Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (8. Senat) - 8 K 6/08

Tatbestand

1

Die Kläger sind Eigentümer des im Grundbuch von T. (Blatt 310) verzeichneten, 1,4208 ha großen Flurstücks 50/4, Flur A, der Gemarkung T.; sie wenden sich gegen die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens T. - Stallanlage (...) - (Verfahrensnummer: 42 BLK 329).

2

Für die auf diesem Grundstück befindliche Stallanlage mit einer Gesamtfläche von ca. 5.200 m² beantragten die Eheleute (…) und (…) K. mit Schreiben vom 24. April 2004 gemäß den §§ 53, 64 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG) zur Fortführung ihres landwirtschaftlichen Betriebes (Schweinemastanlage) die Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum. Diese hatten die Stallanlage mit beurkundetem Gebäudekaufvertrag vom 24. Oktober 1995 von der damaligen Agrargenossenschaft B. e.G. erworben. In einem von den Klägern geführten Zivilverfahren gegen die Eheleute K. auf Zahlung eines Nutzungsentgelts (Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 8 EGBGB bzw. § 988 BGB) stellte das Landgericht Halle in seinem Urteil vom 16. Januar 2004 (Az: 1 S 231/03) fest, dass die Eheleute weder gemäß Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 EGBGB noch gemäß Art. 233 § 2b EGBGB ein Besitzrecht an dem klägerischen Grundstück erworben hätten, so dass sie als unverklagte gutgläubige und unentgeltliche unberechtigte Eigenbesitzer den Klägern gemäß § 988 BGB die ihnen entstandenen Gebrauchsvorteile in Form der gezogenen Nutzungen, d. h. des üblichen Pachtzinses für das Grundstück nach Bereicherungsgrundsätzen zu ersetzen hätten. Mit Beschluss vom 24. März 2004 wies das Landgericht Halle (Az: 2 T 432/03) auf eine Beschwerde der Eheleute K. das Grundbuchamt bei dem Amtsgericht Naumburg an, nach Wiedervorlage des Vermögenszuordnungsbescheides der Oberfinanzdirektion Magdeburg vom 16. Januar 1996 und der hierzu gehörenden Bestandsbestätigung des Oberfinanzpräsidenten vom 28. März 2003 sowie des beurkundeten Gebäudekaufvertrages vom 24. Oktober 1995 ein Gebäudegrundbuch für die in § 1 des vorbezeichneten Gebäudekaufvertrages näher bezeichnete Gebäudeanlage anzulegen, weil die Eheleute ihre Rechtsnachfolge in gehöriger Form nach § 29 GBO nachgewiesen hätten; insbesondere hätten sie durch die Erklärung in § 6 des Gebäudekaufvertrages ihre Rechte aus Art. 233 § 2b Abs. 2 Satz 1 EGBGB auf Anlegung eines Gebäudegrundbuchblatts nicht verloren. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts Halle verwiesen. Am 4. Februar 2005 wurden die Eheleute K. in das Gebäudegrundbuch (Gebäudegrundbuchblatt 413 von T.) eingetragen.

3

Am 23. Mai 2005 erwarb Herr H. von den Eheleuten K. die Stallanlage und wurde am 25. Juli 2005 als neuer Eigentümer des Gebäudes in das Grundbuch eingetragen. Am 23. September 2005 beantragte er die Durchführung eines Bodenordnungsverfahrens. Mit der weiteren Bearbeitung dieses Verfahrens wurde die Landgesellschaft Sachsen-Anhalt mbH beauftragt. Im Rahmen einer am 24. April 2006 durchgeführten Beratung zweifelten die Kläger das rechtmäßige Bestehen des Gebäudegrundbuchs und den Übergang von Nutzungs-/Besitzrechten am Grundstück von dem Rechtsnachfolger der LPG, die die Stallanlage errichtet hatte, auf den heutigen Gebäudeeigentümer an. Des Weiteren kündigten die Kläger an, einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eintragen zu lassen, sowie Widerspruch gegen das Teilungsmodell in der Wertermittlung einlegen zu wollen. Das angebotene Tauschland (H...), Flurstück 33/2, Flur A, lehnten sie wegen zu großer Ortsferne und anderer Bodenart als am bebauten Standort ab.

