Beschluss vom Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken - 6 UF 94/11

Tenor

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – in Ottweiler vom 3. Mai 2011 – 12 F 30/11 UK – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Der Verfahrenswert der Beschwerdeinstanz wird auf bis 1.500 EUR festgesetzt.

3. Dem Antragsteller wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe verweigert.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten, beide Deutsche, streiten im Beschwerdeverfahren darüber, wer von ihnen die erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu tragen hat.

Der Antragsteller ging am 9. April 1998 aus der rechtskräftig geschiedenen Ehe seiner Mutter und des Antragsgegners hervor. Letztere schlossen am 1. April 2009 vor dem Amtsgericht – Familiengericht – in Ottweiler im Scheidungsverbundverfahren 12 F 656/08 S einen Vergleich. In dessen Ziffer II. verpflichtete sich der Antragsgegner, an die Mutter des Antragstellers für diesen ab April 2009 monatlich einen Unterhalt nach der 3. Einkommensgruppe und der jeweils gültigen Altersstufe der jeweils gültigen Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Dies entsprach 110% des Mindestunterhalts.

Mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 15. Oktober 2010 hat der Antragsteller vom Antragsgegner die Neutitulierung des Kindesunterhalts im Wege einer Jugendamtsurkunde in Höhe von 120 % des „Regelbetrages aus der Düsseldorfer Tabelle“ begehrt. Der Antragsgegner hat mit außergerichtlichem Anwaltsschreiben vom 29. Oktober 2010 ein Monatseinkommen von 2.568,93 EUR dargestellt, seine Bereitschaft bekundet, einen Betrag von monatlich 398 EUR (115 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergeldes) titulieren zu lassen und um Mitteilung gebeten, „ob darüber Einverständnis besteht“. Der Antragsgegner hat diesen Betrag in der Folgezeit gezahlt.

Durch am 27. Januar 2011 beim Familiengericht eingegangenen und dem Antragsgegner am 2. Februar 2011 zugegangenen Antrag hat der Antragsteller den Antragsgegner ab Februar 2011 auf Zahlung von Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 115 % des jeweiligen Mindestunterhalts gemäß § 1612 a BGB abzüglich hälftigen Kindergeldes in Anspruch genommen und um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nachgesucht.

Am 10. Februar 2011 hat der Antragsgegner vor dem Kreisjugendamt des Landkreises N. eine Urkunde über die Verpflichtung zum Mindestunterhalt ab Februar 2011 in Höhe von 115 % des jeweiligen Mindestunterhalts der jeweiligen Alterstufe errichtet. Diese ist bei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers am 14. Februar 2011 eingegangen. Diese hat daraufhin am 21. Februar 2011 den Unterhaltsantrag für erledigt erklärt. Auf den Hinweis des Familiengerichts, dass der verfahrenseinleitende Antrag nicht rechtshängig geworden sei, hat sie die – einseitig gebliebene – Erledigungserklärung widerrufen, „privilegierte Klagerücknahme nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO“ erklärt und Kostenantrag gestellt.

Der Antragsgegner hat die Ansicht vertreten, es seien keine Kosten entstanden, hilfsweise hat er sinngemäß gegenläufigen Kostenantrag verfolgt.

Durch den angefochtenen Beschluss vom 3. Mai 2011, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht dem Antragsteller die Verfahrenskosten auferlegt.

Mit seiner gegen diesen ihm am 12. Mai 2011 zugestellten Beschluss gerichteten und am 26. Mai 2011 beim Familiengericht eingegangenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen erstinstanzlichen Kostenantrag weiter und sucht um Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach.

Der Antragsgegner bittet unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses um Zurückweisung der Beschwerde.

Durch Beschluss vom 15. Juni 2011 hat der Einzelrichter die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem Senat in seiner Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluss der Vorsitzenden übertragen.

II.

Dem Rechtsmittel des Antragstellers bleibt ein Erfolg versagt.

Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats ist gegen eine – wie hier – in einer Unterhaltsfamilienstreitsache erstinstanzlich getroffene Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde nach § 113 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 567 ff. ZPO und nicht die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG eröffnet (Senatsbeschlüsse vom 24. September 2010 – 6 UF 70/10 – und vom 11. Oktober 2010 – 6 UF 72/10 –, NJW-RR 2011, 369 m.z.w.N.; ebenso Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 20. Juni 2011 – 9 UF 33/11 –; KG, Beschluss vom 29. Juni 2010 – 19 UF 28/10 –; OLG Nürnberg, Beschluss vom 9. Juni 2010 – 11 WF 172/10 –; OLG Naumburg, Beschlüsse vom 23. Dezember 2009 – 8 WF 269/09 – und vom 1. April 2010 – 3 WF 60/10 –; OLG Oldenburg, Beschluss vom 8. Oktober 2010 – 4 WF 226/10 –; OLG Karlsruhe, FamRZ 2011, 749; OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 15. Januar 2011 – 15 WF 2/11 – und vom 26. April 2011 – 15 UF 86/11 –; OLG Hamm, Beschlüsse vom 2. Februar 2011 – 8 WF 262/10 – und vom 30. März 2011 – 8 UF 62/11 –; OLG Bamberg, Beschluss vom 10. Januar 2011 – 2 WF 320/10 –; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. März 2011 – 6 WF 224/10 –; wohl auch – obiter dictum – OLG Celle, Beschluss vom 26. April 2010 – 15 UF 40/10 –; a.A. OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. Juni 2010 – 14 UF 45/10 –; OLG Hamm, Beschluss vom 26. Oktober 2010 – 2 WF 249/10 –; KG, Beschluss vom 1. März 2011 – 13 UF 263/10 –; OLG Bremen, Beschluss vom 18. April 2011 – 4 WF 23/11 –; OLG München, Beschluss vom 18. April 2011 – 33 WF 469/10 – [mit dem Hinweis, dass der Senat damit von der Rechtsprechung der übrigen Familiensenate des OLG München abweiche]). An dieser Rechtsprechung hält der Senat – der einer Entscheidung dieser Streitfrage schon deshalb nicht enthoben ist, weil von ihrer Beantwortung abhängt, wer als gesetzlicher Richter das Rechtsmittel zu bescheiden hat – fest.

Die mit dieser Maßgabe statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet.

Unangegriffen und rechtsbedenkenfrei hat das Familiengericht in der vorliegenden Unterhaltssache seine Kostenentscheidung auf § 243 FamFG gegründet. Die Ausübung des ihm durch diese Vorschrift eröffneten billigen Ermessens ist – zumal in Ansehung des diesbezüglich eingeschränkten Überprüfungsmaßstabs des Senats – nicht zu beanstanden.

Denn ist die Bemessung einer Kostenquote in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt, beschränkt sich die Überprüfungsmöglichkeit durch das Beschwerdegericht auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat. Der Sinn des eingeräumten Ermessens würde verfehlt, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Stattdessen kann das Beschwerdegericht die Entscheidung nur auf Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs oder der Ermessensüberschreitung überprüfen, also darauf, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm obliegenden Ermessen einen ungesetzlichen Gebrauch gemacht hat. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn es für die Ermessensentscheidung maßgebliche Tatsachen verfahrensfehlerhaft nicht ermittelt oder sonst unberücksichtigt gelassen hat (Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 5. Aufl., § 243 FamFG, Rz. 12; ebenso – zu § 93 a Abs. 1 S. 2 ZPO a.F. – BGH FamRZ 2007, 893).

Solche Ermessensfehler des Familiengerichts sind vorliegend nicht festzustellen.

