Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 3 U 111/04

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 29.04.2004 (1 O 223/03) wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in selber Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Berufungsstreitwert:

223.204,65 Euro.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt von den Beklagten Schadensersatz im Rahmen eines Bauträgervertrages.
Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
Ergänzend ist noch anzufügen:
– in III. (Bl. 7 der notariellen Urkunde, Buchstabe e) wurde die Fälligkeit des Kaufpreises vom Vorliegen der Baugenehmigung zu dem in Ziff. II. 2 genannten Vorhaben abhängig gemacht;
– die Klägerin zahlte im Zeitraum 01.08.2002 bis 18.03.2003 aufgrund Bautenstandsbestätigungen der Beklagten Ziff. 1 mindestens 190.325,40 Euro;
– die Parteien wurden im notariellen Vertrag (S. 16 d) über die Regelungen in der Makler- und Bauträgerverordnung belehrt.
– am 10.04.03 erging gegen den Beklagten Ziffer 2 ein Bußgeldbescheid wegen Bauens ohne Baugenehmigung, welchen der Beklagte Ziff. 2 akzeptierte.
Das Landgericht hat in einem Grundurteil die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten.
Es ist davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagte Ziff. 1 ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht und dieser sowohl die Rückabwicklung des Bauträgervertrags als auch Ersatz des weiter entstandenen Schadens umfasst.
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Weiterhin, dass der Klägerin gegen den Beklagten Ziff. 2 ein Anspruch auf Schadensersatz nach den §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB zusteht.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Beklagten.
13 
Die Beklagten bringen vor, die Klägerin habe gegenüber der Beklagten Ziff. 1 keine Schadensersatzansprüche nach § 633 Abs. 2 BGB.
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Der Bauträgervertrag sei nicht mit einem Sachmangel behaftet. Einen Sachmangel der Doppelhaushälfte der Klägerin stelle eine gewerbliche Nutzung der angrenzenden Doppelhaushälfte der Eheleute ... anstelle von reiner Wohnnutzung nicht dar. Die Vertragsschließenden hätten gewusst, dass die öffentlich-rechtliche Genehmigung für ein Einfamilienhaus zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht vorlag und hätten deshalb die Konsequenzen vertraglich festgelegt, falls der Beklagten Ziff. 1 die Beibringung der Genehmigung nicht gelingen würde.
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Die Beklagte Ziff. 1 habe noch am 17.04.2003 ordnungsgemäß die Stadt ... schriftlich in Kenntnis gesetzt, dass die Klägerin und die Nachbarn ... beide Haushälften zur Gänze bewohnen und nicht etwa gewerblich nutzen wollten. In der abgegeben Stellungnahme der Baubehörde vom 15.05.2003 sei eine verfahrensfreie Nutzungsänderung i. S. v. § 50 Landesbauordnung zu sehen.
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Es sei mit dem Landgericht davon auszugehen, dass die Nutzung der Doppelhaushälfte für die Klägerin zu Wohnzwecken als genehmigt anzusehen sei.
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Die Beklagten hätten klar zum Ausdruck gebracht, dass es nie für die von der Klägerin erworbene Doppelhaushälfte lediglich eine auf dessen gewerbliche Nutzung gerichtete Genehmigungsplanung gegeben habe.
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Unbeachtet sei auch geblieben, dass die Beklagten aufgrund der Baugenehmigung vom 17.04.2003 jedenfalls von der Genehmigungsfähigkeit einer gemischten Nutzung zu Wohn- und Gewerbezwecken hätten ausgehen können, dies bezüglich beider Doppelhaushälften.
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Die Annahme eines Sachmangels sei völlig unhaltbar. Die zu Unrecht unterstellte fehlende Genehmigungsfähigkeit des Objekts der Eheleute ... für Wohnzwecke sei nicht als Sachmangel anzusehen. Hierzu bedürfe es keiner weiteren Überlegungen, nachdem die Parteien bei Vertragsschluss um das Fehlen einer Genehmigung für eine Wohnbebauung gewusst hätten und deshalb in den Vertrag die Verpflichtung der Beklagten Ziff. 1 aufgenommen hätten, für diese Genehmigung Sorge zu tragen. Des Weiteren sei der Geschehensablauf geregelt worden, wenn die Erfüllung dieser Verpflichtung nicht gelänge.
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Die Aufforderung der Klägerin, die Baugenehmigung für ein Wohnhaus nachzureichen, sei für die rechtliche Würdigung des Falles belanglos. Dies, weil die Genehmigung für dessen teilweiser Nutzung zu Wohn- und Gewerbezwecken schon seit 17.04.2003 vorgelegen habe und es grundsätzlich für eine nach § 50 Landesbauordnung verfahrensfreie Nutzungsänderung keine weitere oder ergänzende schriftliche Genehmigung gäbe.
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Durch die vertraglichen Vereinbarungen in Ziff. II. Abs. 2. der Vertragsurkunde sei die Klägerin mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen ausgeschlossen.
22 
Die Regelung zum Ausschluss von Schadensersatzansprüchen sei wirksam. Es sei von der Klägerin nicht bestritten worden, dass jederzeit von beiden Vertragspartnern Änderungen des vom beurkundenden Notar entworfenen Vertrags hätten verlangt werden können.
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Warum eigenes, treuwidriges Verhalten die Beklagte Ziff. 1 daran hindern solle, sich auf die vertragliche Regelung unter Abschnitt II. Ziff. 2 zu berufen, sei nicht nachvollziehbar.
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Dass auch die Baurechtsbehörde von dem Vorliegen einer die Bauarbeiten legitim machenden Genehmigung ausgegangen sei und die Nutzung des Reihenhauses der Klägerin zu Wohnzwecken nicht als baurechtswidrig angesehen habe, ergebe sich auch daraus, dass die Errichtung des Objekts als reines Wohnhaus nicht verhindert worden sei.
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Die Argumentation des Landgerichts zur Begründetheit der Klage gegen den Beklagten Ziff. 2 könne nur erstaunen. Dieser habe nicht für sich selbst gehandelt, sondern als Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Allein diese habe aus dem Vertragsverhältnis berechtigt und verpflichtet werden können. Völlig unklar sei eine Gefährdung des Vermögens der Klägerin oder gar eine endgültige Schädigung.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage wird unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Ravensburg vom 29.04.2004 (1 O 223/03) abgewiesen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das erstinstanzliche Urteil für richtig. Es lägen Rechtsmängel und Sachmängel vor. Entgegen dem notariellen Kaufvertrag sei das Gebäude nicht als Einfamilienhaus genehmigt worden.
31 
Für die Doppelhaushälfte der Klägerin sei bei Abschluss des Kaufvertrags eine gewerbliche Nutzung als Ferienwohnungen beantragt gewesen. Entsprechend diesem Antrag sei die Genehmigung erfolgt.
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Es sei nicht zutreffend, dass am Tag der Erteilung der Baugenehmigung die verfahrensfreie Nutzungsänderung beantragt worden sei. Diese sei erst einen Monat später bei der Baugenehmigungsbehörde eingegangen. Die verfahrensfreie Nutzungsänderung sei zurückdatiert. Die Beklagte habe gewusst, dass eine Wohnnutzung nicht genehmigungsfähig gewesen sei. Trotzdem habe sie das Objekt zu reinen Wohnzwecken verkauft. Das Objekt ... sei als Wohnobjekt nicht genehmigungsfähig. Die verfahrensfreie Nutzungsänderung ersetze eine Baugenehmigung nicht.
33 
Der Mangel sei nicht behebbar. Das Objekt sei nicht genehmigungsfähig. Die Beklagte habe – trotz verschiedener Fristsetzungen – den Mangel nicht behoben und auch keine Anstrengungen hierzu unternommen. Dies habe die Beklagte bereits vor Abschluss des Kaufvertrags gewusst. Ansonsten hätte sie sofort einen Bauantrag entsprechend der notariellen Urkunde gestellt. Bei der beanstandeten Vertragsklausel handele es sich um AGB. Vertragsverhandlungen zu einzelnen Vertragspunkten hätten nicht stattgefunden.
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Hinzu komme, dass eine Vielzahl von Mängeln gerügt worden sei und eine Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bezüglich der Bezugsfertigkeit gestellt worden sei.
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Der Beklagte Ziff. 2 habe den Betrugstatbestand erfüllt.
36 
Wegen der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
37 
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht im Ergebnis die Klage dem Grunde nach für begründet angesehen.
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1. Haftung der Beklagten Ziff. 1:
39 
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Lösung des Landgerichts richtig ist.
40 
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Ziff. 1 Schadensersatzansprüche nach den §§ 280, 281, 311 a BGB. Die Beklagte Ziff. 1 hat ihre Pflichten aus dem Kaufvertrag vom 11.07.2002 nicht erfüllt. Sie hat für den Kaufgegenstand die vertraglich geschuldete Baugenehmigung für ein Einfamilienhaus zur Nutzung zu reinen Wohnzwecken nicht beigebracht. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist das Bauwerk nach öffentlichrechtlichen Vorschriften nicht genehmigt bzw. als genehmigt anzusehen und jedenfalls für die im Vertrag zugesagte Nutzung nicht genehmigungsfähig. Es kann offen bleiben, ob ein Sachmangel oder ein Rechtsmangel im Hinblick auf die fehlende Baugenehmigung vorliegt, denn nach der Schuldrechtsreform unterscheidet das Gesetz nicht mehr zwischen den Rechtsfolgen bei Vorliegen eines Rechtsmangels oder Sachmangels. Ebenso sind die Gewährleistungsansprüche im Kaufrecht und Werkvertragsrecht angeglichen. Bis zum Übergang der Gefahr (§§ 446, 640 BGB) sind die §§ 280 f. BGB und die weiteren Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts unmittelbar anzuwenden. Erst danach gelten sie aufgrund der Verweisungen in den §§ 437 Nr. 3 und 634 Nr. 4 BGB (Palandt, BGB, 63. Aufl. 2004, Rn. 17 zu § 280). Der Begriff der "Pflichtverletzung" umfasst Leistungs-, Nebenleistungs- und Verhaltenspflichten. Das für den Schuldner und damit für die Anwendung des § 280 BGB maßgebliche Pflichtenprogramm ergibt sich aus den für das jeweilige Schuldverhältnis maßgebenden Normen.
41 
Die Pflichtverletzung liegt darin, dass die Erstellung eines Einfamilienhauses nach dem Bauordnungsrecht nicht genehmigt und auch nicht genehmigungsfähig ist. Die Doppelhaushälfte der Klägerin wurde in der Baugenehmigung als Ferienwohnung genehmigt. Eine verfahrensfreie Nutzungsänderung durch die Beklagte Ziff. 1 ist nicht erfolgt. Im Schreiben des Geschäftsführers der Beklagten Ziff. 1 vom 17. April 2003 (Eingang beim Baurechtsamt 14. Mai 2003) ist lediglich von baulichen Änderungen die Rede, nicht jedoch von einer Nutzungsänderung von Gewerbeeinheiten in Wohneinheiten. Die mit undatiertem Schreiben der Beklagten (Bl. 25 d. Bauakte) erklärte verfahrensfreie Nutzungsänderung ist rechtlich nicht möglich. Nutzungsänderungen zur Schaffung von Wohnraum in einem zu Gewerbezwecken genehmigten Gebäude nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 Landesbauordnung bedürfen eines Baugenehmigungsverfahrens (Sauter, Landesbauordnung für Baden-Württemberg, Stand 2003, Rn. 210 zu § 50 LBO).
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Die Nutzungsänderung ist nicht gem. § 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO verfahrensfrei. Zunächst setzt eine Nutzungsänderung eine bereits bestehende Nutzung eines fertigen Gebäudes voraus. Ein nicht bestehendes und nicht genutztes Gebäude kann daher nicht einer Nutzungsänderung unterliegen. Maßgeblich ist ein Vergleich der neuen Nutzung mit der zuletzt legal ausgeübten Nutzung (Sauter, LBO, Stand 2003, Rn. 205 zu § 50). Eine zuletzt legal ausgeübte Nutzung als Gewerberäume gab es nicht. Erst nach genehmigter erstmaliger legaler Nutzung ist im rechtlichen Sinn eine Nutzungsänderung möglich, sofern die erforderlichen gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
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Das Schreiben der ... vom 15.05.03 stellt keine Bestätigung einer verfahrensfreien Nutzungsänderung dar. Es verweist lediglich auf die gesetzlichen Voraussetzungen einer solchen. Die Beklagte konnte daher gerade nicht auf eine genehmigte verfahrensfreie Nutzungsänderung vertrauen.
44 
Würde man eine verfahrensfreie Nutzungsänderung zulassen, würden nachbarschützende Vorschriften nicht geprüft. Wesentliche Grundsätze des Bauplanungsrechts und der Voraussetzungen nach § 34 BauGB würden ausgehöhlt. So hat der Geschäftsführer der Beklagten im Termin vor dem Senat ausgeführt, ihm sei behördlicherseits erklärt worden, ohne Auflagen gebe es keine Genehmigung für eine reine Wohnnutzung. Eine Mauer zum Grundstück Alu-Form Guss GmbH und möglicherweise eine Schallschutzverglasung seien als Voraussetzung einer Baugenehmigung für reine Wohnzwecke erforderlich.
