OLG Bamberg a.a.O.), nur kann dies in dieser Allgemeinheit dann nicht gelten, wenn der Besteller als Hersteller des Betons „näher“ an der Schadensursache ist als der Unternehmer oder der Drittunternehmer. Die Klägerin durfte nunmehr ihrerseits das Drittunternehmen nicht „blindlings drauflos arbeiten“ (Schriftsatz vom 24.9.2015, S. 4) lassen, sondern musste auf der Grundlage von belastbaren Feststellungen zur Ursache ein erfolgversprechendes Konzept selbst erarbeiten oder erarbeiten lassen. Da dies nicht erfolgt ist, kann nunmehr auch nicht beurteilt werden, ob das von der Fa. R. verfolgte Konzept technisch überhaupt sinnvoll war (OLG Frankfurt a.a.O.). Es sei daran erinnert, dass bis heute unklar ist, worin die Ursachen zu suchen sind. Dies und das rein tatsächliche Scheitern des Konzeptes der Fa. R. mag zwar dazu führen, dass für den Aufwendungsersatzanspruch gleichwohl grundsätzlich von den Kosten der Fa. R. auszugehen ist. Wählt der Besteller einen Drittunternehmer auf dem freien Markt aus, spricht aus der Erfahrung der täglichen Baupraxis der erste Anschein dafür, dass die von dem Drittunternehmen abgerechneten Kosten zur Beseitigung der Mängel erforderlich waren (OLG Dresden a.a.O.), zumal der Sachverständige (Hauptgutachten S. 22) insoweit auch keine Bedenken erhoben hat. Da die Klägerin indes, ohne Feststellungen zur Ursache des Mangels zu treffen (treffen zu lassen), Nachbesserungsarbeiten beauftragt hat, bei deren Durchführung dieser eben gerade nicht (vollständig) beseitigt werden konnte, muss (OLG Dresden a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.) der Gesichtspunkt des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht auch im Rahmen des Aufwendungsersatzanspruches berücksichtigt werden. Sicher ist allerdings, dass Kosten auch für eine erfolgreiche Mängelbeseitigung anfallen würden. Zu berücksichtigen ist allerdings weiter die Sorglosigkeit, mit der die Klägerin vorgegangen ist. Das durfte sie natürlich bei der Erstbeauftragung der Beklagten, nicht aber mehr, als die Frage der Nachbesserung durch ein Drittunternehmen zu beantworten war. Der Senat geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass der Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht so hoch anzusetzen ist, dass der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin auf die Höhe des an die Beklagte gezahlten Werklohns begrenzt ist. Da insoweit kein Schadensersatz-, sondern ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht wird, ist auf den Bruttobetrag von 8.400,-- Euro abzustellen. In diesem Umfang hat die Berufung Erfolg.

54

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind nur von einem Gegenstandswert von 8.400,-- Euro aus zu berechnen, weil der Anspruch nur insoweit begründet ist, als die Hauptforderung besteht (Berechnung im Übrigen wie Klageschrift S. 12):

55

volle Gebühr bei 8.400,-- Euro

        

 507,-- Euro

davon 0,65

        

 329,55 Euro

zzgl. VV 7002

        

    20,-- Euro

                 

 349,55 Euro

56

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

57

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

58

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen von § 543 ZPO nicht vorliegen.

59

Die vorgerichtlichen Rechtanwaltskosten sind nur bei der Kostenquote, nicht aber beim Streitwert zu berücksichtigen.


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