Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 10 U 84/06

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ellwangen vom 10.03.2006 (Az.: 5 O 11/05) wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert des Berufungsverfahrens: bis 8.000,00 EUR.

Gründe

 
I.
Der Kläger macht nach dem Kauf eines Gebrauchtwagens Gewährleistungsansprüche geltend.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 17.9.2004 von der Beklagten - einer gewerblichen Gebrauchtwagenverkäuferin - einen Ford , Baujahr , zu einem Gesamtkaufpreis einschließlich Garantieversicherung von 6.100,00 EUR. Im Kaufvertrag wurde als Stand des Kilometerzählers „109.000 km“ eingetragen. Zum Zeitpunkt der Übergabe war in das Fahrzeug allerdings ein neuer Tachometer eingebaut worden, der als Laufleistung 0 km aufwies.
Ca. 3 Monate später blieb das Fahrzeug bei einem Kilometerstand von 6.362 km wegen eines Getriebeschadens liegen. Nachdem die Beklagte eine Nachbesserung ablehnte, hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.2.2005 den Rücktritt vom Kaufvertrag ( Anlage K 9) erklärt.
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrages geltend und verlangte in I. Instanz neben der Rückzahlung des Kaufpreises noch zusätzlich den Ersatz entstandener Kosten für ein Mietfahrzeug, Kundendienst, Ab- und Anmeldung, eine neue Batterie sowie Abschleppkosten. Wegen der gefahrenen Kilometer ließ er sich Gebrauchsvorteile in Höhe von 6 Cent pro Kilometer (insgesamt 400,00 EUR) anrechnen und machte in I. Instanz dementsprechend einen Zahlungsanspruch von 7.679,61 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs geltend. Zur Begründung führte er aus, der Getriebeschaden sei zumindest in der Anlage bereits bei Übergabe des Fahrzeugs vorhanden gewesen.
Der Beklagte vertrat dagegen die Ansicht, das Fahrzeug sei bei Übergabe in einem alters- und ordnungsgemäßen Zustand gewesen. Der eingetretene Getriebeschaden beruhe entweder auf normalem Verschleiß oder auf einer Fehlbedienung. Außerdem sei der Kläger im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht dazu verpflichtet gewesen, die bestehende Garantieversicherung in Anspruch zu nehmen.
Das Landgericht hat zu der Frage, ob der Getriebedefekt zumindest in der Anlage bereits bei Übergabe vorgelegen hat, zu dessen Ursachen und insbesondere zu der Frage, ob es sich dabei um eine normale Verschleißerscheinung gehandelt hat, ein Gutachten durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. eingeholt. Nach dessen Angaben war Ursache für den eingetretenen Getriebeschaden ein kapitaler Zahnradschaden, bei welchem nicht nur einzelne Zähne der Zahnräder ausgebrochen sind, sondern die Verzahnungen rundherum komplett abgehobelt waren, so dass das Getriebe keine Abtriebskräfte mehr übertragen konnte. Der Getriebeschaden sei zwar am 29.12.2004 spontan eingetreten, allerdings Folge eines langfristigen vorzeitigen Verschleißes. Die Ursache dafür liege in der Verzahnung, die von der konstruktiven Auslegung her nicht geeignet sei, hohe Kilometer-Laufleistungen zu überstehen.
Der Sachverständige führte weiter aus, die Anfälligkeit des Getriebes des sei in Fachkreisen bekannt und es gebe häufiger Fälle, in welchen das Getriebe keine besonders lange Haltbarkeit aufweise. Die von einem Konstrukteur vorausberechnete Lebenserwartung eines Getriebes bzw. der Zahnräder liege nach dem Stand der Technik bei 200.000 bis 300.000 km. Trete ein solcher Schaden vor einer Laufleistung von 200.000 km auf, müsse von einem „vorzeitigen Schaden“ gesprochen werden.
Das Landgericht hat der Klage unter Berufung auf die Angaben des Sachverständigen mit der Begründung zum größten Teil stattgegeben, der Zustand des Getriebes sei bei Übergabe mangelhaft gewesen, da übermäßiger und ungewöhnlicher Verschleiß vorgelegen habe, den ein Käufer nicht hinzunehmen brauche. Vergleichsmaßstab für Mängel eines Gebrauchtwagens bildeten zwar grundsätzlich bauart- und typgleiche Gebrauchtfahrzeuge mit entsprechendem Alter und gleicher Laufleistung; hier handle es sich jedoch um einen Serienfehler. Daher sei auf die üblichen Erwartungen eines objektiven Käufers abzustellen. Vergleichsmaßstab seien dabei nicht nur amerikanische Vans, sondern alle auf dem Markt befindlichen Vans. Ein Durchschnittskäufer dürfe auf eine Getriebelaufleistung von mindestens 200.000 km vertrauen, weil dies dem Stand der Technik entspreche. Abzüge hat das Gericht hinsichtlich der geltend gemachten Mietwagenkosten vorgenommen und dem Kläger letztlich einen Betrag von 7.403,45 EUR (statt beantragter 7.679,71 EUR) zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zugesprochen. Außerdem hat das Landgericht die Feststellung ausgesprochen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Verzug befindet.
Mit seiner Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung weiter. An der angegriffenen Entscheidung rügt sie im wesentlichen, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft aus der bei Übergabe frischen Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO darauf geschlossen, der gewöhnliche Verwendungszweck des Fahrzeugs sei der Gebrauch im Straßenverkehr über einen gewissen nicht allzu kurzen Zeitraum gewesen. Im Rahmen der Hauptuntersuchung werde über die Qualität des Fahrzeugs im Sinne einer Haltbarkeit jedoch nichts ausgesagt, weshalb der Käufer hieraus keine Erwartungen bezüglich einer weiteren problemlosen Laufleistung herleiten könne. Das Landgericht habe den Mangelbegriff falsch ausgefüllt. Ein Käufer könne lediglich die Beschaffenheit erwarten, die bei Sachen gleicher Art üblich sei und nach Art der Sache erwartet werden könne. Bei Fahrzeugen der vorliegenden Art, einem typisch amerikanischen Van, könne man als Vergleichsmaßstab nicht alle am Markt befindlichen Fahrzeuge heranziehen, sondern allenfalls die unmittelbaren Konkurrenzprodukte, die jedoch allesamt an dem Problem einer nicht optimalen Getriebekühlung litten. Dies gelte besonders für sog. „Exoten“, die lediglich für den nordamerikanischen Markt produziert worden seien. Es handele sich daher um normalen Verschleiß, wenn bei einem solchen Fahrzeug das Getriebe lediglich 115.000 km halte. Nach dem objektivierten Maßstab eines informierten und sachlichen Interessenten sei nicht von einem Mangel auszugehen, weil dieser wisse, dass amerikanische Fahrzeuge im Vergleich zu europäischen Fahrzeugen gewisse Besonderheiten aufwiesen. Außerdem sei das Landgericht unzutreffend von einem Serienfehler ausgegangen. Es liege allenfalls eine konstruktive Schwäche vor, die einem solchen Serienfehler nicht gleichzusetzen sei. So würde beispielsweise auch bei Reifen ein Produkt schneller verschleißen als andere, ohne dass dies zu einem Mangel des schneller verschleißenden Reifens führe.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ellwangen vom 10.03.2006 die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen des weiteren Berufungsvorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen verwiesen.
II.
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Die zulässige Berufung bleibt erfolglos, weil das Landgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass das Getriebe des vom Kläger erworbenen zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs einen Mangel im Sinne von § 434 BGB aufgewiesen hat.
1.
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Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs folgt nach dem mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 16.02.2005 wirksam erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag aus §§ 346, 348, 437 Nr. 2, 323 BGB.
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Streitpunkt zwischen den Parteien ist dabei allein, ob das Fahrzeug zu dem nach § 446 BGB maßgeblichen Zeitpunkt der Übergabe mit einem Sachmangel im Sinne von § 434 BGB behaftet gewesen ist. Nachdem die Behauptung einer höheren Laufleistung im Berufungsverfahren keine Rolle mehr spielt, ist letztlich nur noch zu klären, ob aus dem ca. 3 Monate bzw. 6.000 km nach Übergabe am Fahrzeug aufgetretenen Getriebeschaden ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs abgeleitet werden kann.
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a. Eine ausdrückliche Beschaffenheit des Fahrzeugs bzw. des Getriebes im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB haben die Parteien nicht vereinbart. Soweit das Fahrzeug mit der Beschreibung „einwandfreier Zustand“ beworben worden ist, kann der Kläger daraus keine Rechte ableiten.
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b. Nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB ist eine Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die „nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung“ eignet. Eine konkrete Vereinbarung hinsichtlich der Verwendung des Fahrzeugs haben die Parteien nicht getroffen. Der bloße Abschluss eines Kaufvertrages über einen Gebrauchtwagen genügt in der Regel nicht für die Annahme einer stillschweigenden Vereinbarung über die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs. Die gewöhnliche Verwendung als Verkehrs- und Transportmittel ist daher keine „Verwendung“ im Sinne dieser Vorschrift (vgl. BGH DAR 84, 265; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdziff.1232). Erforderlich ist vielmehr das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte dafür, dass der Verkäufer für einen bestimmten Umstand (hier eine länger andauernde Gebrauchstauglichkeit) einstehen will.
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Soweit im Urteil des Landgerichts ausgeführt ist, der Verwendungszweck des Fahrzeugs sei der Gebrauch im Straßenverkehr über einen gewissen, nicht allzu kurzen Zeitraum gewesen, was sich daraus ergebe, dass das Fahrzeug vor Vertragsschluss einer Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO unterzogen worden sei, so ist darin eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB ebenfalls nicht zu sehen. Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass aus einer erst kürzlich durchgeführten Hauptuntersuchung allenfalls die Erwartung abgeleitet werden kann, das Fahrzeug sei verkehrssicher und im Moment fahrbereit. Man kann jedoch daraus nicht den Schluss ziehen, es werde innerhalb einer gewissen Zeit ein technischer Defekt nicht auftreten.
21 
c. Einschlägig für die Beantwortung der Frage, ob hier ein Mangel vorliegt, ist daher die Auffangregel des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB, wonach eine Sache frei von Mängeln ist, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Es geht dabei hier um die Frage, ob es sich bei dem drei Monate nach dem Erwerb des Fahrzeugs aufgetretenen Getriebeschaden um eine normale Verschleiß-, Abnutzungs- oder Alterungserscheinung gehandelt hat, die regelmäßig keinen Mangel darstellt und für die der Käufer das Risiko trägt (vgl. BGH NJW 2006, 434), oder ob ein übermäßiger oder ungewöhnlicher Verschleiß vorlag, der als Abweichung vom durchschnittlichen Zustand zu beurteilen ist und vom Käufer regelmäßig nicht hingenommen werden muss.
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(1) Bei dem am 29.12.2004 eingetretenen „Getriebe-Totalschaden“ handelt es sich zweifelsfrei um einen Mangel. Der Getriebedefekt lag jedoch bei Übergabe des Fahrzeugs am 17.9.2004 noch nicht vor. Eine Sachmängelhaftung der Beklagten kommt daher nur in Betracht, wenn der Getriebeschaden seinerseits auf eine Ursache zurückzuführen ist, die eine vertragswidrige Beschaffenheit des Fahrzeugs darstellt und bei Gefahrübergang bereits vorhanden war (vgl. BGHZ 159, 215). Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen sind dabei die Feststellungen des Sachverständigen , die von keiner der beiden Seiten in Frage gestellt, sondern lediglich rechtlich unterschiedlich bewertet werden.
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Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Eintritt des Getriebeschadens als plötzliches Ereignis am 29.12.2004 die Folge eines langfristig angelegten Verschleißes gewesen ist, der über die gesamte Laufzeit des Fahrzeugs hinweg gegenüber einem normalen Pkw erhöht war. Die Zahnflanken der Zahnräder wurden schneller abgenutzt, weil die Verzahnung konstruktiv nicht geeignet war, hohe Kilometer-Laufleistungen zu überstehen. Die Aussage des Sachverständigen, dass es sich hierbei um einen Verschleiß handelt, der über die normale Abnutzung von Fahrzeuggetrieben hinausgeht, ist eindeutig. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass Konstrukteure die Laufzeiterwartung ihrer Getriebe nach dem Stand der Technik auf 200.000 bis 300.000 km vorausberechnen. Ausgehend davon steht außer Frage, dass vorliegend von einem „vorzeitigen“ Verschleiß auszugehen ist.
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(2) In rechtlicher Hinsicht stellt sich allerdings das Problem, dass nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB der Zustand der erworbenen Sache daran zu messen ist, was bei Sachen der gleichen Art üblich ist und was der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.
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Der Beklagte beruft sich in diesem Zusammenhang auf die Angaben des Sachverständigen, wonach eine solche verkürzte Haltbarkeit der Zahnräder und damit des gesamten Getriebes bei einem Fahrzeug dieses Typs keineswegs außergewöhnlich ist, und stellt sich auf den Standpunkt, die vorzeitige Abnutzung des Getriebes des sei normal und vom Käufer zu erwarten. Diese Argumentation greift allerdings nicht durch. Nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB ist auf die Üblichkeiten und die Käufererwartungen abzustellen, beides äußerst wertungsoffene Kriterien. Insoweit ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise angezeigt. Es ist zu beurteilen, was üblich ist und was ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher letztlich erwarten kann. Dabei geht es letztlich um die Festlegung eines faktischen Niveaus von Qualität und Leistung der Sache, die ein Käufer von dem konkreten Produkt erwarten kann. Liegt die Qualität des Kaufobjekts unter diesem Niveau, ist ein Sachmangel anzunehmen.
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Die Beklagte hat zwar Recht, wenn sie darauf hinweist, dass als Vergleichsmaßstab grundsätzlich ein gebrauchtes Fahrzeug heranzuziehen ist, das bauart- und typgleich ist und nach Alter und Laufleistung dem Kaufobjekt soweit wie möglich entspricht (vgl. hierzu Palandt, BGB, 65. Aufl., § 434 Rdziff. 29 m.w.N.). Dennoch kann dies nicht zu dem von der Beklagten gewünschten Schluss führen, dass es ein Käufer eben zu akzeptieren hat, wenn bei einem bei einer Laufleistung von 115.000 km die Zahnflanken der Zahnräder des Getriebes so abgenutzt sind, dass es eben zu einem Getriebeschaden kommt.
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Das Landgericht weist zurecht darauf hin, dass die vorzeitige Abnutzung der Zahnflanken auf einen konstruktiven Fehler zurückzuführen ist und man in diesem Fall nicht die anderen Fahrzeuge des gleichen Typs, die unter demselben Fehler leiden, als Vergleichsmaßstab heranziehen kann, weil dies als Zirkelschluss zwangsläufig dazu führen würde, dass man die Mangelfreiheit des gekauften Fahrzeugs unabhängig von der Art des Fehlers annehmen müsste.
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Ebenso zutreffend hat sich das Landgericht auf den Standpunkt gestellt, dass man in den Fällen der Serienfehler den Vergleichsmaßstab durch Einbeziehung von Fremdfabrikaten erweitern und verstärkt auf das Kriterium der Verkehrsauffassung und der Käufererwartung abstellen muss. Die Maßstäbe der Üblichkeit und des zu Erwartenden lassen sich ohnehin nicht trennscharf voneinander abgrenzen, wobei dem zu Erwartenden im Zweifel sogar das größerer Gewicht zukommen muss (so auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Aufl., Rdziff.1236). An dieser Einschätzung ändert auch der Hinweis der Beklagten im Schriftsatz vom 25.07.2006 nichts, in welchem er auf ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.06.2006 verweist. Im dortigen Fall war bei einem Renault Laguna ein Getriebeschaden aufgrund eines Konstruktionsmangels bereits bei ca. 85.000 KM aufgetreten. Das OLG Düsseldorf ist in dieser Entscheidung jedoch gerade nicht der Ansicht der dortigen Beklagten gefolgt, es liege kein Mangel vor, weil ein solcher Schaden bei dem fraglichen Modell nicht unüblich sei. Auch das OLG Düsseldorf hat sich vielmehr auf den Standpunkt gestellt, bei solchen Serienfehlern sei ein „ weiter herstellerübergreifender Vergleich “ anzustellen und Maßstab müsse das faktische Niveau sein, das vergleichbare Waren anderer Hersteller erreichten und das der Markterwartung entspreche (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.2006, Az.: I-1 U 38/06). Dies ist der richtige Ansatz, denn in der Tat wird der Erwartungshorizont des Käufers nicht allein durch das von ihm ausgesuchte Produkt, sondern auch durch die mit diesem im Wettbewerb stehenden Konkurrenzangeboten geprägt. Die Erwartungen eines Gebrauchtwagenkäufers werden dabei durch die Darbietung des Fahrzeugs durch den Hersteller bzw. den Verkäufer, durch den Zeitpunkt der Produktion und durch seine Herkunft sowie maßgeblich dadurch geprägt, was bei Fahrzeugen dieser Art dem Stand der Technik entspricht. Es ist daher ein Vergleich mit anderen typgleichen oder sonst vergleichbaren Fahrzeugen unter Berücksichtigung des jeweiligen allgemeinen Standes der Technik vorzunehmen (OLG Düsseldorf NJW 2005, 2235; OLG Koblenz NJW-RR 2003, 1380). Ausgehend davon kommt man unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen letztlich wieder dahin, dass das streitgegenständliche Fahrzeug eben nicht das erforderliche faktische Niveau von Qualität und Leistung erreicht, welches von einem Durchschnittskäufer eines solchen Fahrzeugs - dem der Serienfehler in der Regel nicht bekannt ist - berechtigterweise erwartet wird.
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Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang einwendet, in Wirklichkeit handle es sich nicht um einen Konstruktionsmangel, sondern lediglich um eine konstruktive Schwäche des Getriebes, und sie in diesem Zusammenhang Vergleiche mit unterschiedlichen Reifen anstellt, die üblicherweise auch unterschiedliche Laufleistungen aufwiesen, so greift dieser Einwand nicht durch. Selbstverständlich gibt es zwischen einzelnen Produkten stets gewisse Unterschiede, die hinzunehmen sind, allerdings nur, wenn sie sich innerhalb bestimmter Grenzen bewegen. Darum geht es hier aber nicht, denn die Haltbarkeit des Getriebes des streitgegenständlichen Fahrzeugs war nicht nur kürzer als die anderer Fahrzeugtypen, sondern entsprach nach den insoweit eindeutigen Angaben des Sachverständigen nicht (mehr) dem Stand der Technik und fiel damit aus dem Bereich zulässiger Qualitätsunterschiede heraus. Dies wäre bei Reifen ebenfalls nicht anders, wenn ein Produkt in seiner Laufleistung völlig vom Standard abweichen würde.
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Soweit sich die Beklagte schließlich unter Berufung auf das OLG Düsseldorf (Urteil vom 19.06.2006) darauf beruft, für sog. „Exoten“ müsse etwas anderes gelten und als Beispiel ein Fahrzeug aufführt, dass für den nordamerikanischen Markt produziert worden ist und von dem man nicht ohne weiteres das Maß an Zuverlässigkeit verlangen könne, wie bei Fahrzeugen ähnlicher Bauart, die für den europäischen Markt bestimmt seien, so verhilft auch dies ihrer Rechtsverteidigung nicht zum Erfolg. Diese Betrachtung mag vom Ansatzpunkt her für besondere einzelne „Liebhaberstücke“ richtig sein, doch handelt es sich beim nicht um einen solchen Exoten. Eine Recherche bei „ www.autoscout24.de “ hat ergeben, dass derzeit über 100 Fahrzeuge dieser Art - nahezu sämtlich mit Automatikgetriebe - über das Internet auf dem deutschen Markt angeboten werden. Auch der Geschäftsführer der Beklagten hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.08.2006 angegeben, der sei als Neufahrzeug im Bereich der EU und insbesondere auch in Deutschland vertrieben worden. Von daher erscheint es auch für dieses Fahrzeug gerechtfertigt, den mitteleuropäischen Standard anzulegen. Ohne konkrete Information wird ein durchschnittlicher verständiger Gebrauchtwagenkäufer daher davon ausgehen, dass das erworbene Produkt zumindest den geltenden „Mindeststandards“ und damit dem Stand der Technik entspricht.
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Da somit vom Vorliegen eines Mangels im Sinne von § 434 BGB bei Übergabe des Fahrzeugs auszugehen ist, war der Kläger zum Rücktritt berechtigt und kann daher den gezahlten Kaufpreis - nach § 348 BGB allerdings nur Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs - von der Beklagten verlangen.
2.
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Nach erfolgtem Rücktritt kann der Kläger neben der Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 437 Nr. 3 BGB i.V.m. §§ 440, 280 BGB auch Schadensersatz bzw. gemäß § 284 BGB den Ersatz vergeblicher Aufwendungen verlangen. Darunter fallen sämtliche weitere vom Kläger geltend gemachten Positionen, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens sind.
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Voraussetzung für den Schadensersatz- und den Aufwendungsersatzanspruch ist ein Verschulden des Käufers, welches nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutet wird. Da die Beklagte Umstände zu ihrer Entlastung nicht dargetan hat, muss sie auch für die verlangten Folgekosten einstehen, die der Höhe nach im einzelnen nicht angegriffen sind.
3.
34 
Zutreffend hat das Landgericht schließlich festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.
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Das Rechtsschutzinteresse für diesen Antrag ergibt sich im Hinblick auf die beantragte Zug-um-Zug-Verurteilung aus § 756 Abs. 1 ZPO. Sofern die Beklagte im Rahmen der Vollstreckung die Zug um Zug anzubietende Gegenleistung nicht annimmt, kann der Kläger den Nachweis für die Vollstreckungsvoraussetzungen - nämlich, dass sich die Beklagte mit der Gegenleistung in Verzug der Annahme befindet - durch das Urteil führen.
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Durch die berechtigte Rücktrittserklärung des Klägers ist die Beklagte - die das Fahrzeug trotz Aufforderung nicht zurückgenommen hat - nach § 293 BGB in Annahmeverzug geraten.
III.
37 
Die Berufung war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
38 
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Entscheidung beruht auf den Umständen des Einzelfalles. Insbesondere wird auch nicht von der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf in der Entscheidung vom 19.06.2006 abgewichen. Vielmehr steht die Rechtsprechung des Senats mit der dort vertretenen Auffassung im Einklang. Daran ändert auch das Vorbringen im nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 10.08.2006 nichts. Der Senat hat dargelegt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht um einen „Exoten“ handelt, für den ggf. ein anderer Maßstab anzulegen wäre, weil ein Käufer wissen muss, dass er für sein Geld keinen in Mitteleuropa üblichen Standard erhält. Das Fahrzeug wurde von einem der größten Automobilhersteller der Welt produziert und auch in Mitteleuropa als Neufahrzeug vertrieben.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO.

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