Urteil vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen - 1 A 1666/16
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Der Kläger war bis zu seiner Zurruhesetzung zum 1. Januar 2013 Leitender Postdirektor (Besoldungsgruppe B 3 BBesO) in der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost (BAnstPT). Er nahm als Bereichsleiter 21 auch die Funktion des Vorsitzenden des Ausschusses für das Betriebliche Vorschlagswesen nach der Richtlinie der BAnstPT (BVW-Richtlinie) wahr. Aufgabe dieses Ausschusses war, Verbesserungsvorschläge von Beschäftigen der BAnstPT zur Prüfung anzunehmen, zu begutachten und bei entsprechender Eignung zu prämieren.
3Der seinerzeitige Präsident der BAnstPT, Herr M. , setzte sich seit Dezember 2008 mit aus seiner Sicht bestehenden Mängeln im Betrieblichen Vorschlagswesen auseinander. Er verweigerte zunächst die Auszahlung von vier Prämien für Verbesserungsvorschläge des ROAR N. aus dem Jahr 2008. Dieser Beamte war Sachbearbeiter im Betrieblichen Vorschlagswesen. Aufgrund dessen Mitwirkung im Ausschuss hatte der Präsident rechtliche Bedenken gegen die Zahlungen (Besorgnis der Befangenheit, Interessenkollision), die er vom Fachbereich 102, dem Rechtsreferat der Behörde, prüfen ließ. Das Rechtsreferat fertigte unter dem 10. August 2009 hierzu einen rechtsgutachterlichen Vermerk. Auf Veranlassung des Präsidenten wurde eine zweite, kürzere Fassung des Vermerks erstellt, die dem Ausschuss für das Betriebliche Vorschlagswesen zugänglich gemacht werden sollte. Das Rechtsreferat übermittelte dem Präsidenten diese– undatierte – Fassung per E-Mail am 28. August 2009. Mit E-Mail vom selben Tage erteilte der Präsident dem Kläger den Auftrag, die BVW-Richtlinie zu überarbeiten, und fügte "die rechtliche Würdigung" des Fachbereichs 102 der Gewährung von Prämien an ROAR N. in der kürzeren Fassung als Anlage an. Ferner bat der Präsident den Kläger, dafür Sorge zu tragen, dass ROAR N. keine Verbesserungsvorschläge mehr einbringe, solange er seine Aufgabe als Sachbearbeiter im Betrieblichen Vorschlagswesen noch erfülle.
4In der Ausschusssitzung vom 30. November 2009 wurden zwei Verbesserungsvorschläge von ROAR N. , die vor der Anordnung des Präsidenten vom 28. August 2009 eingereicht worden waren, prämiert. Der Präsident beanstandete diese Entscheidungen des Ausschusses gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 5. März 2010 und verweigerte in der Folgezeit den Vollzug dieser Entscheidungen.
5Mit über den Präsidenten an den Fachbereich 102 gerichtetem Schreiben vom 12. April 2010 bat der Kläger um Stellungnahme, ob die BVW-Richtlinie für die BAnstPT bindend sei bzw. ob der Präsident einseitig eine Entscheidung des Ausschusses außer Kraft setzen dürfe. Darauf teilte der Präsident dem Kläger mit Schreiben vom 12. Mai 2010 mit, dass alle Bediensteten der BAnstPT ausschließlich im Auftrag des Präsidenten handelten. Es könne daher von keinem Bediensteten erwartet werden, dass er auf Veranlassung eines anderen Bediensteten eine unabhängige Stellungnahme dazu abgebe, ob das Verhalten des Präsidenten in einem konkreten Fall rechtmäßig gewesen sei. Der Vorgang werde dem Kläger daher zurückgesandt. Die an den Fachbereich 102 gerichtete Prüfbitte vom 12. April 2010 werde nicht sanktioniert.
6Mit Schreiben an den Kläger vom 26. Mai 2010 erinnerte ROAR N. an die Überprüfung der Behandlung seiner im Ausschuss prämierten, aber aufgrund der Weigerung des Präsidenten nicht ausgezahlten Verbesserungsvorschläge. Er gehe davon aus, dass die BVW-Richtlinie für die Verwaltung rechtlich bindend und die präsidiale Entscheidung, die zugesprochenen Prämien nicht auszuzahlen, rechtlich nicht haltbar sei. Er bat um Mitteilung, ob die Überprüfung der Rechtslage abgeschlossen sei und zu welchem Ergebnis sie geführt habe.
7Auf diesem Schreiben verfügte der Kläger am 26. Mai 2010 handschriftlich dessen Weiterleitung an den ihm unterstehenden Fachbereich 213 (Einkauf) "m. d. B. um Prüfung, ob die BVW-Richtlinien zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen, ggf. auch mit externem Sachverstand".
8Die Leiterin des Fachbereichs 213, Frau G. , kontaktierte daraufhin die Rechtsanwaltskanzlei D. I. T. (D. ), um die Modalitäten einer Beauftragung zu klären. Dies vermerkte sie auf dem Schreiben von ROAR N. vom 26. Mai 2010 und ergänzte: "Herrn K. hierüber fmdl. verständigt => Auftragserteilung an RA Kanzlei I. T. ."
9Der Fachbereich 213 erteilte am 4. Juni 2010 einen Auftrag zur Erstellung eines Rechtsgutachtens an die Kanzlei D. . Dem Auftrag waren fünf zu begutachtende Fragen beigefügt, an deren Formulierung ROAR N. mitgewirkt hatte.
10Die Kanzlei erstellte das Gutachten unter dem 24. Juni 2010. Die hierfür berechnete Vergütung von 6.420,05 Euro wurde von der Beklagten bezahlt. Nach Eingang des Gutachtens wurde dieses vom Fachbereich 213 an ROAR N. weitergeleitet.
11Mit Schreiben vom 7. Januar 2011 an den (zwischenzeitlich ernannten) Präsidenten U. bat ROAR N. um Auszahlung der in der Ausschusssitzung vom 30. November 2009 beschlossenen Prämien. Zur Begründung berief er sich auf das Ergebnis des Rechtsgutachtens der Kanzlei D. , das er als Anlage beifügte.
12Der Präsident ließ daraufhin den Vorgang überprüfen. Mit Schreiben vom 15. März 2011 teilte er dem Kläger mit, dass wegen der Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei gegen diesen ein Disziplinarverfahren eingeleitet werde. Der Ermittlungsführer gelangte in seinem Ermittlungsergebnis vom 13. Februar 2012 zu dem Schluss, dass der Kläger durch sein Verhalten schuldhaft ein Dienstvergehen durch Verstoß gegen die beamtenrechtliche Folgepflicht gemäß §§ 77 Abs. 1 und 3 i. V. m. 62 Abs. 1 BBG begangen habe. Mit Schreiben vom 13. März 2012 schlug er dem Präsidenten vor, gegen den Kläger einen Verweis nach §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 6 Satz 1 BDG auszusprechen.
13Mit Disziplinarverfügung vom 28. September 2012 erteilte der Präsident dem Kläger einen solchen Verweis. Der Kläger erhob hiergegen Klage vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf (38 K 7552/12.BDG). Nachdem der Kläger zum 1. Januar 2013 in den Ruhestand getreten war, hob die Beklagte nach gerichtlichem Hinweis mit Verfügung vom 27. November 2014 die Disziplinarverfügung vom 28. September 2012 auf und stellte das Disziplinarverfahren ein. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stellte das Gerichtsverfahren nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen mit Beschluss vom 19. Dezember 2014 ein und erlegte die Kosten des Verfahrens mit Blick auf den offenen Ausgang des Rechtsstreits den Beteiligten jeweils zur Hälfte auf.
14Mit Bescheid vom 19. Dezember 2014, dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde zugestellt am 20. Dezember 2014, stellte die Beklagte fest, dass der Kläger nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG zum Schadenersatz verpflichtet ist, und forderte ihn zur unverzüglichen Zahlung von 6.420,05 Euro (Gutachterkosten) auf. Der Kläger habe durch die Erteilung des Gutachterauftrags zumindest grob fahrlässig gegen Dienstpflichten (Folgepflicht) verstoßen. Aus dem Schreiben des Präsidenten vom 12. Mai 2010 habe sich ergeben, dass der Kläger nicht berechtigt gewesen sei, ein externes Gutachten einzuholen. Die Gutachtenkosten wären nicht entstanden, wenn er sich pflichtgemäß verhalten und den Auftrag nicht erteilt hätte. Den hiergegen am 16. Januar 2015 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2015 zurück. Namentlich sei der Anspruch nicht verjährt. Die regelmäßige, dreijährige Verjährungsfrist habe erst mit dem Schluss des Jahres 2011 begonnen, da der Präsident von dem Gutachten erst im Januar 2011 erfahren habe. Der Bescheid vom 19. Dezember 2014 sei dem Kläger noch vor dem Ablauf dieser Frist (am 31. Dezember 2014) zugestellt worden.
15Am 4. Mai 2015 hat der Kläger Klage erhoben.
16Er hat zur Begründung vorgetragen: Ein Verstoß gegen die Folgepflicht liege nicht vor. Der Präsident habe in seinem Schreiben vom 12. Mai 2010 nur eine behördeninterne, nicht aber eine externe Überprüfung der Richtlinie und ihrer Bindungswirkung untersagt. Er, der Kläger, sei vom Präsidenten beauftragt worden, die BVW-Richtlinie neu zu fassen. Hierfür sei eine externe Expertenmeinung förderlich und wichtig gewesen. Grundsätzlich sei er berechtigt gewesen, Rechtsauskünfte im fraglichen finanziellen Umfang einzuholen. Der Auftrag sei aber auch nicht von ihm, sondern von dem Fachbereich 213 an die Anwaltskanzlei vergeben worden. Schließlich sei der Anspruch verjährt. Der angegriffene Leistungsbescheid sei ihm erst nach Rückkehr aus einer Abwesenheit vom Wohnort über Weihnachten und Neujahr am 15. Januar 2014 und damit nach Ablauf der Verjährungsfrist zur Kenntnis gelangt und gelte daher erst zu diesem Zeitpunkt als zugestellt.
17Der Kläger hat beantragt,
18den Leistungsbescheid vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2015 aufzuheben und
19festzustellen, dass die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers erforderlich war.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung hat sie ausgeführt: Der Kläger habe seine Dienstpflichten verletzt, indem er die Einholung des Gutachtens der Kanzlei D. angeordnet habe, obwohl ihm dies nach dem Schreiben des Präsidenten vom 12. Mai 2010 untersagt gewesen sei. Dass der Kläger ein Dienstvergehen begangen habe, sei in der Einstellungsverfügung bestandskräftig festgestellt worden. Zudem habe der Kläger gegen die Geschäftsordnung der BAnstPT (GO) verstoßen. Die in § 51 GO für die Heranziehung rechtsanwaltlicher Beratung aufgestellten Voraussetzung hätten nicht vorgelegen. Weder habe es nach Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift an eigenem "Knowhow" der BAnstPT gefehlt noch habe die nötige Dringlichkeit vorgelegen. Darüber hinaus habe die nach Absatz 2 Satz 4 der Bestimmung notwendige Zustimmung des Präsidenten gefehlt. Das Verhalten des Klägers beruhe zumindest auf grober Fahrlässigkeit.
23Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Haftung des Klägers nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG lägen vor. Durch die Anweisung, ein externes Rechtsgutachten einzuholen, habe der Kläger seine Folgepflicht verletzt. Ob der konkrete Auftrag durch einen anderen Mitarbeiter erteilt worden sei, spiele keine Rolle. Der Kläger trage als Vorgesetzter hierfür die Verantwortung. Er habe grob fahrlässig gehandelt. Es habe sich aufgedrängt, dass der Präsident mit seinem Schreiben vom 12. Mai 2010 nicht nur eine behördeninterne Begutachtung der Rechtmäßigkeit seines Handelns verboten habe, sondern auch die Einholung eines externen Rechtsgutachtens. Der Kläger könne sich zu seiner Entlastung auch nicht darauf berufen, durch die Anweisung, ein anwaltliches Rechtsgutachten einzuholen, im Rahmen seines Auftrags, die BVW-Richtlinie zu überarbeiten, gehandelt zu haben. Das eingeholte Gutachten habe vielmehr allein der Beantwortung der Anfrage von ROAR N. vom 26. Mai 2010 gedient. Der Anspruch sei nicht verjährt.
24Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Berufung wie folgt begründet: Er habe keine Dienstpflicht verletzt. Das Schreiben des Präsidenten vom 12. Mai 2010 habe ausschließlich untersagt, behördenintern Stellungnahmen einzuholen, nicht aber externe Gutachten. Die gegenteilige Einschätzung des Verwaltungsgerichts sei eine bloße Unterstellung. Mit dem Gutachten habe durch eine unabhängige Stelle geklärt werden sollen, welche der beiden in der BAnstPT vertretenen gegenteiligen Rechtssauffassungen dazu, ob der Präsident berechtigt sei, Entscheidungen des BVW-Ausschusses nicht zu vollziehen, zutreffend sei. Damit habe er im wohlverstandenen Interesse des Präsidenten gehandelt. Ferner habe nur mit Hilfe des anwaltlichen Gutachtens sichergestellt werden könne, dass in der neuen, von ihm auszuarbeitenden BVW-Richtlinie klare Formulierungen enthalten seien. Das Gutachten der Kanzlei D. habe erheblichen Einfluss auf die neue BVW-Richtlinie gehabt, was das Verwaltungsgericht übersehen habe. Weiter habe er nicht gegen § 51 GO verstoßen. Gemäß der Vertretungsregelung für die BAnstPT sei er nach Ziffer 3 zur Einholung des Gutachtens ohne die (ohnehin nur für Sachverständige und nicht für Rechtsanwälte) in § 51 Abs. 2 GO vorgesehene Zustimmung des Präsidenten ermächtigt gewesen. Nachdem der Präsident die Heranziehung behördeninternen Sachverstandes untersagt habe, habe die (dringliche) Aufgabe einer Begutachtung auch nicht von verwaltungseigenen Kräften geleistet werden können (§ 51 Abs. 1 GO). Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht eine grobe Fahrlässigkeit des Klägers angenommen, es habe bereits die für diesen Vorwurf geltenden Maßstäbe verkannt.
25Der Kläger beantragt,
26das angefochtene Urteil zu ändern und den Feststellungs- und Leistungsbescheid vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. April 2015 aufzuheben
27sowie
28festzustellen, dass die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers notwendig war.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor: Die vom Kläger angeführte Vertretungsregelung für die BAnstPT (Ziffer 3) lasse einen Verstoß gegen § 51 Abs. 2 GO nicht entfallen. Denn sie betreffe nur das Außenverhältnis der Behörde gegenüber Dritten. Im Innenverhältnis habe die erforderliche Zustimmung des Präsidenten für die Einholung eines externen Rechtsgutachtens gefehlt. Für den Kläger sei klar erkennbar gewesen, dass der Präsident dies nicht geduldet hätte.
32Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Senats vom 23. August 2019 verwiesen.
33Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge (8 Hefte) Bezug genommen.
34Entscheidungsgründe
35Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
36Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Sie ist nicht begründet. Der Bescheid vom 19. Dezember 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger zum Schadensersatz verpflichtet ist, und ihn aufgefordert, einen Betrag in Höhe von 6.420,05 Euro zu zahlen.
37Vgl. zu diesen beiden Regelungsgehalten eines entsprechenden Bescheides May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand Juni 2019, § 48 BeamtStG Rn. 94.
38Rechtsgrundlage ist § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG. Danach haben Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzt haben, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
39Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Der Kläger hat mindestens grob fahrlässig gegen die Folgepflicht und damit gegen eine ihn treffende Dienstpflicht verstoßen, indem er den Fachbereich 213 trotz entgegenstehender Anordnung des Präsidenten vom 12. Mai 2010 am 26. Mai 2010 im Weisungswege um Prüfung gebeten hat, ob die BVW-Richtlinie zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt (dazu I.). Darüber hinaus hat der Kläger seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt, indem er im Zuge seiner Weisung vom 26. Mai 2010 die Einholung des Rechtsgutachtens der Kanzlei D. veranlasst hat, obwohl hierfür die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 GO nicht vorlagen (dazu II.). Der Beklagten ist aufgrund der Pflichtverletzungen ein Schaden in der geltend gemachten Höhe von 6.420,05 Euro entstanden (dazu III.). Schließlich ist der Anspruch nicht verjährt (dazu IV.).
40I. Mit der dem Fachbereich 213 zugeleiteten Verfügung vom 26. Mai 2010 hat der Kläger gegen die Folgepflicht gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG verstoßen (dazu 1.). Dabei hat er zumindest grob fahrlässig gehandelt (dazu 2.).
411. Die Haftung nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG setzt voraus, dass der Beamte objektiv seine Pflichten aus dem Beamtenverhältnis verletzt hat. Welcher Art die Pflicht im Einzelfall ist, ist unerheblich. Jedes Tun oder Unterlassen des Beamten, das objektiv gegen den Inhalt einer ihm aufgrund des Beamtenverhältnisses obliegenden allgemeinen oder speziellen Pflicht verstößt, reicht aus. Zu diesen Pflichten zählt die Folgepflicht nach § 62 Abs. 1 Satz 2 BBG und § 35 Satz 2 BeamtStG.
42Vgl. Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 9 Rn. 17; Burth, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 75 BBG Rn. 4.1; vgl. zu § 48 BeamtStG: Kohde, in: v. Roetteken/ Rothländer, BeamtStG, Stand Mai 2019, § 48 Rn. 31 f.; May, in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand Juni 2019, § 48 BeamtStG Rn. 32.
43Nach diesen Vorschriften sind die Beamtinnen und Beamten verpflichtet, die dienstlichen Anordnungen ihrer Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Diese Folge- oder auch Gehorsamspflicht ist das Korrelat der Weisungsbefugnis des Vorgesetzten in dienstlichen Angelegenheiten. Weisungsbefugnis und Folgepflicht, die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehören, gewährleisten im Zusammenspiel die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, deren Tätigkeit von der Regierung parlamentarisch zu verantworten ist. Auch rechtswidrige Anordnungen lösen die Folgepflicht aus, jedenfalls soweit es sich um Weisungen handelt, die allein den dienstlichen Aufgabenbereich des Beamten betreffen. Eine Befreiung von dieser Pflicht kommt nur in Betracht, wenn sich die Anordnung im Zeitpunkt ihres Erlasses als offensichtlich und in schwerwiegender Weise rechtswidrig erweist (Straftaten, Verletzung der Menschenwürde).
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. September 2008– 2 C 126.07 –, juris, Rn. 16; BVerfG, Beschluss vom 7. November 1994 – 2 BvR 1117/94 u.a. –, juris, Rn. 5 f.; BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2000 – 1 D 34.98 –, juris, Rn. 41 f.
45Für die Verletzung einer Dienstpflicht nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG trägt der Dienstherr die materielle Beweislast.
46Vgl. Burth, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 75 BBG Rn. 4; Grigoleit, in: Battis, BBG, 5. Auflage 2017, § 75 Rn. 7; Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juli 2019, § 75 Rn. 25.
47Daran gemessen hat der Kläger seine Folgepflicht verletzt. Das an den Kläger gerichteten Schreiben vom 12. Mai 2010 enthält eine dienstliche Anordnung des (seinerzeitigen) Präsidenten der BAnstPT (dazu a.), gegen die der Kläger mit seiner Weisung vom 26. Mai 2010 verstoßen hat (dazu b.). Die gegen diese Bewertung vorgebrachten Einwände des Klägers greifen nicht durch (dazu c.).
48a. Eine (mündliche oder schriftliche) Äußerung oder ein sonstiges Verhalten des Vorgesetzten eines Beamten diesem gegenüber ist eine dienstliche Anordnung im Sinne des § 62 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 BBG, wenn sie den untergebenen Beamten nach ihrem objektiven Erklärungswert in Bezug auf dessen dienstliche Tätigkeit zu einem bestimmten Verhalten (Tun oder Unterlassen) rechtlich verpflichten will.
49Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2000– 1 D 34.98 –, juris, Rn. 23; aus dem Schrifttum etwa Werres, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 62 Rn. 9, auch zu dem Begriff der – bei der an dieser Stelle der Entscheidung geprüften Dienstpflichtverletzung nicht in Rede stehenden – allgemeinen Richtlinien.
50Voraussetzung für den Eintritt der gewollten rechtlichen Bindung ist, dass die dienstliche Anordnung bei der gebotenen Auslegung nach ihrem Wortlaut und erkennbaren Sinn (vgl. §§ 133, 157 BGB) als solche aufzufassen und ihr Inhalt eindeutig und unmissverständlich ist. Sie muss dem angewiesenen Beamten hinreichend klar machen, was von ihm verlangt wird und dass ihm insoweit eigenes Ermessen nicht eingeräumt ist.
51Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2000– 1 D 34.98 –, juris, Rn. 23, und Beschluss vom 30. März 2000 – 1 DB 24.99 –, juris, Rn. 19; ferner Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Bundesbe-amtengesetz, Stand Juli 2019, § 62 Rn. 19, m. w. N.
52Nach diesen Maßgaben erweist sich das Schreiben des Präsidenten vom 12. Mai 2010 als die dienstliche Anordnung an den Kläger, es künftig zu unterlassen, andere Bedienstete der BAnstPT zu einer Stellungnahme zu veranlassen, ob ein konkretes Verhalten des Präsidenten rechtmäßig war oder nicht.
53Das ergibt sich bei einer Auslegung dieses an den Kläger gerichteten Schreibens, die dessen Wortlaut ebenso in den Blick nimmt wie den für den Kläger klar erkennbaren Sinn. Dieser erschließt sich ohne weiteres aus dem Zusammenhang des Schreibens vom 12. Mai 2010 mit der über den Präsidenten an das Rechtsreferat FB 102 gerichteten Bitte des Klägers vom 12. April 2010, zu prüfen, „inwieweit die Richtlinie für das betriebliche Vorschlagswesen für die BAnstPT bindend ist, bzw. ob der Präsident im Rahmen der Richtlinie eine Entscheidung des Ausschusses einseitig außer Kraft setzen kann, obwohl die Richtlinie keinen Entscheidungsvorbehalt vorsieht.“
54Der im Schreiben vom 12. Mai 2010 gewählte Bezug ("Ihre Nachricht 211-2, 12.04.2010") belegt zunächst, dass der Präsident zweifelsfrei auf diese Prüfbitte des Klägers reagiert hat. Der Präsident hat indes eindeutig nicht nur diese konkrete Prüfbitte des Klägers, sondern grundsätzlich jede an einen anderen Bediensteten gerichtete Aufforderung eines Bediensteten der Behörde um Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit eines Verhaltens des Präsidenten beanstandet. Er hat aus dem Umstand, dass alle Bediensteten der BAnstPT in seinem Auftrag handelten, abgeleitet, dass von keinem Bediensteten erwartet werden könne, auf Veranlassung eines anderen Bediensteten eine unabhängige Stellungnahme zur Rechtmäßigkeit des Handels des Präsidenten abzugeben. Auch könne kein Bediensteter eine solche Stellungnahme anfordern, wenn er vermuten müsse, dass er damit nicht im Rahmen seines Auftrags handele („alle Bediensteten der BAnstPT handeln ausschließlich in meinen Auftrag“; von „keinem Bediensteten“ könne erwartet werden, eine Stellungnahme abzugeben; „kein Bediensteter“ könne eine solche Stellungnahme anfordern).
55Ferner ist ohne weiteres erkennbar, dass der Präsident dem Kläger als dem Adressaten des Schreibens zugleich verbindlich untersagt hat, entsprechende Prüfbitten und namentlich solche zur Bindung des Präsidenten an Entscheidungen des Ausschusses für das Betriebliche Vorschlagswesen (Schreiben des Klägers vom 12. April 2010) an jegliche anderen Bediensteten des Hauses zu richten. Der untersagende Charakter des Schreibens kommt insbesondere durch die Wendung des Präsidenten zum Ausdruck, er „sanktioniere die an FB 102 gerichtete Prüfbitte nicht“. Eine Sanktion kommt nur für ein Verhalten in Frage, das verboten ist.
56Dieser nach alledem klaren und unmissverständlichen, allein seinen dienstlichen Aufgabenbereich betreffenden dienstlichen Anordnung musste der Kläger folgen. Die o. g. Voraussetzungen für eine Entbindung von der Folgepflicht lagen nicht vor. Die Anordnung war nämlich im Zeitpunkt ihres Erlasses nicht etwa im o. g. Sinne offensichtlich und in schwerwiegender Weise rechtswidrig. Hiervon geht auch der Kläger aus, wenn er zu der Frage der Einholung interner Stellungnahmen vorträgt, dem Gedankengang des Präsidenten könne man insoweit "ohne weiteres folgen" (Schriftsatz vom 25. Juli 2016, Seite 5 Mitte, und Schriftsatz vom 9. Juli 2018, Seite 5 f.).
57b. Gegen die dienstliche Anordnung vom 12. Mai 2010 hat der Kläger verstoßen, indem er die zuständigen Amtswalter des (ihm unterstellten) Fachbereichs 213– und damit andere Bedienstete der Behörde – unter dem 26. Mai 2010 schriftlich um Prüfung gebeten hat, "ob die BVW-Richtlinien zur einer Selbstbindung der Verwaltung führen, ggf. auch mit externen Sachverstand“.
58Er hat mit dieser Weisung einen Prüfauftrag erteilt, der ihm durch das Schreiben des Präsidenten vom 12. Mai 2010 verboten worden war. Gegenstand der Weisung des Klägers ist dem bloßen Wortlaut nach zwar nur die Frage der Bindungswirkung der BVW-Richtlinie für die Verwaltung. Mit dieser Fragestellung ist aber die Frage, ob der Präsident berechtigt ist, Entscheidungen des Ausschusses nicht zu vollziehen, untrennbar verbunden. Hätte die Richtlinie eine Bindungswirkung, wäre für eine Weigerung des Präsidenten, beschlossene Prämien nicht auszuzahlen, kein Raum gewesen; sie wäre vielmehr rechtswidrig gewesen. Dafür, dass auch aus der Sicht des Klägers das Verhalten des Präsidenten mitgewürdigt werden sollte, spricht der Umstand, dass die Weisung vom 26. Mai 2010 eine Kurzform der an den Fachbereich 102 gerichteten Bitte des Klägers vom 12. April 2010 ist, zu prüfen, "inwieweit die Richtlinie für das Betriebliche Vorschlagswesen für die BAnstPT bindend ist, bzw. ob der Präsident im Rahmen der Richtlinie eine Entscheidung des Ausschusses einseitig außer Kraft setzen kann, obwohl die Richtlinie keinen Entscheidungsvorbehalt vorsieht." Die handschriftliche Weisung vom 26. Mai 2010 greift mit der Wendung "m. d. B. um Prüfung, ob die BVW-Richtlinien zu einer Selbstbindung der Verwaltung führen […]" den ersten Satzteil aus der Anfrage vom 12. April 2010 nahezu wortgetreu auf. Die dort vom Kläger zur Verbindung der beiden Satzteile verwandte Konjunktion "bzw." verdeutlicht, dass auch für ihn die Frage, ob der Präsident berechtigt ist, Entscheidungen des Ausschusses nicht zu vollziehen, unmittelbar von der dann auch in die Weisung vom 26. Mai 2010 aufgenommenen Frage der Bindungswirkung der Richtlinie abhängt.
59Ferner folgt aus dem Kontext der Weisung vom 26. Mai 2010 unzweifelhaft, dass sie sich – unter dem Gesichtspunkt der Bindungswirkung der Richtlinie – auf die Frage bezog, ob der Präsident zur Aussetzung der Ausschussentscheidungen befugt war oder nicht. Der Kläger verfügte den Prüfauftrag nämlich auf dem Schreiben des ROAR N. vom 26. Mai 2010, mit dem dieser an seine bereits unter dem 16. April 2010 geäußerte Bitte erinnerte, die „verwaltungsseitige Handlungsweise“ – die Weigerung des Präsidenten, die Prämien an ihn auszuzahlen – „zu überprüfen“. Denn, so ROAR N. weiter, die Richtlinie habe eine rechtliche Bindung für die Verwaltung und „die präsidiale Entscheidung, die zugesprochenen Prämien auszahlen zu wollen, [sei] rechtlich nicht haltbar“. Noch am selben Tage verfügte der Kläger auf dem Schriftstück den Prüfauftrag an den Fachbereich 213. Dies stellt damit ersichtlich eine unmittelbare Reaktion auf die Anfrage von ROAR N. dar.
60c. Die gegen die vorstehende Bewertung vorgebrachten Einwände des Klägers greifen nicht durch.
61Auf den Einwand des Klägers, das Schreiben des Präsidenten vom 12. Mai 2010 untersage nur, behördeninternen Sachverstand anzufordern, nicht aber, externen Sachverstand einer Rechtsanwaltskanzlei einzuholen, kommt es mit Blick auf die vorangehenden Ausführungen nicht an. Der Verstoß gegen die dienstliche Anordnung vom 12. Mai 2010 liegt – wie ausgeführt – nicht in der Einholung des Gutachtens durch die Kanzlei D. , sondern in dem Prüfauftrag an den Fachbereich 213. Ob der Kläger (auch) die Einholung eines externen Rechtsgutachtens zurechenbar veranlasst und hierdurch ebenfalls gegen die Folgepflicht verstoßen hat, spielt an dieser Stelle keine Rolle (vgl. dazu unten II.).
62Ohne Erfolg macht der Kläger ferner geltend, die Einholung des anwaltlichen Gutachtens habe der vom Präsidenten in Auftrag gegebenen Überarbeitung der BVW-Richtlinie gedient und nicht der Überprüfung, ob die Weigerung, die Prämien an ROAR N. auszuzahlen, rechtmäßig war. Das gilt auch dann, wenn man diesen Vortrag nicht nur auf die Einholung des externen Gutachtens, sondern auch schon auf den Prüfauftrag an den Fachbereich 213 als maßgebliche Pflichtverletzung bezieht. Hierbei handelt es sich um eine Schutzbehauptung des Klägers. Diese wird bereits dadurch widerlegt, dass der Kläger die Weisung im unmittelbaren inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zum Schreiben von ROAR N. vom 26. Mai 2010 erteilt hat, das sich in keiner Weise zu der Überarbeitung der BVW-Richtlinien verhält. Vielmehr knüpft es ausschließlich an die von ROAR N. für rechtswidrig gehaltene Weigerung des Präsidenten an, ihm die Prämien auszuzahlen. Auf eben diesem Schreiben hat der Kläger jedoch noch am selben Tag seine Weisung vom 26. Mai 2010 verfügt. Zudem stellt diese Weisung ihrem Wortlaut nach keinen Zusammenhang zur Überarbeitung der BVW-Richtlinie her.
63Schließlich deuten auch die später – unter Mitwirkung von ROAR N. – zur Erstellung des Rechtsgutachtens formulierten Fragen darauf hin, dass schon mit der angeordneten vorgängigen Prüfung durch den Fachbereich 213 maßgeblich geklärt werden sollte, ob der Präsident berechtigt war, die Prämienauszahlung zu verweigern. Die Fragen 1, 3 und 5 bezogen sich auf eine Bindung der Verwaltung (und damit des Präsidenten) an die BVW-Richtlinie sowie ausdrücklich auf ein Veto-Recht bzw. einen Genehmigungsvorbehalt zugunsten des Präsidenten. Frage 2 zielte auf die Klärung der Frage, ob einzelne Beschäftigte von der Teilnahme am Betrieblichen Vorschlagswesen ausgeschlossen sind, wie es in Bezug auf ROAR N. der Fall gewesen sein könnte, der seinerzeit als Sachbearbeiter im Betrieblichen Vorschlagswesen tätig und nach Ziffer 3.3 der Richtlinie als BVW-Beauftragter Mitglied des Ausschusses war. Frage 4 schließlich hatte zum Inhalt, ob nach Ziffer 3.3 der Richtlinie zwingend alle Ausschussmitglieder an den Sitzungen teilnehmen und die Niederschrift zeichnen müssen. Auch insoweit kam ROAR N. wieder ins Spiel, nämlich als Ausschussmitglied.
642. Es spricht einiges dafür, dass der Kläger vorsätzlich im Sinne von § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG gehandelt hat; jedenfalls aber liegt eine grob fahrlässige Dienstpflichtverletzung vor.
65Vorsatz liegt vor, wenn der Beamte bewusst und gewollt den Tatbestand verwirklicht, der eine Pflichtverletzung darstellt, und sich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns bewusst ist. Nicht erforderlich ist, dass er mit schädlichen Folgen rechnet oder rechnen musste.
66Vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juli 2019, § 75 Rn. 34; Schnellenbach/ Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 9 Rn. 23; Burth, in: Brinktrine/ Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 75 BBG Rn. 6, jeweils m. w. N.
67Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn der Beamte die im Verkehr erforderliche Sorgfalt objektiv in besonders schwerem Maße und auch subjektiv schlechthin unentschuldbar verletzt hat. Dies setzt voraus, dass der Beamte die einfachsten, ganz nahe liegenden Überlegungen nicht angestellt und Verhaltenspflichten nicht beachtet hat, die im gegebenen Fall jedem einleuchten müssen.
68Vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juli 2019, § 75 Rn. 39; Schnellenbach/ Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 9 Rn. 24; Burth, in: Brinktrine/ Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 75 BBG Rn. 6, jeweils m. w. N.
69Steht – wie hier – fest, dass der Beamte objektiv eine Dienstpflicht verletzt hat, so trifft ihn nach dem Rechtsgedanken des § 280 Abs. 1 BGB die materielle Beweislast dafür, dass er die Dienstpflichtverletzung ohne für die Haftung ausreichendes Verschulden begangen hat. Es geht daher zu Lasten des Beamten, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass er die Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen hat.
70Vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juli 2019, § 75 Rn. 32; Battis, BBG, 5. Auflage 2017, § 75 Rn. 9; Burth, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 75 BBG Rn. 7, jeweils m. w. N.
71Ob der Kläger hier vorsätzlich gehandelt hat, bedarf keiner abschließenden Klärung. Ihm ist jedenfalls grobe Fahrlässigkeit anzulasten. Die dienstliche Anordnung vom 12. Mai 2010 untersagte dem Kläger klar und deutlich, eine Stellungnahme von anderen Bediensteten der BAnstPT dazu anzufordern, ob das in Rede stehende Verhalten des Präsidenten rechtmäßig war. Es hätte damit jedem einleuchten müssen, dass behördenintern keine Einschätzung zur Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Präsidenten angefordert werden durfte. Über dieses Verbot hat sich der Kläger mit der Weisung vom 26. Mai 2010 hinweggesetzt. Dies musste sich dem Kläger schon deshalb aufdrängen, weil seine Weisung– wie bereits dargestellt – eine Kurzform der von ihm nur wenige Wochen zuvor an das Rechtsreferat gerichteten Prüfbitte vom 12. April 2010 war, die ja gerade die Untersagungsanordnung des Präsidenten vom 12. Mai 2010 nach sich gezogen hat. Unter diesen Gegebenheiten wiegt die Sorgfaltswidrigkeit besonders schwer und ist unter keinem Gesichtspunkt zu entschuldigen.
72II. Der Kläger hat ferner die ihn treffende Folgepflicht aus § 62 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 BBG verletzt, indem er die Einholung des Gutachtens der Kanzlei D. veranlasst hat, obwohl die Voraussetzungen hierfür nach § 51 Abs. 1 GO nicht vorlagen (dazu 1.). Dabei hat er wiederum zumindest grob fahrlässig gehandelt (dazu 2.).
731. Nach § 62 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 BBG sind die Beamtinnen und Beamten verpflichtet, die allgemeinen Richtlinien ihrer Vorgesetzten zu befolgen. Allgemeine Richtlinien in diesem Sinne sind die das dienstliche Handeln steuernden untergesetzlichen abstrakten Rechtsnormen, die eine unbestimmte Zahl von Fällen betreffen und typischerweise in Form von Verwaltungsvorschriften oder Rundschreiben oberster Dienstbehörden ergehen.
74Vgl. etwa Werres, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 62 Rn. 9.
75Eine solche Vorschrift stellt § 51 Abs. 1 der – auf der Grundlage des § 10 Abs. 2 der Satzung der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost vom 14. September 1994 (BGBl. I S. 2325, 2331, zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 7. Mai 2002, BGBl. I S. 1529) erlassenen – Allgemeinen Geschäftsordnung für die Anstalt (GO) dar. Nach Satz 1 der Bestimmung darf (u. a.) rechtsanwaltliche Beratung nur dann herangezogen werden, wenn nach strengem Maßstab anzuerkennen ist, dass Aufgaben von verwaltungseigenen Kräften nicht geleistet werden können und dringende dienstliche Belange die Betrauung von (u. a.) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verlangen.
76Gegen diese Vorgaben hat der Kläger verstoßen. Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung, ob ein solcher Verstoß schon durch die Weisung vom 26. Mai 2010 erfolgt ist. Diese Weisung scheint die Einholung eines externen Gutachtens mit der Formulierung "ggf. auch mit externem Sachverstand" in das Ermessen des zuständigen Amtswalters des Fachbereichs 213 zu stellen und ist jedenfalls nicht schon eine unbedingte Auftragserteilung ("Heranziehung"). Ein Verstoß liegt aber spätestens darin, dass der Kläger einen im Rahmen der Weisung erfolgten etwaigen eigenständigen Entschluss der ihm untergebenen Fachbereichsleiterin 213, Frau G. , einen Gutachtenauftrag an die Kanzlei D. zu vergeben, trotz vor der Vergabe erfolgter Mitteilung gebilligt hat, so dass es zu der Beauftragung gekommen ist. Dieser Umstand wird durch den (undatierten) Vermerk der Frau G. auf dem an den Kläger gerichteten Schreiben des Herrn N. vom 26. Mai 2010 belegt. Nach diesem Vermerk hat Frau G. den Kläger über die Kontaktaufnahme mit der Kanzlei und über die dortige Zusage einer kurzfristigen (bzw. kurzfristig möglichen) Erledigung fernmündlich verständigt, was die Auftragserteilung zur Folge ("=> Auftragserteilung an RA Kanzlei I. T. ") gehabt habe. Dieser Sachdarstellung hat der Kläger nicht glaubhaft widersprochen. Im Disziplinarverfahren hat er vielmehr eingeräumt, die Einholung eines externen Rechtsgutachtens veranlasst (anwaltliches Schreiben vom 30. Mai 2011, Seite 2, Gliederungspunkt 2.) bzw. (sogar) in Auftrag gegeben zu haben (erste Seite der Anlage zum Schriftsatz vom 18. Mai 2012, Richtigstellung zu "SA,3"). Außerdem hat er dieses Vorbringen im Berufungsverfahren der Sache nach bestätigt, indem er vorgetragen hat, er habe sich zur Einholung eines externen Gutachtens "gehalten" gesehen (Berufungsbegründungsschrift vom 9. Juli 2018, Seite 10, letzter Absatz). Der zwischenzeitliche Vortrag des Klägers, er habe das Gutachten nicht in Auftrag gegeben, den Fachbereich 213 auch nicht entsprechend angewiesen, sondern erst später von der ohne Rücksprache erfolgten Beauftragung durch den Fachbereich erfahren, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Die ersten beiden Behauptungen mögen wörtlich betrachtet zutreffen, da offenbar Frau G. gegenüber Kanzlei D. gehandelt hat und eine unbedingte Anweisung des Klägers zumindest fraglich ist. Das ist aber nach den obigen Ausführungen ohne Bedeutung, weil der Kläger jedenfalls den ihm mitgeteilten Entschluss der Frau G. gebilligt und daher zu verantworten hat. Die dritte Behauptung, die Beauftragung habe der Fachbereich ohne vorherige Rücksprache mit ihm vorgenommen, kann dem Kläger nicht abgenommen werden. Es ist zum einen weder dargelegt noch sonst erkennbar, weshalb Frau G. zeitnah einen wahrheitswidrigen Vermerk angelegt haben sollte, zum anderen steht diese Behauptung im Widerspruch zu den eigenen Äußerungen des Klägers im Disziplinar- und im Berufungsverfahren. Sie erweist sich damit als ein ebenso untauglicher wie befremdlicher Versuch, die Verantwortung im Nachhinein auf eine andere (ihm unterstellte) Mitarbeiterin abzuwälzen.
77Für die danach von dem Kläger zu verantwortende Heranziehung rechtsanwaltlicher Beratung durch die Kanzlei D. fehlt es schon an der Voraussetzung, dass die Aufgabe von verwaltungseigenen Kräften nicht geleistet werden kann. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum eigene rechtskundige Mitarbeiter der BAnstPT nicht in der Lage gewesen sein sollen, zu den bei der Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei formulierten fünf Fragen Stellung zu nehmen. Hinreichend rechtskundig dürften alle Volljuristen der BAnstPT gewesen sein, zu denen auch der Kläger zählte. Sämtliche Fragen betreffen das Verständnis und die Auslegung der Vorschriften der BVW-Richtlinie. Sie lassen sich mit gängiger juristischer Methodik klären, ohne dass es einer besonderen Sachkunde oder Spezialisierung bedurft hätte, über die gerade die Kanzlei D. verfügte.
78Ungeachtet dessen lag eine behördeninterne (sachkundige) Stellungnahme zu den Rechtsfragen, die der Auftragserteilung an der Kanzlei D. zugrunde lagen (Bindungswirkung der BVW-Richtlinie, Veto-Recht des Präsidenten, Ausschluss von Beschäftigten vom Betrieblichen Vorschlagswesen), bereits vor. Der Fachbereich 102 hatte eine solche Stellungnahme auf Anforderung des Präsidenten unter dem 10. August 2009 und damit lange vor der Einholung des externen Rechtsgutachtens im Mai/Juni 2010 erstellt.
79Der Vortrag des Klägers, die Aufgabe habe deswegen nicht im Sinne des § 51 Abs. 1 Satz 1 GO von verwaltungseigenen Kräften geleistet werden können, weil ihm der Präsident die Einholung einer Stellungnahme durch das Rechtsreferat der BAnstPT untersagt habe, geht fehl. Dadurch mangelt es der BAnstPT nicht an eigener Sachkunde, worauf es aber nach § 51 Abs. 1 Satz 1 GO allein ankommt. Das Schreiben des Präsidenten hat lediglich bewirkt, dass dem Kläger der Zugang zur fachlichen Expertise anderer Bediensteter der BAnstPT verwehrt war, und zwar auch nur insoweit, als Gegenstand einer Prüfbitte die Rechtmäßigkeit von Entscheidungen des Präsidenten war. Eine solche Situation ist von § 51 Abs. 1 Satz 1 GO nicht erfasst, der ausdrücklich darauf abstellt, dass eigene Sachkunde vorhanden ist (…wenn die „Aufgaben von verwaltungseigenen Kräften nicht geleistet werden können…“). Die dort vorausgesetzte mangelnde Fähigkeit ist ersichtlich etwas Anderes als der fehlende Zugang eines Bediensteten zu im Haus vorhandener Expertise, worauf der Kläger der Sache nach abstellt.
80Das Verhalten des Klägers war für den Verstoß gegen § 51 Abs. 1 Satz 1 GO (Pflichtverletzung) auch kausal. Durch den Zusatz in seiner Weisung vom 26. Mai 2010 „ggf. auch mit externem Sachverstand“ und sein bereits gewürdigtes nachfolgendes Verhalten im Telefonat mit Frau G. hat er die Einholung des Gutachtens zurechenbar veranlasst, auch wenn im Außenverhältnis diese den Auftrag vergeben hat.
81Lagen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 GO nicht vor, kommt es auf die Frage, ob – als mögliche weitere Pflichtverletzung – für die Einholung des Gutachtens nach § 51 Abs. 2 GO die Zustimmung des Präsidenten erforderlich war, nicht mehr an. Es ist deshalb auch ohne Belang, welche Bedeutung insoweit § 3 der Vertretungsregelung der Bundesanstalt zukommt.
822. Der Verstoß gegen § 51 Abs. 1 Satz 1 GO beruhte zumindest auf grober Fahrlässigkeit des Klägers.
83Ausgehend von den oben dargestellten Maßstäben begründen Rechtsanwendungsfehler den Vorwurf grober Fahrlässigkeit dann, wenn die von dem Beamten vertretene Auffassung unvertretbar ist, der Sachverhalt offensichtlich nicht ausreichend ermittelt oder offensichtlich unsorgfältig bei der Auslegung und Auswertung der Hilfsmittel vorgegangen wurde
84– vgl. Kohde, in: v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Mai 2019, § 48 Rn. 41; vgl. ferner Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 48 Rn. 3 (Auslegung abwegig und unvertretbar) –
85und den Beamten auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden trifft.
86Daran gemessen beruhte der Verstoß gegen § 51 Abs. 1 Satz 1 GO jedenfalls auf grober Fahrlässigkeit des Klägers. Er kannte die in der Vorschrift normierten Voraussetzungen für die Einholung des externen Rechtsgutachtens. Im Rahmen des Sonderauftrags hatte er zwar noch angegeben, § 51 GO sei ihm nicht bekannt. Im Disziplinarverfahren hat er dann aber mitgeteilt, er habe den Inhalt der Vorschrift gekannt, da er schon häufig Gutachten vergeben habe; er habe (nur) die Ziffer des Paragraphen nicht gekannt.
87Die Nichteinhaltung der Vorgaben aus § 51 Abs. 1 Satz 1 GO ist objektiv eine schwerwiegende Verletzung der Sorgfaltspflicht. Die Vorschrift regelt nach ihrem bestimmten und unmissverständlichen Wortlaut, dass eine anwaltliche Beratung nur in Frage kommt, wenn keine eigene Sachkunde in der BAnstPT existiert. Schon mit Blick auf die Art der ggf. zu klärenden Rechtsfragen und das Vorhandensein eines Rechtsreferats in der Behörde musste es sich dem Kläger aufdrängen, dass unter den gegebenen Umständen die Einholung eines Gutachtens tatbestandlich nicht von § 51 Abs. 1 Satz 1 GO gedeckt war.
88In subjektiver Hinsicht hat der Kläger schlechthin unentschuldbar gehandelt. Er ist Volljurist und war in seiner Funktion als Bereichsleiter (Besoldungsgruppe B 3) mit der Vergabe von Gutachtenaufträgen vertraut. Zudem musste er, als er seine Weisung vom 26. Mai 2010 aussprach und als der Auftrag vergeben wurde, selbstverständlich wissen, dass das Rechtsreferat der Behörde fachlich in der Lage war bzw. gewesen wäre, die in Rede stehenden Rechtsfragen zu klären. Zudem wusste er aufgrund der an ihn gerichteten E-Mail des Präsidenten vom 28. August 2009 zumindest, dass das Rechtsreferat bereits eine (zweite) Stellungnahme zur "Auszahlung bereits bewilligter Prämien" (so der Betreff der dem Ausschuss vorgelegten Fassung) im Auftrag des Präsidenten gefertigt hatte, und kannte auch deren Inhalt.
89III. Das pflichtwidrige Verhalten des Klägers hat bei der Beklagten einen Schaden in Gestalt der Kosten für das Gutachten der Kanzlei D. in Höhe von 6.420,05 Euro verursacht. Die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für den Schaden im Rahmen von § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG bestimmt sich nach der Adäquanztheorie. Danach muss erstens die Pflichtverletzung für die Schadensfolge ursächlich im philosophischen und naturwissenschaftlichen Sinn sein, d. h., sie darf nicht hinweggedacht werden können, ohne dass auch die Schadensfolge entfällt ("conditio sine qua non"). Zweitens muss der Ursachenzusammenhang adäquat sein, d. h. das pflichtwidrige Verhalten muss nach allgemeiner Lebenserfahrung für einen objektiven Betrachter geeignet gewesen sein, den Schaden herbeizuführen.
90Vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, Stand Juli 2019, § 75 Rn. 60 ff. m. w.N.
91Beide Voraussetzungen liegen hier vor. Ohne den Prüfauftrag des Klägers an den Fachbereich 213, mit dem er zugleich die Einholung des externen Rechtsgutachten veranlasst hat, wäre der Beklagten nicht die daraus resultierende Zahlungsverpflichtung in Höhe von 6.420,05 Euro entstanden. Ferner war das Verhalten des Klägers ohne weiteres geeignet, diese Kosten hervorzurufen.
92IV. Der Anspruch ist nicht verjährt. Auf den Schadensersatzanspruch des Dienstherrn nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BBG sind die jeweils einschlägigen Verjährungsvorschriften des BGB, insbesondere die §§ 195, 199 BGB, entsprechend anzuwenden.
93Vgl. Battis, BBG, 5. Auflage 2017, § 75 Rn. 15; Burth, in: Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 1. Mai 2019, § 75 BBG Rn. 20; Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Auflage 2017, § 9 Rn. 43.
94Danach gilt hier analog § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese beginnt entsprechend § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und von der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Kenntnis hat der Dienstherr, wenn sein für die Verfolgung des Schadensersatzanspruchs zuständiges Organ oder die Stelle, die nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Heranziehung eines Beamten zum Schadensersatz oder sonst innerbehördlich zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns des Beamten berufen ist, aufgrund der dem Organ oder der Stelle bekannten Tatsachen gegen einen bestimmten Beamten eine Schadensersatzklage mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg erheben kann.
95Vgl. BVerwG, Urteile vom 29. April 2004 – 2 C 2.03 –, juris, Rn. 13 und vom 22. Februar 1996– 2 C 12.94 –, juris, Rn. 25.
96Hiervon ausgehend begann die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2011. Zunächst kommt es hinsichtlich der erforderlichen Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen auf den Präsidenten der BAnstPT an. Dieser war der Vorgesetzte des Klägers (Bereichsleiter 21) und als solcher berufen, die Rechtmäßigkeit des Handels des Klägers zu überprüfen.
97Der Präsident hat erst Anfang 2011 von den Umständen Kenntnis erlangt, die den Ersatzanspruch gegen den Kläger begründen, und war vorher auch nicht in grob fahrlässiger Unkenntnis. Dass der Kläger entgegen der Untersagung vom 12. Mai 2010 einen Prüfauftrag an den Fachbereich 213 erteilt und dabei die Einholung eines anwaltlichen Rechtsgutachtens veranlasst hat, ist dem Präsidenten erst bekannt geworden, nachdem ihm ROAR N. mit Schreiben vom 7. Januar 2011 das Gutachten der Kanzlei D. übersandt hatte. Frühestens ab diesem Zeitpunkt waren für den Präsidenten eine Pflichtverletzung des Klägers und der dadurch eingetretene Schaden – ggf. nach weiteren Ermittlungen – erkennbar. In den Vorgang zur Einholung des Rechtsgutachtens im Mai und Juni 2010 war der Präsident nicht einbezogen. Die Weisung vom 26. Mai 2010 hat der Kläger unmittelbar dem ihm unterstellten Fachbereich 213 zugeleitet und – im Gegensatz zu der Prüfbitte vom 12. April 2010 an das ihm nicht unterstellte Rechtsreferat – nicht auf dem Dienstweg über den Präsidenten. Der Kläger hat insoweit selbst vorgetragen, seiner Auffassung nach habe es einer Zustimmung des Präsidenten aufgrund behördeninterner Vertretungsregelungen nicht bedurft und er habe daher eine solche nicht eingeholt.
98Die dreijährige Verjährungsfrist endete entsprechend §§ 187 Abs.1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2014. Der angefochtene Bescheid wurde dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 20. Dezember 2014 und damit vor Ablauf der Frist zugestellt. Dadurch ist die Verjährung des Anspruchs nach § 53 Abs. 1 VwVfG gehemmt worden. Unerheblich ist, dass der Kläger nach seinen– nicht belegten – Angaben den Bescheid nach einer Rückkehr aus einer (offenbar Urlaubs-) Abwesenheit über Weihnachten und Neujahr erst am 15. Januar 2015 zur Kenntnis genommen haben will. Die Hemmung beginnt mit der Wirksamkeit des Leistungsbescheides (§ 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG), also mit dem Zeitpunkt, zu dem er gegenüber dem Kläger nach § 41 Abs. 1 VwVfG bekannt gegeben worden ist.
99Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 53 Rn. 35.
100Die Bekanntgabe setzt den Zugang des Verwaltungsakts voraus. Bei – wie hier – schriftlichen Verfügungen bedeutet dies entsprechend § 130 BGB, dass der Verwaltungsakt derart in den Machtbereich des Adressaten gelangt ist, dass dieser bei gewöhnlichem Verlauf und unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Es ist nicht erforderlich, dass der Empfänger den Bescheid tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und es kommt nicht darauf an, ob er tatsächlich, z. B. durch Urlaub oder Krankheit, gehindert war, von der Verfügung Kenntnis zu nehmen.
101Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2018, § 41 Rn. 7c ff.
102Hier wurde der Leistungsbescheid vom 19. Dezember 2014 laut Postzustellungsurkunde am 20. Dezember 2014 in den zur Wohnung des Klägers gehörenden Briefkasten eingelegt. Damit bestand für den Kläger hinreichende Möglichkeit der Kenntnisnahme. Auf die Frage, ob der Kläger tatsächlich aufgrund einer urlaubsbedingten Abwesenheit über Weihnachten und Neujahr an einer Kenntnisnahme gehindert war, kommt es nach den vorangehenden Ausführungen nicht an. Die Behauptung des Klägers, er habe einen – bei der Zustellung zu Unrecht nicht beachteten – Nachsendeantrag gestellt, ist schon substanzlos, würde aber auch der Sache nach nicht durchgreifen, weil Nachsendeaufträge nicht für die Zustellung von Schriftstücken per Postzustellungsurkunde gelten.
103Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
104Mangels für den Kläger günstiger Kostenentscheidung bedarf es keiner Entscheidung über seinen Antrag, die Hinzuziehung seines Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
105Vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 162 Rn. 118.
106Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG nicht gegeben sind.
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