4

Mit öffentlich bekannt gemachtem Beschluss vom 23. Mai 2006 ordnete der Beklagte das Bodenordnungsverfahren T. - Stallanlage (...) - an. Gegen den Einleitungsbeschluss legten der Kläger zu 2. persönlich und als Bevollmächtigter für die Klägerin zu 1. (vgl. Vollmachtsurkunde vom 15. Februar 2006) am 13. Juni 2006 Widerspruch im Wesentlichen mit der Begründung ein, gegen die Eintragung des Erwerbers H. sei beim Amtsgericht Naumburg Widerspruch erhoben worden. Im Übrigen weise das Gebäude laut Gutachten eine geringe Restnutzungsdauer auf, so dass die Voraussetzungen des § 31 des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG) erfüllt seien.

5

Nach erfolgloser Durchführung eines Anhörungstermins am 7. August 2006 legte der Beklagte den Widerspruch der Kläger dem Landesverwaltungsamt zur Entscheidung vor, nachdem er dem Widerspruch nicht abgeholfen hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch der Kläger u. a. mit der Begründung zurück, der Antragsteller H. sei gemäß § 64 Satz 1 LwAnpG antragsberechtigt, weil er ausweislich des Gebäudegrundbuchblatts als Eigentümer der Stallanlage im Grundbuch eingetragen sei. Nach § 63 Abs. 2 LwAnpG i. V. m. § 12 Satz 1 FlurbG seien für die Ermittlung der Beteiligten in einem Bodenordnungsverfahren die Eintragungen im Grundbuch maßgebend; denn es sei nicht Aufgabe der Flurbereinigungsbehörde, über streitige Eigentumsverhältnisse zu entscheiden. Da ein freiwilliger Landtausch gescheitert sei, habe ein Bodenordnungsverfahren durchgeführt werden können; insbesondere schließe die im Rahmen der Wertermittlung festgestellte Restnutzungsdauer einer baulichen Anlage von weniger als 25 Jahren in entsprechender Anwendung des § 31 SachenRBerG nicht die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens aus.

6

Am 6. Oktober 2008 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dem Antragsteller H. fehle die Antragsberechtigung, da er das Gebäudeeigentum nicht von den Eheleuten K. habe erwerben können, weil diese bei der Veräußerung bzw. spätestens bei der Umschreibung im Gebäudegrundbuch nicht zur Übertragung des Eigentums berechtigt gewesen seien. In einem Zivilverfahren, welches die Kläger gegen die Eheleute K. geführt hätten, habe nämlich das Landgericht Halle in seiner Entscheidung vom 16. Januar 2004 festgestellt, dass eine Besitzberechtigung der Eheleute nicht bestehe. In der Begründung werde festgestellt, dass die Eheleute Eigentum am Gebäude nicht durch wirksamen Erwerbsvorgang erlangt hätten. Vielmehr würden sie den Klägern zunächst als gutgläubige, unverklagte Besitzer des Grundstücks für einen ortsüblichen Mietzins haften. Nach Rechtskraft dieses Urteils hätten sie die Eheleute K. als bösgläubige Besitzer in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Naumburg in Anspruch genommen; insoweit werde Beiziehung der Verfahrensakte 12 C 742/04 beantragt. Im Rahmen eines dieses Verfahren abschließenden Vergleichs hätten die Eheleute die ortsübliche Miete, den die Kläger gegen einen bösgläubigen Besitzer geltend gemacht hätten, als Schadenersatz entrichtet. Fest stehe nach diesen zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten, dass das Gebäudeeigentum ein Besitzrecht nicht begründe. Hierdurch sei der Anordnung des Bodenordnungsverfahrens gemäß § 64 LwAnpG die Grundlage entzogen. Zudem werde von den Klägern noch ein Widerspruch gegen die Umschreibung des Gebäudegrundbuchs auf den Antragsteller H. geführt. Schließlich sei darauf hinzuweisen. dass bereits die seinerzeitige Zuordnung durch die Oberfinanzdirektion fehlerhaft gewesen sei.