45 
Die Beklagte Ziff. 1 hat somit die fällige Leistung nicht wie geschuldet erbracht. Die Klägerin kann von der Beklagten Ziff. 1 Schadensersatz nach § 281 Abs. 1 BGB verlangen. Einer gesonderten Fristsetzung bedurfte es nicht, zumal die Beklagte auch heute noch darauf beharrt, das Gebäude sei ordnungsgemäß genehmigt.
46 
Die Beklagte hat das Fehlen der Baugenehmigung und die weiteren Pflichtverletzungen zu vertreten. Der Klägerin steht der "große Schadensersatz" zu.
47 
Zu einem anderen Ergebnis kommt man nicht dadurch, dass im Vertrag unter Ziff. II. 2. 4. Abschnitt im Fall einer vom Vertrag abweichenden Baugenehmigung, die Klägerin vom Vertrag zurücktreten könne und für den Fall der Nichtausübung des Rechts Schadensersatzansprüche ausgeschlossen werden.
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Die Klausel ist unklar. Sie spricht von einem Rücktrittsrecht des Käufers für den Fall, dass die baubehördliche Genehmigung des Vertragsbesitzes bzw. der Außenfassade nicht entsprechend den Plänen erteilt wird. Damit sollen – wie sich am Beispiel der Außenfassade zeigt – offensichtlich nur geringfügige Abweichungen der baubehördlichen Genehmigung von den Plänen erfasst werden, nicht aber solche Abweichungen, die den Vertragszweck in seinem zentralen Bereich betreffen, nämlich die unanfechtbare Nutzung des gesamten Gebäudes als Wohnraum.
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Im übrigen hat das Landgericht zu Recht diese Regelung an den Schutzvorschriften der §§ 309 f. BGB gemessen. Über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB unterfallen auch einmalige Klauseln in Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern dem Schutzzweck der Normen. Es reicht aus, dass der Unternehmer einseitig Bedingungen stellt, auf die der Verbraucher keinen Einfluss hat. Im vorliegenden Bauträgervertrag handelt es sich um einen umfangreichen und komplexen Text. Es besteht der Beweis des ersten Anscheins, dass die Klägerin als Verbraucherin auf die Vertragsbedingungen keinen Einfluss nehmen konnte. Dieser Beweis ist nicht erschüttert. Nur die Behauptung, die Klägerin hätte jederzeit auf den Vertragstext Einfluss nehmen können, reicht nicht aus. Die Beklagte Ziff. 1 trägt auch nicht vor, auf welche Weise der Klägerin vom Notar die Einflussnahme möglich gemacht worden sein soll. Der Klägerin wurde ein vorbereiteter, vorformulierter Text vorgelegt. Zu Recht nimmt das Landgericht an, dass sie sich in derselben Situation wie bei Einbeziehung eines Textes, der mehrfach verwendet wird, befunden habe.
50 
Die Regelung des Rücktritts/Schadensersatzes ist eine nach § 309 Nr. 7 b BGB unzulässige Einschränkung der Sekundärrechte. Schadensersatzansprüche sind auch für Fälle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit ausgeschlossen (Palandt, 63. Aufl. 2004, Rn. 44, 47 zu § 309 BGB).
51 
Weiterhin hat das Landgericht berechtigterweise darauf abgestellt, dass es der Beklagten Ziff. 1 verwehrt ist, sich auf die Klausel aufgrund treuwidrigen Verhaltens zu berufen.
52 
Die Beklagte Ziff. 1 hatte bereits vor Abschluss des Vertrages Kenntnis, dass das Bauvorhaben von vornherein zu reinen Wohnzwecken nicht genehmigt wird. Dies hat sie gegenüber der Klägerin verschwiegen. Die Klägerin wurde von vorneherein über die Vorgehensweise zum Erlangen einer Baugenehmigung getäuscht.
53 
2. Haftung des Beklagten Ziff. 2:
54 
Der Beklagte Ziff. 2 haftet der Klägerin nach den §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB auf Schadensersatz.
