Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (12. Senat) - 12 MS 88/22

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller vom 19. Mai 2021 i. d. F. vom 6. Februar 2022 gegen die Genehmigung des Antragsgegners vom 29. März 2021 i. d. F. vom 30. Dezember 2021 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Gerichtskosten des Verfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller je zur Hälfte und ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.

Der Streitwert wird für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

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Die Antragsteller wenden sich gegen eine erneut für sofort vollziehbar erklärte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Antragsgegners zur Errichtung und für den Betrieb einer Windenergieanlage (= WEA, 4) mit einer Gesamthöhe von 199,9 m und einer Nennleistung von bis zu 5,7 MW im Gebiet des Antragsgegners. Die Anlage soll im Bereich eines von der Stadt I. geplanten bzw. bereits dargestellten Sondergebiets „Windenergie“ - J. K. - verwirklicht werden, das im Einvernehmen mit der Stadt L. an ein südlich in deren Gebiet gelegenes entsprechendes Sondergebiet anschließt, in dem bereits drei WEA (1 -3) verwirklicht sind. Nordwestlich der hier umstrittenen WEA 4 ist (zeitlich nachfolgend) eine weitere WEA (5) geplant, die von den Antragstellern im Parallelverfahren mit dem Aktenzeichen 12 MS 89/22 angegriffen wird. Die Antragsteller wohnen in einer Entfernung von 1.533 m zur WEA 4; wegen der Einzelheiten wird auf die folgende Karte verwiesen:

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Unter dem Aktenzeichen 12 MS 89/21 wandten sich die Antragsteller erstmals gerichtlich gegen den Sofortvollzug der Genehmigung (in der Ausgangsfassung). In der „Nebenbestimmung IV. 37“ zu dieser Ausgangsgenehmigung wurde eine Ausnahmegenehmigung von dem Beseitigungsverbot für Wallhecken zum Zwecke einer „Zuwegung“ erteilt. Unter dem 28. Juli 2021 erging dazu folgender Hinweis des Vorsitzenden:

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„In pp ist nach den Ausführungen auf Seite 29 Ihres Bescheides vorliegend – wohl im Hinblick auf insgesamt vier Anlagen in einem gemeinsamen Windpark - eine standortbezogene Vorprüfung des Einzelfalles durchgeführt worden, und zwar mit dem Ergebnis, dass das Vorhaben keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen habe. An der Richtigkeit bzw. Nachvollziehbarkeit dieses Ergebnisses (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b, Satz 2 UmwRG i. V m. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG) bestehen aber gegenwärtig Zweifel. Denn Gegenstand der standortbezogenen Vorprüfung ist nach § 7 Abs. 2 UVPG i. V. m. Nr. 2.3.6 der Anlage 3 zum UVPG u. a. die Frage, ob das Vorhaben erhebliche nachteilige Auswirkungen auf nach § 29 BNatSchG geschützte Landschaftsbestandteile haben kann. Hierzu gehören, wovon Sie im Bescheid zutreffend ausgegangen sind, nach § 29 BNatSchG i. V. m. § 22 Abs. 3 NAGBNatSchG in Niedersachsen Wallhecken. Vorliegend sind Sie jedoch selbst (S. 14 unter Nr. 37 des Bescheides) davon ausgegangen, dass es vorhabenbedingt zu einer Zerstörung von Wallhecken im Umfang von 410 qm kommt. Warum darin keine – mögliche – erhebliche nachteilige Umweltbeeinträchtigung insoweit liegen soll, wird nicht deutlich. Sollte eine solche Beeinträchtigung wegen der Kompensation durch die Neuanlage von Wallhecken verneint worden sein, so ist darauf hinzuweisen, dass unter Bezug auf die Gesetzesbegründung anerkannt ist, dass insoweit nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Var. 3 UVPG als zu berücksichtigende „Vorkehrungen des Vorhabenträgers“ zwar Vermeidungs- und Verminderungs-, nicht aber Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen anzusehen sind (vgl. nur Tepperwien, in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, UmwRG, § 7 UPVG, Rn. 10); die hier geplante Anlage einer neuen Hecke (an einem anderen Standort) dürfte aber zu der letztgenannten Gruppe zählen, da § 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG in bewusster Übernahme der Begrifflichkeiten der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (vgl. Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dez. 2020, § 29 BNatSchG, Rn. 15) von „Ersatzpflanzung“ spricht. Da Bezugspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit zunächst allein der jeweilige Umweltbelang, nicht aber die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 - 4 CN 11/03 -, juris, Rn. 23, Gatz, juris-BVerwG 22/2008 Anm. 2, Mitschang, in: Schink/Reidt/Mitschang, a. a. O., § 3 UVPG, Rn. 4, 5, m. w. N.), dürfte die – zumal nur potenzielle – nachteilige Erheblichkeit der Umweltbeeinträchtigung auch nicht damit verneint werden können, dass im Ergebnis der Schutz von Wallhecken der Genehmigungsfähigkeit der Windkraftanlage doch nicht entgegenstehe, wie sich aus der insoweit von Ihnen erteilten Ausnahme ergebe.“

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Daraufhin setzte der Antragsgegner am 6. August 2021 die sofortige Vollziehung der Genehmigung aus und wurde das gerichtliche Verfahren für erledigt erklärt.

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Auf den gesonderten Widerspruch der Beigeladenen als Vorhabenträgerin erließ der Antragsgegner unter dem 30. Dezember 2021 einen von ihm sog. (Teil-)Abhilfebescheid. Darin wurde u. a. die Begründung für die o. a. Nebenbestimmung IV. 37 „ergänzt“. Zuvor war unter dem 29. Dezember 2021 erneut eine standortbezogene Vorprüfung (auf 60 Seiten) erfolgt, die unverändert - auch bezogen auf den Schutz der Wallhecke - eine erhebliche nachteilige Umwelteinwirkung verneinte. In der Annahme, damit sei „der zuvor vom OVG … gerügte Verfahrensfehler nachgebessert“ worden, wurde die sofortige Vollziehung dieses Bescheides erneut angeordnet.

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In dem sich anschließenden zweiten von den Antragstellern eingeleiteten Verfahren nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO (- 12 MS 62/22 -) erklärte der Antragsgegner, dass er:

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„die in der Änderungsgenehmigung vom 30.12.2021 bezüglich der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 29. …3.2021 erneut angeordnete sofortige Vollziehbarkeit gem. § 80 Abs. 4 VwGO aussetzt. Das Bauamt fertigt derzeit eine Stilllegungsverfügung, weil die Klägerin abweichend von der Baugenehmigung den Standort verändert hat und im Zuge dieser Maßnahme die Inanspruchnahme einer weiteren Wallhecke mit einer Fläche von 25 m² beansprucht. Die Stilllegung ist tatsächlich noch nicht erfolgt, steht aber unmittelbar bevor. Da durch die vom Beigeladenen inzwischen angezeigte Inanspruchnahme einer weiteren Wallhecke mit einer Fläche von 25 m² eine erhebliche Abweichung von der ursprünglichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegeben ist, die auch die Durchführung eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens (UVP) erforderlich macht und das Gericht in diesem Verfahren ebenfalls gerügt hat, dass schon für die bisherige Genehmigung eine UVP durchzuführen ist, soll die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung der Beigeladenen erst erfolgen, wenn über den geänderten Antrag entschieden ist und für die Altgenehmigung das UVP-Verfahren durchgeführt worden ist.“

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Die sofortige Vollziehung wurde dementsprechend am 8. Juni 2022 erneut ausgesetzt, und das Verfahren 12 MS 62/22 wurde ebenfalls in der Hauptsache für erledigt erklärt.

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Bereits unter dem 1. März 2022 hatte die Beigeladene einen „Antrag nach § 15 BImSchG“ aufgrund einer Änderung der Zuwegungen gestellt. Eine förmliche Entscheidung dazu erging nach Aktenlage nicht. Vielmehr wurde dazu unter dem 27. Juni 2022 von der Sachbearbeiterin des Antragsgegners ein Vermerk verfasst. Danach verändere sich der Umfang des Eingriffs in die Wallhecke, wegen der geringen Abweichung sei weder eine Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG noch eine Anpassung der standortbezogenen Vorprüfung erforderlich; wegen der Einzelheiten wird auf den Vermerk Bezug genommen.

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Nach der auf Bitte des Antragsgegners erfolgten „Durchsicht und Korrektur“ des Entwurfes durch den Bevollmächtigten der Beigeladenen, aber ohne vorherige Beteiligung und Anhörung der Antragsteller ordnete der Antragsgegner am 5. Juli 2022 dann wieder die sofortige Vollziehung an und gab dieses Schreiben der Beigeladenen, nicht aber den Antragstellern bekannt. Sie wurden vielmehr mit gesonderten Schreiben vom 7. Juli 2022, zugegangen am 11. Juli 2022, nur darüber informiert, dass die Abweichungen in der Bauweise nach Prüfung als unwesentlich eingestuft worden seien und deshalb die sofortige Vollziehung wieder angeordnet worden sei.

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Am 13. Juli 2022 haben die Antragsteller den vorliegenden neuen, dritten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt, dem der Antragsgegner und die Beigeladene entgegentreten.

II.

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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller nach §§ 80a Abs. 1 und 3, 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig (1) und begründet (2).

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1. Da der Antragsgegner erneut die sofortige Vollziehung der Genehmigung angeordnet und über den Widerspruch der Antragsteller noch nicht entschieden hat, begehren die Antragsteller zutreffend die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs. Da trotz gerichtlichen Hinweises unklar geblieben ist, ob der Antragsgegner die sofortige Vollziehung der Genehmigung zuletzt i. d. F. vom 30. Dezember 2021 oder einer nachfolgenden Modifikation angeordnet hat, ist es auch nicht zu beanstanden, dass sich der Antrag gegen die Genehmigung zuletzt i. d. F. vom 30. Dezember 2021 richtet.

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Die Antragsteller sind auch antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO entsprechend).

