Urteil vom Oberlandesgericht Rostock (1. Zivilsenat) - 1 U 69/07

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 2. wird das am 25.05.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg, Az.: 3 O 135/06, unter Zurückweisung der Anschlussberufung abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten zu 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte zu 2. nicht zuvor in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 207.903,60 €.

Gründe

I.

1

Nach Klagerücknahme gegenüber der Beklagten zu 1. nimmt die Klägerin nunmehr nur noch die Beklagte zu 2. in ihrer Eigenschaft als ehemalige Komplementärin der xxx in xxx für Forderungen aus einem gekündigten Darlehensvertrag und einem Kontokorrentkredit in Anspruch.

2

Die Klägerin schloss mit der Firma xxx & xxx am 02.07.1999 zur Darlehenskontonummer 50 465 259 einen Darlehensvertrag über 341.040,00 DM. Darüber hinaus gewährte die Klägerin mit Vertrag vom 27.03.2001 der xxx & xxx zur Kontonummer 465 259 einen Kontokorrentkredit über 300.000,00 DM.

3

Mit Schreiben vom 18.02.2002 kündigte die Klägerin die gesamte Geschäftsverbindung zur xxx & xxx mit der Aufforderung, die Kredite bis zum 19.03.2003 zurückzuzahlen. Die Klägerin hat ihren Darlehensrückzahlungsanspruch mit insgesamt 207.903,60 € berechnet. Hintergrund der Kündigung war der Unternehmenskaufvertrag vom 04.04.2003, ausweislich dessen ein Herr xxx xxx den Kommanditanteil der Beklagten zu 1. kaufte und die Beklagte zu 2. als Komplementärin aus der KG austrat. Als Komplementärin trat dafür die xxx und xxx xxx xxx GmbH xxx in die Kommanditgesellschaft ein.

4

Am 01.03.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der xxx xxx xxx & xxx eröffnet. Das Insolvenzverfahren wurde zum 01.08.2008 gemäß § 200 Insolvenzordnung aufgehoben. Zuvor war eine Forderung der Klägerin gegenüber der KG in Höhe von 271.796,29 € zur Tabelle festgestellt worden.

5

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte zu 2. hafte als vormalige Komplementärin der KG für deren Verbindlichkeiten gemäß §§ 128, 160 Abs. 1 HGB. Neben dem Anspruch auf Darlehensrückzahlung hafte sie deshalb auch für die nicht geleistete Einlage des Kommanditisten in Höhe von 76.693,98 €.

6

Die Klägerin hat beantragt,

7

die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an sie 76.693,98 € sowie weitere 195.102,51 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

8

Die Beklagte zu 2. hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Die Beklagte zu 2. hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe die Forderungshöhe bereits nicht schlüssig dargelegt.

11

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 195.102,51 € wegen der Darlehensforderungen stattgegeben und im Übrigen abgewiesen.

12

Begründend hat es ausgeführt, die Beklagte zu 2. hafte gemäß §§ 161 Abs. 2 und 128 HGB als Komplementärin der Kommanditgesellschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Eine Enthaftung gemäß § 160 Abs. 1 HGB sei nicht eingetreten. Der darüber hinaus geltend gemachte Anspruch aus der Kommanditistenhaftung bestehe nicht, weil die Kommanditeinlage geleistet worden sei.

13

Gegen das Urteil wendet sich die Beklagte zu 2. mit ihrer Berufung. Die Klägerin hat sich der Berufung (unselbständig) angeschlossen.

14

Die Beklagte vertritt nunmehr die Ansicht, die Voraussetzungen einer Nachhaftung seien entfallen, weil ihr gegenüber Ansprüche nicht gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des BGB festgestellt oder gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlungen vorgenommen worden seien. Der Ablauf der Enthaftungsfrist sei auch nicht in entsprechender Anwendung des § 204 BGB gehemmt, § 160 Abs. 1 Satz 3 HGB. Die Voraussetzungen einer Hemmung durch Klage auf Leistung gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB lägen nicht vor, weil nicht die Klägerin, sondern allein der Insolvenzverwalter gemäß § 93 InsO zur Klageerhebung berechtigt gewesen sei. Die Klage eines Nichtberechtigten hemme die Verjährung nicht.

