Beschluss vom Hamburgisches Oberverwaltungsgericht (14. Senat) - 14 Bs 249/20.PVL

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 17. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im einstweiligen Rechtsschutz, dass die teilweise Schließung der Kantine in der Dienststelle Hamburg rückgängig gemacht werde.

2

Der Antragsteller ist der Personalrat der Dienstelle Hamburg der Deutschen Rentenversicherung Nord. Der Beteiligte ist der Leiter dieser Dienstelle.

3

In der Dienststelle Hamburg betreibt die Deutsche Rentenversicherung Nord eine Kantine mit eigenen Beschäftigten. Seit dem Frühjahr des vergangenen Jahres ist die Kantine nicht mehr für den öffentlichen Publikumsverkehr geöffnet und steht nur noch den Bediensteten der Dienststelle zur Verfügung. Es besteht ein umfassendes Hygienekonzept für die Benutzung.

4

Anfang November 2020 entschied der bei dem Beteiligten gebildete „Krisenstab Corona“, dass der Kantinenbetrieb angesichts der auch in Hamburg gestiegenen Infektionszahlen mit dem Coronavirus weiter eingeschränkt werden solle. Die Essensausgabe in der Kantine solle auf „Essen to go“ (Mitnahme der Speisen und Verzehr am Arbeitsplatz) umgestellt werden. Die Sitzbereiche sollten vollständig gesperrt werden.

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Unter dem 6. November 2020 legte der Beteiligte dem Antragsteller eine formularmäßige Vorlage zur Mitbestimmung vor. Angekreuzt war dort „§ 51 Abs. 1 MBG S-H (Mitbestimmung)“. Der Kantinenbetrieb solle „zunächst bis zum 20. November 2020“ beschränkt werden. In der weiteren Begründung heißt es u.a., „auf Grund der außerordentlichen Herausforderungen, die die pandemiebedingte Ausbreitung des Virus mit sich brachte bzw. bringt, duldete die Umsetzung der Maßnahmen keinen Aufschub und wurde nach § 59 Abs. 3 Satz 2 und 3 MBG Schl.-H. vorläufig getroffen“.

6

Seit dem 11. November 2020 wird die Kantine in der von dem „Krisenstab Corona“ vorgeschlagenen Weise (nur noch Ausgabe von „Essen to go“, s.o.) betrieben. Alle Sitzgelegenheiten sind gesperrt.

7

Der Antragsteller teilt dem Beteiligten mit E-Mail vom 12. November 2020 mit, dass er der Vorlage vom 6. November 2020 nicht zustimme. Er verwies u.a. darauf, dass die in Hamburg geltende Corona-Eindämmungsverordnung den Betrieb von Kantinen weiterhin gestatte. Die Kantine sei eine soziale Einrichtung. Die Einnahme des Mittagessens am Arbeitsplatz sei nicht vorzugswürdig.

8

Unter dem 20. November 2020 teilte der „Krisenstab Corona“ dem Antragsteller mit, dass „die Umstellung des Serviceangebots auf `Essen to go´ (...) zunächst bis zum 30.11.2020 fortgeführt“ werde. Die Umsetzung der Maßnahme habe keinen Aufschub geduldet und sei nach § 52 Abs. 9 MBG SH getroffen worden.

9

Am 25. November 2020 beschloss der Antragsteller, „Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht hinsichtlich seines Mitbestimmungsrechts wegen der Schließung der Kantine im einstweiligen wie auch im Hauptsacheverfahren zu suchen“.

10

Unter dem 4. Dezember 2020 legte der Beteiligte dem Antragsteller eine weitere formularmäßige Vorlage zur Mitbestimmung vor. Angekreuzt war dort „§ 51 Abs. 1 MBG S-H (Mitbestimmung)“, ferner „§ 49 MBG S-H (Information)“ sowie „Vorläufige Regelung“: An der Umstellung des Angebots im Kantinenbereich auf „Essen to go“ werde bis zum 23. Dezember 2020 festgehalten. Die Maßnahme werde vorläufig umgesetzt; ein Aufschub sei angesichts der Pandemiesituation nicht angezeigt.