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Wird – wie hier – von einem Drittbetroffenen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung angegriffen, so ist er (u. a.) antragsbefugt, wenn er im Einwirkungsbereich der genehmigten Anlage wohnt (vgl. Senatsbeschl. v. 11.3.2019 -12 ME 105/18 -, juris, Rn. 24; Senatsurt. v. 24.10.2019 - 12 KS 127/17 -, juris, Rn. 139 f., jeweils m. w. N.). Dieser Einwirkungsbereich ist in untergesetzlichen Regelwerken teilweise ausdrücklich normiert, so etwa in Nr. 2.2 TA Lärm bzw. in Nr. 4.6.2.5 TA Luft unter der Bezeichnung „Beurteilungsgebiet“, das sich aufgrund seiner Funktion mit dem Einwirkungsgebiet deckt (Thiel, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Dezember 2021, § 3 BImSchG, Rn. 28; Storost, in: Ule/Laubinger/Repkewiz, BImSchG, 242. Lieferung, Juni 2022, § 6 BImSchG, F 7; jeweils m. w. N). Fehlt eine solche Regelung für eine Immissionsart, so ist entsprechend der allgemeinen Definition des Einwirkungsbereichs (vgl. Thiel, a. a. O., Rn. 26) auf denjenigen räumlichen Bereich abzustellen, in dem die Emissionen der Anlage noch einen relevanten, d. h. individualisierbaren Immissionsbeitrag liefern, ohne dass dieser dauerhaft sein muss. Bezogen auf den – als Immission i. S. d. BImSchG einzuordnenden (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl., § 3, Rn. 12, m. w. N.) – von sich drehenden Rotoren der WEA potenziell ausgehenden Schattenwurf liegen also diejenigen Grundstücke im Einwirkungsbereich, in denen ein solcher Schlagschatten wahrnehmbar auftreten kann. Ob dies der Fall ist, kann wiederum nicht stets gerichtlich selbst, sondern ggf. nur aufgrund vorliegender Gutachten beurteilt werden. Steht deren Richtigkeit nicht fest oder beziehen sie sich nicht ausdrücklich auf das Grundstück der Antragsteller, so ist dies im Rahmen der Zulässigkeit angemessen zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.9.2018 - 7 C 24/16 -, juris, Rn. 21). Eine gerichtliche Beweisaufnahme hierzu findet grundsätzlich – zumal im Eilverfahren – nicht statt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.7.2014 - 3 B 70/13 -, juris). Im Zweifelsfall ist vielmehr die Antragsbefugnis zu bejahen.

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Hieran gemessen sind die Antragsteller jedenfalls bezogen auf von der WEA 4 ausgehenden Schattenwurf antragsbefugt. Denn nach dem im Genehmigungsverfahren vorgelegten Gutachten vom 6. November 2020 ist ihr Wohngrundstück bei der angezeigten Betrachtungsweise vom Schlagschatten der WEA 4 betroffen (vgl. nachfolgende Karte aus diesem Gutachten); dass insoweit auch die für die Genehmigung maßgeblichen Richtwerte erreicht oder ohne Schutzvorkehrungen überschritten werden, ist hingegen für die Bejahung der Antragsbefugnis nicht erforderlich.

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Dass die Antragsteller nach dem Vorbringen der Beigeladenen gegen einen höheren Betrag ggf. ihren Widerspruch zurücknehmen würden, führt nicht zur Unzulässigkeit des vorliegenden Antrages.

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2. Der Antrag nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung schon nicht den formellen Anforderungen des §§ 80a Abs. 1 Nr. 1 (entsprechend), 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO genügt (2.a) und zudem wegen der - von den antragsbefugten Antragstellern rügefähigen - mutmaßlichen Rechtswidrigkeit der (erforderlichen) standortbezogenen Vorprüfung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das gegenläufige Interesse der Beigeladenen auch inhaltlich überwiegt (2.b).

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Ausdrücklich gesetzlich sind die formellen und materiellen Voraussetzungen für die – hier in entsprechender Anwendung von § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO erfolgte – Wiederanordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes mit sog. Doppel- oder Drittwirkung nicht geregelt.

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a) Die Regelungen aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz sind insoweit nicht unmittelbar anwendbar, weil es sich bei der Anordnung nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um einen eigenständigen verfahrensrechtlichen Annex zu dem Verwaltungsakt handelt (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl., § 80, Rn. 78, m. w. N.)

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aa) Hieran anknüpfend wird grundsätzlich auch eine Pflicht zur vorherigen Anhörung gemäß oder entsprechend § 28 VwVfG verneint.

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Von dieser fehlenden Bindung an die einfach-rechtlichen Vorgaben des VwVfG bleiben allerdings die verfassungsunmittelbaren Verfahrensgarantien unberührt, zu denen u. a. das Gebot eines fairen Verfahrens zählt und aus dem sich ein Recht zur Anhörung ergeben kann. Ein solches ist daher jedenfalls zu bejahen, wenn ein Betroffener nicht (mehr oder jetzt) mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung rechnen muss (vgl. Funke-Kaiser, in: Bader/Funke-Kaiser, u. a., VwGO, 8. Aufl., § 80, Rn. 58; Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 42. EL Februar 2022, VwGO, § 80, Rn. 259 zum Verbot von „Überraschungsentscheidungen“; weiter gehend Schenke, a. a. O., Rn. 82, Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Auf., Rn. 732, m. w. N.). Ob dies bereits bei jeder erneuten Anordnung der Fall ist (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 80, Rn. 53), kann hier offen bleiben. Denn jedenfalls nach der o. a. ausdrücklichen Ankündigung,

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„die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Genehmigung der Beigeladenen“ werde „erst erfolgen, wenn über den geänderten Antrag entschieden ist und für die Altgenehmigung das UVP-Verfahren durchgeführt worden ist“,

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mussten die Antragsteller nicht damit rechnen, dass eine solche – nunmehr dritte – Anordnung ohne ihre vorherige Anhörung und Durchführung einer solchen Umweltverträglichkeitsprüfung erfolgen würde. Sie hätten also vorher zumindest dazu angehört werden müssen, was zu Unrecht unterblieben ist.

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Ob und wie eine Nachholung dieses Verfahrensschrittes möglich ist, kann offen bleiben. In dem bloßen Austausch von Schriftsätzen in diesem Verfahren bei Fortdauer des angegriffenen Sofortvollzugs liegt sie jedenfalls nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2022 - 4 A 7/20 -, juris, Rn. 25, m. w. N.), im Übrigen hat der Antragsgegner keine entsprechenden Maßnahmen unternommen.

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bb) Zudem hätte die Anordnung vom 5. Juli 2022 auch den Antragstellern als drittbetroffenen Widerspruchsführern förmlich bekanntgegeben werden müssen (vgl. Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO., 5. Aufl., § 80, Rn. 80). Auf dieses Erfordernis ist der Antragsgegner bereits in dem ersten vorangegangenen Verfahren (- 12 MS 89/21 -) mit gerichtlicher Verfügung vom 10. August 2021 ausdrücklich hingewiesen. Auch eine solche Bekanntgabe ist jedoch – offenbar bewusst – unterblieben, indem die Antragsteller mit zeitlichem Verzug am 11. Juli 2022 lediglich über das Ergebnis in Kenntnis gesetzt worden sind. Die Möglichkeit der (erstmaligen) Kenntnisnahme von der am 5. Juli 2022 erfolgten Anordnung im gerichtlichen Verfahren ersetzt die gegenüber den Antragstellern mangels entsprechenden Bekanntgabewillen fehlende Bekanntgabe nicht (vgl. zu § 41 VwVfG: Tegethoff, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 22. Aufl., § 41, Rn.7a).

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cc) Schließlich mangelt es der erneuten Anordnung auch an der erforderlichen Bestimmtheit hinsichtlich der Frage, bezogen auf welche genehmigte Bauweise die immissionsschutzrechtliche Genehmigung erneut für sofort vollziehbar erklärt worden ist.

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Ausdrücklich ergibt sich dies aus der Anordnung vom 5. Juli 2022 nicht. Auch sinngemäß lässt sich aus der maßgebenden Sicht des Empfängerhorizontes nicht eindeutig bestimmen.

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Gegen die Annahme, dass der Sofortvollzug lediglich der Genehmigung des Antragsgegners vom 29. März 2021 i. d. F. vom 30. Dezember 2021 wieder angeordnet werden sollte, spricht entschieden, dass die Anordnung vom 5. Juli 2022 so nicht lautet, sondern stattdessen ausdrücklich auf eine von der Genehmigung i. d. F. vom 30. Dezember 2021 abweichende Bauausführung sowie eine ausreichende Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG verweist.

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Welche Wirkung diese Änderungsanzeige aus Sicht des Antragsgegners haben soll, wird jedoch weder aus der Anordnung vom 5. Juli 2022 noch aus dem sonstigen Akteninhalt deutlich. Im Übrigen kommt ihr auch nicht die ggf. zugedachte Wirkung einer Legalisierung der abweichenden Bauweise zu. Dies gilt schon deshalb, weil die Änderungsanzeige lediglich die spezifisch immissionsschutzrechtliche Unbedenklichkeit des Vorhabens zum Gegenstand hat, sich aber nicht auf die hier entscheidende Änderung von Erschließungsanlagen bezieht. Solche sind – wohl entgegen der Annahme des Antragsgegners – bereits grundsätzlich nicht von der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG umfasst (vgl. Agatz, Windenergiehandbuch, Stand: Dezember 2021, S. 11; Hess. VGH, Beschl. v. 27.1.2022 - 3 B 1209/21 -, juris, Rn. 30 f.; Lange, in: Appel/Ohms/Saurer, BImSchG, § 13 BImSchG, Rn. 21, m. w. N; Seibert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Werkstand: 97. EL Dezember 2021, § 13 BImSchG, Rn. 72 ff.) und erst recht nicht von der Wirkung einer Änderungsanzeige nach § 15 BImSchG; vielmehr bedarf es insoweit (je nach Umfang der Erschließungsanlagen) grundsätzlich einer gesonderten, hier aber fehlenden Baugenehmigung. Ob insoweit zusätzlich bezogen auf die Überbauung/Verrohrung von wasserführenden Gräben eine wasserrechtliche Genehmigung erforderlich ist, kann offen bleiben.

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Schon aus diesem Grund scheidet schließlich auch die Annahme aus, die abweichende Bauweise sei noch von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 29. März 2021 i. d. F. vom 30. Dezember 2021 gedeckt. Denn schon die – in dem vom Antragsgegner sog. „geänderten Parklayout“ – vorgesehene sog. Verschiebung „der bisher südlich des Anlagenstandortes vorgesehenen temporären Erschließungsflächen“ „auf die nördliche Anlagenseite“, d. h. auf ein anderes Flurstück, erfordert eine erneute Überprüfung der bau- und artenschutzrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen, letzteres gilt auch für die Veränderung des Verlaufs der Zuwegung, und überschreitet damit die zulässige Variationsbreite der erfolgten Genehmigung, zumal sich diese – wie ausgeführt – rechtmäßig ohnehin nicht auf Erschließungsstraßen bezieht. Die etwaige materielle Genehmigungsfähigkeit ersetzt eine gebotene, aber fehlende Genehmigung nicht. Im Übrigen hat nach Aktenlage jedenfalls die für die naturschutzfachliche Bewertung beim Antragsgegner zuständige Abteilung unter dem 25. April 2022 eine solche Vereinbarkeit nur unter einer Mehrzahl vom Nebenbestimmungen bejaht.

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b) Zu den materiellen Voraussetzungen an die Anordnung einer sofortigen Vollziehung nach vorheriger behördlicher Aussetzung hat das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 17.9.2001 - 4 VR 19/01 -, juris, Rn. 7) ausgeführt:

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„Durch eine Aussetzung der Vollziehung erlegt sich die Behörde keine Bindungen auf, die es ihr für die Zukunft erschweren, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die ihr der Gesetzgeber mit dem Wegfall der aufschiebenden Wirkung zubilligt. Freilich wirkt die Aussetzung nach § 80 Abs. 4 Satz 1 VwGO, vorbehaltlich einer Befristung, grundsätzlich bis zu dem Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsaktes oder dem in § 80 b VwGO bestimmten Zeitpunkt. Die zuständige Behörde kann indes, soweit keine anderweitigen rechtlichen Bindungen bestehen, die Aussetzungsentscheidung ändern oder aufheben. Allerdings findet sich in § 80 Abs. 4 VwGO keine dem § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO entsprechende Regelung. Das bedeutet aber allenfalls, dass die Aussetzungsentscheidung nicht im Sinne dieser Vorschrift jederzeit geändert oder aufgehoben werden darf. Zu einer Neubeurteilung berechtigen indes allemal veränderte Umstände. Eine neue Sachlage, die die Behörde zum Anlass für eine Änderung oder eine Aufhebung der Aussetzung nehmen darf, ist jedenfalls auch dann gegeben, wenn das tatsächliche oder rechtliche Hindernis wegfällt, das im Zeitpunkt der Entscheidung einer sofortigen Vollziehung im Wege stand.“

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aa) Legt man die letztgenannte Voraussetzung zugrunde, so ist schon zweifelhaft, ob der Antragsgegner überhaupt zu einer erneuten Anordnung berechtigt war. Denn nach den eigenen Ausführungen in dem o. a. Schriftsatz aus dem Verfahren 12 MS 62/22 hat der Antragsgegner den richterlichen Hinweisen folgend ein maßgebendes Hindernis in der fehlenden Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung gesehen. Dieses Hindernis besteht aber fort.

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bb) Selbst wenn man jedoch veränderte Umstände nicht für erforderlich erachtet bzw. annimmt, der Antragsgegner habe seine Ansicht zu dem maßgebenden Hindernis ändern und weiter annehmen dürfen, jedenfalls seine geänderte Vorprüfung sei ausreichend, so reicht die materielle Befugnis zur Erneuerung der Anordnung jedenfalls aber nicht weiter als bei einer erstmaligen Anordnung, darf also insbesondere dann nicht erfolgen, wenn der angegriffene Verwaltungsakt voraussichtlich an von dem Widerspruchführer rügefähigen Mängeln leidet, die zur fehlenden Vollzugsfähigkeit des Verwaltungsakts führen (vgl. Schenke, a. a. O., Rn. 101). Dies ist hier jedoch wegen der erforderlichen standortbezogenen Vorprüfung der Fall, deren Ergebnis unverändert i. S. d. § 5 Abs. 3 Satz 2 UVPG nicht „nachvollziehbar“ ist (vgl. Senatsbeschl. v. 21.12.20 - 12 ME 140/20 -, juris, Rn. 35 sowie BVerwG, Urt. v. 27.9.2018 - 7 C 24/16 -, juris, Rn. 37, zu den Folgen einer fehlerhaften Vorprüfung).

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Die in Rede stehende WEA 4 bildet mit den südlich bzw. südöstlich gelegenen WEA 1 bis 3 eine Windfarm i. S. d. § 2 Abs. 5 UVPG. Ihre Einwirkungsbereiche (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.4.2020 - 4 B 39/19 -, juris, Rn. 16) überschneiden sich, und zwischen ihnen besteht auch ein funktionaler Zusammenhang, da die drei ersten WEA sich in einer Konzentrationszone der Stadt L. (65. Änderung ihres Flächennutzungsplans aus dem Jahr 2016) befinden und die WEA 4 in einem (entsprechenden) Gebiet der Stadt I. liegt, das unmittelbar angrenzend bewusst im Einvernehmen mit der Stadt L. grenzüberschreitend als Ergänzung dargestellt bzw. zumindest geplant ist. Nach den Antragsunterlagen soll die neue WEA 4 zudem an die für die WEA 1 bis 3 errichtete Kabeltrasse angeschlossen werden.

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Für eine solche Windfarm mit mindestens drei (bis höchstens) sechs WEA ist entweder nach Nr. 1.6.3 der Anlage 1 zum UVPG unmittelbar oder hier i. V. m. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 UVPG eine standortbezogene Vorprüfung nach § 7 UVPG durchzuführen.

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Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 UVPG wird die standortbezogene Vorprüfung als überschlägige Prüfung in zwei Stufen durchgeführt. In der ersten Stufe prüft die zuständige Behörde nach Satz 3 dieser Norm nur, ob bei dem Neuvorhaben besondere örtliche Gegebenheiten gemäß den in Anlage 3 Nummer 2.3 aufgeführten Schutzkriterien vorliegen. Bejahendenfalls prüft die Behörde nach Satz 5 dieser Norm auf der zweiten Stufe unter Berücksichtigung der in Anlage 3 aufgeführten Kriterien, ob das Neuvorhaben erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die die besondere Empfindlichkeit oder die Schutzziele des Gebietes betreffen und nach § 25 Abs. 2 bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären. Auch in diesem sog. zweiten Prüfungsschritt einer standortbezogenen Vorprüfung sind damit gerade nicht alle vorhabenbedingten Umweltauswirkungen zu würdigen, sondern nur solche bezogen auf die in Nr. 2.3. der Anlage 2 zum UVPG a. F. bezeichneten besonders geschützten Gebiete (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 - 7 C 5/18 -, juris, Rn. 30 ff.). Das ist nunmehr vom Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 Satz 5 UVPG (n. F.) klarstellt worden (vgl. BT-Drs. 18/11499, S. 78 f.; Tepperwien in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, UmwRG, § 7 UVPG, Rn. 2). Nach § 7 Abs. 7 UVPG sind die Durchführung und das Ergebnis (auch) der standortbezogenen Vorprüfung zu dokumentieren.

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Hieran gemessen ist das Ergebnis der vom Antragsgegner durchgeführten standortbezogenen Vorprüfung nicht „nachvollziehbar“.

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Ausführlich dokumentiert (und bekannt gegeben) worden ist die sog. Wiederholung der standortbezogenen Vorprüfung vom 28. Dezember 2021. Nach dem o. a. Vermerk vom 27. Juni 2022 soll die geänderte Bauweise keine „Anpassung der standortbezogenen Vorprüfung“ erfordern. Gleichwohl finden sich hierzu entsprechende Ausführungen in der Begründung zu der Anordnung vom 5. Juli 2022, deren Ergebnis nicht gesondert bekannt gegeben worden ist. Insoweit setzen sich die zuvor unter 2.a) cc) angeführten Unsicherheiten zu der Frage fort, auf welche konkrete Bauweise sich nun die standortbezogene Vorprüfung beziehen soll.

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Geht man mit den entsprechenden Erklärungen des Antragsgegners davon aus, dass die Vorprüfung vom 28. Dezember 2021 ungeachtet der geänderten Bauweise fortgelten soll, und weiter, dass sich diese nicht bereits dadurch als überholt erweist, dass das Vorhaben in einer wesentlich geänderten Weise durchgeführt werden soll (vgl. zu dieser Grenze: BVerwG, Urt. v. 24.5.2018 - 4 C 4/17 -, juris, Rn. 21 f.), so spricht Vieles schon deshalb für die fehlenden Nachvollziehbarkeit dieser Vorprüfung, weil sie aus den folgenden Gründen im weiten Teilen Unerhebliches enthält, hingegen den Maßstab für die (potenzielle) Erheblichkeit einer nachteiligen Umweltauswirkung i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 3 UVPG nicht bezeichnet und sich die Verneinung einer solchen Erheblichkeit jedenfalls zu Unrecht auch auf Kompensationsmaßnahmen stützt.

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Unerheblich sind nach dem o. a. Maßstab zunächst die Ausführungen von Seite 6 bis 10 zu den sog. Nutzungskriterien. Die gebotene Prüfung der ersten Stufe erfolgt erst ab Seite 10 unten und weist auf Seite 18 f. – bei Anwendung des weiten Vorhabenbegriffs i. S. d. UVPG insoweit zu Recht unter Einbeziehung der Auswirkungen der Erschließungsanlagen – zutreffend eine besondere örtliche Gegebenheit i. S. d. Nr. 2.3.6 der Anlage 3 zum UVPG aus, und zwar nach § 29 BNatSchG i. V. m. § 22 Abs. 3 NAGBNatSchG bezogen auf die teilweise Zerstörung von landesrechtlich geschützten Wallhecken. Die weitere Prüfung zu Nr. 2.3.7 verlässt dann wiederum den gesetzlichen Rahmen, indem auf den Seiten 19 bis 37 nicht ein Eingriff in ein Biotop und seine schutzkonstituierenden Teile, sondern bezogen auf den Anlagenstandort allgemein Beeinträchtigungen von Vögeln und Fledermäusen untersucht werden. Weshalb trotz der Feststellung, dass die nähere Nachbarschaft zur WEA nur dünn besiedelt sei, wegen des Vorhandenseins von Wohnnutzung im schalltechnischen Einwirkungsbereich (?) eine Besonderheit i. S. d. Nr. 2.3.10 bejaht wird, ist unverständlich. Folgerichtig wird dann ein Eintritt in die zweite Prüfungsstufe für erforderlich erachtet, es folgt ab Seite 39 bis 44 aber keine solche nach dem o. a. Maßstab bezogen auf die (vermeintlich) besonders betroffenen beiden Gebiete. Inwieweit die darin enthaltene Bewertung der Lärmimmissionen als unerheblich i. S. d. § 7 UVPG zutrifft, kann somit offen bleiben – solche waren hier gar nicht zu prüfen und zu bewerten. Ab Seite 48 geht es um die Auswirkungen auf die Wallhecken, die zusammenfassend auf Seite 57 dahin bewertet werden, dass

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„aus naturschutzfachlicher Sicht … durch die im LBP dargelegten Vermeidungs-, Minimierungs- und Kompensationsmaßnahmen und durch die in der Genehmigung festgeschriebenen Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen keine erheblichen Umweltauswirkungen“ zu bejahen seien.

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Dabei werden zu Unrecht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 8.7.2021 - 7 KS 87/18 -, juris, Rn. 49, m. w. N.) Kompensationsmaßnahmen sowie nicht (erkennbar) vom Vorhabenträger selbst vorgesehene Maßnahmen (vgl. § 7 Abs. 5 Satz 1 UVPG) einbezogen und bleibt der entscheidende Maßstab für die Erheblichkeit unklar. Dies setzt sich mit den nachgeschobenen Ausführungen auf den Seiten 58 bis 60 fort. Soweit dort auf ein Überwiegen des Interesses am Ausbau der Windenergie gegenüber dem Schutz der Wallhecken und die darauf beruhende Erteilung einer Ausnahme nach § 22 Abs. 3 Satz 6 NAGBNatSchG abgestellt wird, wird damit die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens, nicht aber die davon zu unterscheidende, dieser Entscheidung vorgelagerte (potenzielle) Erheblichkeit der mit dem Eingriff in die Wallhecken verbundenen nachteiligen Umwelteinwirkung bewertet.

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Unabhängig von diesen Mängeln in der tatsächlich erfolgten Prüfung kann bei zutreffendem Verständnis auch nicht verneint werden, dass das Vorhaben der Beigeladenen mit der Beseitigung von Wallhecken eine erhebliche nachteilige Umweltauswirkung i. S. d. § 7 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 5 UVPG haben kann. Bezugspunkt für die Beurteilung der Erheblichkeit ist zunächst allein der jeweilige Umweltbelang, nicht aber die Zulassungsfähigkeit des Vorhabens insgesamt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2004 - 4 CN 11/03 -, juris, Rn. 23, Gatz, juris-BVerwG 22/2008 Anm. 2, Mitschang, in: Schink/Reidt/Mitschang, UVPG, UmwRG, § 3 UVPG, Rn. 4, 5, m. w. N.) Die – zumal nur potenzielle – Erheblichkeit der nachteiligen Umweltbeeinträchtigung kann damit nicht mit der Begründung verneint werden, dass im Ergebnis der Schutz von Wallhecken der Genehmigungsfähigkeit der Windenergieanlage doch nicht entgegenstehe, wie sich aus der insoweit vom Antragsgegner erteilten Ausnahme ergebe. Die Erheblichkeit ist stattdessen nach dem Maßstab des Fachrechts bzw. materiellen Zulassungsrechts (vgl. das inzwischen rechtskräftige Senatsurt. v. 26.2.2020 - 12 LB 157/28 -, juris, Rn. 55, m. w. N.; Nds. OVG, Beschl. v. 11.10.2021 - 1 ME 110/21 -, juris, Rn. 23 unter Bezug auf BVerwG, Urt. v. 17.12.2013 - 4 A 1/13 -, juris, Rn. 37; BVerwG, Urt. v. 24.5.2018, a. a. O., Rn. 25; Mitschang, a. a. O., Rn. 7), hier also des § 22 Abs. 3 Satz 2 und 3 NAGBNatSchG, zu bestimmen. Danach dürfen Wallhecken nicht beseitigt werden und sind alle Handlungen, die das Wachstum der Bäume und Sträucher beeinträchtigen, verboten. Gesetzlich in Satz 4 enthaltene Einschränkungen für dieses Verbot greifen vorliegend nicht ein, und zwar auch nicht in entsprechender Anwendung. Selbst wenn man die dort in Satz 4 Nr. 5 enthaltene Privilegierung für die Landwirtschaft auf Erschließungsanlagen für WEA übertrüge, wäre hier die dann entsprechend geltende Grenze „von bis zu zwei Durchfahrten pro Schlag, jeweils bis zu acht Metern Breite“ überschritten. Vorgesehene Ersatzpflanzungen an anderer Stelle bleiben als Kompensationsmaßnahme für die Bewertung i. S. d. § 7 UPVG unberücksichtigt. Kann das Vorhaben der Beigeladenen nach diesen fachrechtlichen Spezialvorgaben also grundsätzlich nicht (ohne Ausnahme) verwirklicht werden, sind erhebliche nachteilige Umwelteinwirkungen zu bejahen. Dass im überwiegenden öffentlichen Interesse am Ausbau der Windenergie eine Ausnahme nach § 22 Abs. 3 Satz 6 NAGBNatSchG erteilt worden ist, ändert an der bewusst gerade an der Bewertung allein des Eingriffs in die Wallhecke orientierten Bewertung als „erheblich“ ebenfalls nichts. Ein atypischer Fall, in dem nicht einmal der Schutz der betroffenen Wallhecken als solcher gerechtfertigt ist, liegt hingegen nicht vor. Würde man sich von dem insoweit klaren Maßstab des § 22 Abs. 3 NAGBNatSchG lösen, bliebe im Übrigen trotz der schwerwiegenden rechtlichen Folgen, insbesondere der Notwendigkeit, bei Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung die Öffentlichkeit im Genehmigungsverfahren zu beteiligen (vgl. allgemein § 18 UVPG), der stattdessen geltende Maßstab unklar (vgl. Agatz, a. a. O., S. 44, wonach es „immer noch völlig unklar sei, welches (genaue) Ausmaß an Umweltauswirkungen als erheblich anzusehen sei“). Dementsprechend gelingt es auch dem Antragsgegner nicht, den von ihm bevorzugten abweichenden Maßstab abstrakt zu umschreiben. Eine „Abwägung mit widerstreitenden Belangen“ findet insoweit gerade nicht statt. Ihm kann auch nicht in der (nachgeschobenen) Annahme gefolgt werden, die fehlende Erheblichkeit ergebe sich hier aus Nr. 2.1 der Anlage 1 zum NUVPG, wonach bei einer Beseitigung oder Beeinträchtigung einer Wallhecke von weniger als 500 m eine standortbezogene Vorprüfung erforderlich ist. Die Vorschrift ist hier nicht einschlägig, weil sich die Vorprüfungspflicht aus dem UVPG des Bundes ergibt (s. o.); zudem regelt sie im Bereich des Landesrechts nicht die Erheblichkeit eines Eingriffs, sondern begründet vielmehr einen gesonderten Tatbestand für ein Vorhaben, das nach Landesrecht einer Vorprüfung bedarf. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, sollte insoweit bewusst über das Bundesrecht hinaus (vgl. LT-Drs. 18, 5402, S. 9 f.) landesrechtlich ein gesonderter Tatbestand zum Schutz von Wallhecken geschaffen werden. Dieses Motiv kann nicht in sein Gegenteil verkehrt werden, indem daraus auf die generelle oder weitgehende Unerheblichkeit von Eingriffen (unter 500 m) in Wallhecken geschlossen werden soll. Vielmehr ist umgekehrt auch Nr. 2.1 der Anlage 1 zum NUVPG unverändert (vgl. zur Vorgängerfassung schon die Gesetzesbegründung in LT- Drs. 15/3440, S. 32 f.):

46

Es ist nicht plausibel, dass die Beseitigung von 499 m Wallhecke keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt haben kann (und eine UVP daher nicht erforderlich ist), andererseits aber § 33 NNatG [a. F.] einen nicht an ein Längenmaß geknüpften Wallheckenschutz normiert … Dem Petitum ….. einen „generellen“ unteren Bagatell-Schwellenwert (unterhalb dessen auch keine Einzelfallprüfung erfolgt) einzuführen, wird daher nicht gefolgt“)

47

selbst im Lichte des § 22 NAGBNatSchG auszulegen, d. h. auch insoweit ist im Zweifel eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu bejahen.

48

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit i. S. d. § 162 Abs. 3 VwGO, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären.

49

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nrn. 7 Buchst. a, 17 Buchst. b) der Streitwertannahmen der mit Bau- und Immissionsschutzsachen befassten Senate des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. bereits Beschl. v. 13.6.2022 in 12 MS 62/22).

50

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

 


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