15

Die Beklagte zu 2. beantragt,

16

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Neubrandenburg vom 25.05.2007, Az.: 3 O 135/06, die Klage abzuweisen.

17

Die Klägerin beantragt,

18

unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Beklagte zu 2. unter Aufhebung und Neufassung des Urteils zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag von 207.903,60 € nebst 5 Prozent Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

19

Nach Ansicht der Klägerin sei die Bestimmung des § 93 InsO auf die GmbH & Co. KG nicht anwendbar. Die Anmeldung der Darlehensforderungen im Insolvenzverfahren habe die Verjährung auch gegenüber der Beklagten zu 2. als Komplementärin gehemmt. Im Übrigen sei die Verjährungseinrede der Beklagten im Berufungsverfahren präkludiert.

20

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Parteischriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Akteninhalt im übrigen ausdrücklich Bezug genommen.

II.

21

Die Berufung der Beklagten zu 2. hat Erfolg; die Anschlussberufung der Klägerin ist nicht begründet.

1.

22

Die Beklagte zu 2. haftet nicht als Komplementärin für die von der Klägerin behaupteten Kreditschulden der xxx & xxx.

23

Die Klägerin berühmt sich eines Anspruchs auf Rückzahlung von Kontokorrent- bzw. Darlehensschulden, die vor Eintragung des Ausscheidens der Beklagten zu 2. im Handelsregister begründet worden sind. Die klagegegenständlichen Ansprüche fallen deshalb grundsätzlich in die Nachhaftung gemäß § 160 HGB. Diese Bestimmung macht eine Enthaftung von zwei Voraussetzungen abhängig:

24

Der Gesellschafter haftet für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden (aa) und daraus Ansprüche gegen ihn in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 3 - 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt sind oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird (bb).

aa)

25

Die von der Klägerin behaupteten Gesellschaftsverbindlichkeiten sind vor der Eintragung des Ausscheidens der Beklagten zu 2. aus der GmbH KG am 11.10.2002 fällig geworden.

bb)

26

Eine Nachhaftung scheitert indessen daran, dass Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. als ehemalige Komplementärin nicht in einer in § 197 Abs. 1 Nr. 1 - 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art festgestellt oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen worden ist. Der Ablauf der Enthaftungsfrist ist auch nicht in entsprechender Anwendung des § 204 BGB gehemmt, § 160 Abs. 1 S. 3 HGB. Danach hemmt die Rechtsverfolgung die Enthaftung, wenn Klage auf Leistung (gegen den ausgeschiedenen Gesellschafter) erhoben worden ist, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

(1)

27

Die Hemmung tritt allerdings nur ein, wenn die Klage durch den Berechtigten geführt wird. Die Klage eines Nichtberechtigten hemmt die Verjährung nicht. Obwohl § 204 BGB anders als § 209 BGB a.F. nicht ausdrücklich erwähnt, dass der Berechtigte Klage erhoben haben muss, hat sich insoweit an der Rechtslage sachlich nichts geändert (vgl. Palandt/Heinrichs, 68. Aufl., § 204 Rn. 9; Staudinger/Peters, Kommentar zum BGB, 2004, § 204 Rn. 6). Der Begriff des Berechtigten ähnelt demjenigen des § 185 BGB. Entscheidend ist nicht die Rechtsinhaberschaft, sondern die Befugnis zur klageweisen Geltendmachung des Anspruchs. Nichtberechtigter kann auch der Forderungsinhaber sein, so der Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH LM § 209 Nr. 11; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 204 Rn. 9).

28

So liegt der Fall hier. Die Klägerin war zur Erhebung der Klage nicht berechtigt.

29

Durch Beschluss des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 01.03.2004 wurde über das Vermögen der xxx & xxx das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Gläubiger (hier die Klägerin) die Befugnis zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters, § 93 InsO. Die Norm führt zu einer sogenannten Sperrwirkung, das heißt, der Gläubiger ist gehindert, den Haftungsanspruch selbst geltend zu machen. Zu Gunsten des Insolvenzverwalters besteht die sogenannte Ermächtigungswirkung; sie bedeutet die Befugnis, kraft eigenen Rechts die Ansprüche des Gläubigers erheben zu können, durchzusetzen und einzuziehen. Zur Geltendmachung der persönlichen Haftung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nur der Insolvenzverwalter berechtigt. Einzelklagen von Gläubigern sind nach Eröffnung unzulässig (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 343-344, Tz. 3 u. 6 zit. nach juris, m.w.N.). War bereits ein Rechtsstreit anhängig, so wird das Verfahren analog § 17 AnfG unterbrochen (vgl. BGH, NJW 2003, 590f.), weil der Anspruch zur Masse gehört. Die Norm erfasst alle Gesellschaften, bei denen eine persönliche Haftung für die Gesellschaftsschulden besteht, also die OHG (§ 128 HGB), die EWIV, die KG hinsichtlich der Komplementärhaftung (für die Kommanditistenhaftung gilt ohnehin § 171 HGB), die Partnerschaftsgesellschaft, die Patentreederei sowie die GbR. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine Anwendung auf die GmbH & Co. KG (vgl. Heidelberger Kommentar zur InsO/Eickmann 2006, § 93 Rn. 1, 2, 6; BGH, a.a.O.). Die haftungsrechtliche Situation und das Bedürfnis, einen Wettlauf der Gläubiger zu verhindern (BGHZ 151, 245, 248), stellt sich bei einer juristischen Person als Komplementärin nicht anders als bei einer natürlichen Person dar (vgl. BGH, NJW-RR 2009, 343-344, Tz. 6). Es ist ebenso eine Ungleichbehandlung der Gläubiger nach Insolvenz der Gesamtschuldnerin durch Inanspruchnahme einzelner Gesellschafter zu befürchten.

(2)

30

Die Fünfjahresfrist des § 160 HGB beginnt mit dem Ende der Tages der Eintragung des Ausscheidens ins Handelsregister. Die Eintragung des Ausscheidens erfolgte am 11.10.2002, so dass die Haftungsfrist zum Ablauf des Jahres 2007 verstrichen war. Hieran ändert die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 200 InsO) mit Wirkung vom 18.08.2008 nichts. Zwar erlangt der Gläubiger damit sein Verfügungsrecht zurück. Eine Hemmung der Verjährung bzw. der Haftungsfrist tritt damit allerdings nur ex nunc ein. Eine Rückwirkung kommt nicht in Betracht, weil die insoweit entsprechend anwendbare Bestimmung des § 185 BGB auf die Prozessführung nicht analog anwendbar ist (vgl. Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 204 BGB Rn. 11). Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Insolvenzverfahrens zum 18.08.2008 war damit die Fünfjahresfrist des § 160 HGB bereits verstrichen.

2.

31

Ob die Hemmung der Verjährung des Anspruchs gegenüber der Gesellschaft durch Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren den persönlich haftenden Gesellschafter an der Erhebung der Verjährungseinrede hindert (§ 129 HGB), ist für den Rechtsstreit irrelevant. Vorliegend geht es nicht um einen noch an der Gesellschaft beteiligten Gesellschafter, sondern den ausgeschiedenen Komplementär. Für diesen wären die Verjährungsbestimmungen in erster Linie dann von Bedeutung, wenn die Verjährungsfrist kürzer als die Frist des § 160 HGB ist. Letztendlich bestimmt sich dessen Haftung bezogen auf eine unverjährte Gesellschaftsforderung daher alleine nach der Regelung des § 160 HGB.

3.

32

Die Beklagte zu 2. war nicht gehindert, die Einrede der Enthaftung im Berufungsverfahren zu erheben; mit dieser Verteidigung ist sie - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht präkludiert (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Zum einen war die Haftungsfrist während des erstinstanzlichen Verfahrens noch nicht abgelaufen; erst die neu entstandenen Tatsachen haben der Beklagten zu 2. Anlass zur erhobenen Einrede geben können. Zum anderen sind die Tatsachen, aus denen die Beklagte zu 2. ihren Einwand der Enthaftung herleitet, unstreitig.

4.

33

Die zulässige Anschlussberufung ist unbegründet. Hierzu ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen.

III.

1.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert des Berufungsverfahrens ergibt sich aus einer Addition der Werte von Berufung und Anschlussberufung.

2.

35

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Rechtssache ist - entgegen der Ansicht der Klägerin - weder von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO. Die maßgeblichen Rechtsfragen sind - wie sich aus den angestellten Erwägungen ergibt - geklärt.

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