11

Der Antragsteller teilte dem Beteiligten mit E-Mail vom 11. Dezember 2020 mit, dass er der Vorlage nicht zustimme: Die bisherigen Hygienevorkehrungen in der Kantine seien angemessen und ausreichend. Es fehle an Sozialräumen bzw. angemessenen Alternativen, um die Mahlzeiten einzunehmen.

12

Unter dem 11. Dezember 2020 legte der Beteiligte dem Antragsteller eine weitere formularmäßige Vorlage zur Mitbestimmung vor. Angekreuzt war dort „§ 51 Abs. 1 MBG S-H (Mitbestimmung)“, ferner „§ 49 MBG S-H (Information)“ sowie „Verlängerung vorläufige Maßnahme“: Es sei nicht zu erwarten, dass sich die Lage zum Jahresbeginn ändere. Die Umstellung des Kantinenbetriebs solle deshalb beibehalten werden. Die Maßnahme solle gelten, bis der Inzidenzwert den Wert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohner nicht länger überschreite. Da die Umsetzung der Maßnahme keinen Aufschub dulde, werde die Regelung vorläufig über den 23. Dezember 2020 hinaus bis zum 10. Januar 2021 angeordnet.

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Der Antragsteller teilte dem Beteiligten mit E-Mail vom 17. Dezember 2020 mit, dass er der Vorlage nicht zustimme.

14

Den am 9. Dezember 2020 gestellten Eilantrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. Dezember 2020 abgelehnt: Der Antrag sei unzulässig, weil es an einem wirksamen Beschluss des Antragstellers zur Durchführung des vorliegenden Eilverfahrens fehle. Der Beschluss vom 25. November 2020 beziehe sich auf eine Maßnahme, die bereits erledigt gewesen sei, als der Antragsteller das vorliegende Eilverfahren anhängig gemacht habe. Überdies sei der Antrag unbegründet. Der Antragsteller habe einen Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Voraussetzung für den geltend gemachten Rücknahmeanspruch aus § 58 Abs. 3 MBG SH seien nicht erfüllt. Die Maßnahmen des Beteiligten verletzten keine wesentlichen Verfahrensvorschriften. Er habe die Beschränkung des Kantinenbetriebs auf der Grundlage des § 52 Abs. 8 MBG SH vorläufig und ohne Zustimmung des Antragstellers durchführen dürfen.

II.

15

Über die sofortige Beschwerde entscheidet wegen der Dringlichkeit der Angelegenheit der Vorsitzende allein ohne vorherige Durchführung eines Anhörungstermins (§ 88 Abs. 2 MBG SH, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 944, 937 Abs. 2 ZPO; vgl. hierzu OVG Hamburg, Beschl. v. 2.11.2020, 14 Bs 193/20.PVL, juris Rn. 7; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1.7.2020, OVG 60 PV 8/20, NZA-RR 2020, 499, juris Rn. 1, m.w.N.).

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Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig. Den notwendigen Beschluss über die Durchführung des Beschwerdeverfahrens und über die Beauftragung seiner Bevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.12.1996, 6 P 10.94, PersR 1997, 309, juris Rn. 18; VGH München, Beschl. v. 16.10.2014, 17 P 13.91, PersV 2015, 188, juris Rn. 20) hat der Antragsteller am 6. Januar 2021 – vor Abschluss der Instanz (vgl. BVerwG, a.a.O., juris Rn. 23) – gefasst.

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In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, die von dem Antragsteller begehrte einstweilige Verfügung zu erlassen. Sein Antrag, dem Beteiligten zu 1) im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, „die Umstellung der Speisenausgabe/des Kantinenbetriebs auf Essen to go und Schließung der Sitzbereiche im Betriebsrestaurant und Bistro in der Dienststelle Hamburg (...) vorläufig bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zurück zu nehmen“, ist zulässig (hierzu 1.), aber unbegründet (hierzu 2.).