7

Die Kläger beantragen,

8

den Einleitungsbeschluss des Beklagten vom 23. Mai 2006 über die Eröffnung des Bodenordnungsverfahrens T. - Stallanlage (...) - und den Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 28. August 2008 aufzuheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen; die Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

12

Die form- und fristgerecht erhobene Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Beklagten vom 23. Mai 2006 auf Durchführung des Bodenordnungsverfahrens T. - Stallanlage (...) - in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 28. August 2008 ist zulässig; insbesondere ist die Klägerin zu 1. gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, weil der Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes bei verständiger Würdigung auch den vom Kläger zu 2. namens und in Vollmacht seiner Ehefrau, der Klägerin zu 1., eingelegten Widerspruch vom 13. Juni 2006 zurückweist. Im Übrigen ergibt sich aus dem vorgelegten Grundbuchauszug von T., Blatt 310, dass die Klägerin zu 1. (Mit-)Eigentümerin des streitgegenständlichen Flurstücks 50/4 und damit Teilnehmerin des gemäß § 64 LwAnpG eingeleiteten Bodenordnungsverfahrens ist.

13

Die Klage hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der Durchführung des Bodenordnungsverfahrens für das Flurstück 50/4 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

14

Die für die erstrebte Zusammenführung geforderten Voraussetzungen des § 64 LwAnpG liegen vor. Danach ist das Eigentum an den Flächen, auf denen auf der Grundlage eines durch Rechtsvorschriften geregelten Nutzungsrechts Gebäude und Anlagen errichtet wurden, die in selbständigem Eigentum der LPG oder Dritten stehen, nach den Vorschriften des 8. Abschnitts des LwAnpG auf Antrag des Eigentümers der Fläche oder des Gebäudes und der Anlagen neu zu ordnen.

15

Zu Recht ist der Beklagte davon ausgegangen, dass der Antragsteller H. als selbständiger Gebäudeeigentümer hinsichtlich der in Rede stehenden Stallanlage, die auf in fremdem Eigentum stehenden Flächen errichtet wurde, gemäß § 64 LwAnpG antragsberechtigt ist. Dies folgt schon aus den Eintragungen in dem Gebäudegrundbuch von T., Blatt 413 GGB. Des Weiteren legt der bestandskräftige Bescheid des Präsidenten der Oberfinanzdirektion vom 16. Januar 1996 und die hierzu gehörende Bestandsbestätigung des Oberfinanzpräsidenten vom 28. März 2003 auch für den Senat bindend fest, dass von dem Grundeigentum getrenntes Gebäudeeigentum entstanden ist.

16

Ohne Erfolg wenden die Kläger ein, der Antragsteller habe das Gebäudeeigentum nicht von den Eheleuten K. erwerben können, weil diese zum Verkauf der Stallanlage ausweislich der insoweit geführten zivilrechtlichen Rechtsstreitigkeiten nicht berechtigt gewesen seien; denn gemäß 57 LwAnpG hat die Flurneuordnungsbehörde die Beteiligten auf der Grundlage der Eintragungen im Grundbuch zu ermitteln. Die Vorschrift findet ihre Entsprechung in § 12 FlurbG und beruht auf der Erwägung, dass sich in der Regel Eigentumsrechte an Grund und Boden wie an Gebäuden aus dem Grundbuch ergeben. Die Vorschrift knüpft damit an die Vermutungsregelung des § 891 Abs. 1 BGB, dass das eingetragene Recht besteht und dem Eingetragenen seit der Eintragung zusteht, an, die in allen Verfahrensarten zur Anwendung kommt, also auch etwa im Verwaltungsprozess (vgl. (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.08.2005 - BVerwG 10 B 43.05 -, zit. nach juris; SächsOVG, Urt. v. 17.03.2005 - F 7 D 17/04 -, m.w.N., zit. nach juris; Seehusen/Schwede, 7. Aufl., § 12 FlurbG, Rdnr. 1; BayVGH, Urt. v. 26.07.1999 - 19 B 95.2321 -, RdL 2000, 208 <209>). Es ist hiernach nicht Aufgabe der Flurneuordnungsbehörde, über streitige Eigentumsverhältnisse zu entscheiden, die im Grundbuch eingetragen sind. Lediglich bei Offenkundigkeit des Gegenteils gilt die Vermutung nicht - mehr - (vgl. § 291 ZPO). Eine derartige Offenkundigkeit scheidet hier aus; insbesondere lässt sich der Entscheidung des Landgerichts Halle vom 16. Januar 2004 entgegen der Auffassung der Kläger nicht die Feststellung entnehmen, dass „bereits die Eheleute K. Eigentum am Gebäude nicht durch wirksamen Erwerbsvorgang erlangt hätten“; denn zum einen betraf das Verfahren ausschließlich den Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts und zum anderen ist das im Urteil des Landgerichts Halle vom 16. Januar 2004 erwähnte „Besitzrecht am Grundstück“ nicht mit dem „Eigentum am Gebäude“ gleichzusetzen, d. h. Gebäudeeigentum kann auch ohne ein entsprechendes Besitzrecht im Sinne des Art. 233 § 2a Abs. 1 oder § 2b EGBGB bestehen.