Zutreffend hat das Familiengericht angenommen, dass der verfahrenseinleitende – unbedingt gestellte (vgl. dazu BGH FamR 2005, 794) – Antrag des Antragstellers dem Antragsgegner nicht zugestellt worden ist. Denn hierfür hat es ausweislich der am 31. Januar 2011 ausgeführten Verfügung des Familiengerichts am erforderlichen Zustellungswillen der Abteilungsrichterin gefehlt (vgl. dazu BGH FamRZ 2000, 1565; NJW 1956, 1878; 1952, 1375). Der mithin nicht eingetretenen Rechtshängigkeit des Antrags entsprechend hat der Antragsteller nach diesbezüglichem gerichtlichem Hinweis seine zunächst abgegebene, einseitig gebliebene Erledigungserklärung wirksam widerrufen (dazu BGH NJW 2002, 442) und seinen Antrag zurückgenommen.

Folgerichtig hat das Familiengericht bei seiner Ermessensausübung den Rechtsgedanken des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO (vgl. dazu Johannsen/Henrich/Maier, a.a.O. Rz. 4; Keidel/Giers, FamFG, 16. Aufl., § 243, Rz. 2) und – wie aus dem Gesamtzusammenhang der Gründe der angefochtenen Entscheidung erkennbar wird – auch von § 243 S. 1 Nr. 4 FamFG i.V.m. § 93 ZPO einbezogen.

Insoweit ist das Familiengericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner keine Veranlassung zum verfahrenseinleitenden Antrag gegeben hat.

Veranlassung zur Antragserhebung gibt ein Antragsgegner dann, wenn sein Verhaltens vor Verfahrensbeginn ohne Rücksicht auf Verschulden und materielle Rechtslage die Annahme des Antragstellers rechtfertigt, er werde ohne den Antrag nicht zu seinem Recht kommen. Bei der hiernach angezeigten Gesamtbetrachtung, ob der Antragsteller aus dem vorprozessualen Verhalten des Antragsgegners vernünftiger Weise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Verfahrens ziehen durfte, ist auch das Verhalten des Antragsgegners nach Antragserhebung einzubeziehen (vgl. zum Ganzen BGH NJW 1979, 2040; ZIP 2007, 95; Senatsbeschluss vom 1. Februar 2001 – 6 WF 2/01 –, OLGR 2001, 332; Beschluss des 9. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 8. August 2008 – 9 W 98/08-2-).

