Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (1. Senat) - 1 C 10546/11
Tenor
Der am 8. Dezember 2010 als Satzung beschlossene Bebauungsplan der Antragsgegnerin „A... S... - 2. Änderung" wird für unwirksam erklärt.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Antragsteller zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich gegen die 2. Änderung des Bebauungsplanes "A... S..." der Antragsgegnerin vom 08.12.2010. Er ist Eigentümer von Grundstücken in der Gemarkung L..., Flur ... u.a. Flurstücke .../..., .../... und .../...). Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes der Antragsgegnerin "A... S..." zwischen dem Rhein und der L...straße. Die Grundstücke sind unbebaut, seit dem eine frühere Hotelnutzung vor mehreren Jahrzehnten aufgegeben und die Gebäude vollständig abgerissen worden sind. Das Plangebiet befindet sich vollständig innerhalb der Grenzen gemäß der Verordnung zur Feststellung des Überschwemmungsgebietes am Rhein vom 11.12.1995 (Staatsanzeiger vom 18.12.1995, 1517ff).
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Der Ursprungsbebauungsplan "A... S..." wurde vom Rat der Antragsgegnerin am 23.09.1982 als Satzung beschlossen. In dieser Ursprungsfassung wies der Bebauungsplan ein Mischgebiet aus, das für den Teilbereich 1, welcher das Grundstück des Antragstellers erfasst, das Planzeichen „Hotel“ enthält. Nach der textlichen Festsetzung Nr. 9 durfte im Teilbereich 1 ein maximal 5-geschossiges Gebäude errichtet werden, welches im Erdgeschoss nur eine Nutzung für „Konferenzräume, Hotelbereich, Hotelbar, Tanzbar, Rezeption, Läden, Küche, Vorratsräume und Kühlräume“ und im ersten Obergeschoss nur eine Nutzung als „Gaststätte und Konferenzraum, Kegelbahn, Sauna, Solarium, Fitnessräume, Schwimmbad, Personalraum, Fernsehraum und Hotelzimmer“ zuließ.
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Am 04.01.2001 schloss die Antragsgegnerin einen städtebaulichen Vertrag mit einem Investor zur Realisierung des Hotelvorhabens ab. Dieser verpflichtete sich darin, das Grundstück mit einem dreigeschossigen Bebauungskomplex zu bebauen, der neben 10 Ferienappartements und 15 Eigentumswohnungen auch die Errichtung eines Hotels mit 32 Zimmern vorsah. Im Hinblick auf diesen städtebaulichen Vertrag wurde seitens der Antragsgegnerin im Jahr 2001 die 1. Änderung des Bebauungsplans durchgeführt, um – so die Antragsgegnerin – „dem Investor weiteren Gestaltungsspielraum zu eröffnen“. Dabei wurde die Festsetzung Nr. 9 des Bebauungsplans ersatzlos gestrichen, wohingegen die Planzeichnung "Hotel" unverändert beibehalten wurde. Infolge der Insolvenz des Vorhabenträgers ist es in der Folgezeit nicht zu einer Umsetzung des Vorhabens gekommen. Demgegenüber war das angrenzende Mischgebiet bereits in den Jahren nach Inkrafttreten des Ursprungsbebauungsplan mit Appartementhäusern bebaut worden.
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Mit Antrag vom 02.01.2009 richtete der Antragsteller eine Bauvoranfrage an die Verwaltung des zuständigen Landkreises Neuwied für die Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses auf den streitgegenständlichen Grundstücken. Am 04.03.2010 hat die Antragsgegnerin erstmals eine Veränderungssperre für den Bereich der 2. Änderung des Bebauungsplanes "A... S..." erlassen. Am 10.03.2009 versagte sie zu der Bauvoranfrage des Antragstellers gegenüber dem Landkreis ihr Einvernehmen. Der Landkreis stellte daraufhin durch Bescheid vom 09.04.2009 die Bescheidung der Bauvoranfrage zunächst bis zum 09.04.2010 zurück und lehnte den Antrag abschließend mit Bescheid vom 15.03.2011 ab, der noch nicht rechtskräftig ist.
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Am 01.04.2009 hat der Stadtrat der Antragsgegnerin die 2. Änderung des Bebauungsplans "A... S..." beschlossen und in seiner Sitzung vom 09.11.2009 den Beschluss dahingehend ergänzt, dass neben der 2. Änderung auch eine Teilaufhebung des Bebauungsplans "A... S..." erfolgen soll. Gleichzeitig wurde beschlossen, das Änderungs- und Teilaufhebungsverfahren im beschleunigten Verfahren gemäß § 13a BauGB ohne Durchführung einer Umweltprüfung durchzuführen. Die Beschlüsse wurden am 18.11.2009 öffentlich bekannt gemacht. Während des Bebauungsplanänderungsverfahrens holte die Antragsgegnerin ein schalltechnisches Gutachten des Ingenieur-Büros P... (Vorlage Dezember 2009) sowie ein sogenanntes Standortgutachten bei der Unternehmensberatung ... ... ... ... & ... ... sowie ein. Im Februar 2010 legte diese ihr Gutachten als "Ergebnisbericht zur Standortanalyse und Prüfung der Marktchancen für einen Hotelneubau in L..." vor.
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Während der Offenlage des Bebauungsplans gemäß § 3 Abs. 2 BauGB vom 13.09. bis 14.10.2010 trug der Antragsteller mit Schreiben vom 04.10.2010 Bedenken gegen die Planung vor, die seitens der Antragsgegnerin abschließend in der Sitzung vom 08.12.2010 zurückgewiesen wurden. Mit der öffentlichen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses am 09.02.2011 ist der Bebauungsplan in Kraft getreten. Für die Flurstücke des Antragstellers sieht der Bebauungsplan nunmehr ein Sondergebiet 1 (SO 1) mit der Zweckbestimmung "Hotel" vor, in dem nur Schank- und Speisewirtschaften, Betriebe des Beherbergungsgewerbes sowie eine Wohnung innerhalb jedes Hotelgebäudes für den Betreiber bzw. Betriebsleiter zulässig sind. Neben der Überplanung eines bestehenden (kleineren) Hotelgrundstücks mit einem denkmalgeschützten Gebäude als Sondergebiet SO 2 sieht der Plan für die bereits bebauten Flächen ein Mischgebiet vor, in dem Wohngebäude, Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, Schank- und Speisewirtschaften, sowie Betriebe des Beherbergungsgewerbes zulässig sein sollen.
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Mit seinem Normenkontrollantrag vom 05.05.2011 macht der Antragsteller geltend:
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Die 2. Änderung des Bebauungsplanes "A... S..." der Antragsgegnerin sei unwirksam, weil sie das Ergebnis einer fehlerhaften Abwägung sei. Unzutreffend sei die Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass die Nutzungseinschränkung auf eine Hotelnutzung schon immer Gegenstand des Bebauungsplanes gewesen und auch durch die 1. Änderung des Bebauungsplanes nicht entfallen sei. Denn hierdurch sei die Festsetzungen der Ziffer 9 der Textfestsetzungen ersatzlos gestrichen worden, so dass die nach dem Ursprungsbebauungsplan bestehenden Einschränkungen der Nutzung ab Inkrafttreten der 1. Änderung nicht mehr wirksam gewesen seien. Dies entspreche auch der rechtsgutachtlichen Stellungnahme des Landkreises Neuwied vom 24.04.2009. Vor diesem Hintergrund folge aus dem Abwägungsvorschlag, aufgrund dessen die Bedenken des Antragstellers zurückgewiesen worden seien, dass ein Fall der Unterschreitung des Planungsermessens vorliege.
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Darüber hinaus sei auch das Abwägungsergebnis fehlerhaft. Durch die 2. Änderung des Bebauungsplanes könnten auf dem Grundstück des Antragstellers nur Schank- und Speisewirtschaften, nur Betriebe des Beherbergungsgewerbes und nur eine Wohnung innerhalb jedes Hotelgebäudes errichtet werden. Es handele sich dabei nicht mehr um eine Angebotsplanung, sondern um eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung seines Eigentumes, die in Ihren Auswirkungen enteignenden Charakter habe. Die Zwecksetzung Hotel führe dazu, dass das Grundstück des Antragstellers erheblich an Wert verliere, wenn es nicht sogar unverwertbar werde. In mehr als 20 Jahren seit Beginn der Planungen habe sich weder im Bereich des Bebauungsplanes "A... S..." noch im Bereich des übrigen Stadtgebietes der Stadt Linz eine Nachfrage nach Hotelinvestoren ergeben. Konkret habe der Antragsteller einen Makler eingeschaltet, der mit Schreiben vom 19.04.2011 mitgeteilt habe, dass insgesamt acht angesprochene Investoren abgelehnt hätten, weil der Standort Linz problematisch sei. Nach diesem Schreiben wären die Bedenken der Investoren dagegen nicht vorhanden, wenn im „oberen Bereich“ Eigentumswohnungen gebaut werden dürften.
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Der Antragsteller beantragt,
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die 2. Änderung des Bebauungsplanes "A... S..." vom 08.12.2010 für unwirksam zu erklären.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antrag sei zulässig aber unbegründet. Die streitgegenständliche Änderung des Bebauungsplans "A... S..." leide weder an formellen noch materiellen Mängeln, die eine Unwirksamkeit des Bebauungsplans begründen würden.
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Eine Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltenen Abwägungsgebots sei nicht gegeben. Insbesondere seien auch die Interessen des Antragstellers im Rahmen des Planänderungsverfahrens ausreichend berücksichtigt worden.
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Zutreffend sei davon auszugehen, dass die Einschränkung auf eine Hotelnutzung bereits immer Gegenstand des Bebauungsplans gewesen und auch durch die 1. Änderung des Bebauungsplans nicht entfallen sei; aus der Begründung zur 2. Änderung des Bebauungsplans gehe eindeutig hervor, dass das städtebauliche Entwicklungsziel, an dem maßgeblichen Standort eine Hotelnutzung zu verwirklichen sowohl zum Zeitpunkt der Ursprungsbebauungsplanung, als auch noch nach der 1. Änderung des Bebauungsplans vorhanden gewesen sei. Der Bebauungsplan in seiner 1. geänderten Fassung habe zwar die ursprüngliche Festsetzung zur Zonierung bestimmter Nutzungen im Planbereich Hotel entfallen lassen. Mit diesem Wegfall der Zonierung sei aber kein genereller Verzicht auf die im Plan weiter „planzeichenkonform“ enthaltene zeichnerische Festsetzung "Hotel" verbunden. Durch den Wegfall der Zonierung sei lediglich dem Eigentümer des Hotelgrundstücks die Freiheit gegeben worden, die Nutzung "Hotel" in jeder plankonformen Weise zu realisieren. In diesem Zusammenhang sei auch auf den Inhalt des städtebaulichen Vertrags vom 04.01.2001 zu verweisen, der im Zuge der 1. Änderungsplanung mit dem damaligen Eigentümer bzw. Vorhabenträger abgeschlossen worden sei.
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Selbst wenn man jedoch unzutreffend davon ausgehen sollte, dass durch die 1. Änderung keine Hotelnutzung mehr für den Teilbereich 1 zwingend vorgesehen gewesen sei, habe es der Antragsgegnerin als Plangeberin dennoch im Rahmen ihrer Planungshoheit als Bestandteil des allgemeinen Selbstverwaltungsrechts gemäß Art. 28 Abs. 2 GG freigestanden, eine entsprechende Nutzung (erneut) festzulegen. Die Antragsgegnerin habe bei ihrer Entscheidung über die Änderungen von Bebauungsplänen ein weites planerisches Ermessen und sei vom Gesetzgeber ermächtigt, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entsprechende "Städtebaupolitik" zu betreiben. Ziel und Zweck der Bebauungsplanänderung sei es, in dem Planbereich eine geordnete städtebauliche Entwicklung zu gewährleisten und gleichzeitig die Errichtung eines Hotels zu ermöglichen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers sei auch das Abwägungsergebnis nicht fehlerhaft, insbesondere liege keine unverhältnismäßige Nutzungseinschränkung mit enteignendem Charakter vor. Die Festsetzungen des Bebauungsplans stellten lediglich eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, die als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) entschädigungslos hinzunehmen seien. Dies bedeute, dass auch ein etwaiger Wertverlust, der bisher nicht konkret dargelegt worden sei, nicht zu einem fehlerhaften Abwägungsergebnis führe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Der angegriffene Bebauungsplan nebst Aufstellungsakte lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf den Inhalt wird ebenfalls verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag ist zulässig und begründet.
I.
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Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO statthafte sowie unter Einhaltung der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellte Normenkontrollantrag ist auch ansonsten zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt.
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Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks (auch) gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist (BVerwG, Urteil vom 24.09.1998, NJW 1999, 592; Beschluss vom 22.08.2000, NVwZ 2000, 1413; Beschluss vom 20.09.2005, BauR 2006, 352).
II.
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Der Normenkontrollantrag hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Zunächst begegnet das von der Antragsgegnerin gewählte Verfahren nach § 13a BauGB keinen Bedenken. Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB ist das „beschleunigte Verfahren“ für Bebauungspläne der Innenentwicklung vorgesehen, namentlich für die „Wiedernutzbarmachung von Flächen“, die „Nachverdichtung“ sowie „andere Maßnahmen der Innentwicklung“. Dabei ist der Begriff der Innenentwicklung ein unbestimmter eigener Rechtsbegriff und daher von dem Innenbereich im Sinne des § 34 BauGB in seinen rechtlichen Anforderungen zu unterscheiden (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 13a Rn. 27; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 13a Rn. 4). Während § 34 BauGB einen Rechtsanspruch zur baulichen Nutzung begründet, bezeichnen die Bereiche der Innenentwicklung jeweils einen potenziell der Bebauungsplanung zugänglichen Planungsraum. Folglich ist seitens des Planungsträgers eine wertende Entscheidung vorzunehmen, deren gerichtliche Überprüfung an dem Rahmen des § 214 Abs. 2a BauGB zu bemessen ist. Im Hinblick auf die anderweitige Unwirksamkeit des Bebauungsplans konnte vorliegend offen bleiben, ob die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 BauGB vollständig vorlagen. Allerdings dürften nach heutigem Erkenntnisstand durch den Bebauungsplan weder die Zulässigkeit von Vorhaben begründet werden, für die eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist, noch bestehen derzeit konkrete Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Erhaltungsziele oder des Schutzzweckes der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung (Natura-2000-Gebiete).
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2. Ob die Antragsgegnerin ein Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „Hotel“ für ein zusammenhängendes Grundstück nach § 11 Abs. 1 BauNVO festsetzen durfte, lässt der Senat offen.
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Als Rechtsgrundlage dieser Festsetzung dient ihr § 11 Abs. 1 BauNVO. Hiernach können als sonstige Sondergebiete solche Gebiete festgesetzt werden, die sich von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich unterscheiden. Das Plangebiet muss demnach zunächst durch einen Festsetzungsgehalt gekennzeichnet sein, der sich keinem der in den §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen zuordnen lässt (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.09.1978, BVerwGE 56, 283; Beschluss vom 18.12.1990, NVwZ 1991, 778; OVG NRW, Beschluss vom 31.05.1985, NVwZ 1985, 590; VGH BW, Beschluss vom 18.07.1997, 8 S 2891/96). Nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO besteht bei Festsetzung eines Sondergebiets die Pflicht zur Festlegung der Zweckbestimmung. Sie hat für Sondergebiete dieselbe Funktion, wie sie für die Baugebiete nach den §§ 2 bis 9 BauGB dem jeweils ersten Absatz dieser Vorschriften zukommt (BVerwG, Urteil vom 18.2.1983, E 67, 23; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 11 Rn. 27). Diese Anforderungen berücksichtigen, dass Sondergebietsfestsetzungen nicht zu einer Umgehung des grundsätzlichen Typenzwangs der BauNVO, die auch Ausfluss einer sachgerechten Inhaltsbestimmung des Eigentums ist, führen dürfen. § 11 BauNVO erweitert somit nicht beliebig die Festsetzungsmöglichkeiten des Katalogs der Baugebiete, etwa weil es städtebaulich erwünscht sein könnte und ist daher auch kein voraussetzungsloser Auffangtatbestand für all diejenigen Fälle, in denen etwa die Festsetzungen nach §§ 2 bis 10 BauNVO und Differenzierungen im Nutzungsartenkatalog eines Baugebiets (siehe § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO) unzulässig wären, weil sie die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets unzulässig überdehnen würden.
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Nach Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend bereits Bedenken an einer hinreichenden Zweckbestimmung der Baugebiete. Für die Zulässigkeit des Sondergebiets „Hotel“ spricht zwar vorliegend, dass sich der Inhalt des Begriffs „SO Hotel“ mit Blick auf die Textfestsetzungen erschließen lässt. Allerdings steht als vorrangige Festsetzung die „Erzwingung“ eines Hotelneubaus mit planungsrechtlichen Mitteln unter Ausschluss praktisch aller anderer Nutzungen – die ansonsten in einem Mischgebiet zulässig wären – im Vordergrund, wobei die übrigen gastronomischen Nutzungen offenbar dem Hotelprojekt nur dienen sollen. Letztlich kann nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen indessen offen bleiben, ob die Zweckbestimmung „Hotel“ hier einen städtebaulichen Sonderfall darstellt, der die Rechtfertigung für eine solche Planung begründen kann.
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2. Der Planung verstößt gegen die Bestimmung des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
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Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB regelt - anknüpfend an die allgemeine Aufgabenbestimmung in § 1 Abs. 1 BauGB - die "Erforderlichkeit" der Bauleitplanung. Die Erforderlichkeit beinhaltet in zeitlicher ("sobald") und inhaltlicher ("soweit") Hinsicht eine Planungsbefugnis sowie eine Planungspflicht, sofern die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 1 Rn. 28). Liegt eine die Erforderlichkeit begründende Situation nicht vor, besteht weder eine Planungspflicht noch eine Befugnis zur Planung.
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Der Bebauungsplan erweist sich auf dieser Grundlage bereits aus tatsächlichen Gründen nach Maßgabe der Planunterlagen nicht als vollzugsfähig. Der Gesetzgeber richtet mit dem Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit unter anderem eine Planungsschranke für den Fall auf, dass sich eine Planung als nicht vollzugsfähig erweist, weil ihr auf unabsehbare Zeit unüberwindbare rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen. Das mit dem Bebauungsplan verfolgte Ziel wird aber von vornherein verfehlt, wenn die Fläche, die für die vorgesehene Nutzung praktisch exklusiv zur Verfügung stehen soll, für diesen Zweck ungeeignet ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.2002, BVerwGE 117, 287). Eine solche Zielverfehlung kann etwa bei einer überdimensionierten oder den Marktverhältnissen nicht entsprechenden Planung vorliegen, etwa wenn kein hinreichender Bedarf besteht und die Planung deshalb nicht auf Verwirklichung in angemessener Zeit angelegt ist (vgl. BayVGH, Urteil vom 25.10.2005, BRS 69 Nr. 25) oder überschüssige Flächen ohne entsprechende Verwendungseignung festgesetzt werden (vgl. Urteil des Senats vom 16.09.2011, 1 C 11114/09, ESOVG-RP).
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Entsprechendes muss bei Nichteignung der Flächen durch eine offenkundige Nichtvermarktbarkeit gelten. Dieses Merkmal kann vorliegend bereits daraus abgeleitet werden, dass für die streitgegenständliche Fläche bei einer nahezu 30-jährigen Bereitstellung zum Zwecke der Hotelnutzung letztlich kein geeigneter Investor gefunden werden konnte. Bezeichnend ist dabei, dass ein früherer Interessent sich mit Hilfe der Antragsgegnerin im Zuge der Änderungsplanung zusätzliche Möglichkeiten durch den städtebaulichen Vertrag vom 04.01.2001 erschlossen hatte (Wohnungsbau etc.), um im Sinne einer Mischfinanzierung dieses Projekt als Gesamtheit rentabel durchzuführen. Indessen haben weder er noch seine Rechtsnachfolger das Projekt auf dieser günstigeren Planungsgrundlage zum Abschluss bringen können. Der nunmehrige Wegfall jeglicher Möglichkeiten zur Schaffung einer (parallelen) Wohnnutzung durch die 2. Änderung führt zur Überzeugung des Senats letztlich dazu, dass die Planung nach allen vorliegenden Erkenntnissen aus wirtschaftlichen Gründen undurchführbar und damit rechtlich unzulässig ist.
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Vorliegend trägt insbesondere auch die von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebene „Standortanalyse und Prüfung der Marktchancen für einen Hotelneubau in L...“ der Firma ... ... ... Unternehmensberatung ... & ... ... vom Februar 2012 die städtebauliche Erforderlichkeit dieses Vorhabens nicht. Das Gutachten ist zwar zunächst in seiner Methodik und Aufbereitung der Daten nachvollziehbar; die gezogenen Schlussfolgerungen sind jedoch nicht plausibel und daher ungeeignet, das Planungsergebnis der Antragsgegnerin zu tragen. Im Einzelnen ist dabei das Folgende zu sehen:
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Nach Beschreibung der Ausgangslage und Aufgabenstellung sowie der methodischen Vorgehensweise folgen umfassende Ausführungen zum „Makrostandort L...“, wie etwa zu dessen „soziodemographischen und ökonomischen Profil“ sowie die „Tourismusdestination L...“. Aus diesen Rahmenbedingungen erwachse grundsätzlich auch ein entsprechendes Potenzial für den Tourismus mit Übernachtungsnachfrage. Aus der näheren Analyse der aufgezeigten „Angebots- und Nachfrageentwicklung einschließlich der Entwicklung der Hotellerie, Kapazitäten und deren Auslastung im Zeitraum 2002 – 2009“ wird jedoch deutlich, dass die Ansiedlung eines Hotelneubaus auf extrem hohe Hürden stoßen würde, für deren Realisierbarkeit derzeit keinerlei konkreten Anhaltspunkte bestehen. Bei einer gegebenen Auslastung der gesamten Hotellerie von etwa nur 15 % in der Verbandsgemeinde Linz und unter 30 % im gesamten Rheintal mit touristisch erheblich bedeutenderen Destinationen ist bereits die Forderung nach einer Gesamtauslastung des künftigen Objekts von 50 % selbst für einen Hotelneubau nahezu illusorisch, zumal sie schon eine umfassende flankierende Schaffung von Rahmenbedingungen durch die Antragsgegnerin selbst voraussetzt, die für einen Investor jedenfalls derzeit völlig unabsehbar wären. Das von der Gutachterin dabei im Grundsätzlichen ausgemachte Problem der strukturellen Dominanz kleiner und kleinster Unternehmensgrößen in der Verbandsgemeinde Linz, im Landkreis Neuwied und im Reisegebiet Rheintal ist zwar nachvollziehbar. So könne hiernach u.a. der Spielraum für die „Entwicklung von Markt-Know-how, Fachkräften und Investitionen zur Marktanpassung durch die kleinen Betriebsgrößen einfach nicht gewährleistet“ werden. Aufgrund der finanztechnischen Ausstattung als auch der betriebswirtschaftlichen Ertragslage stünden kaum Ressourcen zur Verfügung, um nachfragegerechte Angebote zu unterbreiten und diese an die Markterfordernisse angepasst zu vermarkten (S. 15 Gutachten ...).
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Hierin liegt aber zugleich auch ein beachtliches Hindernis für das hier vorgesehene Hotelprojekt selbst. Zwar sieht die Gutachterin das künftige Objekt als oberhalb dieser kleineren Unternehmensgrößen angesiedelt an, gleichzeitig müssten aber eine derartige Vielzahl von Voraussetzungen erfüllt sein, die bei realistischen Vorbedingungen für einen Einzelunternehmer so gut wie nicht zu erfüllen sind, was insbesondere den hierzu notwendigen Kapitaleinsatz betrifft. So müsste nach den Anforderungen in der Standortanalyse der Betreiber „klar differenzierte, zielgruppenorientierte Konzepte“ umsetzen, „die sich in der Gesamtheit des Hotelbetriebes durchziehen und auch neue Trends aufgreifen“; die Unternehmenskonzeption müsse dabei den Anspruch verfolgen, „ein außergewöhnliches und qualitativ hochwertiges Produkt“ zu schaffen, welches dem Gast ein besonderes Ambiente mit Authentizität und Erlebnis bietet. Die Gästenachfrage spalte sich zudem immer mehr in verschiedene Segmente auf, mit ganz unterschiedlichen Ansprüchen und Erwartungshaltungen. Vor diesem Hintergrund gewönnen daher innovative Unternehmenskonzepte, die sich abhebten, die „ein eigenständiges Profil entwickelten und zielgruppengerecht ausgelegt“ seien an Bedeutung. Die Philosophie des Hauses müsse daher „klar definiert und auf die Schaffung einer optimalen Synergie zwischen den definierten Zielgruppen“ ausgerichtet sein. Die Umsetzung erfordere „natürlich die Ganzheitlichkeit“ und müsse auch „durch eine professionelle Marketingarbeit untersetzt“ werden. Der Erfolg von Hotels werde ganz wesentlich von der Kompetenz und Professionalität des Betreibers gesteuert.
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Konkret wird vor diesem Hintergrund von der Gutachterin ein Hotel mit einer Ausstattung mit ca. 55 Hotelzimmern und ca. 90 Betten, mit einem Restaurant mit ca. 70 Plätzen, ca. 5 bis 6 Tagungs- und Veranstaltungsräumen die mit moderner Konferenztechnik versehen sein sollen, mit Bar und Lounge mit ca. 40 Plätzen, mit zeitgemäßen Wellness- und Beauty-Angeboten, einer in die Bewirtschaftung einbezogenen Terrasse sowie mit Parkplätzen für Busse gefordert. Hinzu kommt, dass die zu erwartenden Kosten für Lärmschutz – zu beachten sind die Bundestraße B 42, die Landesstraße L 253, die Bahnlinie Neuwied-Bad Honnef und der Schiffsverkehr – sowie die Kosten für den Hochwasserschutz ebenfalls als erheblich einzuschätzen sind. Dies berücksichtigend darf nicht verkannt werden, dass durch die enorm hohen Voraussetzungen und daraus folgenden finanziellen Risiken gerade ein privater Investor, der konzeptionell zwischen der Klein- und der Kettenhotellerie anzusiedeln wäre, nicht zu finden sein dürfte. Jedenfalls bleibt die Antragsgegnerin seit etwa 30 Jahren hierfür jeglichen Beleg schuldig, so dass der von dem Antragsteller und einigen Mitgliedern des Stadtrates erhobene Vorwurf eines Gefälligkeitsgutachtens zumindest hinsichtlich der gefundenen Ergebnisse nicht als entkräftet gelten kann. So haben auch große Hotelketten bisher nach Aktenlage keinerlei Interesse an dem Standort erkennen lassen, so dass das potentielle Risiko für einen Kleinunternehmer nicht nur hinsichtlich der Haftung als umso höher zu gewichten wäre. In keiner Weise wird indessen in der Standortanalyse ausgeführt, inwieweit ein derartiges Projekt überhaupt als Investition aus der Sicht eines Unternehmers umsetzbar wäre. Prognostiziert werden von der Gutachterin jedoch ohne weitere Begründung für das Projekt etwa 10.000 Übernachtungen pro Geschäftsjahr, die auf einer „50%igen Auslastung der Zimmerkapazitäten basieren und weitere Entwicklungsspielräume eröffnen sollen.
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Dieser Annahme vermag der Senat nicht zu folgen. Auf der Grundlage der allgemeinen – im Gutachten referierten – statistischen Daten erscheint es nahezu ausgeschlossen, dass im Bereich der Antragsgegnerin eine solche Auslastung kurz- bis mittelfristig zu erreichen wäre. Aber selbst wenn dies der Fall sein sollte, bleibt das Gutachten den Beleg schuldig, in welchem Zeitraum und mit welchem Kapitalaufwand ein solch äußerst ambitioniertes Projekt zu schultern wäre. Denn die hohen Anforderungen an eine besonders hochwertige und kostenintensive Hotelnutzung unterhalb der Kettenhotellerie paaren sich mit den bereits erwähnten zu erwartenden hohen Kosten für die vorgeschriebenen Lärmschutzmaßnahmen, und den gesetzlichen Anforderungen des Hochwasserschutzes.
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Eine Bauleitplanung einer Gemeinde aber, die nach deren Willen als reine Angebotsplanung außerhalb der §§ 11, 12 BauGB zu verstehen sein soll und die nur auf den Fall des Engagements eines idealtypisch äußerst engagierten, finanzkräftigen und nachhaltig langfristig orientierten lokalen Investors abzielt und zugleich praktisch alle anderen, zumal die potentiell rentablen Nutzungen ausschließt, muss sich schon bei der Erforderlichkeit der Planung höheren Anforderungen stellen, als dies etwa bei einer herkömmlichen Angebotsplanung, wie der eines gewöhnlichen Wohn-, Misch- oder Gewerbegebiets (vgl. zur „Bevorratung“ von Wohnraum: Urteil des Senats vom 06.10.2011, 1 C 11322/10, ESOVG-RP) der Fall ist. Denn andernfalls könnte die Gemeinde als Planungsträgerin nahezu willkürlich Anforderungen festlegen und damit Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in einer Weise definieren, die dauerhaft zur baulichen Nichtnutzung eines Grundstücks führen. Zwar hat der Eigentümer kein Anrecht auf eine bestimmte Planung (§ 1 Abs. 3 S. 2 BauGB), eine nicht realisierbare Planung ist jedoch nicht mehr erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB ist.
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3. Der Bebauungsplan ist ungeachtet der fehlenden Erforderlichkeit bereits auch deshalb zu beanstanden, weil ein Verstoß gegen das Gebot der Ermittlung und zutreffenden Bewertung der abwägungsbeachtlichen Belange nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 BauGB vorliegt.
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a. Das nunmehr als Verfahrensnorm ausgestaltete Gebot des § 2 Abs. 3 BauGB tritt selbständig vor die (inhaltlichen) Anforderungen an die verhältnismäßige Gewichtung und den gerechten Ausgleich der konkurrierenden Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB und das Gebot nach § 2 Abs. 2 BauGB (vgl. OVG RP, Urteile vom 06.05.2009, 1 C 10970/08; vom 31.07.2008, 1 C 10193/08, vom 18.06.2008, 8 C 10128/08, vom 29.01.2009, 1 C 10860/08, jeweils bei ESOVGRP). Ob die Planung Ergebnis einer gerechten Abwägung ist, ist letztlich wiederum nach der materiellen Beeinträchtigung des jeweiligen Antragstellers zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 29.04.2010, BauR 2010, 1701), ein Defizit bei der Ermittlung des Sachverhalts kann dagegen bereits auf der Stufe der Ermittlung und Bewertung zur Aufhebung der Bauleitplanung führen. Inhaltlich entspricht § 2 Abs. 3 BauGB zunächst der früheren sich aus dem Abwägungsgebot ergebenden Rechtslage, nach der die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung zunächst deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraussetzt (BVerwG, Urteil vom 09.04.2008, DVBl 2008, 859 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 15/2250 S. 42). Die Bewertung nach dieser Vorschrift bedeutet daher vor dem Hintergrund einer noch vorzunehmenden Abwägungsentscheidung die Feststellung des jeweiligen Inhalts und Gewichts der abwägungserheblichen Belange. Daher sind Art und Ausmaß des Berührtseins des Belangs durch die betreffende Bauleitplanung sowie das Gewicht des jeweiligen Belangs im Verhältnis zu seiner Betroffenheit zu ermitteln und zu bewerten.
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b. Ebenso wie dem Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB kommt damit bereits den vorgelagerten Ermittlungs- und Bewertungspflichten nach § 2 Abs. 3 BauGB besondere Bedeutung im Rahmen der inhaltsbestimmenden Funktion der Bauleitplanung i.S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG zu, denn der (künftige) Bebauungsplan verleiht dem Eigentum im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eine neue Qualität (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1985, 2 BvR 397.82; Urteil vom 01.11.1974, NJW 1975, 841), indem er Inhalt und Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt. Diese Wirkungen treten unmittelbar mit Erlass des Bebauungsplans ein und sind davon unabhängig, ob ein Grundstückseigentümer oder ein in anderer Weise Berechtigter beabsichtigt, eine Baugenehmigung oder eine andere Art der Nutzung zu beantragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.10.2008, 4 BN 16/08). Die Anforderungen des Art. 14 GG an eine zulässige Inhaltsbestimmung des Eigentums werden im Übrigen in der Bauleitplanung regelmäßig durch das Abwägungsgebot erfüllt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.11.1988, DVBl 1989, 352). Hiernach muss und kann das Abwägungsgebot der grundgesetzlich gewährleisteten Rechtsstellung des Eigentümers und den Anforderungen an eine sozialgerechte Eigentumsordnung einerseits und den öffentlichen Belangen andererseits grundsätzlich wie auch konkret entsprechen. Sind diese Belange indessen im Verfahren der Planaufstellung unzutreffend oder unvollständig ermittelt worden, so leidet der mit der Normenkontrolle angegriffene Plan bereits auf dieser Verfahrensebene nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 BauGB an einem Mangel, der – seine Erheblichkeit nach § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB vorausgesetzt – zur Aufhebung des Plans führen muss.
- 40
c. Den genannten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermittlung wird der streitgegenständliche Bebauungsplan nicht gerecht. Dabei ist zu sehen, dass sich der Umfang der Ermittlungen auch nach dem Grad der Betroffenheit des Eigentums richten kann. Je enger die Schranken des Eigentums i.S.v. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gezogen werden, desto schwerer wiegt die bereits auf der Verfahrensebene angesiedelte Pflicht den Sachverhalt umfassend und zutreffend aufzuklären. Bleibt dem Eigentümer nach einer Bauleitplanung nur eine sehr beengte Möglichkeit, sein Grundstück im Vergleich zu anderen im übrigen Plangebiet zu nutzen, so verdichten und erweitern sich die konkreten Ermittlungspflichten des Planungsträgers. Diesen hier unter dem Blickwinkel des Art. 14 Abs. 1 GG erhöhten Pflichten wird die Antragsgegnerin durch die vorgelegte Standortanalyse gerade nicht gerecht. Ermittlungsdefizite ergeben sich insbesondere aus dem Umstand, dass das Gutachten ... zwar umfassende Anforderungen für einen angeblichen Hotelbetrieb nennt, die investiven Voraussetzungen jedoch nicht einmal streift. Insbesondere bleibt völlig unklar, welche Investitionen getätigt werden müssen, um nach einer bestimmten Anzahl von Jahren unter Berücksichtigung einer prognostischen Zinslast und Abschreibungen zu einem positiven Betriebsergebnis zu gelangen. Im Ergebnis ist damit das Verhältnis des Gewinns zum eingesetzten Kapital maßgeblich und die Frage, in welchem Zeitraum ein solcher Gewinn zu erzielen ist. Dabei hat zwar keine ins Detail gehende antizipierte Gewinn- und Verlustrechnung zu erfolgen. Zu fordern ist aber, dass für das in der Bauleitplanung geforderte Objekt eine gewisse Plausibilität für eine rentable Investition besteht. So wäre es denkbar eine zumindest überschlägige Break-Even-Analyse (siehe die Darstellung der Grundsätze bei ...) zu erstellen, wobei im Bereich der Fixkosten jedenfalls auch die Kapitalkosten zu berücksichtigen wären. Die weiteren Einzelheiten einer solchen Ermittlung können insofern dahinstehen, da es nicht Sache des Normenkontrollgerichts ist, im Detail die zur Vorbereitung einer ordnungsgemäßen Abwägung zu ermittelnden Sachverhalte den Planungsträgern vorzugeben. Es sollte jedoch gewährleistet sein, dass die von der Antragsgegnerin gewünschte „Angebotsplanung“ auch abstrakt auf einen Interessentenkreis stoßen kann und nicht jenseits aller Marktrealitäten Investitionen fordert, die auf unabsehbare Zeit offensichtlich nicht zu erwarten sind. Diese Frage ist unzureichend ermittelt worden.
- 41
d. Die zuvor dargestellten Ermittlungsdefizite sind auch nicht nach der Vorschrift des § 214 Abs. 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich. Insbesondere war der Mangel "offensichtlich" im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen (BVerwG, Beschluss vom 29.01.1992, Buchholz 406.11 § 214 BauGB Nr 6; vom 20.01.1992, ZfBR 1992, 138; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 214 Rn. 143;). Einen Verfahrensfehler macht die Gemeinde daher, wenn sie von der Planung berührte Belange nicht oder nicht hinreichend ermittelt, die ihr bekannt sind oder bekannt sein müssen.
- 42
Diese Fehler bei der Ermittlung im Sinne von § 2 Abs. 3 BauGB wirken sich zur Überzeugung des Senats auch bei der gebotenen hypothetischen Betrachtungsweise auf das Ergebnis des Verfahrens aus. Allgemein genügt dabei nicht die abstrakte Möglichkeit oder Vermutung, die Entscheidung wäre bei Vermeidung des Fehlers anders gefallen; vielmehr muss nach den Umständen des Einzelfalles die konkrete Möglichkeit eines solchen Einflusses bestehen (BVerwG, Urteil vom 21.08.1981, BVerwGE 64, 33 <39>; Beschluss vom 09.10.2003, BauR 2004, 1130; Urteil des Senats vom 15.11.2010, 1 C 10320/09, ESOVG-RP). Vorliegend bestehen für den Senat keine Zweifel, dass bei Vorlage einer ungünstigen Rentabilitätsprognose im Rahmen der Abwägung ein anderes Ergebnis zumindest naheliegend wäre, was die Ausgestaltung des Objekts (Möglichkeiten einer Mischnutzung) angeht. Dabei ist nicht ausschlaggebend, dass möglicherweise im Rat die Meinung vorherrschte, die in der Nachkriegszeit noch bestehende und in den Bebauungsplanunterlagen nicht näher beschriebene Hotelnutzung („Europäischer Hof“) an diesem Standort müsse – wenn auch in neuer Form – „um jeden Preis“ dort wieder entstehen, selbst wenn es sich um ein markfernes Projekt handeln sollte. Vielmehr ist von einem verständigen, die objektiven Gegebenheiten berücksichtigenden Ratsmitglied auszugehen. Die von dem Gesetz geforderte hypothetische bzw. potentielle Kausalität ist daher hier anzunehmen. Ergänzend ist hervorzuheben, dass hierdurch zugleich ein Ergebnis der Abwägung nicht vorweggenommen werden kann und die Ergebnisse eines etwaigen ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB wiederum am Maßstab von § 2 Abs. 3 und § 1 Abs. 7 BauGB zu messen sein würden.
- 43
3. Auf der Grundlage der vorgenannten Feststellungen kann offen bleiben, ob auch ein Verstoß gegen die Abwägungspflichten des § 1 Abs. 7 BauGB vorliegt. Für ein etwaiges ergänzendes Verfahren zur Behebung von Fehlern nach § 214 Abs. 4 BauGB sei jedoch auf das folgende hingewiesen:
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Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte Abwägungsgebot ist dann verletzt, wenn entweder eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt wird oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Rspr. des BVerwG seit Urteil vom 12.12.1969, E 34, 301, siehe zuletzt Beschluss vom 24.11.2010, 4 BN 40/10, juris). Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG muss der Plangeber – wie erwähnt – die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Begrenzungen der Eigentümerbefugnisse sind in diesem Rahmen als Ausfluss der Sozialgebundenheit des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen. Überschreitet der Plangeber die dargelegten Grenzen, so ist die Festsetzung unwirksam, hierauf gestützte Beschränkungen sind rechtswidrig und können im Wege des Primärrechtsschutzes abgewehrt werden (BVerwG, Beschluss vom 02.11.1998, ZfBR 1999, 43). Dabei gibt es keinen bundesrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass ein Bebauungsplan einem Grundstückseigentümer die Möglichkeit bieten muss, sein Interesse an der baulichen Nutzung des Grundstücks optimal zu verwirklichen; im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB kommt es nicht nur auf die Intensität der Beschränkung und das Gewicht der angestrebten Ziele, sondern auch darauf an, welche Bedeutung das Eigentumsrecht für die betroffenen Grundrechtsträger und Dritte hat (BVerfG, Beschluss vom 14.07.1981, E 58, 137; Urteil vom 01.03.1979, E 50, 290).
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Ob vor diesem Hintergrund die ausschließliche Beschränkung auf eine Hotel- bzw. Gastronomienutzung abwägungsgerecht ist, kann aus den oben genannten Gründen offen bleiben. Für ein etwaiges ergänzendes Verfahren nach § 214 Abs. 4 BauGB ist aber vorsorglich darauf hingewiesen, dass die mit Beschluss des Stadtrates vom 20.09.2000 vollzogene 1. Änderung des Bebauungsplan offenkundig zu einer rechtswidrigen Plansituation geführt hat, da die allgemeine Festsetzung eines Mischgebiets mit dem alleinigen Planzeichen „Hotel“ in Widerspruch steht und durch eine Textfestsetzungen keine weitere Bestimmungen getroffen werden. Bei einer Inzidentprüfung würde daher jedenfalls dieses „Stadium“ der Planung als unwirksam anzusehen sein, so dass der Antragsteller für sein am 02.01.2009 beantragtes Bauvorhaben nicht davon ausgehen kann, mit der Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplan fielen die Vorgaben des Planungsrechts auf einen Stand zurück, der mangels Bestimmbarkeit einer Hotelnutzung durch Wegfall der Zonierung im Plan kaum noch Beschränkungen für seine Flächen vorsähe. Sofern auch der Ursprungsbebauungsplan unwirksam sein solle – dies kann der Senat hier Verfahren offen lassen – wäre zudem zu prüfen ob sich das Grundstück des Antragstellers planungsrechtlich im Außenbereich befindet, was trotz der in diesem Verfahren nicht zu beanstanden Einordnung unter die Regelung des § 13a BauGB (s.o.) möglich erscheint und im Falle der Entscheidungserheblichkeit – etwa in einem Baugenehmigungsverfahren – näherer Betrachtung bedürfte.
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Der Senat geht schließlich auch nicht von einer teilweisen Unwirksamkeit des Bebauungsplans gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO aus, da nicht angenommen werden kann, dass die Gemeinde im Hinblick auf die ganz im Vordergrund stehende Errichtung eines Hotels und die weitgehend vollzogene Bebauung im übrigen Mischgebiet seit teilweise über 20 Jahren auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.01.2008, 4 B 5/08, juris Rn. 8 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 04.01.1994, ZfBR 1994, 138; Beschluss des Senats vom 15.03.2010, 1 B 11357/09, ESOVG-RP). Es steht vor diesem Hintergrund außer Frage, dass die Antragsgegnerin mit dem Bebauungsplan ein einheitliches Planungskonzept verfolgt hat.
- 47
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO.
- 48
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
- 49
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
- 50
Beschluss
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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000,-- € festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungs-gerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327 ff.).
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