Urteil vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (9. Senat) - 9 C 11855/16

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der beiden Beigeladenen, die diese jeweils selbst tragen.

Das Verfahren ist gebührenpflichtig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

Zum Sachverhalt

2

Der Kläger begehrt die Änderung des Flurbereinigungsplans in einem vereinfachten Flurbereinigungsverfahren. Er ist an diesem Verfahren beteiligt und hat Grundeigentum mit einer Fläche von insgesamt ca. 31 ha und einem Wertverhältnis von insgesamt ca. 115.854 Werteinheiten (WE) eingebracht.

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Unter Berücksichtigung eines Landabzugs ermittelte die Flurbereinigungsbehörde einen Abfindungsanspruch des Klägers i. H. v. rund 114.199 WE. Dieser Abfindungsanspruch wurde insbesondere durch Hinzurechnung von ca. 52.615 WE, die sich in der Summe aus Landverzichtserklärungen anderer Teilnehmer zu Gunsten des Klägers ergaben, auf rund 166.798 WE bereinigt. Als Abfindung hat der Kläger im Flurbereinigungsplan eine zusammen 52,4050 ha große und mit 169.303,19 WE bewertete Landabfindung zugeteilt erhalten. Die Differenz in Gestalt einer Mehrabfindung im Umfang von 2.504,32 WE errechnet sich aus dem Saldo verschiedener Einzelausgleiche.

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Mit seinem Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan begehrte der Kläger vor allem, dass ihm zwei Abfindungsflurstücke zugeteilt werden. Diese beiden Abfindungsflurstücke waren der beigeladenen Ortsgemeinde V. zugeteilt worden, und zwar das eine Grundstück als Fläche mit landespflegerischen Festsetzungen zum Ausgleich flurbereinigungsbedingter Eingriffe. Diese Fläche war auch als Maßnahme in den Wege- und Gewässerplan aufgenommen worden. Die zur Pflege und Nutzung dieses Flurstücks erforderlichen Maßnahmen sind im Einzelnen im Flurbereinigungsplan festgelegt worden. Das andere Grundstück war der Ortsgemeinde im Rahmen der sog. „Aktion Blau Plus“ (Naheprogramm) zugeteilt worden. Im Flurbereinigungsplan ist insoweit im Einzelnen geregelt, dass diese Fläche als Gewässerrandstreifen vom Grundstückseigentümer der natürlichen Gewässerentwicklung zu überlassen ist. Für den an den wasserwirtschaftlichen Zweck gebundenen Flächenerwerb hat die Ortsgemeinde öffentliche Zuschüsse erhalten.

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Zur Begründung seines Widerspruchs hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen:

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Die Abfindung sei insgesamt nicht wertgleich. Sein Betrieb sei aus Gründen der Existenzsicherung darauf angewiesen, bestmöglich an seiner Hofstelle arrondiert zu werden. Er habe vorgesehen, im Betrieb eine ganzjährige extensive Weidehaltung von Vieh aufzubauen. Das der Ortsgemeinde als landespflegerische Ausgleichsfläche zugewiesene Flurstück solle ihm – ebenso wie das „Aktion-Blau“-Flurstück - zur weiteren eigentumsrechtlichen Arrondierung als Eigentum zugewiesen werden. Er habe seit dem Jahre 2011 die Absicht, auf einem ihm zugeteilten Abfindungsflurstück mit einer ehemaligen Z. eine Vermarktungsstelle einzurichten und die beiden daran angrenzenden Flurstücke der Gemeinde in das Vermarktungskonzept einzubinden.

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Die Flurbereinigungsbehörde hatte dem Kläger mitgeteilt, gegen die Übertragung der Ausgleichsfläche von der Ortsgemeinde an ihn bestünden unter der Voraussetzung keine Bedenken, dass die Belastung dieser Fläche mit allen Pflegebedingungen, Auflagen und Nutzungseinschränkungen in das Grundbuch übernommen werde. Zusätzlich müsse die zuständige Naturschutzbehörde der Übertragung zustimmen. Hingegen teilte die Obere Flurbereinigungsbehörde der Flurbereinigungsbehörde mit, eine Veräußerung oder ein Tausch von landespflegerischen Ausgleichsflächen an Privateigentümer sei unter den gegebenen Voraussetzungen kaum denkbar. Des Weiteren scheide eine Veräußerung von Aktion-Blau-Flächen an Private aufgrund der Funktion und der Zweck- und Lagegebundenheit dieser Grundstücke aus.

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Vor der mündlichen Verhandlung der Spruchstelle über seinen Widerspruch hat der Kläger mit der Ortsgemeinde, die seine diesbezüglichen Planungen unterstützt, vereinbart, dass die in Rede stehenden Abfindungsflurstücke ihm ohne Zweckbindung zugeteilt werde sollen. Im Gegenzug solle der Kläger ihm zugeteilte, in der Nähe des gemeindlichen Weihers gelegene Flächen für eine neue Landespflegefläche und für eine neue Aktion-Blau-Fläche abgeben.

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Die Spruchstelle für Flurbereinigung wies den Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung zurück, die dem Kläger zugewiesene Landabfindung stehe uneingeschränkt mit den Abfindungsgrundsätzen des § 44 FlurbG im Einklang. Die Landabfindung sei zutreffend bemessen, die Einlageflächen und die Abfindungsflächen seien wertgleich. Der Wert der bereinigten Abfindung übersteige den Abfindungsanspruch. Die Landabfindung sei nach § 44 FlurbG ermessensfehlerfrei gestaltet worden, unter Berücksichtigung aller Umstände die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. Auch seien die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse aller Teilnehmer gegeneinander in nachvollziehbarer Weise fehlerfrei abgewogen worden. Beim Planwunschtermin im Jahre 2010 habe der Kläger trotz einer entsprechenden Mitwirkungspflicht auf ein Vorhaben „Vermarktungsstelle Z.“ nicht hingewiesen. Im Übrigen sei das der Behörde bekannte Betriebskonzept des Klägers zur extensiven Tierhaltung bei der Zuteilung vollumfänglich berücksichtigt worden. Der Bereich der Hofstelle sei mit 32 ha arrondiert worden, indem seinem Betrieb zwei als Tierweide geeignete Blöcke von je 16 ha zur Verfügung gestellt worden seien. Die von ihm schon lange geplante extensive Tierhaltung, die nicht vom Standort der Vermarktungsstelle abhängig sei, könne nun direkt umgesetzt werden. Die Überlegungen des Klägers im Zusammenhang mit der ehemaligen Z. gingen über die Schaffung eines Hofladens, der auf dem Z.n-Grundstück räumlich möglich sei, hinaus, da er einen Hofladen mit Einkehrmöglichkeit plane und dafür das als Ausgleichsfläche vorgesehene Flurstück in Anspruch nehmen wolle. Die diesbezüglichen Landverzichtserklärungen nach § 52 FlurbG dürften nur unter der Regie der Flurbereinigungsbehörde abgegeben werden, deren Sache es sei, zu beurteilen, ob der Landverzicht dem Zweck der Flurbereinigung oder Siedlungszwecken diene. Der aktuelle Vorschlag des Klägers, die Landespflege- und die Aktions-Blau-Fläche lagemäßig zum Weiher zu verschieben, sei nicht umsetzbar. Da das Projekt einer Vermarktungsstelle „Z.“ im Verbund mit den angrenzenden Landespflege- und Aktion-Blau-Flächen im Planwunschtermin noch nicht bestanden habe, habe es im Rahmen der Abwägung bei der Zuteilung nicht berücksichtigt werden können. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Änderung der Planung im Nachhinein. Bei einem Tausch der Landespflege- und der Aktion-Blau-Fläche sei aber eine Änderung des Wege- und Gewässerplans in einem förmlichen Verfahren erforderlich, für das eine Dauer von mindestens zwei Jahren anzusetzen wäre und dessen Ausgang wegen der Notwendigkeit der Beteiligung diverser Stellen ungewiss sei.

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Mit der vorliegenden Klage verfolgte der Kläger sein Begehren nur hinsichtlich des Ausgleichsflächenflurstücks weiter. Eine wertgleiche Landabfindung nach § 44 FlurbG liege im Ergebnis schon deshalb nicht vor, weil die Flurbereinigungsbehörde zu Unrecht den Verzicht der Ortsgemeinde auf Landabfindung überhaupt nicht in ihre Entscheidung habe einfließen lassen. Ihre Auffassung, ein Verzicht auf Landabfindung nach § 52 FlurbG sei nur dann wirksam, wenn die Flurbereinigungsbehörde ihn genehmige, sei unzutreffend. § 52 FlurbG regele nur, dass die Zustimmung zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form bedürfe; diese Form sei hier gegenüber der Flurbereinigungsbehörde gewahrt.

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Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat im Wesentlichen auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

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Die beigeladene Ortsgemeinde hat deutlich gemacht, sie unterstütze nach wie vor die Planungen des Klägers.

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Die Klage hatte keinen Erfolg.

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Aus den Gründen:

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Änderung des Flurbereinigungsplanes für die vereinfachte Flurbereinigung V.. Dieser ist in Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (1.). Ebenso wenig steht dem Kläger der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung zu (2.).

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1. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Änderung des Flurbereinigungsplanes kommt hier nur § 44 des Flurbereinigungsgesetzes – FlurbG – in Frage. Danach ist jeder Teilnehmer für seine Grundstücke mit Land von gleichem Wert abzufinden. Neben den bei der Wertermittlung festgestellten Grundstückswerten sind dabei weitere wertbestimmende Faktoren zu berücksichtigen. Jeder Teilnehmer hat einen Anspruch auf volle gerichtliche Überprüfung, ob seine Abfindung – im Ergebnis – dem Gebot wertgleicher Abfindung unter ordnungsgemäßer Berücksichtigung aller gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren genügt. Ist danach die Wertgleichheit gegeben und somit der Bestand der eingebrachten Werte gesichert, findet eine darüber hinausgehende gerichtliche Kontrolle des Abwägungsvorgangs der Flurbereinigungsbehörde nur noch daraufhin statt, ob ein Verstoß gegen das Willkürverbot vorliegt oder ob konkretisierte und verfestigte betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten, die nicht bereits im Bestand angelegt und deshalb bei der Gleichwertigkeitsprüfung zu berücksichtigen waren, angemessen berücksichtigt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2006 – 10 C 4.05 –, BVerwGE 126, 303, Rn. 25 ff. und 31).

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Der Kläger hat durch den Flurbereinigungsplan eine in diesem Sinne wertgleiche Landabfindung erhalten.

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a) Seine Landabfindung ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zutreffend bemessen, denn er hat für seine Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge auf der Grundlage der nach den §§ 27 bis 32 FlurbG bestandskräftig ermittelten Werte Land von mindestens gleichem Wert erhalten. Wie sich aus der Gegenüberstellung von Einlage und Abfindung nach Werteinheiten im Tatbestand ergibt, steht seinem bereinigten Abfindungsanspruch in Höhe von 166.798,87 WE eine mit 169.303,16 WE bewertete Abfindung gegenüber. Die Mehrabfindung im Umfang von 2.504,32 WE ist im Widerspruchsbescheid nachvollziehbar erklärt worden und wird im Übrigen vom Kläger nicht in Frage gestellt.

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b) Auch die nach § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG vorzunehmende Gestaltung der Landabfindung ist nicht zu beanstanden.

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(1) Sie genügt zunächst dem Entsprechungsgebot nach § 44 Abs. 4 FlurbG. Danach soll die Landabfindung eines Teilnehmers nach Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Entfernung vom Wirtschaftshof oder von der Ortslage seinen alten Grundstücken entsprechen, soweit es mit einer großzügigen Zusammenlegung nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen vereinbar ist. Hier sind keine wesentlichen Unterschiede festzustellen. Wie sich aus der Gegenüberstellung seines alten Besitzstandes mit seinem neuen Besitzstand auf den Karten Bl. 107 und 108 des Widerspruchseinzelheftes anschaulich ergibt, ist der Kläger weitgehend im Bereich seiner Einlageflurstücke abgefunden worden.

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Der Flurbereinigungsplan verstößt auch nicht gegen das Gebot, die Landabfindung in möglichst großen Grundstücken auszuweisen (§ 44 Abs. 3 Satz 1 FlurbG). Vielmehr ergibt sich aus der Karte seines neuen Besitzstandes (Bl. 108 des Widerspruchseinzelheftes), dass die Landzuweisung mit zwei großen Blöcken von jeweils etwa 16 ha im Bereich seiner Hoffläche erfolgte, sein neuer Besitzstand also mit rund 32 ha im Bereich seiner Hofstelle arrondiert wurde. Damit wurde das Betriebskonzept des Klägers zur extensiven Tierhaltung, soweit es der Flurbereinigungsbehörde rechtzeitig bekannt war, bei der Zuteilung besonders berücksichtigt.

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Bei der Abfindungsgestaltung wurden auch gemäß § 44 Abs. 2, 2. Halbsatz FlurbG alle Umstände berücksichtigt, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. Dabei handelt es sich um Umstände, die nicht Gegenstand der Wertermittlung waren, weil sie wegen ihrer Abhängigkeit von der Eigenart des konkreten Betriebes oder der konkreten Abfindungsgestaltung nicht berücksichtigt werden konnten oder aus anderen Gründen unberücksichtigt geblieben sind. Dies ist im Widerspruchsbescheid (S. 9 f.) im Einzelnen nachvollziehbar dargestellt worden und wird vom Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert in Frage gestellt.

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(2) Im Kern geht es dem Kläger vielmehr – wie aus dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag ersichtlich – nur noch darum, zur (weiteren) Arrondierung von Flächen um die auf seinem Abfindungsflurstück Flur …, Flurstück Nr. … in und um das Gebäude einer ehemaligen Z. geplanten Vermarktungsstelle für seine Produkte das der Beigeladenen zu 2.) zugeteilte Abfindungsflurstück Flur … Nr. … zu erhalten; im Austausch dafür möchte er die ihm zugeteilten, im Klageantrag genannten Abfindungsflurstücke bzw. Flurstückteile abgeben.

25

Der Kläger hat indessen keinen Anspruch auf eine derartige weitergehende Zusammenlegung von Flächen in diesem Bereich.

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Grundsätzlich gilt, dass kein Teilnehmer einen Anspruch darauf hat, dass ihm bestimmte Flurstücke zugewiesen werden, auch wenn er in deren Lage Flurstücke eingebracht hat; denn ein solcher Anspruch würde eine Flurbereinigung unmöglich machen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. November 1998 – 11 B 93.98 –, RdL 1999, 65 und juris, Rn. 7; Mayr, in: Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 44, Rn. 40, m.w.N.). Ein Ausnahmefall, aus dem sich ein solcher konkreter Zuweisungsanspruch ergeben könnte, ist vorliegend unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gegeben:

27

So liegt zunächst eine bindende Zusicherung der Flurbereinigungsbehörde, dem Kläger das Abfindungsflurstück Nr. … zuzuweisen, nicht vor. Zwar ist es der Flurbereinigungsbehörde im Rahmen ihres weiten Gestaltungsermessens grundsätzlich erlaubt, auch bindende Zusagen für Abfindungen in bestimmter Lage zu geben (vgl. Mayr, a.a.O., § 44, Rn. 45, m.w.N.). Solche Zusicherungen sind jedoch nur wirksam, wenn sie den §§ 38, 44 VwVfG genügen, das heißt sie müssen schriftlich ergehen, hinreichend bestimmt sein und von dem zuständigen Bediensteten der Flurbereinigungsbehörde stammen; darüber hinaus darf die Zusicherung nicht ohne Abwägung der Belange der anderen Betroffenen und nicht ohne Orientierung am Flurbereinigungszweck ergehen (vgl. zum Ganzen: Mayr, a.a.O., § 44, Rn. 46, 46a, m.w.N.).

28

Das hier insoweit allein in Betracht kommende Schreiben der Flurbereinigungsbehörde vom 18. Dezember 2012 an den Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Denn darin werden lediglich „keine Bedenken“ gegen die Übertragung des Flurstücks Nr. … von der Beigeladenen zu 2.) an den Kläger unter den Voraussetzungen geäußert, dass die Belastung dieses als naturschutzrechtlicher Ausgleichsfläche vorgesehenen Flurstücks mit allen Pflegebedingungen, Auflagen und Nutzungseinschränkungen in das Grundbuch übernommen werde und zusätzlich die zuständige Naturschutzbehörde der Übertragung zustimme. Schon wegen der Abhängigkeit der Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde von diesen – nicht vorliegenden – Vorbehalten liegt keine bindende Zusicherung nach § 38 VwVfG vor.

29

Entgegen der Ansicht des Klägers steht ihm ein Anspruch auf Zuteilung des Flurstücks Nr. 66 auch nicht aufgrund eines Landverzichts der Beigeladenen zu 2.) i.S.v. § 52 FlurbG zu.

30

Nach § 52 Abs. 1 FlurbG kann ein Teilnehmer mit seiner Zustimmung statt in Land ganz oder teilweise in Geld abgefunden werden (Verzicht auf Landabfindung). Mit den Regelungen der §§ 52, 53 FlurbG soll Teilnehmern, etwa Nichtlandwirten, die an Landbesitz überhaupt nicht oder an bestimmten Flächen nicht interessiert sind, ermöglicht werden, ohne notarielle Verhandlung und Auflassung rasch und billig Land abzugeben; ein solcher Verzicht ist nicht nur zugunsten der Teilnehmergemeinschaft, sondern auch zugunsten Dritter möglich, etwa zugunsten anderer Teilnehmer (vgl. zum Ganzen: Mayr, a.a.O., § 52, Rn. 1 und 3). Gemäß § 52 Abs. 2 FlurbG bedarf der Verzicht zu seiner Wirksamkeit der Schriftform (§ 126 BGB) oder der Niederschrift nach §§ 129 bis 131 BGB; er kann auch in einer Planvereinbarung oder einem Vergleich erklärt werden (vgl. Mayr, a.a.O., § 52, Rn. 2a). Darüber hinaus bedarf der Verzicht, um die Rechtsfolge des Erwerbs des Abfindungsanspruchs des Verzichtenden durch den begünstigten Dritten auszulösen, der aktenkundigen Annahme durch die Behörde, bei der es sich um einen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt handelt; auch die Ablehnung des Verzichts ist Verwaltungsakt, wobei Annahme wie Ablehnung im Ermessen der Behörde stehen („kann“ in § 52 Abs. 1 FlurbG; vgl. Mayr, a.a.O., § 52, Rn. 3b und 5). Dabei hat die Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen eines wirksamen Verzichts in formeller und materieller Hinsicht zu kontrollieren; in materieller Hinsicht setzt der Verzicht (auch derjenige zugunsten eines Dritten) voraus, dass er den Zwecken der Flurbereinigung oder Siedlungszwecken dient, etwa den Zwecken, denen nach § 39, 40, 47 und 88 FlurbG ein Landabzug dienen darf (vgl. Mayr, a.a.O., § 52, Rn. 3a).

31

Danach liegt hier schon deshalb kein wirksamer Verzicht der Beigeladenen zu 2.) vor, weil es ihr an der – von § 52 FlurbG vorausgesetzten – Verzichtsberechtigung hinsichtlich des in Rede stehenden Flurstücks Nr. 66 fehlt. § 52 FlurbG setzt nach seinem erkennbaren Sinn und Zweck, einen Verzicht auf eine für eingebrachtes Land erhaltene Landabfindung zu ermöglichen, voraus, dass dem Verzichtenden das den Gegenstand des Verzichts darstellende Abfindungsland für von ihm eingebrachtes Einlageland zugeteilt worden ist. Daran fehlt es vorliegend hinsichtlich des Flurstücks Nr. … . Wie der Beklagte in der Klageerwiderung zutreffend dargelegt hat, sind der Beigeladenen zu 2.) als Ortsgemeinde die beiden Flurstücke nicht für von ihr eingebrachtes Einlageland, sondern zusätzlich unter einer konkreten Zweckbestimmung zugeteilt worden. Diese Zuteilung steht in keinem Zusammenhang mit dem Abfindungsanspruch der Gemeinde für eingebrachtes Land, so dass der Verzicht – entgegen § 52 Abs. 2 FlurbG – auch keinen Anspruch auf wertentsprechende Abfindung in Geld auslösen kann. Die Zuteilung des Flurstücks erfolgte vielmehr an die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechts, um die Erfüllung des im Flurbereinigungsplan für dieses Flurstück festgelegten besonderen Zweckbestimmungen zu gewährleisten, die auch als Maßnahme 721 in den Wege- und Gewässerplan verbindlich aufgenommen worden sind. Das Flurstück soll der Herstellung und Unterhaltung von gemeinschaftlichen Anlagen i.S.v. § 42 Abs. 2 FlurbG durch die Beigeladene zu 2.) dienen, um durch die vorgesehenen Maßnahmen den erforderlichen naturschutzrechtlichen Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft infolge von Veränderungen im Wege- und Gewässernetz im Flurbereinigungsgebiet zu gewährleisten. Dies steht von vornherein einem Verzicht der Ortsgemeinde auf dieses ihr zugeteilte Flurstück im Wege eines „freien Ermessens“ zwingend entgegen.

32

Darüber hinaus fehlt es an der erforderlichen Annahme des Verzichts durch die Flurbereinigungsbehörde. Zwar hat diese im Jahr 2013 ein Formular für eine Verzichtserklärung, die das Flurstück Nr. … betraf, vorbereitet und offenbar der Beigeladenen zu 2.) und dem Kläger zur Unterschrift zugeleitet. Diese rein formale Hilfe bei der Vorbereitung einer von zwei Teilnehmern beabsichtigten Verzichtsvereinbarung stellte aber noch keine (gleichsam vorgezogene) Annahme des Verzichts als Verwaltungsakt dar, sondern geschah ersichtlich unter dem Vorbehalt der Prüfung, ob die einzureichende Verzichtsvereinbarung in formeller und materieller Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen genügt. Nachdem die eingeschaltete Obere Flurbereinigungsbehörde sich mit Schreiben vom 12. Juni 2013 klar gegen eine Annahme der Verzichtsvereinbarung wegen erheblicher materiell-rechtlicher Bedenken ausgesprochen hatte, ist zumindest keine Annahmeerklärung in Form eines der Bekanntgabe bedürftigen Verwaltungsakts gegenüber der Beigeladenen zu 2.) als Adressatin ergangen, soweit man die Mitteilung der Auffassung der Oberen Flurbereinigungsbehörde an die Beigeladene zu 2.) nicht sogar bereits als Ablehnung der Annahme wertet.

33

(3) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, ihm stünde ein Anspruch auf Annahme der Landverzichtserklärung der Beigeladenen zu 2.) durch die Flurbereinigungsbehörde hinsichtlich des Flurstücks Nr. … zu. Abgesehen davon, dass es der Beigeladenen zu 2.) aus den vorgenannten Gründen hinsichtlich dieses Flurstücks bereits an einer Verzichtsberechtigung fehlte, ist die Annahme des Verzichts hier auch deshalb abwägungsfehlerfrei verweigert worden, weil er eine Änderung des Wege- und Gewässerplans erfordern würde. Wie bereits ausgeführt, ist die Fläche des Flurstücks Nr. … als Maßnahme Nr. 721 in den Wege-und Gewässerplan (Plan nach § 41 FlurbG) aufgenommen worden. Im Widerspruchsbescheid ist in nicht zu beanstandender Weise ausgeführt worden, dass ein Tausch dieser mit naturschutzrechtlichen Auflagen zur Pflege und Entwicklung belasteten Fläche ein förmliches, zeitaufwendiges Verfahren zur Änderung des Wege- und Gewässerplans erfordern würde, dessen Ausgang wegen der Notwendigkeit der Beteiligung zahlreicher Stellen zudem ungewiss wäre. Der Widerspruchsbescheid hat abwägungsfehlerfrei weiter darauf abgestellt, dass der Kläger das Projekt einer Vermarktungsstelle im Bereich der ehemaligen Z. unter Einbeziehung des Flurstücks Nr. … im Planwunschtermin noch nicht mitgeteilt hatte (dazu noch nachfolgend), weshalb er im Nachhinein keine Änderung der Planung beanspruchen könne.

34

(4) Liegen danach besondere Ausnahmegründe, aus denen sich ein Anspruch des Klägers gerade auf Zuteilung des Abfindungsflurstücks Nr. … ergeben könnte, nicht vor, so ist im Übrigen eine gerichtliche Kontrolle des Abwägungsvorgangs vorliegend nicht geboten.

35

Anhaltspunkte für eine willkürliche Entscheidung der Flurbereinigungsbehörde bestehen nicht.

36

Die Voraussetzungen für eine Kontrolle, ob betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten angemessen berücksichtigt worden sind, liegen nicht vor. Wie eingangs ausgeführt, setzt dies voraus, dass konkretisierte und verfestigte betriebliche Entwicklungsmöglichkeiten vorliegen, die nicht bereits im Bestand angelegt und deshalb bei der Gleichwertigkeitsprüfung zu berücksichtigen waren. Dabei ist der Teilnehmer aufgrund seiner Mitwirkungspflicht gehalten, im Planwunschtermin in Form eines qualifizierten Planwunsches auf die maßgeblichen Gesichtspunkte hinzuweisen und konkrete Gestaltungswünsche zu unterbreiten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. August 2006, a.a.O., Rn. 30 bis 32).

37

An einem solchen qualifizierten Planwunsch fehlt es hier jedoch in Bezug auf eine Zuteilung des Abfindungsflurstücks Nr. …: Im Planwunschtermin, an dem der Kläger teilgenommen hat, wurde nur allgemein eine Abfindung „um unseren Hof“ mit bestimmten Maßgaben geltend gemacht (vgl. Bl. 44 des Widerspruchseinzelhefts). Von einem Konzept, in der ehemaligen Z. auf dem Abfindungsflurstück Nr. … ein Vermarktungszentrum einzurichten und dazu auch umliegende Flächen wie das Flurstück Nr. … beanspruchen zu wollen, war damals nicht ansatzweise die Rede. Auch nach seinem eigenen Vorbringen hat der Kläger ein solches Vermarktungskonzept erst später – im Jahre 2011 – entwickelt, nachdem der frühere Eigentümer des Abfindungsflurstücks Nr. … zu seinen Gunsten eine entsprechende Verzichtserklärung abgegeben hatte. Eine diesbezügliche betriebliche Entwicklungsmöglichkeit unter Einbeziehung des Abfindungsflurstücks Nr. … war mithin der Flurbereinigungsbehörde gegenüber im maßgeblichen Zeitpunkt des Planwunschtermins nicht unterbreitet worden.

38

Ist damit eine Kontrolle des Abwägungsvorgangs nicht eröffnet, kann dahingestellt bleiben, ob die von dem Beklagten geltend gemachten Gründe, mit Rücksicht auf die Interessen der übrigen Teilnehmer der Flurbereinigung von einer Änderung des Wege- und Gewässerplans abzusehen, abwägungsfehlerfrei sind.

39

2. Liegen aus den dargelegten Gründen der gerichtlichen Kontrolle unterliegende Abwägungsfehler nicht vor, so kann der Kläger auch mit seinem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Neubescheidung von vornherein nicht durchdringen.

40

Dem Kläger bleibt es aber unbenommen, nach Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens bei der Beigeladenen zu 2.) gemäß § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG eine Änderung der maßgeblichen Festsetzungen des – dann als gemeindliche Satzung fortgeltenden – Flurbereinigungsplans durch eine Satzung der Beigeladenen zu 2.) zu beantragen, nachdem er mit der Beigeladenen zu 2.) als zuständiger Ortsgemeinde offenbar eine Einigung über den von ihm begehrten Tausch des Abfindungsgrundstücks Nr. … erzielt hat. Neben der nach § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG hierfür erforderlichen Zustimmung der Kreisverwaltung als Gemeindeaufsichtsbehörde wird es dazu auch der Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörde bei der Kreisverwaltung bedürfen. Diese hat ihr Einverständnis hierzu nach den Angaben in dem vom Kläger eingeholten und zur Gerichtsakte gereichten Gutachten des Ingenieurbüros R. vom 3. November 2017 bisher nur unter der Voraussetzung als grundsätzlich möglich angesehen, dass die Tauschflächen sowohl quantitativ als auch qualitativ funktional die gleiche naturschutzfachliche Eignung wie die bestehende Ausgleichsfläche aufweisen, was in einem Fachbeitrag Naturschutz einschließlich einer Artenschutzprüfung nachgewiesen werden müsse. Ob das vorgelegte Gutachten R. diesen Anforderungen genügt, ist nicht vom erkennenden Senat, sondern gegebenenfalls von der Unteren Naturschutzbehörde zu beurteilen.

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