18

1. Der Eilantrag ist zulässig. Es fehlt nicht die für die Durchführung des Eilverfahrens erforderliche (s.o.) Beschlussfassung des Antragstellers über die Durchführung eines gerichtlichen (Eil-) Verfahrens. Der in der Sitzung des Antragstellers vom 25. November 2020 gefasste Beschluss, „Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht hinsichtlich seines Mitbestimmungsrechts wegen der Schließung der Kantine im einstweiligen wie auch im Hauptsacheverfahren zu suchen“, kann dahin ausgelegt werden, dass hiervon die Geltendmachung des vorliegend streitgegenständlichen Rücknahmeanspruchs erfasst ist. Dieser Anspruch hatte sich weder im Zeitpunkt der Beschlussfassung des Antragstellers bereits erledigt, noch hat er sich seitdem erledigt oder in einer für die Durchführung eines gerichtlichen Beschlussverfahrens relevanten Weise verändert.

19

Dies gilt zum einen deshalb, weil sich die dem Rücknahmeanspruch zugrundeliegende „Maßnahme“ – die Beschränkung des Kantinenbetriebs (hierzu näher unter 2. b]) – nicht dadurch erledigt hat, dass der Beteiligte sie dem Antragsteller mit mehreren Mitbestimmungsvorlagen für unterschiedliche Zeiträume zur Zustimmung vorgelegt hat. Denn eine Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinne erledigt sich nicht, solange sie noch rechtswirksam ist, also nicht jegliche die personalvertretungsrechtliche Stellung des Personalrats berührende Wirkung verloren hat und es rechtlich und tatsächlich möglich ist, sie zu ändern oder für die Zukunft rückgängig zu machen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.9.2019, 5 P 5.18, PersV 2020, 112, juris Rn. 13). Dies spricht nach der Auffassung des Beschwerdegerichts dagegen, den einheitlichen und seit dem 11. November 2020 unveränderten Sachverhalt – die Beschränkung des Kantinenbetriebs – deshalb in unterschiedliche Maßnahmen aufzuteilen, weil er unter mitbestimmungsrechtlichen Gesichtspunkten möglicherweise differenziert zu beurteilen ist. Zum anderen bestand und besteht das in die Zukunft gerichtete Rücknahmebegehren des Antragstellers, das dieser erstmals in seiner Stellungnahme vom 12. November 2020 artikuliert hatte, seither ununterbrochen und einheitlich fort, weil die von dem Beteiligten veranlasste und von dem Antragsteller beanstandete Beschränkung des Kantinenbetriebs seit dem 11. November 2020 ununterbrochen fortdauert. Für eine Aufspaltung des einheitlichen Rücknahmebegehrens in mehrere (Streit-) Gegenstände, die stets aufs Neue die Frage ihrer gerichtlichen Geltendmachung aufwerfen, besteht auch vor diesem Hintergrund kein Anlass.

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2. Der Eilantrag ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung sind nicht erfüllt.

21

Für den Erlass einstweiliger Verfügungen gelten im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nach § 88 Abs. 2 MBG SH i.V.m. § 85 Abs. 2 ArbGG die Vorschriften des Achten Buches der Zivilprozessordnung über die einstweilige Verfügung mit bestimmten Maßgaben, auf die es im vorliegenden Verfahren nicht ankommt, entsprechend. Nach § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsverfügung). Nach § 940 ZPO sind einstweilige Verfügungen außerdem zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsverfügung). Der Erlass einer einstweiligen Verfügung setzt danach das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs voraus, der vorläufig geschützt werden soll, und eines Verfügungsgrunds, der hinreichenden Anlass für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gibt. Beides ist gemäß §§ 936, 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.4.2019, 14 Bs 86/19.PVL, PersV 2019, 333, juris Rn. 25).

22

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsteller hat, da die Beschränkung des Kantinenbetriebs aktuell fortbesteht, zwar einen Verfügungsgrund glaubhaft gemacht. Es fehlt aber am Verfügungsanspruch.

23

a) Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Rücknahmeanspruch kommt § 58 Abs. 3 Satz 2 MBG SH in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind Maßnahmen, die unter Verstoß gegen wesentliche Verfahrensvorschriften erfolgt sind, zurückzunehmen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Die Vorschrift verleiht dem Personalrat, dessen Rechte verletzt worden sind, unter den in der Vorschrift genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Rücknahme der Maßnahme (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.2.2012, 6 P 2.11, NVwZ-RR 2012, 399, juris Rn. 50).

24

b) Das Beschwerdegericht hält es bereits für ernstlich zweifelhaft, ob es sich bei der von dem Beteiligten veranlassten Beschränkung des Kantinenbetriebs um eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme i.S.v. §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 58 Abs. 3 MBG SH handelt.

25

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die dem im Mitbestimmungsgesetz Schleswig-Holstein verwendeten Maßnahmebegriff zugrunde liegt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.10.2011, 6 P 17.10, juris Rn. 15; Beschl. v. 5.11.2010, 6 P 18.09, PersR 2011, 38, juris Rn. 11) und die das Beschwerdegericht teilt (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 25.9.2019, 8 Bf 60.17.PVL, PersV 2020, 188, juris Rn. 31), ist unter einer Maßnahme im personalvertretungsrechtlichen Sinn jede auf die Veränderung des bestehenden Zustandes abzielende Handlung oder Entscheidung der Dienststellenleitung zu verstehen, die den Rechtsstand der Beschäftigten berührt und durch deren Durchführung das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.2018, 5 P 9.17, BVerwGE 163, 246, juris Rn. 7, m.w.N.). Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, ist zumindest zweifelhaft. Denn nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine personalvertretungsrechtliche Maßnahme eine irgendwie geartete rechtliche Überformung voraus. Allein der faktische Bezug zur Dienststelle – hier dadurch, dass die gegenwärtig zur Mittagszeit in der Dienststelle anwesenden Beschäftigten, sofern sie überhaupt die Kantine in Anspruch nehmen, ihr Mittagessen nicht wie gewohnt dort einnehmen können – reicht nicht aus. Die Verfahrensbeteiligten haben nichts dazu vorgetragen, dass die Einrichtung und der Betrieb der Kantine über den Umstand hinaus, dass diese von den Beschäftigten genutzt werden kann, Gegenstand oder Anknüpfungspunkt rechtlicher Vereinbarungen, Zusicherungen oder Anordnungen/Vorgaben im Verhältnis zwischen der Dienststelle und den dort tätigen Beschäftigten ist. Dann aber mag der bloße Umstand, dass die Nutzung der Kantine auf Veranlassung der Beteiligten eine Änderung erfährt, die für die Beschäftigten „spürbar“ ist, nicht die erforderlichen auch rechtlichen Auswirkungen auf die Beschäftigten haben, um eine Zuständigkeit des Antragstellers im Rahmen der Mitbestimmung zu begründen.

26

Überdies liegt auch nicht ohne Weiteres auf der Hand, dass die von dem Beteiligten veranlasste Umstellung des Kantinenbetriebs eine Änderung der Arbeitsbedingungen zur Folge hat, und zwar auch dann nicht, wenn – worauf der Antragsteller verweist – die Einnahme des Mittagessens am Arbeitsplatz auch für andere Beschäftigte wahrnehmbar ist. Nicht alles, was eine mittelbare und ggf. als störend wahrgenommene Veränderung des Arbeitsumfeldes der Beschäftigten in der Dienststelle zur Folge hat, begründet ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats. Auch das Mitbestimmungsrecht des Landes Schleswig-Holstein differenziert zwischen Maßnahmen, die der Mitbestimmung unterliegen (vgl. § 51 Abs. 1 MBG SH), und sonstigen Angelegenheiten, die die Gestaltung des Dienstbetriebs bzw. die Dienststelle und ihre Beschäftigten betreffen. Letztere sind mit dem Personalrat zu erörtern (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 und 3 MBG SH); auf seine Zustimmung kommt es insoweit aber nicht an.