17

Im Übrigen wird auch zu der Vorschrift des § 12 Satz 1 FlurbG in Literatur und Rechtsprechung durchweg anerkannt, dass die Eintragung des Eigentums im Grundbuch jedenfalls so lange maßgebend ist, bis der Nachweis der Unrichtigkeit erbracht ist (vgl. OVG Brandenburg, Urt. v. 11.11.1999 - 8 D 21/98.G -, RdL 2000, 216 <217> m. w. N.). Dieser Nachweis ist allerdings vorliegend nicht dadurch erbracht, dass die Eheleute K. den Klägern im Rahmen eines Vergleichs die ortsübliche Miete für die Nutzung der Schweinestallanlage als Schadenersatz gezahlt haben. Insoweit konnte der Senat von einer Beiziehung der Verfahrensakte 12 C 742/04 absehen. Auch der von den Klägern eingelegte Widerspruch gegen die Umschreibung des Gebäudegrundbuchs auf den Antragsteller H. begründet (noch) nicht den Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs. Schließlich würde auch die von den Klägern behauptete Divergenz der Entscheidungen des Landgerichts Halle zu Vorfragen des Eigentumserwerbs keine Verpflichtung der Flurneuordnungsbehörde oder des nachfolgend angerufenen Flurbereinigungsgerichts begründen, im Zusammenhang mit der Einleitung des Bodenordnungsverfahrens über eventuell streitig gebliebene Fragen zu entscheiden (vgl. OVG Brandenburg, Urt. v. 26.09.2002 - 8 D 30/99.G -, RdL 2004, 326 <328>). Ein derartiger Streit könnte die von der Flurneuordnungsbehörde zu treffende Entscheidung erheblich verzögern und damit die Erfüllung des in § 64 LwAnpG enthaltenen Gestaltungsauftrags ohne Notwendigkeit ernsthaft behindern (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.12.2003 - BVerwG 9 C 5.03 -, zit. nach juris).

18

Soweit sich die Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens auf § 31 Abs. 1 SachenRBerG berufen haben, wonach der Grundstückseigentümer u. a. den Abschluss eines Grundstückskaufvertrages verweigern kann, wenn das vom Nutzer errichtete Gebäude oder die bauliche Anlage land-, forstwirtschaftlich oder gewerblich genutzt wird, dem Nutzer ein Nutzungsrecht nicht bestellt wurde und die Restnutzungsdauer des Gebäudes oder der baulichen Anlage in dem Zeitpunkt, in dem der Nutzer Ansprüche nach diesem Kapitel geltend macht, weniger als 25 Jahre beträgt, so ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass § 31 Abs. 1 SachenRBerG bei der Einleitung des Bodenordnungsverfahrens nicht zu berücksichtigen ist (BVerwG, Urt. v. 10.12.2003, a. a. O.)

19

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Erhebung des Pauschsatzes folgt aus § 147 Abs. 1 Satz 1 FlurbG. Die Erhebung der Gebühr ergibt sich aus § 147 Abs. 1 Satz 2 FlurbG.

20

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

21

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen