Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 3 R 2/05

Tenor

Die Berufung gegen das auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2005 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 4 K 156/03 – wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die 1984 geborene Klägerin leidet infolge einer globalen Entwicklungsstörung nach Frühgeburt an einer schweren, nicht nur vorübergehenden geistigen Behinderung. Seit 1987 erhält sie Eingliederungshilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz. Ab Anfang 1996 war sie zunächst vollstationär im P.-Haus in A-Stadt untergebracht. Vom 1.7.2003 an folgte ein vollstationärer Aufenthalt im Pflegeheim „Seid Getrost“ in Ottweiler. Seit Januar 2005 befindet sie sich im Heim der „Lebenshilfe“ in A-Stadt. Außerdem besucht sie bereits seit Juli 2002 die Tagesförderstätte der „Lebenshilfe“ in Spiesen-Elversberg, wofür ihr Eingliederungshilfe gewährt wird.

Durch Bescheid vom 13.6.2002 lehnte der Beklagte den Antrag auf Übernahme der Kosten für die weitere Betreuung der Klägerin im P.-Haus nach Beendigung der Schulpflicht mit Wirkung vom 26.6.2002 ab und verwies sie auf den Einsatz ihres Vermögens, das sie von ihrem im Dezember 1998 verstorbenen Vater geerbt hatte. Vom 27.6.2002 an bestritt die Klägerin die Kosten ihres weiteren Aufenthaltes im P.-Haus zunächst selbst.

Mit Schreiben vom 7.12.2002 beantragte die Klägerin, die – Stand 2004 - beamtenrechtliche Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 232,97 Euro, eine Rente der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Höhe von 107,67 Euro und ein Pflegegeld der BEK in Höhe von rund 1.200,-- Euro monatlich erhält (siehe die Aufstellung vom 7.5.2004 in der „Notakte“), die Übernahme der Kosten ihrer Heimunterbringung ab dem Monat Februar 2003 und machte geltend, von diesem Zeitpunkt an sei sie nicht mehr in der Lage, diese Kosten selbst aufzubringen. Daraufhin angestellte Ermittlungen des Beklagten ergaben, dass die Klägerin testamentarische Alleinerbin ihrer am 22.3.2002 verstorbenen Großmutter geworden war. Der Nachlass umfasste – soweit hier wesentlich – ein Hausgrundstück, das mittlerweile mit einem Erlös von 125.000,-- Euro veräußert werden konnte, sowie ein Barvermögen in Höhe von 20.965,09 Euro. In dem der Erbschaft zugrunde liegenden notariellen Testament vom 12.5.2000 ist die Klägerin zur alleinigen und unbeschränkten Erbin eingesetzt. Außerdem ist Testamentsvollstreckung – soweit hier wesentlich – „zur Verwaltung des gesamten Nachlasses bis zum Tode der Erbin“ mit folgenden Vorgaben angeordnet:

„Der Testamentsvollstrecker hat das vererbte Vermögen der Erbin in Form folgender Leistungen zuzuwenden:

- Überlassung von Geldbeträgen in Höhe des jeweiligen Rahmens, der nach den jeweiligen einschlägigen Gesetzen einem Sozialhilfeempfänger maximal zur Verfügung stehen kann,

- Geschenke zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten und zum Geburtstag, wobei bei der Auswahl der Geschenke auf die Bedürfnisse und Wünsche der Erbin ausdrücklich einzugehen ist,

- Zuschüsse zur Finanzierung eines Urlaubs und zur Urlaubsgestaltung,

- Zuwendung zur Befriedigung geistiger und künstlerischer Bedürfnisse sowie zur Befriedigung der individuellen Bedürfnisse der Erbin in Bezug auf Freizeit, wozu insbesondere auch Hobbys und Liebhabereien zählen.

Für welche der genannten Leistungen der vererbte Vermögen verwendet werden soll, ob dieses also auf sämtliche Leistungen gleichmäßig oder nach einem bestimmten Schlüssel verteilt werden oder ob dieser nur für eine oder mehrere der genannten Leistungen verwendet wird, entscheidet der Testamentsvollstrecker nach billigem Ermessen, wobei er allerdings immer auf das Wohl der Erbin bedacht sein muss. Im Übrigen gelten für die Testamentsvollstreckung die gesetzlichen Bestimmungen.“

Mit Bescheid vom 27.6.2003 lehnte es der Beklagte ab, die Kosten der vollstationären Betreuung der Klägerin mit Wirkung vom 1.2.2003 im Rahmen der Eingliederungshilfe zu übernehmen. Zur Begründung verwies er auf die Nachrangigkeit der Sozialhilfe und führte aus, die Klägerin habe am 22.3.2002 außer einem Mehrfamilienhaus, für das ein Verkaufserlös von 125.000,-- Euro habe erzielt werden können, noch Barvermögen geerbt, über das sie zwischenzeitlich verfügen könne. Ferner seien ihrem Konto seit der Antragstellung weitere Leistungen gutgeschrieben worden. Allein infolge der vorhandenen Barmittel liege über den 31.1.2003 hinaus keine Sozialhilfebedürftigkeit vor. Die Kostenübernahme für die Tagesförderstätte bleibe von dieser Entscheidung unberührt.

Hiergegen erhob die Klägerin am 4.7.2003 Widerspruch und machte geltend, bei dem Testament handele es sich um ein nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wirksames so genanntes Behindertentestament. Bei einem solchen Testament stehe der Nachlass nicht als nach § 88 Abs. 1 BSHG einzusetzendes Vermögen zur Verfügung, wenn dem Erblasserwillen zu entnehmen sei, dass der Nachlass nicht zum Bestreiten der allgemeinen Unterbringungskosten eines im Heim lebenden Behinderten verwendet werden solle. Vorliegend zeigten die Auflagen des Testamentes, dass es Ziel der Erblasserin gewesen sei, die Lebensbedingungen der Klägerin über die von der Sozialhilfe geleistete Versorgung hinaus durch zusätzliche Annehmlichkeiten und Vorteile zu verbessern. Dieses Ziel sei legitim und mache das Testament keineswegs sittenwidrig. Der Nachlass stehe der Klägerin daher nicht zur Verfügung. Der Grundsatz der Nachrangigkeit komme hier nicht zum Tragen.

Der Widerspruch wurde nach Beteiligung sozial erfahrener Personen im Widerspruchsverfahren durch Bescheid des Beklagten vom 22.9.2003 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, die von der Klägerin angeführte höchstrichterliche Rechtsprechung zum so genannten Behindertentestament sei vorliegend nicht einschlägig, da die Klägerin weder als Vorerbin eingesetzt noch ein Ersatzerbe oder ein Nacherbe bestimmt worden sei. Ebenso wenig ergebe sich aus dem Wortlaut des Testaments der konkrete Wille der Erblasserin, dass der Nachlass nicht zum Bestreiten der Kosten der allgemeinen Heimunterbringung verwendet werden solle. Die von der Erblasserin verfügten Zuwendungsbereiche beträfen sämtlich nicht den existenziellen Lebensunterhalt.

Am 7.10.2003 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Sie hat ihren Rechtsstandpunkt wiederholt und vertieft und außerdem vorgetragen, der Notar, der das Testament ihrer Großmutter aufgenommen habe, habe in einem Schreiben vom 30.7.2003 bestätigt, dass es der Wille der Erblasserin gewesen sei, den Nachlass „sozialhilfeunschädlich“ zu vererben. Für die Auffassung des Beklagten, die Rechtsprechung zum so genannten Behindertentestament lasse sich nicht auf den hier gegebenen Fall der unbeschränkten Alleinerbin übertragen, böten die betreffenden Entscheidungen keine Grundlage. Sie könne schon wegen der angeordneten Testamentsvollstreckung und den Anordnungen der Erblasserin über die Verwendung des Nachlasses nicht zu Gunsten der Sozialhilfe über das Erbe verfügen.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 27.6.2003 und den Widerspruchsbescheid vom 22.9.2003 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten vollstationärer Heimunterbringung ohne Anrechnung der ihr aufgrund des Testaments der am 22.3.2002 verstorbenen Frau Lydia A. vom 12.5.2000 zugefallenen Erbschaft als Vermögen zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seine Verwaltungsentscheidungen verteidigt.

Während des Klageverfahrens hat das Amtsgericht Saarlouis durch Beschluss vom 9.10.2003 einen Testamentsvollstrecker für die letztwillige Verfügung der Großmutter der Klägerin bestellt (Blatt 22 der Gerichtsakten). Der Testamentsvollstrecker hat sich mit Schreiben vom 16.3.2004 an den Beklagten gewandt und ausgeführt, da die Großmutter der Klägerin in ihrem Testament genau angegeben habe, wofür das Geld zu verwenden sei, und weil das Erbe nicht im Verfügungsbereich der Klägerin liege, könnten die Kosten für die Heimunterbringung nicht aus dem Erlös des Hauses gedeckt werden. Außerdem hat der Testamentsvollstrecker die Rückerstattung der aus dem Barvermögen des Nachlasses bestrittenen Kosten der Heimunterbringung gefordert.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2005 ergangenes Urteil stattgegeben und die Berufung gegen seine Entscheidung zugelassen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die zwischen den Beteiligten allein umstrittene Frage, ob die Klägerin zur Bestreitung der durch ihre Pflegeversicherung nicht gänzlich gedeckten Kosten ihrer Heimunterbringung gemäß den §§ 2 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1, 88 Abs. 1 BSHG auf die vorrangige Verwertung der ihr aufgrund des Testaments ihrer Großmutter zugefallenen Erbschaft als Vermögen verwiesen werden könne, sei zu verneinen.

Die Klägerin sei zwar testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt, könne aber über den Nachlass nicht frei verfügen, da die Erblasserin Testamentsvollstreckung angeordnet und sinngemäß vorgegeben habe, dass der Nachlass nicht zur Begleichung solcher Kosten dienen solle, für die bei bestehender Sozialhilfebedürftigkeit der Träger der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz aufzukommen habe. Durch Anordnung der Testamentsvollstreckung sei gemäß § 2211 BGB der Zugriff der Klägerin und gemäß § 2214 BGB auch der Zugriff der Eigengläubiger der Klägerin auf den Nachlass ausgeschlossen worden. Mit den Bestimmungen über die Verwendung des Nachlasses habe die Erblasserin hinreichend deutlich ihren Willen zum Ausdruck gebracht, dass der Nachlass nicht für die allgemeinen Kosten der Heimbetreuung der Klägerin eingesetzt, sondern nur für über das Maß der Sozialhilfe hinausgehende Bedürfnisse der Klägerin verwendet werden solle. Diesen Sinn der testamentarischen Bestimmungen habe der beurkundende Notar in einem Schreiben an die Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausdrücklich bestätigt. Die Kammer habe keine andere sinnvolle Auslegungsmöglichkeit erkennen können. Im Hinblick hierauf stehe die Erbschaft nicht als einzusetzendes Vermögen zur Verfügung und einer Sozialhilfegewährung nicht entgegen. Dies entspreche einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 2.5.1997, wobei es keinen Unterschied mache, ob der im so genannten Behindertentestament bedachte Erbe wie in dem dort entschiedenen Fall befreiter Vorerbe oder wie hier Alleinerbe sei. Die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Testierfreiheit schließe eine gesetzliche Verpflichtung des Verfügenden aus, dem Behinderten unbeschränkten Nachlass zuzuwenden, um dessen Bedürftigkeit abzuwenden oder dem Sozialhilfeträger Rückgriffsmöglichkeiten zu eröffnen. Ein derartiges Behindertentestament entspreche anerkennenswerten Zielen des Erblassers und sei insbesondere nicht wegen Umgehung des im Bundessozialhilfegesetz selbst in nicht unerheblichem Umfang durchbrochenen Nachranggrundsatzes nichtig. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bautzen stehe in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Behindertentestamente, die den Rückgriff des Sozialhilfeträgers auf den Nachlass gezielt vereitelten, im Regelfalle nicht im Sinne von § 138 BGB sittenwidrig seien. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehe es im Falle des so genannten Behindertentestamentes nicht darum, dass der Hilfebedürftige eine eigene Unterhaltsquelle nicht ausschöpfe, sondern darum, ob es im Hinblick auf den Subsidiaritätsgrundsatz anstößig erscheine, wenn der Erblasser sein Vermögen im Interesse des behinderten Erben von Todes wegen so weiterleite, dass die Sozialbehörden keine Möglichkeit hätten, daraus ihre Aufwendungen für den Erben (teilweise) zu decken. Selbst das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung liege für die Eltern eines behinderten Kindes zu fern, als dass ihnen aus sittlichen Gründen abverlangt werden könne, nicht noch mehr für ihr Kind zu tun als die öffentliche Hand leiste. Eine andere Beurteilung ergebe sich vorliegend nicht daraus, dass Erblasser hier nicht ein Elternteil der Klägerin, sondern ihre Großmutter sei. Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Testierfreiheit. Wenn es schon für die Eltern an einer sittlichen Pflicht fehle, ihrem behinderten Kind von einer gewissen Größe ihres Vermögens an einen Erbteil zu hinterlassen, der es ihm ermögliche, nicht ausschließlich der Allgemeinheit zur Last zu fallen, so gelte das erst recht für die Großeltern des behinderten Erbberechtigten. So dürften Sozialbehörden liquide Unterhaltsansprüche von Behinderten gegen ihre womöglich sehr wohlhabenden Verwandten unter Umständen nur in sehr begrenztem Umfang beziehungsweise – insoweit nenne der Bundesgerichtshof unter Hinweis § 91 Abs. 1 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung ausdrücklich die Großeltern des Behinderten – überhaupt nicht geltend machen. Ein Unterschied zu den in der angeführten Rechtsprechung entschiedenen Fällen bestehe vorliegend auch nicht darin, dass die Klägerin als Alleinerbin anders als ein Vorerbe über den Nachlass verfügen könne. An einer solchen Verfügung sei die Klägerin vorliegend durch die angeordnete Testamentsvollstreckung und die hiermit verbundenen Auflagen gehindert. Im Übrigen sei auch ein befreiter Vorerbe von den Beschränkungen und Verpflichtungen gegenüber dem Nacherben weitgehend frei. Zudem habe die Einsetzung des behinderten Hilfeempfängers zum Alleinerben für den Sozialhilfeträger den Vorteil, dass er nach dessen Tod gemäß § 92 c BSHG auf den Nachlass – soweit noch vorhanden – Zugriff nehmen könne.

Sittenwidrig sei das Testament auch nicht wegen des Wertes des Nachlasses, der sich auf über 145.000,-- Euro belaufe. Selbst wenn es, was in der bisher ergangenen Rechtsprechung offen gelassen worden sei, eine Missbrauchsschranke gäbe, wäre diese hier nicht erreicht. Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn der Nachlass eine Höhe aufwiese, die nach den Umständen des Einzelfalles sowohl zum Bestreiten der allgemeinen Kosten der Heimunterbringung als auch zur Deckung derjenigen Kosten ausreichte, welche zur Verwirklichung der mit Blick auf die wohlverstandenen Interessen verfolgten anerkennenswerten Ziele des Erblassers erforderlich seien. Ein solcher Sachverhalt sei hier jedoch nicht gegeben. Nach den im Eilrechtsschutzverfahren 4 F 101/04 glaubhaft gemachten Angaben der Klägerin bewegten sich die nicht anderweitig gedeckten Heimunterbringungskosten zwischen monatlich 333,-- Euro und rund 1.029,-- Euro. Selbst wenn, ohne entsprechende Verteuerungen zu berücksichtigen, durchschnittliche ungedeckte Kosten von etwa 700,-- Euro monatlich zugrunde gelegt würden, reichte der Betrag von 145.000,-- Euro (nur) für etwa 17 Jahre zur Deckung der Heimunterbringungskosten aus. Dieser Zeitraum entspreche nicht annähernd der normalen Lebenserwartung der 1984 geborenen Klägerin. Eine über die allgemeinen Unterbringungskosten hinausgehende von der Rechtsprechung als anerkennenswert angesehene Versorgung der Klägerin wäre damit nicht auf Dauer sichergestellt. Der Klägerin könne ferner nicht entgegengehalten werden, sie hätte ihren Bedarf vorerst durch Geltendmachung eines Pflichtteilanspruches decken können. Dies hätte die Ausschlagung der Erbschaft erforderlich gemacht. Das habe die Klägerin nicht tun müssen, weil das ihrem wohlverstandenen Interesse Rechnung tragende Testament vom 12.5.2000 für sie günstiger sei, als die Geltendmachung des Pflichtteiles.

Außerdem hat das Verwaltungsgericht den Beklagten durch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2005 ergangenen Beschluss – 4 F 101/04 – vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten vollstationärer Heimunterbringung ohne Anrechnung der ihr infolge des Todes ihrer Großmutter zugeflossenen Erbschaft als Vermögen zu gewähren.

Das Urteil ist dem Beklagten am 10.2.2005 zugestellt worden.

Am 28.2.2005 ist dessen Berufung bei Gericht eingegangen. Der Beklagte wiederholt seinen bisherigen Rechtsstandpunkt und führt außerdem aus, die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Missbräuchlichkeit ließen unberücksichtigt, dass bei einer langfristigen Anlage des Nachlassvermögens am Kapitalmarkt durch eine Verzinsung von 4,5% allein ein Zinsertrag von 6.500,-- Euro jährlich erzielt werden könne. Schon dieser Zinsertrag würde ausreichen, um die der Klägerin zugedachten Zuwendungen zu finanzieren, ohne überhaupt das Kapital angreifen zu müssen. Mit dem ererbten Vermögen könnte ohne Berücksichtigung einer Verzinsung der Barbetrag der Hilfeempfängerin über circa 134 Jahre bestritten werden. Ein Verbrauch des Erbes für persönliche Bedürfnisse sei daher in Anbetracht der Höhe des Nachlasses auf lange Sicht nicht möglich. Die Verweisung auf einen Kostenersatz nach § 92 c BSHG stelle eine praktisch nicht zu realisierende Zugriffsmöglichkeit dar. Der Möglichkeit, der Erbin höhere Beträge zukommen zu lassen, sei Tür und Tor geöffnet. Unter Umständen müsste der Sozialhilfeträger in Zukunft auch noch die Kosten der „Annehmlichkeiten“ im Rahmen der Sozialhilfe übernehmen. Auch könne nicht überprüft werden, ob die zugedachten Beträge immer unter der Freibetragsgrenze lägen. Zudem könne der Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass Eltern keine sittliche Verpflichtung obliege, ihrem behinderten Kind einen Vermögensanteil zu hinterlassen, um seinen Bedarf unabhängig von Sozialhilfe sicherstellen zu können, nicht gefolgt werden. Da behinderte Kinder ebenso wie nicht behinderte voll pflichtteilsberechtigt seien, bestehe sogar eine rechtliche Verpflichtung hierzu. Das angefochtene Urteil laufe dem Subsidiaritätsgrundsatz zuwider, indem der Allgemeinheit die vollen Kosten der Heimunterbringung aufgebürdet würden, während der Hilfeempfängerin ohne Anrechnung des Vermögens ein erheblicher finanzieller Vorteil gegenüber Anderen erwachse. Dies sei mit Blick auf die Sozialbindung des Eigentums nicht nachvollziehbar und stelle zudem einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. So müsste zum Beispiel beim Bezug von Arbeitslosengeld II das Vermögen angerechnet werden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und führt aus, eine Missbrauchsgrenze bestehe nicht, da es letztlich um die Testierfreiheit gehe. Im Übrigen seien die Betrachtungen zur Missbrauchsgrenze mit Blick auf die Möglichkeit der Dauer der Bedarfsdeckung mittels des Nachlasses rein spekulativ. Bei genauer Betrachtung sei jedenfalls die Erbeinsetzung der Klägerin nicht sittenwidrig. Lediglich die Anordnung der Testamentsvollstreckung und die damit verbundenen Bestimmungen der Erblasserin könnten sittenwidrig sein. Da sie jedoch integraler Bestandteil des Testaments seien und die Klägerin ohne diese Auflagen wohl kaum als Erbin eingesetzt worden sei, wäre das Testament wohl insgesamt unwirksam und die gesetzlichen Erben müssten ermittelt werden. Die Klägerin sei nicht durch das Testament bedürftig geworden. Bedürftigkeit habe schon vorher bestanden. Der Erblasserin könnte daher allenfalls vorgeworfen werden, dass sie die Bedürftigkeit nicht beseitigt habe. Fraglich sei, ob sie hierzu verpflichtet gewesen sei. Sie hätte auch andere Gestaltungsmöglichkeiten nutzen können, um der Klägerin nur Mittel für bestimmte Zwecke zukommen zu lassen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, der weiteren Gerichtsakten 4 F 101/04 und 3 VF 1/05 sowie der in dieser Angelegenheiten entstandenen Behördenakten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die vom Verwaltungsgericht gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 1 VwGO zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten ihrer vollstationären Heimunterbringung ohne Anrechnung der ihr durch den Tod ihrer Großmutter aufgrund des Testaments vom 12.5.2000 zugefallenen Erbschaft hat.

Dass die Klägerin aufgrund ihrer schweren geistigen Behinderung zu dem Personenkreis gehört, der gemäß § 39 Abs. 1 BSHG (in der hier noch maßgeblichen bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) prinzipiell einen Anspruch auf Eingliederungshilfe hat, und dass sie zum Zwecke ihrer Eingliederung einer vollstationären Heimunterbringung bedarf (§§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG, 55 SGB-IX)

vgl. dazu, dass die Eingliederungshilfe nach den nicht abschließenden Katalogen der §§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG, 55 SGB-IX auch bei volljährigen Hilfebedürftigen die Hilfe in einem Wohnheim einschließen kann, Schellhorn, BSHG, 16. Auflage 2002, § 40 Rdnr. 76,

wird von dem Beklagten nicht in Frage gestellt und bedarf aus Anlass des Berufungsverfahrens keiner näheren Erörterung. Zu Unrecht nimmt der Beklagte indes an, dass die Klägerin – bezogen auf den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt zwischen dem im Antrag vom 7.12.2002 genannten Beginn der Hilfebedürftigkeit (1.2.2003) und der Widerspruchsentscheidung (22.9.2003) –

vgl. Armborst in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, Anhang III Rdnr. 85 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

die Kosten dieses Heimaufenthaltes, soweit sie nicht durch das ihr gewährte Pflegegeld und – sofern einzusetzen – durch ihre Versorgungsbezüge und Renten gedeckt werden, gemäß den §§ 2, 28, 88 Abs. 1 BSHG aus ihrem hier aus dem Nachlass ihrer Großmutter bestehenden Vermögen aufzubringen hat.

Der – unmittelbare – Einsatz dieses Nachlasses als Vermögen kann von der Klägerin schon deshalb nicht gefordert werden, weil er für sie kein verwertbares Vermögen im Verständnis von § 88 Abs. 1 BSHG darstellt. Verwertbarkeit setzt unter anderem in rechtlicher Hinsicht Verfügungsbefugnis voraus

vgl. Brühl in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 88 mit VO Rdnr. 17.

Daran fehlt es hier, weil die Großmutter der Klägerin im Testament vom 12.5.2000, durch das sie die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt hat, zugleich Testamentsvollstreckung und zwar dauerhaft bis zum Tode der Erbin angeordnet hat (§§ 2197, 2210 Satz 2 BGB). Die dadurch mit Eintritt des Erbfalls bewirkte Verfügungsbeschränkung hindert den Erben an der Verfügung über der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassgegenstände (§ 2211 BGB)

vgl. auch Palandt-Edenhofer, BGB, 65. Auflage 2006, § 2211 Rdnr. 2, wonach die Anordnung der Testamentsvollstreckung mit Eintritt des Erbfalles und gegebenenfalls auch vor Bestellung eines Testamentsvollstreckers die Verfügungsbefugnis des Erben beschränkt.

Außerdem schließt die Anordnung der Testamentsvollstreckung den Zugriff der Eigengläubiger des Erben auf der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassgegenstände aus (§ 2214 BGB).

Mangels Verfügungsbefugnis der Klägerin stellt der der dauerhaften Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlass demnach kein verwertbares Vermögen im Verständnis von § 88 Abs. 1 BSHG dar

vgl. VGH Mannheim Urteil vom 22.1.1992 – 6 S 384/90 -, NJW 1993, 152, zitiert nach Juris; OVG Bautzen, Beschluss vom 2.5.1997 – 2 S 682/96 -, NJW 1997, 2898.

Als Mittel zur Selbsthilfe, auf das die Klägerin vorliegend gegebenenfalls hätte verwiesen werden können, käme daher allenfalls ein Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Herausgabe der zur Bestreitung der Heimkosten benötigten Mittel in Betracht. Ob es sich bei einem dahingehenden Anspruch im hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum überhaupt um „bereite“, das heißt ohne weiteres realisierbare Mittel gehandelt hätte, erscheint fraglich, weil ein Testamentsvollstrecker als Adressat eines solches Anspruchs erstmals im Oktober 2003 und damit nach Erlass des Widerspruchsbescheides bestellt worden war

vgl. Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 9.10.2003 – 3 VI 432/2002 – Blatt 22 der Gerichtsakten

und dieser Testamentsvollstrecker in der Folge mit Schreiben vom 16.3.2004 an den Beklagten (Blatt 14 der Akten 4 F 101/04 -) die Verwendung des Nachlasses zum Begleichen der Kosten der Heimunterbringung abgelehnt hat. Das bedarf jedoch hier keiner abschließenden Beurteilung. Denn die Klägerin hat gegen den Testamentsvollstrecker keinen Anspruch darauf, dass dieser ihr Mittel aus dem Nachlass ihrer Großmutter zur Verfügung stellt, um die Kosten ihrer Heimunterbringung zu begleichen. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass zu verwalten (§ 2205 Satz 1 BGB) und die letztwilligen Anordnungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Die testamentarischen Bestimmungen der Großmutter der Klägerin über die Verwendung des Nachlasses schließen indes den Einsatz dieser Mittel zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung aus. Das hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, die sich der Senat zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 130 b VwGO). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass auch die von der Großmutter der Klägerin angeordnete dauerhafte Testamentsvollstreckung „bis zum Tode der Erbin“ mit Gewicht gegen die Annahme spricht, sie habe eine Verwendung des Nachlasses zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung zugelassen. Denn es ist davon auszugehen, dass sich die Großmutter bei der Anordnung der hinsichtlich ihrer Dauer durch die Lebenszeit ihrer Enkelin bestimmten Testamentsvollstreckung von der Vorstellung hat leiten lassen, dass während der gesamten Lebenszeit der 1984 geborenen und im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gerade einmal 16 Jahre alten Klägerin Mittel aus dem Nachlass zur Verfügung stehen sollten, um dieser die gemäß den Verwendungsbestimmungen zugedachten „Annehmlichkeiten“ zukommen zu lassen. Zu einer dahingehenden Annahme und damit auch zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bis zum Tode der Enkelin hätte sie indes keine Veranlassung gehabt, wenn sie eine Verwendung des Nachlasses auch zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung vorgesehen hätte. Denn in diesem Falle wäre der Nachlass, dessen Wert sich auf rund 145.000,-- Euro beläuft, bei normalem Gang der Dinge bis zum Tode der Enkelin längst aufgebraucht. Das gilt auch dann, wenn die von dem Beklagten angesprochene Kapitalverzinsung berücksichtigt wird, wobei – worauf noch zurückzukommen ist - in diesem Fall freilich nicht mit der Bruttoverzinsung gerechnet werden darf, sondern auch inflationsbedingte Wertverluste beziehungsweise eine Erhöhung der Heimunterbringungskosten in die Betrachtung einzustellen sind und nicht übersehen werden darf, dass die Vergütung des Testamentsvollstreckers (2.500,-- DM im Jahr) ebenfalls aus dem Nachlass und – ggf. – seiner Verzinsung aufzubringen ist. Auch wenn nicht unterstellt werden kann, dass die Großmutter der Klägerin eine nicht zuletzt angesichts der vielfältigen Unwägbarkeiten künftiger Entwicklungen und der Ungewissheit des eigenen Todeszeitpunktes ohnehin kaum verlässlich mögliche konkrete Vorstellung über die zeitliche Reichweite des Nachlasses bei Verwendung der Mittel für die im Testament bestimmten Zwecke entwickelt hat, kann jedenfalls angenommen werden, dass sie sich angesichts des für sie überschaubaren Umfanges des Nachlasses darüber im Klaren war, dass die Mittel bei einer Verwendung zur Deckung auch der Kosten der Heimunterbringung lange vor dem Zeitpunkt aufgebraucht sein würden, zu dem bei Zugrundelegung einer normalen Lebenserwartung mit dem Tod ihrer im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gerade einmal 16 Jahre alten Enkelin zu rechnen ist. Wenn sie gleichwohl Testamentsvollstreckung bis zu deren Tode anordnete, mithin die Vorstellung hegte, dass der Nachlass bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgebraucht sein würde, so stützt das in einer Gesamtschau mit den in der erstinstanzlichen Entscheidung angestellten Erwägungen den vom Verwaltungsgericht zutreffend gezogenen Schluss, dass die Verwendung des Nachlasses zum Bestreiten der Kosten der Heimunterbringung den testamentarischen Verwendungsanordnungen zuwider liefe.

 Gegen die Richtigkeit dieser Auslegung lässt sich auch nicht mit Erfolg einwenden, die von der Erblasserin getroffenen Verwendungsbestimmungen seien unvollständig, da sie wesentliche Bereiche, etwa eine über die Leistungen der Krankenkasse hinausgehende medizinische Versorgung, nicht erfassten. Die Auslegung, der Nachlass dürfe gemäß den Auflagen der Erblasserin nur „sozialhilfeunschädlich“ verwendet werden, setzt nicht voraus, dass die positiv bestimmten Verwendungszwecke abschließend sämtliche Bedürfnisse der Klägerin abdecken, die außerhalb des Leistungsumfangs der Sozialhilfe entstehen können. Es gibt keinen Grund, der die Erblasserin gehindert haben könnte, eine Verwendung des Nachlasses für solche Zwecke und Bedürfnisse der Klägerin festzulegen, die sie für bedeutsam hielt. Dass sie den Bereich einer durch Versicherungsleistungen nicht gedeckten medizinischen Versorgung nicht in ihre Verwendungsbestimmungen aufgenommen hat, kann durchaus darauf zurückzuführen sein, dass sie bei Abfassung des Testaments im Jahre 2000 eine angemessene medizinische Versorgung der Klägerin auch ohne Eigenbeiträge aus Nachlassmitteln für auf Dauer gewährleistet hielt. Im Übrigen kommt, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Blick auf die in der mündlichen Verhandlung in den Raum gestellten Kosten für Zahnersatz zutreffend hingewiesen hat, zumindest in Teilbereichen eine Übernahme solcher Kosten im Rahmen eines Geschenkes in Betracht.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine Verwendungsanordnung mit dem hier festgestellten Inhalt nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB nichtig (mit der Folge eines entsprechenden Herausgabeanspruchs der Klägerin gegen den Nachlassverwalter).

Angesichts der durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten prinzipiellen Testierfreiheit kann die Sittenwidrigkeit einer testamentarischen Verfügung nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich die Einstufung als sittenwidrig auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder der allgemeinen Rechtsauffassung stützen kann. Weder das eine noch das andere ist hier der Fall. Dass die durch die Testamentsvollstreckungs- und Verwendungsanordnung bewirkte Durchbrechung des Nachranggrundsatzes des § 2 BSHG einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung zuwider liefe, kann nicht angenommen werden. Denn das Bundessozialhilfegesetz selbst enthält eine Reihe von Durchbrechungen des Nachranggrundsatzes (vgl. z.B. §§ 28 Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 2, 88 Abs. 2 und 3 BSHG)

vgl. dazu ausführlich BGH, Urteil vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -, NJW 1994, 248, zitiert nach Juris.

Von daher kann von einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung, aus der sich ableiten ließe, dass Angehörige bei der Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen zu Gunsten Behinderter gehalten wären, dem Nachranggrundsatz Geltung zu verschaffen oder zumindest Rechnung zu tragen, keine Rede sein.

Zudem sind die Gründe, aus denen die umstrittenen testamentarischen Anordnungen getroffen wurden, sittlich nicht zu missbilligen. Zwar trifft es zu, dass diese Anordnungen den hier durch den Sozialhilfeträger vertretenen Interessen der Allgemeinheit zuwiderlaufen, die die erforderlichen Heimunterbringungskosten aus Steuermitteln aufbringen muss und im vorliegenden Falle um die Möglichkeit gebracht wird, einen nicht unbeträchtlichen Deckungsbeitrag aus eigenen Mitteln der Klägerin zu erlangen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass von Eltern eines behinderten Kindes bei der Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen nicht aus sittlichen Gründen verlangt werden kann, dem öffentlichen Interesse an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung Vorrang einzuräumen und deshalb davon Abstand zu nehmen, ihrem Kind mehr zukommen zu lassen, als es im Rahmen der Sozialhilfe erhielte

vgl. BGH Urteile vom 21.3.1990 – IV ZR 169/89 -, NJW 1990, 2055, und vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -, NJW 1994, 248, jeweils zitiert nach Juris.

Ebenso wenig ist es sittlich zu missbilligen, wenn wie hier nicht ein Eltern-, sondern ein Großelternteil aus Sorge um das Wohl eines Enkelkindes, das schwer behindert und soweit ersichtlich zeitlebens auf Eingliederungshilfe oder gar Hilfe zur Pflege angewiesen sein wird, testamentarische Anordnungen trifft mit dem Ziel, dem Kind Vorteile zu verschaffen, die über das hinausgehen, was es im Rahmen der Sozialhilfe erhielte. Gerade in dieser Konstellation lässt sich der Nachranggrundsatz nicht als eindeutige gesetzgeberische Wertung zur Begründung der Sittenwidrigkeit heranziehen, da sich der Gesetzgeber trotz grundsätzlich bestehender Unterhaltspflicht von Großeltern gegenüber Enkeln (§ 1601 BGB) dazu entschieden hat, Großeltern nicht in die Einsatzgemeinschaft des § 28 Abs. 1 BSHG aufzunehmen und – worauf das Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat – den Übergang von Unterhaltsansprüchen der Hilfesuchenden gegen Großeltern gemäß § 91 Abs. 1 Satz 3 BSHG ausgeschlossen hat

vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteil vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -, NJW 1994, 248, zitiert nach Juris, der § 91 Abs. 1 BSHG als Beispiel für die Durchbrechung des Nachranggrundsatzes im Bundessozialhilfegesetz anführt,

das heißt letztlich von der Inanspruchnahme von Großeltern zum Unterhalt hilfebedürftiger Enkel absieht.

Fehlt es danach an einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung, aus der die Sittenwidrigkeit der hier in Rede stehenden testamentarischen Verwendungsanordnungen abgeleitet werden könnte, so ergibt sich deren Einstufung als sittenwidrig ferner nicht aus einer dahingehenden allgemeinen Rechtsüberzeugung. Denn in der Rechtsprechung und auch in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen zu Gunsten Behinderter mit dem Ziel, diesen Zuwendungen unter Vermeidung der Anrechnung auf Sozialhilfeleistungen zukommen zu lassen und gegebenenfalls – worum es hier allerdings nicht geht – sogar das Familienvermögen für andere Familienmitglieder zu erhalten (so genannte Behindertentestamente), im Rahmen der grundgesetzlich gewährleisteten Testierfreiheit regelmäßig nicht zu missbilligen ist

vgl. außer den bereits zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21.3.1990 und vom 20.10.1993 zum Beispiel OLG Frankfurt, Urteil vom 7.10.2003 – 14 U 233/02 -, ZEV 2004, 24; OVG Bautzen, Beschluss vom 2.5.1997 – 2 S 682/96 – NJW 1997, 2898; Brühl in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 88 mit VO Rdnr. 127; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 138 Rdnr. 50 a m.w.N.; anderer Ansicht zum Beispiel Mayer-Maly/Armbrüster in Münchner Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2001, § 138 Rdnr. 45, die allerdings davon ausgehen, dass die herrschende Meinung derartige Testamente für zulässig hält.

Werden somit nach – wenn auch nicht unumstrittener – herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur so genannte Behindertentestamente überwiegend zumindest im Regelfall für zulässig erachtet, so ist jedenfalls für die Annahme einer allgemeinen Rechtsüberzeugung dahin, dass derartige letztwillige Verfügungen, weil sie sich zu Lasten des Sozialhilfeträgers auswirken, sittenwidrig und deswegen nichtig seien, kein Raum.

Die gegenteilige Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren der Behinderte jeweils als befreiter (BGH, Urteil vom 21.3.1990, a.a.O.) beziehungsweise nicht befreiter (BGH, Urteil vom 20.10.1993, a.a.O.) Vorerbe eingesetzt und im ersten Falle eine Tochtergesellschaft eines Behindertenvereins und im zweiten Falle der Bruder zum Nacherben bestimmt war, während vorliegend allein die Klägerin als Erbin eingesetzt ist. Gerade in Fallkonstellationen, in denen der Behinderte als Vorerbe eingesetzt und zugleich ein Nacherbe bestellt wird, werden die öffentlichen Interessen an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung gravierender beeinträchtigt, als im Falle der Klägerin. Denn in den erstgenannten Fallkonstellationen geht es nicht nur darum, dass – was sozialethisch als billigenswert anzusehen ist – dem Behinderten Annehmlichkeiten über das Niveau der Sozialhilfe hinaus zukommen sollen. Vielmehr wird, wofür sich die für Eltern und Großeltern verständliche Sorge um das Wohl eines behinderten Kindes beziehungsweise Enkels gerade nicht als „Rechtfertigungsgrund“ anführen lässt, außerdem der nach dem Tode des Behinderten noch verbleibende Nachlass dem gemäß § 92 c Abs. 1 BSHG zumindest begrenzt möglichen Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen, da der Nacherbe Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben ist. Es besteht daher kein Grund, die von der Großmutter der Klägerin getroffene letztwillige Verfügung unter dem Gesichtspunkt von § 138 BGB ungünstiger zu beurteilen als die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle der Vor- und Nacherbeneinsetzung in so genannten Behindertentestamenten.

Die von der Großmutter der Klägerin getroffenen Verwendungsanordnungen erweisen sich ferner nicht mit Blick auf den Wert des Nachlasses als missbräuchlich und deshalb als sittenwidrig. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob es in Fällen der vorliegenden Art überhaupt eine Missbrauchsgrenze gibt, ab der das grundsätzlich zu billigende Anliegen, einem Behinderten Zuwendungen zu sichern, die über das Niveau der ihm gewährten Sozialhilfe hinaus gehen, in sittenwidriges Verhalten umschlägt. Nach Ansicht des Senats könnte eine solche Grenze allenfalls dann erreicht sein, wenn der Wert des Nachlasses eindeutig ausreichte, um während der unter normalen Umständen zu erwartenden Lebenszeit des Behinderten sowohl die Kosten seiner Heimunterbringung als auch diejenigen der ihm in den Verwendungsbestimmungen zugedachten Vorteile zu bestreiten und – was jedenfalls vorliegend nicht außer Acht gelassen werden darf – die Vergütung des Testamentsvollstreckers aufzubringen. Dass dies mit dem der Klägerin von ihrer Großmutter hinterlassenen Betrag von rund 145.000,-- Euro möglich wäre, kann nicht angenommen werden. Das gilt selbst dann, wenn entsprechend dem Berufungsvorbringen des Beklagten eine Verzinsung dieses Betrages mit jährlich 4,5% berücksichtigt wird. Etwaige Zinseinkünfte in Höhe von 4,5% des Nachlasswertes könnten nämlich nicht als Reinertrag in eine solche Betrachtung eingestellt werden. Gegengerechnet werden müsste ein inflationsbedingter Wertverlust des eingesetzten Kapitals beziehungsweise eine die – ebenfalls inflationsbedingte - Steigerung der Kosten des Heimträgers auffangende Erhöhung der Kosten der Heimunterbringung. Da das Verwaltungsgericht bei seiner Betrachtung eine Verteuerung der Heimunterbringung ausgeklammert hat, ist es zu billigen, dass es auf der anderen Seite einen Wertzuwachs des Kapitals durch mögliche Zinserträge unberücksichtigt gelassen hat. Letztlich ist in Anbetracht der Unwägbarkeiten, die die hier im Raume stehenden langen Zeiträume mit sich bringen – die Klägerin war bei Auftreten des Bedarfs zum 1.2.2003 gerade einmal 19 Jahre alt – von der Natur der Sache her allenfalls eine grobe prognostische Betrachtung möglich. Aber auch wenn einerseits die von dem Beklagten genannte Verzinsung von 4,5% jährlich unterstellt und - zurückhaltend – ein jährlicher inflationsbedingter Wertverlust von 2% zugrunde gelegt wird, zeigt sich, dass bei wertmäßiger Betrachtung der Nachlass für Heimkosten, „Annehmlichkeiten“ gemäß dem Willen der Erblasserin und Vergütung des Testamentsvollstreckers in einer bezogen auf die normale Lebenserwartung der Klägerin relativ kurzen Zeitspanne aufgebraucht wäre. Wird, um den Einwand des Beklagten Rechnung zu tragen, eine jährliche Bruttoverzinsung des Kapitals mit 4,5% angenommen, so muss auf der anderen Seite berücksichtigt werden, dass die anderweitig nicht gedeckten Heimkosten der Klägerin, die sich nach der vom Beklagten nicht beanstandeten Annahme des Verwaltungsgerichts im Mittel monatlich auf 700,-- Euro (8.400,-- Euro/Jahr) belaufen, ebenfalls entsprechend der allgemeinen Teuerungsrate steigen. Gleiches gilt für die der Klägerin testamentarisch zugedachten „Annehmlichkeiten“, die hier mit Blick auf die Einzelanordnungen der Großmutter einmal – zurückhaltend – mit einem jährlichen Aufwand von 1.200,-- Euro veranschlagt werden sollen. Hinzuzurechnen ist die jährliche Vergütung des Testamentsvollstreckers von rund 1.250,-- Euro, die nach der testamentarischen Verfügung der Großmutter unverändert bleibt. Selbst ohne Teuerung zwingen die drei Positionen Heimunterbringung (8.400,-- Euro), Aufwendungen zur Erfüllung der testamentarischen Auflagen (1.200,-- Euro) und Vergütung des Testamentsvollstreckers (rund 1.250,-- Euro), zu einem Kapitalverbrauch, da ihr Gesamtbetrag (10.850,-- Euro) über dem jährlichen Zinsertrag von (4,5% von 145.000,-- Euro =) 6.525,-- Euro hinausgeht. Wird sodann für die Positionen „Heimkosten“ und „Erfüllung der testamentarischen Auflagen“ entsprechend der hier zugrunde gelegten Inflationsrate von 2% eine jährliche Verteuerung in dieser Höhe zum Ansatz gebracht, so stehen dem in der Folge auch die Zinserträge mindernden Kapitalverbrauch immer höhere Aufwendungen gegenüber. Eine überschlägige vergleichende Betrachtung der Entwicklung von durch die Verzinsung „gebremstem“ Kapitalverbrauch einerseits und um die Teuerungsrate steigenden Aufwendungen andererseits, bei der von dem um den jeweiligen jährlichen Zinsertrag von 4,5% erhöhten Kapital die jährliche Vergütung des Testamentsvollstreckers sowie um jährlich 2% steigende Aufwendungen für Heimunterbringung und Erfüllung der testamentarischen Auflagen zum Abzug gebracht werden, zeigt, dass der Nachlass in weniger als zwanzig Jahren aufgebraucht wäre. Diese Zeitspanne ist deutlich kürzer als die normale Lebenserwartung der Klägerin, die - wie bereits erwähnt - bei Eintritt des Hilfebedarfs am 1.2.2003 gerade einmal 19 Jahre alt war. Unter diesen Umständen kann die letztwillige Verfügung der Großmutter nicht mit Blick auf die Höhe des Nachlasses als missbräuchlich und deshalb als sittenwidrig eingestuft werden, zumal bei der hier getroffenen Regelung dem Beklagten zumindest in gewissem Umfang der Zugriff auf nicht verbrauchten Nachlass nach dem Tode der Klägerin verbleibt (§ 92 c BSHG). Allerdings muss er eine bestimmungsgemäße Verwendung des Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker in den Grenzen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung hinnehmen.

Dass der Klägerin unter dem Gesichtspunkt von § 2 BSHG nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden kann, sie hätte die Erbschaft gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschlagen müssen, um den Pflichtteil zum Bestreiten der Heimkosten zu erhalten, hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend dargelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, die sich der Senat zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 130 b VwGO), zumal der Beklagte ihnen mit seiner Berufung nicht im Einzelnen entgegen getreten ist.

Es muss daher bei der erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, da die Frage, ob ein Behinderter, der Eingliederungshilfe begehrt, unter dem Gesichtspunkt des Nachranggrundsatzes auf die Verwertung eines geerbten Nachlasses verwiesen werden kann, wenn der Erblasser dauerhafte Testamentsvollstreckung und eine „sozialhilfeunschädliche“ Verwendung des Nachlasses angeordnet hat, soweit ersichtlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht entschieden wurde.

Gründe

Die vom Verwaltungsgericht gemäß den §§ 124 Abs. 1, 124 a Abs. 1 VwGO zugelassene und auch sonst zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten ihrer vollstationären Heimunterbringung ohne Anrechnung der ihr durch den Tod ihrer Großmutter aufgrund des Testaments vom 12.5.2000 zugefallenen Erbschaft hat.

Dass die Klägerin aufgrund ihrer schweren geistigen Behinderung zu dem Personenkreis gehört, der gemäß § 39 Abs. 1 BSHG (in der hier noch maßgeblichen bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung) prinzipiell einen Anspruch auf Eingliederungshilfe hat, und dass sie zum Zwecke ihrer Eingliederung einer vollstationären Heimunterbringung bedarf (§§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG, 55 SGB-IX)

vgl. dazu, dass die Eingliederungshilfe nach den nicht abschließenden Katalogen der §§ 40 Abs. 1 Nr. 8 BSHG, 55 SGB-IX auch bei volljährigen Hilfebedürftigen die Hilfe in einem Wohnheim einschließen kann, Schellhorn, BSHG, 16. Auflage 2002, § 40 Rdnr. 76,

wird von dem Beklagten nicht in Frage gestellt und bedarf aus Anlass des Berufungsverfahrens keiner näheren Erörterung. Zu Unrecht nimmt der Beklagte indes an, dass die Klägerin – bezogen auf den für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt zwischen dem im Antrag vom 7.12.2002 genannten Beginn der Hilfebedürftigkeit (1.2.2003) und der Widerspruchsentscheidung (22.9.2003) –

vgl. Armborst in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, Anhang III Rdnr. 85 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

die Kosten dieses Heimaufenthaltes, soweit sie nicht durch das ihr gewährte Pflegegeld und – sofern einzusetzen – durch ihre Versorgungsbezüge und Renten gedeckt werden, gemäß den §§ 2, 28, 88 Abs. 1 BSHG aus ihrem hier aus dem Nachlass ihrer Großmutter bestehenden Vermögen aufzubringen hat.

Der – unmittelbare – Einsatz dieses Nachlasses als Vermögen kann von der Klägerin schon deshalb nicht gefordert werden, weil er für sie kein verwertbares Vermögen im Verständnis von § 88 Abs. 1 BSHG darstellt. Verwertbarkeit setzt unter anderem in rechtlicher Hinsicht Verfügungsbefugnis voraus

vgl. Brühl in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 88 mit VO Rdnr. 17.

Daran fehlt es hier, weil die Großmutter der Klägerin im Testament vom 12.5.2000, durch das sie die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt hat, zugleich Testamentsvollstreckung und zwar dauerhaft bis zum Tode der Erbin angeordnet hat (§§ 2197, 2210 Satz 2 BGB). Die dadurch mit Eintritt des Erbfalls bewirkte Verfügungsbeschränkung hindert den Erben an der Verfügung über der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassgegenstände (§ 2211 BGB)

vgl. auch Palandt-Edenhofer, BGB, 65. Auflage 2006, § 2211 Rdnr. 2, wonach die Anordnung der Testamentsvollstreckung mit Eintritt des Erbfalles und gegebenenfalls auch vor Bestellung eines Testamentsvollstreckers die Verfügungsbefugnis des Erben beschränkt.

Außerdem schließt die Anordnung der Testamentsvollstreckung den Zugriff der Eigengläubiger des Erben auf der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassgegenstände aus (§ 2214 BGB).

Mangels Verfügungsbefugnis der Klägerin stellt der der dauerhaften Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlass demnach kein verwertbares Vermögen im Verständnis von § 88 Abs. 1 BSHG dar

vgl. VGH Mannheim Urteil vom 22.1.1992 – 6 S 384/90 -, NJW 1993, 152, zitiert nach Juris; OVG Bautzen, Beschluss vom 2.5.1997 – 2 S 682/96 -, NJW 1997, 2898.

Als Mittel zur Selbsthilfe, auf das die Klägerin vorliegend gegebenenfalls hätte verwiesen werden können, käme daher allenfalls ein Anspruch gegen den Testamentsvollstrecker auf Herausgabe der zur Bestreitung der Heimkosten benötigten Mittel in Betracht. Ob es sich bei einem dahingehenden Anspruch im hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum überhaupt um „bereite“, das heißt ohne weiteres realisierbare Mittel gehandelt hätte, erscheint fraglich, weil ein Testamentsvollstrecker als Adressat eines solches Anspruchs erstmals im Oktober 2003 und damit nach Erlass des Widerspruchsbescheides bestellt worden war

vgl. Beschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 9.10.2003 – 3 VI 432/2002 – Blatt 22 der Gerichtsakten

und dieser Testamentsvollstrecker in der Folge mit Schreiben vom 16.3.2004 an den Beklagten (Blatt 14 der Akten 4 F 101/04 -) die Verwendung des Nachlasses zum Begleichen der Kosten der Heimunterbringung abgelehnt hat. Das bedarf jedoch hier keiner abschließenden Beurteilung. Denn die Klägerin hat gegen den Testamentsvollstrecker keinen Anspruch darauf, dass dieser ihr Mittel aus dem Nachlass ihrer Großmutter zur Verfügung stellt, um die Kosten ihrer Heimunterbringung zu begleichen. Der Testamentsvollstrecker hat den Nachlass zu verwalten (§ 2205 Satz 1 BGB) und die letztwilligen Anordnungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Die testamentarischen Bestimmungen der Großmutter der Klägerin über die Verwendung des Nachlasses schließen indes den Einsatz dieser Mittel zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung aus. Das hat das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, die sich der Senat zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 130 b VwGO). Ergänzend ist in diesem Zusammenhang zu bemerken, dass auch die von der Großmutter der Klägerin angeordnete dauerhafte Testamentsvollstreckung „bis zum Tode der Erbin“ mit Gewicht gegen die Annahme spricht, sie habe eine Verwendung des Nachlasses zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung zugelassen. Denn es ist davon auszugehen, dass sich die Großmutter bei der Anordnung der hinsichtlich ihrer Dauer durch die Lebenszeit ihrer Enkelin bestimmten Testamentsvollstreckung von der Vorstellung hat leiten lassen, dass während der gesamten Lebenszeit der 1984 geborenen und im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gerade einmal 16 Jahre alten Klägerin Mittel aus dem Nachlass zur Verfügung stehen sollten, um dieser die gemäß den Verwendungsbestimmungen zugedachten „Annehmlichkeiten“ zukommen zu lassen. Zu einer dahingehenden Annahme und damit auch zur Anordnung der Testamentsvollstreckung bis zum Tode der Enkelin hätte sie indes keine Veranlassung gehabt, wenn sie eine Verwendung des Nachlasses auch zur Deckung der Kosten der Heimunterbringung vorgesehen hätte. Denn in diesem Falle wäre der Nachlass, dessen Wert sich auf rund 145.000,-- Euro beläuft, bei normalem Gang der Dinge bis zum Tode der Enkelin längst aufgebraucht. Das gilt auch dann, wenn die von dem Beklagten angesprochene Kapitalverzinsung berücksichtigt wird, wobei – worauf noch zurückzukommen ist - in diesem Fall freilich nicht mit der Bruttoverzinsung gerechnet werden darf, sondern auch inflationsbedingte Wertverluste beziehungsweise eine Erhöhung der Heimunterbringungskosten in die Betrachtung einzustellen sind und nicht übersehen werden darf, dass die Vergütung des Testamentsvollstreckers (2.500,-- DM im Jahr) ebenfalls aus dem Nachlass und – ggf. – seiner Verzinsung aufzubringen ist. Auch wenn nicht unterstellt werden kann, dass die Großmutter der Klägerin eine nicht zuletzt angesichts der vielfältigen Unwägbarkeiten künftiger Entwicklungen und der Ungewissheit des eigenen Todeszeitpunktes ohnehin kaum verlässlich mögliche konkrete Vorstellung über die zeitliche Reichweite des Nachlasses bei Verwendung der Mittel für die im Testament bestimmten Zwecke entwickelt hat, kann jedenfalls angenommen werden, dass sie sich angesichts des für sie überschaubaren Umfanges des Nachlasses darüber im Klaren war, dass die Mittel bei einer Verwendung zur Deckung auch der Kosten der Heimunterbringung lange vor dem Zeitpunkt aufgebraucht sein würden, zu dem bei Zugrundelegung einer normalen Lebenserwartung mit dem Tod ihrer im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gerade einmal 16 Jahre alten Enkelin zu rechnen ist. Wenn sie gleichwohl Testamentsvollstreckung bis zu deren Tode anordnete, mithin die Vorstellung hegte, dass der Nachlass bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgebraucht sein würde, so stützt das in einer Gesamtschau mit den in der erstinstanzlichen Entscheidung angestellten Erwägungen den vom Verwaltungsgericht zutreffend gezogenen Schluss, dass die Verwendung des Nachlasses zum Bestreiten der Kosten der Heimunterbringung den testamentarischen Verwendungsanordnungen zuwider liefe.

 Gegen die Richtigkeit dieser Auslegung lässt sich auch nicht mit Erfolg einwenden, die von der Erblasserin getroffenen Verwendungsbestimmungen seien unvollständig, da sie wesentliche Bereiche, etwa eine über die Leistungen der Krankenkasse hinausgehende medizinische Versorgung, nicht erfassten. Die Auslegung, der Nachlass dürfe gemäß den Auflagen der Erblasserin nur „sozialhilfeunschädlich“ verwendet werden, setzt nicht voraus, dass die positiv bestimmten Verwendungszwecke abschließend sämtliche Bedürfnisse der Klägerin abdecken, die außerhalb des Leistungsumfangs der Sozialhilfe entstehen können. Es gibt keinen Grund, der die Erblasserin gehindert haben könnte, eine Verwendung des Nachlasses für solche Zwecke und Bedürfnisse der Klägerin festzulegen, die sie für bedeutsam hielt. Dass sie den Bereich einer durch Versicherungsleistungen nicht gedeckten medizinischen Versorgung nicht in ihre Verwendungsbestimmungen aufgenommen hat, kann durchaus darauf zurückzuführen sein, dass sie bei Abfassung des Testaments im Jahre 2000 eine angemessene medizinische Versorgung der Klägerin auch ohne Eigenbeiträge aus Nachlassmitteln für auf Dauer gewährleistet hielt. Im Übrigen kommt, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Blick auf die in der mündlichen Verhandlung in den Raum gestellten Kosten für Zahnersatz zutreffend hingewiesen hat, zumindest in Teilbereichen eine Übernahme solcher Kosten im Rahmen eines Geschenkes in Betracht.

Entgegen der Ansicht des Beklagten ist eine Verwendungsanordnung mit dem hier festgestellten Inhalt nicht wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten gemäß § 138 BGB nichtig (mit der Folge eines entsprechenden Herausgabeanspruchs der Klägerin gegen den Nachlassverwalter).

Angesichts der durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten prinzipiellen Testierfreiheit kann die Sittenwidrigkeit einer testamentarischen Verfügung nur in schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Erforderlich ist, dass sich die Einstufung als sittenwidrig auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder der allgemeinen Rechtsauffassung stützen kann. Weder das eine noch das andere ist hier der Fall. Dass die durch die Testamentsvollstreckungs- und Verwendungsanordnung bewirkte Durchbrechung des Nachranggrundsatzes des § 2 BSHG einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung zuwider liefe, kann nicht angenommen werden. Denn das Bundessozialhilfegesetz selbst enthält eine Reihe von Durchbrechungen des Nachranggrundsatzes (vgl. z.B. §§ 28 Abs. 1 Satz 2, 43 Abs. 2, 88 Abs. 2 und 3 BSHG)

vgl. dazu ausführlich BGH, Urteil vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -, NJW 1994, 248, zitiert nach Juris.

Von daher kann von einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung, aus der sich ableiten ließe, dass Angehörige bei der Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen zu Gunsten Behinderter gehalten wären, dem Nachranggrundsatz Geltung zu verschaffen oder zumindest Rechnung zu tragen, keine Rede sein.

Zudem sind die Gründe, aus denen die umstrittenen testamentarischen Anordnungen getroffen wurden, sittlich nicht zu missbilligen. Zwar trifft es zu, dass diese Anordnungen den hier durch den Sozialhilfeträger vertretenen Interessen der Allgemeinheit zuwiderlaufen, die die erforderlichen Heimunterbringungskosten aus Steuermitteln aufbringen muss und im vorliegenden Falle um die Möglichkeit gebracht wird, einen nicht unbeträchtlichen Deckungsbeitrag aus eigenen Mitteln der Klägerin zu erlangen. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist jedoch anerkannt, dass von Eltern eines behinderten Kindes bei der Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen nicht aus sittlichen Gründen verlangt werden kann, dem öffentlichen Interesse an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung Vorrang einzuräumen und deshalb davon Abstand zu nehmen, ihrem Kind mehr zukommen zu lassen, als es im Rahmen der Sozialhilfe erhielte

vgl. BGH Urteile vom 21.3.1990 – IV ZR 169/89 -, NJW 1990, 2055, und vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -, NJW 1994, 248, jeweils zitiert nach Juris.

Ebenso wenig ist es sittlich zu missbilligen, wenn wie hier nicht ein Eltern-, sondern ein Großelternteil aus Sorge um das Wohl eines Enkelkindes, das schwer behindert und soweit ersichtlich zeitlebens auf Eingliederungshilfe oder gar Hilfe zur Pflege angewiesen sein wird, testamentarische Anordnungen trifft mit dem Ziel, dem Kind Vorteile zu verschaffen, die über das hinausgehen, was es im Rahmen der Sozialhilfe erhielte. Gerade in dieser Konstellation lässt sich der Nachranggrundsatz nicht als eindeutige gesetzgeberische Wertung zur Begründung der Sittenwidrigkeit heranziehen, da sich der Gesetzgeber trotz grundsätzlich bestehender Unterhaltspflicht von Großeltern gegenüber Enkeln (§ 1601 BGB) dazu entschieden hat, Großeltern nicht in die Einsatzgemeinschaft des § 28 Abs. 1 BSHG aufzunehmen und – worauf das Verwaltungsgericht mit Recht hingewiesen hat – den Übergang von Unterhaltsansprüchen der Hilfesuchenden gegen Großeltern gemäß § 91 Abs. 1 Satz 3 BSHG ausgeschlossen hat

vgl. in diesem Zusammenhang BGH, Urteil vom 20.10.1993 – IV ZR 231/92 -, NJW 1994, 248, zitiert nach Juris, der § 91 Abs. 1 BSHG als Beispiel für die Durchbrechung des Nachranggrundsatzes im Bundessozialhilfegesetz anführt,

das heißt letztlich von der Inanspruchnahme von Großeltern zum Unterhalt hilfebedürftiger Enkel absieht.

Fehlt es danach an einer eindeutigen gesetzgeberischen Wertung, aus der die Sittenwidrigkeit der hier in Rede stehenden testamentarischen Verwendungsanordnungen abgeleitet werden könnte, so ergibt sich deren Einstufung als sittenwidrig ferner nicht aus einer dahingehenden allgemeinen Rechtsüberzeugung. Denn in der Rechtsprechung und auch in der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine Ausgestaltung letztwilliger Verfügungen zu Gunsten Behinderter mit dem Ziel, diesen Zuwendungen unter Vermeidung der Anrechnung auf Sozialhilfeleistungen zukommen zu lassen und gegebenenfalls – worum es hier allerdings nicht geht – sogar das Familienvermögen für andere Familienmitglieder zu erhalten (so genannte Behindertentestamente), im Rahmen der grundgesetzlich gewährleisteten Testierfreiheit regelmäßig nicht zu missbilligen ist

vgl. außer den bereits zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 21.3.1990 und vom 20.10.1993 zum Beispiel OLG Frankfurt, Urteil vom 7.10.2003 – 14 U 233/02 -, ZEV 2004, 24; OVG Bautzen, Beschluss vom 2.5.1997 – 2 S 682/96 – NJW 1997, 2898; Brühl in LPK-BSHG, 6. Auflage 2003, § 88 mit VO Rdnr. 127; Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Auflage 2006, § 138 Rdnr. 50 a m.w.N.; anderer Ansicht zum Beispiel Mayer-Maly/Armbrüster in Münchner Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2001, § 138 Rdnr. 45, die allerdings davon ausgehen, dass die herrschende Meinung derartige Testamente für zulässig hält.

Werden somit nach – wenn auch nicht unumstrittener – herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur so genannte Behindertentestamente überwiegend zumindest im Regelfall für zulässig erachtet, so ist jedenfalls für die Annahme einer allgemeinen Rechtsüberzeugung dahin, dass derartige letztwillige Verfügungen, weil sie sich zu Lasten des Sozialhilfeträgers auswirken, sittenwidrig und deswegen nichtig seien, kein Raum.

Die gegenteilige Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in den vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren der Behinderte jeweils als befreiter (BGH, Urteil vom 21.3.1990, a.a.O.) beziehungsweise nicht befreiter (BGH, Urteil vom 20.10.1993, a.a.O.) Vorerbe eingesetzt und im ersten Falle eine Tochtergesellschaft eines Behindertenvereins und im zweiten Falle der Bruder zum Nacherben bestimmt war, während vorliegend allein die Klägerin als Erbin eingesetzt ist. Gerade in Fallkonstellationen, in denen der Behinderte als Vorerbe eingesetzt und zugleich ein Nacherbe bestellt wird, werden die öffentlichen Interessen an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltung gravierender beeinträchtigt, als im Falle der Klägerin. Denn in den erstgenannten Fallkonstellationen geht es nicht nur darum, dass – was sozialethisch als billigenswert anzusehen ist – dem Behinderten Annehmlichkeiten über das Niveau der Sozialhilfe hinaus zukommen sollen. Vielmehr wird, wofür sich die für Eltern und Großeltern verständliche Sorge um das Wohl eines behinderten Kindes beziehungsweise Enkels gerade nicht als „Rechtfertigungsgrund“ anführen lässt, außerdem der nach dem Tode des Behinderten noch verbleibende Nachlass dem gemäß § 92 c Abs. 1 BSHG zumindest begrenzt möglichen Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen, da der Nacherbe Rechtsnachfolger des Erblassers und nicht des Vorerben ist. Es besteht daher kein Grund, die von der Großmutter der Klägerin getroffene letztwillige Verfügung unter dem Gesichtspunkt von § 138 BGB ungünstiger zu beurteilen als die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle der Vor- und Nacherbeneinsetzung in so genannten Behindertentestamenten.

Die von der Großmutter der Klägerin getroffenen Verwendungsanordnungen erweisen sich ferner nicht mit Blick auf den Wert des Nachlasses als missbräuchlich und deshalb als sittenwidrig. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang, ob es in Fällen der vorliegenden Art überhaupt eine Missbrauchsgrenze gibt, ab der das grundsätzlich zu billigende Anliegen, einem Behinderten Zuwendungen zu sichern, die über das Niveau der ihm gewährten Sozialhilfe hinaus gehen, in sittenwidriges Verhalten umschlägt. Nach Ansicht des Senats könnte eine solche Grenze allenfalls dann erreicht sein, wenn der Wert des Nachlasses eindeutig ausreichte, um während der unter normalen Umständen zu erwartenden Lebenszeit des Behinderten sowohl die Kosten seiner Heimunterbringung als auch diejenigen der ihm in den Verwendungsbestimmungen zugedachten Vorteile zu bestreiten und – was jedenfalls vorliegend nicht außer Acht gelassen werden darf – die Vergütung des Testamentsvollstreckers aufzubringen. Dass dies mit dem der Klägerin von ihrer Großmutter hinterlassenen Betrag von rund 145.000,-- Euro möglich wäre, kann nicht angenommen werden. Das gilt selbst dann, wenn entsprechend dem Berufungsvorbringen des Beklagten eine Verzinsung dieses Betrages mit jährlich 4,5% berücksichtigt wird. Etwaige Zinseinkünfte in Höhe von 4,5% des Nachlasswertes könnten nämlich nicht als Reinertrag in eine solche Betrachtung eingestellt werden. Gegengerechnet werden müsste ein inflationsbedingter Wertverlust des eingesetzten Kapitals beziehungsweise eine die – ebenfalls inflationsbedingte - Steigerung der Kosten des Heimträgers auffangende Erhöhung der Kosten der Heimunterbringung. Da das Verwaltungsgericht bei seiner Betrachtung eine Verteuerung der Heimunterbringung ausgeklammert hat, ist es zu billigen, dass es auf der anderen Seite einen Wertzuwachs des Kapitals durch mögliche Zinserträge unberücksichtigt gelassen hat. Letztlich ist in Anbetracht der Unwägbarkeiten, die die hier im Raume stehenden langen Zeiträume mit sich bringen – die Klägerin war bei Auftreten des Bedarfs zum 1.2.2003 gerade einmal 19 Jahre alt – von der Natur der Sache her allenfalls eine grobe prognostische Betrachtung möglich. Aber auch wenn einerseits die von dem Beklagten genannte Verzinsung von 4,5% jährlich unterstellt und - zurückhaltend – ein jährlicher inflationsbedingter Wertverlust von 2% zugrunde gelegt wird, zeigt sich, dass bei wertmäßiger Betrachtung der Nachlass für Heimkosten, „Annehmlichkeiten“ gemäß dem Willen der Erblasserin und Vergütung des Testamentsvollstreckers in einer bezogen auf die normale Lebenserwartung der Klägerin relativ kurzen Zeitspanne aufgebraucht wäre. Wird, um den Einwand des Beklagten Rechnung zu tragen, eine jährliche Bruttoverzinsung des Kapitals mit 4,5% angenommen, so muss auf der anderen Seite berücksichtigt werden, dass die anderweitig nicht gedeckten Heimkosten der Klägerin, die sich nach der vom Beklagten nicht beanstandeten Annahme des Verwaltungsgerichts im Mittel monatlich auf 700,-- Euro (8.400,-- Euro/Jahr) belaufen, ebenfalls entsprechend der allgemeinen Teuerungsrate steigen. Gleiches gilt für die der Klägerin testamentarisch zugedachten „Annehmlichkeiten“, die hier mit Blick auf die Einzelanordnungen der Großmutter einmal – zurückhaltend – mit einem jährlichen Aufwand von 1.200,-- Euro veranschlagt werden sollen. Hinzuzurechnen ist die jährliche Vergütung des Testamentsvollstreckers von rund 1.250,-- Euro, die nach der testamentarischen Verfügung der Großmutter unverändert bleibt. Selbst ohne Teuerung zwingen die drei Positionen Heimunterbringung (8.400,-- Euro), Aufwendungen zur Erfüllung der testamentarischen Auflagen (1.200,-- Euro) und Vergütung des Testamentsvollstreckers (rund 1.250,-- Euro), zu einem Kapitalverbrauch, da ihr Gesamtbetrag (10.850,-- Euro) über dem jährlichen Zinsertrag von (4,5% von 145.000,-- Euro =) 6.525,-- Euro hinausgeht. Wird sodann für die Positionen „Heimkosten“ und „Erfüllung der testamentarischen Auflagen“ entsprechend der hier zugrunde gelegten Inflationsrate von 2% eine jährliche Verteuerung in dieser Höhe zum Ansatz gebracht, so stehen dem in der Folge auch die Zinserträge mindernden Kapitalverbrauch immer höhere Aufwendungen gegenüber. Eine überschlägige vergleichende Betrachtung der Entwicklung von durch die Verzinsung „gebremstem“ Kapitalverbrauch einerseits und um die Teuerungsrate steigenden Aufwendungen andererseits, bei der von dem um den jeweiligen jährlichen Zinsertrag von 4,5% erhöhten Kapital die jährliche Vergütung des Testamentsvollstreckers sowie um jährlich 2% steigende Aufwendungen für Heimunterbringung und Erfüllung der testamentarischen Auflagen zum Abzug gebracht werden, zeigt, dass der Nachlass in weniger als zwanzig Jahren aufgebraucht wäre. Diese Zeitspanne ist deutlich kürzer als die normale Lebenserwartung der Klägerin, die - wie bereits erwähnt - bei Eintritt des Hilfebedarfs am 1.2.2003 gerade einmal 19 Jahre alt war. Unter diesen Umständen kann die letztwillige Verfügung der Großmutter nicht mit Blick auf die Höhe des Nachlasses als missbräuchlich und deshalb als sittenwidrig eingestuft werden, zumal bei der hier getroffenen Regelung dem Beklagten zumindest in gewissem Umfang der Zugriff auf nicht verbrauchten Nachlass nach dem Tode der Klägerin verbleibt (§ 92 c BSHG). Allerdings muss er eine bestimmungsgemäße Verwendung des Nachlasses durch den Testamentsvollstrecker in den Grenzen einer ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung hinnehmen.

Dass der Klägerin unter dem Gesichtspunkt von § 2 BSHG nicht mit Erfolg entgegen gehalten werden kann, sie hätte die Erbschaft gemäß § 2306 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschlagen müssen, um den Pflichtteil zum Bestreiten der Heimkosten zu erhalten, hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend dargelegt. Auf die diesbezüglichen Ausführungen, die sich der Senat zu Eigen macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 130 b VwGO), zumal der Beklagte ihnen mit seiner Berufung nicht im Einzelnen entgegen getreten ist.

Es muss daher bei der erstinstanzlichen Entscheidung verbleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2, 188 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, da die Frage, ob ein Behinderter, der Eingliederungshilfe begehrt, unter dem Gesichtspunkt des Nachranggrundsatzes auf die Verwertung eines geerbten Nachlasses verwiesen werden kann, wenn der Erblasser dauerhafte Testamentsvollstreckung und eine „sozialhilfeunschädliche“ Verwendung des Nachlasses angeordnet hat, soweit ersichtlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht entschieden wurde.

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