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c) Im Ergebnis kann dies auf sich beruhen. Der Antragsteller hat den geltend gemachten Rücknahmeanspruch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Beschwerde auch deshalb nicht, weil der Beteiligte bei der Beschränkung des Kantinenbetriebs gegenwärtig keine wesentlichen Verfahrensvorschriften i.S.v. § 58 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 MBG SH verletzt. Dabei kann offenbleiben, wie dies für die Vergangenheit zu beurteilen ist, d.h. ob der Beteiligte im (zeitlichen) Geltungsbereich seiner Mitbestimmungsvorlagen vom 6. November 2020 (für die Zeit bis zum 20. November 2020) bzw. vom 4. Dezember 2020 (für die Zeit bis zum 23. Dezember 2020) die Beschränkung des Kantinenbetriebs ohne Zustimmung des Antragstellers veranlassen durfte. Denn jedenfalls auf der Grundlage der Mitbestimmungsvorlage vom 11. Dezember 2020 kann der Beteiligte den Kantinenbetrieb aktuell beschränken.

28

Mit der Vorlage vom 11. Dezember 2020 ist zweierlei verbunden: Zum einen bittet der Beteiligte den Antragsteller auf der Grundlage von § 51 Abs. 1 MBG SH um reguläre Zustimmung für die „Maßnahme“ (s.o. zu b]) einer Beschränkung des Kantinenbetriebs bis auf Weiteres; ein festes Datum, zu dem die Maßnahme beendet sein soll, enthält diese Vorlage nicht; die Vorlage knüpft an bzw. ersetzt die beiden vorangegangenen Vorlagen. Zum anderen unterrichtet der Beteiligte den Antragsteller auf der Grundlage von § 49 MBG SH darüber, dass er die – zur Mitbestimmung gestellte – Maßnahme (s.o.) vorläufig umsetze, und zwar bis zum 10. Januar 2021. Damit bezieht sich der Beteiligte auf eine – auch als solche bezeichnete (vgl. § 52 Abs. 8 Satz 2 MBG SH) – vorläufige Regelung i.S.v. § 52 Abs. 8 MBG SH, die an die zur regulären Mitbestimmung gestellte unbefristete Maßnahme anknüpft, anders als diese aber zeitlich befristet ist.

29

Da der Antragsteller der (unbefristeten) Maßnahme (Beschränkung des Kantinenbetriebs bis auf Weiteres) bislang nicht zugestimmt hat, kann – ein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers unterstellt (s.o. zu b]) – der Beteiligte diese Maßnahme zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur dann verfahrensfehlerfrei i.S.v. § 58 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 MBG SH vornehmen, wenn die Voraussetzungen für eine vorläufige Regelung i.S.v. § 52 Abs. 8 Satz 1 MBG SH – danach kann die Dienststelle Maßnahmen, die der Natur der Sache nach keinen Aufschub dulden, bis zur endgültigen Entscheidung vorläufig regeln – erfüllt sind. Dies ist zu bejahen:

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aa. Eine der Natur der Sache nach unaufschiebbare Maßnahme i.S.v. § 52 Abs. 8 Satz 1 MBG SH liegt vor, wenn die konkrete Situation trotz Verweigerung der Zustimmung des Personalrats und trotz des noch laufenden Mitbestimmungsverfahrens eine Regelung erfordert, um die Erfüllung von Pflichten und Aufgaben der Dienststelle im öffentlichen Interesse sicherzustellen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.2.2012, 6 P 2.11, NVwZ-RR 2012, 399, juris Rn. 45). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Angesichts der gegenwärtigen hohen Infektionszahlen in Hamburg ist, was auch der Antragsteller nicht in Abrede stellt, die größtmögliche Vermeidung sozialer Kontakte alternativlos, um einer weiteren ungebremsten und unkontrollierbaren Verbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken. Der Beteiligte verweist zu Recht darauf, dass es insoweit nicht nur um die Fürsorge für die in seinem Verantwortungsbereich eingesetzten Beschäftigten geht, sondern dass überdies – ungeachtet der von dem Beteiligten aufgezeigten Folgewirkungen für weitere Dienststellen, die der Antragsteller allerdings relativiert – der Betrieb der Dienststelle und die Erfüllung der dort anfallenden Aufgaben ernsthaft gefährdet wäre, wenn Beschäftigte mit dem Coronavirus infiziert sind und weitere Beschäftigte ebenfalls ausfallen, weil sie sich entweder angesteckt haben oder aber für nicht unerhebliche Zeiträume nicht zur Verfügung stehen, weil sie sich in Quarantäne begeben müssen. Angesichts dessen bedarf es zur Sicherstellung des Dienstbetriebs weiterer Kontaktbeschränkungen auch im Zusammenhang mit der Benutzung der Kantine, und zwar auch dann und für die Zeit, wenn bzw. solange der Antragsteller dem nicht zustimmt. Seine Einwände hiergegen ziehen diese Einschätzung allesamt nicht in Zweifel:

31

Soweit der Antragsteller auf das für die Kantine geltende gute Hygienekonzept verweist, ändert dies nichts daran, dass bei einem dauerhaften Verweilen in der Kantine die Möglichkeiten der Beschäftigten zur Aufnahme sozialer Kontakte untereinander, die Gelegenheiten zur physischen Begegnung und damit insgesamt das Risiko einer Ansteckung höher sind, als wenn die Beschäftigten ihr Mittagessen nur in der Kantine abholen und sich anschließend wieder an ihren Arbeitsplatz begeben. Hinzu kommt, dass bei einer längeren Anwesenheit in der Kantine eine stärkere „Durchmischung“ von Beschäftigten verschiedener Arbeitsbereiche möglich ist; dies würde im Fall einer Infektion auch die Zahl der ggf. quarantänepflichtigen Personen erhöhen, die der Dienststelle dann nicht zur Verfügung stehen. Hierdurch würde die Arbeitsfähigkeit der Dienststelle noch weiter in Frage gestellt.

32

Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass die Beschäftigten, wenn sie ihre Mahlzeit zum Arbeitsplatz mitnehmen würden, sich dort ohne Abstand und Hygienevorkehrungen mit mehreren Personen in einem Büro versammeln würden, spricht dies nicht für eine Beibehaltung des Kantinenbetriebs in der bisherigen Art und Weise, sondern dafür, dass die betreffenden Beschäftigten zur Einhaltung der Regeln angehalten werden müssen; dies gehört im Übrigen auch zu den Aufgaben des Antragstellers (vgl. §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 2 Abs. 2 MBG SH). Auch die genannten Unannehmlichkeiten durch „Essensmief im Raum“ und das während der Pausen klingelnde Telefon am Arbeitsplatz steht der Annahme einer unaufschiebbaren Maßnahme i.S.v. § 52 Abs. 8 Satz 1 MBG SH nicht entgegen: Ersteres ist vor dem Hintergrund der Herausforderungen, die die gegenwärtige Pandemielage der Bevölkerung im Allgemeinen und den Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung Nord im Besonderen abverlangt, von eher untergeordneter Bedeutung und wird dem Ernst der Lage nicht gerecht; Letzteres erscheint schon technisch beherrschbar.

33

Schließlich kann der Antragsteller auch nicht mit Erfolg darauf verweisen, dass nach § 15 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV 2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: EindämmungsVO) in der heute noch geltenden Fassung nicht-öffentliche Kantinen vom Betriebsverbot für Gaststätten gemäß § 15 Abs. 1 EindämmungsVO ausgenommen sind. Hieraus ist nicht im Umkehrschluss abzuleiten, dass der Verordnungsgeber entschieden haben, nicht-öffentliche Kantinen müssten stets geöffnet bleiben und unter gleichbleibenden Bedingungen betrieben werden. Vielmehr überlässt der Verordnungsgeber die Entscheidung über den weiteren Betrieb und seine unter Infektionsgesichtspunkten sachgerechte Ausgestaltung den jeweiligen Betreibern. Wenn diese entscheiden, den Betrieb zu beschränken, bedeutet dies keinen Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben, sondern zeugt dies im Gegenteil davon, dass sie ihrer Verantwortung gerecht werden. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht entscheidend darauf an, dass damit zu rechnen ist, dass § 15 Abs. 2 Satz 1 EindämmungsVO nach den jüngsten Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz in Kürze ohnehin wegfallen oder geändert wird (vgl. https://www.hamburg.de/coronavirus/14815376/2021-01-06-senat-setzt-beschluesse-der-ministerpraesidentenkonferenz-um/).

34

bb. § 52 Abs. 8 Satz 1 MBG SH ermächtigt nur zu vorläufigen Regelungen. Diese haben sich grundsätzlich auf das zeitlich und sachlich unbedingt Notwendige zu beschränken. Der Gesetzgeber will die Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens, wenn es irgendwie vertretbar möglich ist, gewährleistet wissen. Daher muss das Verfahren so ausgestaltet sein, dass es auch unter den Bedingungen einer mitbestimmungsfreien vorläufigen Regelung bei größtmöglicher Beschleunigung ein Höchstmaß an Mitbestimmung ermöglicht. Beides zugleich lässt sich nur über die zeitliche Befristung vorläufiger Regelungen gewährleisten. Sie ist insbesondere geeignet, den Dienststellenleiter weiterhin dazu anzuhalten, das Mitbestimmungsverfahren zu beschleunigen. Eine Ausnahme vom Befristungsgebot ist nur gerechtfertigt, wenn die beabsichtigte Maßnahme der Natur der Sache nach zeitliche Einschränkungen nicht zulässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.2.2012, 6 P 2.11, NVwZ-RR 2012, 399, juris Rn. 46, m.w.N.).

35

Auch diesen Vorgaben genügt die bis zum 10. Januar 2021 befristete vorläufige Regelung, über die der Beteiligte den Antragsteller mit der Vorlage vom 11. Dezember 2020 unterrichtet hat. Die vorläufige Regelung für einen vergleichsweise kurzen Zeitraum ermöglicht eine regelmäßige Neubewertung und stellt sicher, dass das reguläre Mitbestimmungsverfahren nicht aufgrund einer bis auf Weiteres vorgenommenen vorläufigen Regelung entbehrlich wird.

36

Ohne Erfolg verweist der Antragsteller darauf, dass der Beteiligte mehrere vorläufige Regelungen aneinanderreihe und damit im Ergebnis eine endgültige Maßnahme vornehme, ohne ihn – den Antragsteller – zu beteiligen. Die vorläufige(n) Regelung(en) ist bzw. sind zwar von der endgültigen und nicht befristeten Maßnahme, die der Beteiligte zur Mitbestimmung gestellt hat, zu unterscheiden. Eine befristete vorläufige Regelung schließt aber nicht aus, dass ihr eine weitere befristete vorläufige Regelung nachfolgt, sofern die hierfür geltenden Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind. Die von dem Antragsteller befürchtete Missbrauchsgefahr besteht im Übrigen nicht, denn der Beteiligte hat mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2020 mitgeteilt, dass er im regulären Mitbestimmungsverfahren die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens anstrebe.

III.

37

Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss findet nicht statt (§ 88 Abs. 2 MBG SH i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).

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