Hieran gemessen ist gegen die Ansicht des Familiengerichts, der Antragsteller hätte nicht den Schluss ziehen dürfen, dass es eines Verfahrens bedurfte, um eine Titulierung seines Unterhaltsanspruchs zu erreichen, auch nach dem sich dem Senat im Beschwerdeverfahren darbietenden Sach- und Streitstand nichts zu erinnern. Der Antragsgegner hat im Anwaltsschreiben vom 29. Oktober 2010 eindeutig seine Bereitschaft erklärt, den Unterhaltsanspruch von 115 % des Mindestunterhalts titulieren zu lassen, und diesbezüglich um das Einverständnis des Antragstellers nachgesucht. Unstreitig hat der Antragsgegner diesen Betrag monatlich auch vorbehaltlos und regelmäßig gezahlt. Nachdem der Antragsteller nachfolgend den Unterhalt (nur) in Höhe von 115 % des Mindestunterhalts anhängig gemacht hat, handelt es sich bei den Zahlungen des Antragsgegners auch um den vollen Unterhalt und nicht etwa um Teilleistungen (dazu BGH FamRZ 2010, 195). In Ansehung dessen hätte der Antragsteller – seines freilich bestehenden Titulierungsinteresses (BGH FamRZ 2010, 195; 1998, 1165) unbeschadet – vor Antragseinreichung dem Antragsgegner sein Einverständnis mit der Titulierung in Höhe von 115 % des Mindestunterhalts erteilen und diese entsprechend anfordern müssen. Dass er dies auf das Anwaltsschreiben der Gegenseite vom 29. Oktober 2010 hin unternommen hätte, hat der Antragsteller schon nicht substantiiert dargetan. Denn er hat zwar in der Antragsschrift ausgeführt, der Antragsgegner habe trotz mehrfacher Aufforderung nicht die Titulierung „dieser Verpflichtung“ herbeigeführt. Dem Zusammenhang der Antragsbegründung kann auch entnommen werden, dass damit die Verpflichtung in Höhe von 115 % des Mindestunterhalts gemeint gewesen ist. Indes hat der Antragsgegner in seinem am 22. Februar 2011 eingegangenen Schriftsatz vorgetragen, der Antragsteller habe Titulierung bezüglich der ursprünglichen außergerichtlichen Forderung über 420 EUR (120 % des Mindestbedarfs abzüglich Kindergeldanteils) gefordert. Nachdem der Antragsgegner den Unterhalt auf 398 EUR (115 % des Mindestbedarfs abzüglich Kindergeldanteils) errechnet habe, habe er erweiterte Auskunft begehrt und sich anschließend nicht mehr gemeldet. Der zu zahlende Unterhalt habe daher nicht festgestanden und sei vom Antragsteller nicht bestätigt worden. Dies hat das Familiengericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend als Bestreiten einer Aufforderung zur Titulierung des Unterhalts in Höhe von 398 EUR gewertet und darauf hingewiesen, dass eine solche Aufforderung vom Antragsteller nicht substantiiert dargelegt worden sei. Der Antragsteller wäre daher spätestens im Beschwerdeverfahren gehalten gewesen vorzutragen, wann er die Titulierung in Höhe von 398 EUR vorgerichtlich angefordert hat. Dem tut sein im Beschwerdeverfahren erfolgter Verweis auf „weiteren umfangreichen außergerichtlichen Schriftverkehr“, der weder vorgelegt noch anderweit näher dargestellt worden ist, nicht Genüge, zumal der Antragsteller in der Beschwerdeschrift selbst vorträgt, Inhalt der weiteren außergerichtlichen Korrespondenz sei die Höhe der Unterhaltsforderung gewesen, es müsse aber genügen, wenn vom Unterhaltspflichtigen „einmal verlangt“ werde, dass der höhere Unterhalt tituliert werden solle.

Soweit der Antragsteller darauf verweist, der Antragsgegner sei dem Unterhaltsantrag mit Schriftsatz vom 10. Februar 2011 entgegengetreten, vermag der Senat dies diesem – am 14. Februar 2011 und daher nach Errichtung der Jugendamtsurkunde beim Familiengericht und am selben Tag wie deren Zugang bei der Antragstellervertreterin eingegangenen – Schriftsatz nicht ansatzweise zu entnehmen.

Nach Maßgabe dessen sieht sich der Senat zu einer Beanstandung der Ermessensausübung des Familiengerichts nicht veranlasst. Daher kommt es nicht mehr darauf an, dass der Antragsteller außerdem – was er auch selbst in der Beschwerde einräumt – prozessual fehlerhaft bis zur Antragsrücknahme einen Leistungsantrag verfolgt hat, obwohl er über einen Unterhaltstitel in Form des Vergleichs vom 1. April 2009 verfügt hat, und ob bei den vorliegenden Gegebenheiten im Lichte des vom Antragsteller bis zur Antragsrücknahme gehaltenen Sachvortrags eine Umdeutung des Leistungsantrags in einen – allein zulässigen – Abänderungsantrag nach § 239 FamFG möglich gewesen wäre.

Nach alledem bewendet es bei dem angefochtenen Beschluss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 FamFG; es besteht kein Anlass, den Antragsteller von den Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu entlasten. Die Festsetzung des Verfahrenswerts der Beschwerdeinstanz folgt aus § 37 Abs. 3 i.V.m. § 40 Abs. 1 FamGKG.

Dem Antragsteller ist die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht seiner Beschwerde (§§ 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 S. 1 ZPO) zu verweigern.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen