Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 2 Ws 33/11

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Stuttgart wird der Beschluss des Landgerichts - 5. Große Strafkammer - Stuttgart vom 31. Januar 2011

a u f g e h o b e n .

Die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 20. September 2010 wird zugelassen und das Hauptverfahren vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart eröffnet.

Die Bestimmung der berufsrichterlichen Besetzung in der Hauptverhandlung (§ 76 Abs. 2 GVG) bleibt dieser Strafkammer vorbehalten.

Gründe

 
I.
Der Angeklagte war ab Mai 2005 bis zum 15. Oktober 2008 Straßenradprofi für das Team G. Mit der Fa. H. GmbH (im Folgenden: Fa. H.) hatte er am 31. Mai 2005 einen Vertrag geschlossen, der am 19. September 2006 unter modifizierten Bedingungen verlängert wurde. In diesem letztgenannten Vertrag verpflichtete er sich, gegen eine jährliche Vergütung von 675.000,-- EUR für die Fa. H. Radrennen zu fahren und zu werben.
Die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 20. September 2010 legt dem Angeklagten zur Last, drei monatliche Abschlagszahlungen in Höhe von jeweils 50.487,50 EUR, welche ihm der Geschäftsführer der Fa. H. am 29. Juli 2008, am 29. August 2008 und am 30. September 2008 ausbezahlte, betrügerisch erworben zu haben. Er sei im Juli 2008 mit dem Dopingmittel CERA gedopt gewesen. Gleichwohl habe er am 17. Juli 2008 gegenüber H. H. wahrheitswidrig erklärt, er könne zu 100 % ausschließen, jemals mit CERA in Berührung gekommen zu sein. Auch in der Folge habe er vertragswidrig unterlassen, die Fa. H. von seinem Verstoß gegen die Dopingregeln zu unterrichten. Darüber hinaus habe er den bei H. H. entstandenen Irrtum dadurch aufrechterhalten, dass er bis zum 27. Juli 2008 an den Etappen der Tour de France teilgenommen habe, obwohl die Teilnahme an der Tour de France lediglich nicht gedopten Sportlern erlaubt gewesen sei. Erst am 03. Oktober 2008 habe H. H. von der AFLD erfahren, dass in den bei dem Angeklagten am 03. Juli und am 15. Juli 2008 entnommenen Blutproben das Dopingmittel CERA nachgewiesen worden sei. Die Abschlagszahlungen für die Monate Juli bis September 2008 in Höhe von insgesamt 151.462,50 EUR habe H. H. als Geschäftsführer der Fa. H. irrtumsbedingt im Vertrauen auf die Dopingfreiheit des Angeklagten ausbezahlt, wodurch der Fa. H. ein Schaden in derselben Höhe entstanden sei.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat die 5. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Angeklagte habe am 17. Juli 2008 zwar H. H. getäuscht. Sie hat jedoch als fraglich angesehen, ob der Angeklagte in Bereicherungsabsicht gehandelt habe und ob bei H. H. ein Irrtum entstanden sei. Jedenfalls sei der Fa. H. kein Schaden entstanden. Obwohl die Kammer die Möglichkeit einer am 17. Juli 2008 irrtumsbedingt unterlassenen Kündigung erörtert hat, vertritt sie die Auffassung, die Fa. H. sei bis zum Zeitpunkt der tatsächlich (erst im Oktober 2008) ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung zur Zahlung des vereinbarten Lohnes an den Angeklagten verpflichtet gewesen.
In einer für die Entscheidung nicht tragenden Zusatzbemerkung hat die Strafkammer ihre Auffassung dargelegt, dass das Verhalten des Angeklagten im Übrigen auch nicht strafwürdig sei.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit ihrer rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerde, mit welcher sie die Eröffnung des Hauptverfahrens vor einer anderen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart begehrt.
II.
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist zulässig und begründet. Denn entgegen der Auffassung der 5. Strafkammer des Landgerichts Stuttgart ist der Angeklagte hinreichend verdächtig, sich des angeklagten Betruges zum Nachteil der Fa. H. schuldigt gemacht zu haben. Deshalb ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Hauptverfahren zu eröffnen.
a) Der Angeklagte hat den Geschäftsführer der Fa. H. durch aktives Tun getäuscht.
aa)Täuschungshandlung ist zum Einen die gegenüber H. H. abgegebene Erklärung vom 17. Juli 2008, er könne zu 100 % ausschließen, jemals mit CERA in Berührung gekommen zu sein. Diese Erklärung war, wie der Angeklagte wusste, falsch. Aufgrund der Ermittlungen des LKA Baden-Württemberg besteht der hinreichende Verdacht, dass die bei dem Angeklagten am 03. Juli 2008 und am 15. Juli 2008 entnommenen Blutproben das Dopingmittel CERA enthielten. Angesichts der Angaben der hierzu vernommenen Zeugen und der vorliegenden Urkunden, insbesondere aber angesichts des vorgenommenen DNA-Vergleichs kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass es sich hierbei um Proben mit dem Blut des Angeklagten handelt. Für die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass die Analyseergebnisse zutreffend sind, spricht der Beschluss des Obersten Französischen Verwaltungsgerichts (Conseil d‘ Etat Paris) vom 28. Oktober 2009 (wonach die vorgenommenen Nachtests und Analyseverfahren regelkonform durchgeführt worden sind) sowie die Einschätzung des angewandten Nachweisverfahrens durch den Sachverständigen Prof. Dr. S.. Weiter ist mit der für die Eröffnung eines Hauptverfahrens hinreichenden Wahrscheinlichkeit belegt, dass dem Angeklagten bekannt war, dass er gedopt war, er also am 17. Juli 2008 bewusst die Unwahrheit gesagt hat. Hierfür spricht sein Verhalten sowohl an diesem 17. Juli 2008 als auch nach dem Bekanntwerden des Analyseergebnisses und insbesondere auch die Einschätzung der Sachverständigen Dr. R., dass im Blut nachgewiesenes CERA mittels einer Injektion verabreicht worden sein müsse.
Entgegen der Auffassung der Verteidigung war die Täuschung durch die gegenüber dem Vertragspartner H. wahrheitswidrig abgegebene Erklärung nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil die von H. H. gestellte Frage rechtswidrig gewesen wäre (zur rechtlichen Einordnung einer falschen Antwort auf eine rechtswidrig gestellte Frage vgl. KG, Beschluss vom 19. Oktober 1999, 1 Ss 79/97, zitiert nach Juris).
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Das von der Verteidigung in diesem Zusammenhang ins Feld geführte Nemo-tenetur-Prinzip passt auf die vorliegende Fallgestaltung schon deshalb nicht, weil dieses Prinzip den Einzelnen vor dem (staatlichen) Zwang zu einer Aussage schützt, mit welcher er sich einer Straftat bezichtigen würde. Es betrifft den Konflikt, welcher entsteht, wenn man einerseits bei Verweigerung der Aussage mit gravierenden Konsequenzen zu rechnen hat, andererseits sich bei wahrheitsgemäßer Aussage einer Straftat bezichtigen müsste. So lag der Fall hier nicht.
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Aber auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches unter anderem einem Arbeitnehmer gestattet, bestimmte Fragen seines Arbeitgebers nicht oder gar falsch zu beantworten, begründet für den Angeklagten vorliegend keinen Rechtfertigungsgrund.
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In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob das Vertragsverhältnis zwischen dem Angeklagten und der Fa. H. überhaupt - wie die Verteidigung meint - als Arbeitsvertrag einzustufen ist. Denn auch bei Berücksichtigung der in der Arbeitsgerichtsbarkeit für Arbeitsverträge entwickelten Grundsätze kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte die Frage von H. H. am 17. Juli 2008 nicht falsch beantworten durfte.
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Bei bestehenden Arbeitsverhältnissen wird das Fragerecht des Arbeitgebers bejaht, wenn dieser an der Beantwortung der speziellen Frage, die im Zusammenhang mit der Erfüllung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Leistung steht, ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse hat, ohne dass die Beantwortung der Frage zu einer übermäßigen Belastung des Arbeitnehmers führt. Ein durch das Fragerecht des Arbeitgebers verursachter Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers muss einer Abwägung der beiderseitigen Interessen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stand halten. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, welches vor dem Verlangen schützt, Informationen preiszugeben, die einen selbst belasten, führt dann nicht zu dem Recht, dem Arbeitgeber Auskünfte zu verweigern, wenn im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung bei einer Interessenabwägung die Interessen des Arbeitgebers gegenüber denen des Arbeitnehmers überwiegen.
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Der Senat hat im Rahmen der Eröffnungsentscheidung anhand des bisher schriftlich vorliegenden Ermittlungsergebnisses in diesem Zusammenhang folgende Aspekte berücksichtigt und gegeneinander abgewogen:
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- Die Frage war gegenwartsbezogen.
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- Sie war anlassbezogen. Denn die Reaktion des Angeklagten auf die Bekanntgabe, dass CERA nunmehr nachgewiesen werden könne, durfte H. H. als verdächtig einstufen.
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- Die Frage bezog sich auf eine Hauptpflicht des Angeklagten und damit auf seine Eignung, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Denn bei einer Gesamtschau kann der Vertrag des Angeklagten mit der Fa. H. nur dahingehend ausgelegt werden, dass der Angeklagte als „sportliche Leistung“ dem Rennstall dopingfreies Fahren schuldete.
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- Das Interesse von H. H. an der Beantwortung der Frage war erheblich. Angesichts seiner finanziellen Abhängigkeit vom derzeitigen Sponsor und seinem bisherigen dezidierten Eintreten für „sauberen Radsport“ war es für H. H. nicht zumutbar, einen gedopten Radsportler in seinem Rennstall zu dulden. Für ihn bestand ein sehr großes Interesse daran, den drohenden wirtschaftlichen Schaden - etwa durch Kündigung oder Suspendierung eines gedopten Fahrers - zu begrenzen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der Suche nach einem neuen Sponsor, da der Vertrag mit G. befristet war und Ende 2008 auslief.
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- Auch wenn der Vertrag zwischen dem Angeklagten und der Fa. H. als Arbeitsvertrag zu bewerten sein sollte, so handelte es sich jedenfalls um einen atypischen Arbeitsvertrag mit speziellen Pflichten des Zusammenwirkens. Der Arbeitgeber eines Sportlers hat ein gesteigertes Interesse an der Kenntnis des Gesundheitszustandes seines Sportlers, da dieser - mehr als in „normalen“ Arbeitsverhältnissen - Grundlage der Einsatz- und Leistungsfähigkeit des Sportlers, seiner Zukunftsperspektive und damit verbunden seines „Marktwertes“ ist (vgl. Wüterich / Breucker in Sportrecht in der Praxis, 2012, Kapitel 7, Rn. 590). Bei Umständen, die unmittelbaren Einfluss auf seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistungserbringung haben, insbesondere also das Training oder den Wettkampf ausschließen oder beeinträchtigen, hat der Arbeitgeber grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Information darüber, welche Beeinträchtigungen bestehen (vgl. Wüterich / Breucker, a. a. O., Rn. 591). Auch unter Berücksichtigung des Urteils des BAG vom 07. September 1995 (8 AZR 828/93, zitiert nach Juris) kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Angeklagten hier gegenüber den Interessen seines Arbeitgebers zurückzutreten hatten. Denn der Angeklagte wusste, dass die Dopingproben bereits genommen worden waren und angesichts der inzwischen bekanntgewordenen Nachweisbarkeit von CERA es nur noch eine Frage der Zeit war, wann der zu erwartende positive Dopingbefund bekanntgegeben würde. Die aufgrund einer wahrheitsgemäßen Angabe zu befürchtende Kündigung konnte auch aus Sicht des Angeklagten durch eine falsche Antwort lediglich hinausgeschoben werden.
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bb) Zudem besteht hinreichender Verdacht, dass der Angeklagte H. H. auch durch die Teilnahme an den weiteren Etappen der Tour de France konkludent getäuscht hat. Wie bereits ausgeführt, bestand aufgrund des bestehenden Vertrags mit der Fa. H. für den Angeklagten die Hauptpflicht, dopingfreie sportliche Radsportleistung zu erbringen. Die Teilnahme an den Etappen enthält gegenüber dem Vertragspartner (also der Fa. H., vertreten durch deren Geschäftsführer H. H.) die konkludente Erklärung, die geschuldete Leistung zu erbringen und nicht gedopt zu sein. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Erklärung des Angeklagten gegenüber H. H. am Abend des 17. Juli 2008. Wie der BGH klar gestellt hat, kommt die konkludente Erklärung einer solchen Negativtatsache insbesondere dann in Betracht, wenn es - wie hier - um erhebliche Manipulationen des Vertragsgegenstandes geht, auf den sich das konkludente kommunikative Verhalten bezieht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2006, 5 StR 181/06, Rn. 22, zitiert nach Juris). Bei dieser konkludenten Erklärung handelt es sich um eine Täuschung durch aktives Tun. Denn die Grenze zwischen einer aktiven konkludenten Täuschung und einer Täuschung durch Unterlassen bestimmt sich nach dem durch Auslegung zu ermittelnden Erklärungswert des aktiven Verhaltens. Deshalb darf der Tatrichter grundsätzlich nicht an ein Unterlassen, sondern muss an das aktive Tun anknüpfen, wenn in der Erklärung bereits die Täuschungshandlung zu sehen ist. In diesen Fällen liegt der relevante Handlungsschwerpunkt in einem positiven Tun, weil der Täter inzident die Essentialia zusichert, die zur unverzichtbaren Grundlage des Vertragsverhältnisses zählen (vgl. BGH a. a. O. Rn. 27). Die Frage nach einer Garantenpflicht des Angeklagten stellt sich deshalb nicht.
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b) Es besteht hinreichender Verdacht, dass aufgrund dieser Täuschungshandlung bei H. H. ein Irrtum entstanden ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein Getäuschter bei Zweifeln an der Wahrheit des Vorgespiegelten die Möglichkeit der Unwahrheit jedenfalls für geringer halten muss (so Fischer, StGB, 58. Auflage, § 263 Rn. 55, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01. September 2003, 1 Ws 235/03, zitiert nach Juris) oder ob - wozu der Senat wie der 3. Strafsenat des BGH neigt (vgl. Urteil vom 05. Dezember 2002, NStZ 2003, 313) - Zweifel des Getäuschten so lange nicht geeignet sind, die Annahme eines tatbestandmäßigen Irrtums infrage zu stellen, als das Opfer gleichwohl noch die Wahrheit der behaupteten Tatsache für möglich hält und deswegen die Vermögensverfügung trifft, also trotz seiner Zweifel, seien sie auch noch so erheblich, der List des Täters zum Opfer fällt. Das Maß etwaiger Zweifel des Getäuschten H. H. muss, wenn es rechtlich darauf ankommt, gegebenenfalls in der Hauptverhandlung festgestellt werden. Jedenfalls ist ein Irrtum über die Dopingfreiheit eines Radsportlers trotz weit verbreiteter Dopingpraxis nicht von vornherein ausgeschlossen (vgl. nur Kerner, Trüg, JUS 2004, 140, 141; Cherkeh, Momsen, NJW 2001, 1745 ff; Kargl, NStZ 2007, 449 ff; Rössner in Sportrecht in der Praxis, 2012, Kapitel 11, Rn. 1705). Vorliegend ist der sog. „viktimo-dogmatische“ Ansatz, wonach sich Opfer bei Zweifeln kundig machen müssen, verfehlt. Zum Einen können Zweifel in der Regel nicht an konkreten Anhaltspunkten festgemacht werden. Insbesondere aber ist eine Einschränkung der Zurechnung des Irrtums bei einem zweifelnden Opfer aus dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung dann nicht gerechtfertigt, wenn das zweifelnde Opfer eine Vermögensverfügung trifft, weil es das Gegenteil der behaupteten unwahren Tatsachen nicht beweisen kann (vergl. hierzu auch Beckemper, Wegner in NStZ 2003, 315). Vorliegend geht es im Übrigen nicht um die Frage, ob eine Vielzahl von Sportlern allgemein gedopt ist, und ob andere Personen deshalb Zweifel an der Dopingfreiheit von Sportlern haben müssen, sondern es geht konkret um die Frage, ob der Zeuge H. H. aufgrund bestimmter Tatsachen dem Irrtum erlegen ist, dass der Angeklagte S. nicht mit dem speziellen Dopingmittel CERA gedopt war.
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Auch durch die von der Verteidigung herangezogenen und vorgelegten Unterlagen wird der hinreichende Tatverdacht eines Irrtums bei H. H. nicht in Zweifel gezogen. Sie belegen gerade nicht, dass dessen Angaben zu seinem Irrtum widersprüchlich wären. Lediglich exemplarisch soll hier das von der Verteidigung vorgelegte Interview vom 28. Oktober 2010 (Gerichtsakte Bl. 92) angeführt werden, wonach H. H. angegeben hat, er habe zwar gewusst, in welcher Welt er sich bewege, er sei jedoch so selbstbewusst gewesen, zu glauben, alles so gestalten zu können, dass beispielsweise Bluttransfusionen während der Tour de France in seinem Team nicht stattfänden. Dies entspricht den Angaben des Zeugen am 24. August 2010, wo er angegeben hat, dass andere Personen (wie Masseure, Physiotherapeuten und Ärzte) viel näher und intimer an dem Angeklagten S. dran gewesen seien als er und er auch von diesen Personen keinerlei Hinweise auf Doping erhalten habe, obwohl jeder Mitarbeiter in seinem Team eine Erklärung unterzeichnet hätte, dass er bei Auffälligkeiten der Athleten die Teamleitung sofort informieren müsse.
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c) Irrtumsbedingt hat der Zeuge H. H. eine Vermögensverfügung getroffen.
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Die Vermögensverfügung liegt zum Einen darin, dass der Zeuge H. es unterlassen hat, den Vertrag zwischen dem Angeklagten und der Fa. H. mit sofortiger Wirkung außerordentlich zu kündigen. Wie bereits ausgeführt, war dopingfreie sportliche Leistung eine Hauptpflicht des Angeklagten, die er vertraglich zu erbringen hatte. Gemäß § 626 BGB hatte der Dienstberechtigte vorliegend ein solches Kündigungsrecht, weil der Dienstverpflichtete die geschuldete Dienstleistung schuldhaft nicht erbringen konnte und deshalb auch nicht erbrachte. Unbeschadet einer unterlassenen Kündigung liegt zudem in der Zahlung der fraglichen Abschlagszahlung eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung.
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Auch unter Berücksichtigung der von der Verteidigung vorgebrachten Gesichtspunkte besteht hinreichender Verdacht dafür, dass der Irrtum des Zeugen H. für die Vermögensverfügung kausal war. Insbesondere die Annahme, der Zeuge H. habe kein Interesse an der Aufklärung gehabt, ist nach Aktenlage fernliegend. Die Proben waren bereits entnommen und der Zeuge H. musste damit rechnen, dass es auf jeden Fall bekannt werden würde, falls der Angeklagte S. gedopt hatte. Es ist nicht ersichtlich, weshalb ein „unter den Teppich Kehren“ für ihn interessanter gewesen wäre als ein offensiver Umgang mit einem eventuellen Dopingfall. Dies gilt sowohl gegenüber dem bisherigen Sponsor, an den er bis Ende 2008 gebunden war, als auch bei der Suche nach einem neuen Sponsor. Im Übrigen spricht gegen ein fehlendes Interesse des Zeugen H. an einer Aufklärung sowohl die Vertragsgestaltung mit dem Angeklagten S. als auch sein früheres Verhalten im Fall D. H., sein Engagement für einen sauberen Radsport und der Umstand, dass er durch seine intensive Befragung am 17. Juli 2008 zu erkennen gegeben hat, dass Dopingmissbrauch im Radsport für ihn von erheblicher Bedeutung ist.
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Soweit die Verteidigung in diesem Zusammenhang den Fall L. anführt, so lag dieser Fall anders. Seinerzeit hatte L. L. zwar erhöhte Blutwerte, diese lagen jedoch unter dem kritischen Wert, welcher für einen Dopingnachweis gereicht hätte. Allein mit diesen Blutwerten hatte der Zeuge H. seinerzeit keine Belege in der Hand, mit denen er juristisch erfolgreich hätte reagieren können. Anders wäre jedoch die Situation für den Zeugen H. gewesen, wenn der Angeklagte ihm am 17. Juli 2008 auf seine Frage wahrheitsgemäß geantwortet hätte, dass er mit CERA gedopt war. Dann wäre für den Zeugen H. eine fristlose Kündigung ohne Prozessrisiko möglich gewesen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Verlauf des arbeitsgerichtlichen Prozesses. Den Vergleich hat der Zeuge H., wie er angegeben hat, nur deshalb geschlossen, weil ihm die Arbeitsrichterin bedeutet hatte, er könne den geltend gemachten Kündigungsgrund nicht nachweisen.
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Selbst dann, wenn man es für nicht ausreichend wahrscheinlich hielte, dass der Zeuge H. bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag mit dem Angeklagten gekündigt hätte, müsste jedenfalls hinreichender Verdacht dafür bejaht werden, dass H. intern reagiert hätte, etwa von dem Angeklagten eine Vertragsstrafe verlangt hätte. Auch das Unterlassen einer solche Reaktion stellt eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung dar.
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d) Durch die Zahlung der drei Abschlagszahlungen hat der Angeklagte einen Vermögensvorteil erlangt, dem ein stoffgleicher Schaden bei der Fa. H. entspricht.
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Hätte der Zeuge H. das Vertragsverhältnis rechtzeitig gekündigt, wäre er nicht zur Zahlung der Abschlagszahlungen verpflichtet gewesen. Aber auch ohne Kündigung war er nicht zu deren Zahlung an den Angeklagten verpflichtet. Gemäß §§ 326 Abs. 1 Satz 1, § 275 BGB und § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt bei Unmöglichkeit der Dienstleistung der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Erfüllt der Dienstverpflichtete seine Pflicht zur Dienstleistung nicht, so kann der Dienstberechtigte die Erfüllung der Vergütung nach den vorstehenden Vorschriften verweigern. Die Leistung der Abschlagszahlungen erfolgte irrtumsbedingt, da der Zeuge H. aufgrund der Täuschungshandlung des Angeklagten davon ausging, dieser habe die vertraglich geschuldete Leistung (als Hauptpflicht geschuldetes dopingfreies Fahren) erbracht (vergl. hierzu Kargl, Begründungsprobleme des Dopingstrafrechts NStZ 2007, 489; Cherkeh, Momsen, Doping als Wettbewerbsverzerrung?, NJW 2001, 1745).
30 
Soweit das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung einen Schaden verneint, übersieht es, dass es nicht auf den Zeitpunkt der späteren Kündigung ankommt, welche nach Aufdeckung des Dopingverstoßes ausgesprochen wurde. Vielmehr ist maßgeblicher Zeitpunkt die aufgrund des Irrtums unterlassene Kündigung. Dieser Zeitpunkt lag bereits am 17. Juli 2008.
31 
Soweit die Verteidigung von einer Kompensation ausgeht, ist fraglich, ob die angeblichen Vorteile bei der Fa. H. tatsächlich einen (stoffgleichen) Vermögenswert darstellen. Jedenfalls war die Leistung des Angeklagten, wenn nicht - wovon der Senat ausgeht - wertlos, so jedenfalls minderwertig. Eine eventuelle Kompensation könnte sich daher allenfalls im Rahmen der Höhe des Schadens auswirken.
32 
e) Keiner weiteren Erörterung bedarf die Frage, ob hinreichender Tatverdacht für eine Bereicherungsabsicht des Angeklagten gegeben ist. Bereicherungsabsicht liegt bereits dann vor, wenn es dem Täter darauf ankommt, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Motiv oder letzter Zweck muss dies allerdings nicht sein. An der erforderlichen Absicht fehlt es nur dann, wenn die Vorteilserlangung nur unerwünschte Nebenfolge des vom Täter erstrebten anderen Erfolgs ist (vgl. Fischer, StGB, 58. Auflage, § 263 Rn. 190). Anhaltspunkte dafür, dass der Vermögensvorteil für den Angeklagten unerwünscht gewesen wäre, sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Dass er als Radprofi auch finanzielle Ziele verfolgte, liegt auf der Hand. Deshalb muss in diesem Zusammenhang nicht der Umstand bemüht werden, dass der Angeklagte sein Interesse an einer guten Bezahlung Ende des Jahres 2006 dadurch gezeigt hat, dass er die im bisherigen Vertrag enthaltene Ausstiegsklausel wahrnahm und ein Konkurrenzangebotes des Teams T. vorlegte. Hierdurch gelang es ihm, eine Vertragsverlängerung mit der Fa. H. auszuhandeln, die eine erheblich höhere Vergütung als bisher beinhaltete.
33 
2. Für das infolgedessen vom Senat eröffnete Hauptverfahren ist gem. §§ 74 Abs. 1, 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG, 8 StPO die Zuständigkeit des Landgerichts Stuttgart gegeben. Unbeschadet der Frage, ob dem vorliegenden Verfahren eine besondere Bedeutung zukommt, handelt es sich jedenfalls um ein Verfahren von besonderem Umfang im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG. Von besonderem Umfang im Sinne dieser Vorschrift ist auszugehen, wenn die Sache von den üblicherweise von den Amtsgerichten zu verhandelnden Fällen abweicht und sich deutlich aus der großen Masse der Verfahren, die den gleichen Tatbestand betreffen, heraushebt, wenn sie mithin wegen einer Vielzahl von Angeklagten und / oder einer Vielzahl von Zeugen, wegen besonderer Schwierigkeiten bei der Beweiswürdigung oder wegen absehbar langer Verfahrensdauer so umfangreich ist, dass sie auch durch die Zuziehung eines weiteren Richters am Amtsgericht gem. § 29 Abs. 2 GVG nicht sachgerecht bewältigt werden kann. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass bewegliche Zuständigkeitsregelungen im Hinblick auf die knappen Ressourcen der Rechtspflege so auszulegen sind, dass die Zuweisung umfangreicherer Fälle mit besonderen Schwierigkeiten der Beweiswürdigung und langer Verfahrensdauer an Gerichte höherer Ordnung geboten ist (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08. November 2010, 2 Ws 405/10, zitiert nach Juris).
34 
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist ein besonderer Umfang des Verfahrens vorliegend zu bejahen. Der 15 Seiten umfassenden Anklageschrift liegt ein Aktenwerk von drei Stehordnern Ermittlungsakten und drei Stehordnern Beweismitteln zugrunde. Die Anklage nennt insgesamt 17 Zeugen und Sachverständige. Hiervon werden einige mit Hilfe eines Dolmetschers vernommen werden müssen. Darüber hinaus nennt die Anklage 17 Urkunden- bzw. Augenscheinsobjekte. Die Einwendungen der Verteidigung gegen die Eröffnung des Hauptverfahrens lassen darüber hinaus erwarten, dass der Anklagevorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unter Stellung einer Vielzahl von Beweisanträgen bestritten werden soll. Bei einer umfassenden vorläufigen Bewertung dieser Umstände erachtet der Senat es als wahrscheinlich, dass die Hauptverhandlung den in der Literatur gelegentlich genannten „Grenzwert“ von sechs Tagen (Heghmanns in StV 2003, 14) deutlich überschreiten wird. Ein solcher Verfahrensumfang kann bei einem Amtsgericht auch nicht durch das gemäß § 29 Abs. 2 GVG erweiterte Schöffengericht aufgefangen werden.
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3. Die Hauptverhandlung ist gem. § 210 Abs. 3 Satz 1 StPO von einer anderen Strafkammer des Landgerichts durchzuführen. Der Senat folgt insoweit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Ein besonderer Grund für die Zuweisung an eine andere Strafkammer besteht vorliegend deshalb, weil die Strafkammer sich - ohne dass dies rechtlich notwendig und für ihre Entscheidung tragend gewesen wäre - dazu geäußert hat, dass sie das Verhalten des Angeklagten, sollte es denn einen Straftatbestand erfüllen, nicht für strafwürdig halte.
36 
Die Bestimmung der berufsrichterlichen Besetzung in der Hauptverhandlung gem. § 76 Abs. 2 GVG bleibt der aufgrund des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Stuttgart zuständigen Strafkammer vorbehalten. Denn § 76 Abs. 2 GVG weist diese Entscheidung der jeweiligen Strafkammer selbst zu. Dies gilt auch in den Fällen, in denen das Oberlandesgericht gem. § 210 Abs. 2 StPO das Hauptverfahren vor dem Landgericht eröffnet (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Auflage, § 76 GVG Rn. 4; Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 04. März 2005, 2 Ws 22/05, zitiert nach Juris).
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4. Eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist nicht veranlasst, da wegen der fortbestehenden Rechtshängigkeit des Verfahrens dieser Beschluss nicht verfahrensabschließend im Sinne von § 464 Abs. 1, Abs. 2 StPO ist.

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