55 
Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wusste der Beklagte Ziff. 2 bei Abschluss des Kaufvertrags, dass die Stadt eine Baugenehmigung für ein Gebäude für reine Wohnzwecke auf dem gesetzlich vorgeschriebenen Weg nicht erteilen wird, und dass er eine Baugenehmigung für gewerbliche Zwecke beantragt hatte. In Kenntnis dieser Tatsache sagte er der Klägerin im schriftlichen Vertrag eine den Bauordnungsvorschriften entsprechende Baugenehmigung zu. Über seine Absicht, die Baugenehmigung im Rahmen einer Nutzungsänderung in eine Genehmigung für reine Wohnzwecke abzuändern und die damit verbundenen Risiken, ließ er die Klägerin im Ungewissen. Er erweckte bei dieser den Eindruck, er werde eine Baugenehmigung auf dem grundsätzlich gesetzlich vorgeschriebenen Weg und nicht über einen riskanten, gesetzlich zumindest umstrittenen, Umweg beschaffen. Somit hat er die Klägerin jedenfalls über die Tatsache getäuscht, dass eine Baugenehmigung aufgrund der Vorschriften des BauGB nicht erteilt wird.
56 
Trotz Festlegungen im Vertrag und den Vorschriften in der Makler- und Bauträgerverordnung spiegelte der Beklagte Ziff. 2 der Klägerin vor, eine dem Kaufvertrag entsprechende Baugenehmigung sei erteilt worden, indem er der Klägerin mitteilen ließ, die Fälligkeitsvoraussetzungen für Abschlagszahlungen lägen vor. Dies mehrfach, obwohl er wusste, dass Abschlagszahlungen erst nach Vorliegen der vertraglich geschuldeten Baugenehmigung fällig wurden. Im Zeitraum 01.08.2002 bis 18.03.2003 leistete die Klägerin unstreitig Abschlagszahlungen in Höhe von 190.325,40 Euro. Zu diesem Zeitraum lag unstreitig noch nicht einmal eine Baugenehmigung für gewerbliche Zwecke vor. Am 10.04.2003 erhielt der Beklagte Ziff. 2 einen Bußgeldbescheid wegen Bauens ohne Baugenehmigung, den er akzeptierte. Der Beklagte Ziff. 2 hielt dadurch den Irrtum der Klägerin aufrecht, dass eine Baugenehmigung für eine reine Wohnnutzung vorliege.
57 
Der Beklagte Ziff. 2 hat somit bei der Klägerin einen Irrtum erregt/aufrechterhalten und diese zu Vermögensverfügungen veranlasst. Eine Vermögensgefährdung auf Seiten der Klägerin lag ab Zahlung der ersten Abschlagszahlung vor, denn es bestand und realisierte sich die Gefahr, dass die Klägerin das vertraglich versprochene Wohngebäude mit entsprechender Baugenehmigung nicht erhalten hat. Des Weiteren ist der Klägerin allein dadurch, dass die Abschlagszahlungen vor Fälligkeit bezahlt wurden, ein Schaden entstanden. Eine Schädigung der Klägerin nahm der Beklagte Ziff. 2 billigend in Kauf.
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Auf die Behauptung des Beklagten Ziff. 2, die gesamte Vorgehensweise im Hinblick auf die Erteilung einer Baugenehmigung auf "indirektem" Weg, sei mit dem Zeugen ... abgesprochen gewesen, braucht nicht eingegangen zu werden. Selbst wenn diese Behauptung des Beklagten Ziffer 2 zutreffen sollte, hätte er die Klägerin über die Genehmigungsfähigkeit des Gebäudes für reine Wohnzwecke getäuscht.
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Das Vorbringen des Beklagten Ziff. 2 im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 18.11.2004, der Notar habe die Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen geprüft, ändert nichts am Vorgesagten. Die vom Beklagten vorgelegte Anlage B 10 betrifft lediglich die vom Notar zu prüfenden Kaufpreisfälligkeitsvoraussetzungen (Ziff. III 2 a – d) des Kaufvertrags, nicht jedoch die Fälligkeitsvoraussetzung unter Ziff. III 2 e, nämlich das Vorliegen der Baugenehmigung. Es ist auch grundsätzlich nicht Aufgabe eines Notars, bei einem Grundstückskaufvertrag die öffentlich-rechtliche Seite im Hinblick auf die Baugenehmigung zu überprüfen.
3.
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Die Beklagte Ziff. 1 haftet aufgrund der Ausführungen unter 2. auch für den Schaden nach § 31 BGB. Der Geschäftsführer einer GmbH ist Organ im Sinne o. g. Vorschrift.
4.
61 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5.
62 
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO bestehen nicht. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch fordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
6.
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Nach Vorstehendem braucht auf die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der Mängel am Bauwerk nicht eingegangen zu werden.
7.
64 
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze veranlassen den Senat nicht, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

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