Urteil vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (1. Senat) - 1 L 70/11

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Berechnung des Auszahlungsbetrages seines Ruhegehaltes durch die Beklagte aufgrund des Zusammentreffens von Versorgungsbezügen mit einer Altersrente (Ruhensberechnung gemäß § 55 BeamtVG).

2

Der am (...) 1943 geborene Kläger absolvierte vom (...) 1967 bis (...) 1969 seinen Wehrdienst in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Seit dem (...) 1969 war er dort als Volkspolizist tätig, zuletzt seit dem (...) 1990 im Dienstgrad eines Hauptmanns.

3

In der Zeit vom (...) 1990 bis zum (...) 1991 diente der Kläger im Angestelltenverhältnis sowie seit dem (...) 1991, zuletzt im Range eines Kriminaloberkommissars (Besoldungsgruppe A 10 BBesO), als Polizeibeamter im Dienste des Landes Sachsen-Anhalt. Nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde er mit Ablauf des Monats Juli 2003 in den Ruhestand versetzt.

4

Ausweislich des Protokolls zur Anhörung vom (...) 1992 gab der Kläger gegenüber dem Personalausschuss der damaligen Polizeidirektion A-Stadt u. a. an, er habe dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sein Dienstzimmer zur Verfügung gestellt und hierzu eine Erklärung geschrieben und unterschrieben, die kurze Zeit später geändert worden sei. Eine große inhaltliche Veränderung zwischen beiden Erklärungen habe er nicht wahrgenommen. Berichte zu Personen habe er nicht gefertigt. Einmal habe er ein kleines Präsent erhalten, weil seine Frau sein Dienstzimmer gegen ein Entgelt von 20,00 Mark gereinigt habe.

5

Dem Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) vom (...) 1993 (Tgb.-Nr. (...)) zufolge war der Kläger in der Zeit vom (...) 1986 bis (...) 1989 als inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/Sonstiges (IMK/S) erfasst.

6

Mit Formularschreiben vom (...) 2003 beantragte der Kläger die vorübergehende Erhöhung seines Ruhegehaltssatzes nach § 14a BeamtVG. Mit Bescheid vom 21. Juli 2003 (Bl. 46 ff. der Beiakte A) setzte die Beklagte für den Kläger unter Zugrundelegung seiner Tätigkeit als Angestellter und Beamter des Landes Sachsen-Anhalt vom 3. Oktober 1990 bis 31. Juli 2003 einen Ruhegehaltssatz i. H. v. 24,06 v. H. fest. Ebenfalls mit Bescheid vom 21. Juli 2003 erhöhte die Beklagte unter Berücksichtigung anrechnungsfähiger Pflichtversicherungszeiten vom 5. Juli 1960 bis 30. September 1990 vorübergehend den Ruhegehaltssatz ab 1. August 2003 von bisher 24,06 v. H. um 27,17 v. H. auf insgesamt 51,23 v. H. (vgl. Bl. 25 ff. der Beiakte A). Der Kläger erhielt danach ein erhöhtes Ruhegehalt i. H. v. 1.435,91 Euro (vgl. Bl. 50 Beiakte A).

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Mit Bescheid vom 13. Mai 2008 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Kläger eine Regelaltersrente ab 1. August 2008 von monatlich 859,25 Euro (Bl. 70 ff. Beiakte A).

8

Mit Bescheid über die Ruhensregelung gemäß § 55 BeamtVG vom 8. Juli 2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach § 55 BeamtVG Versorgungsbezüge neben Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, einer Zusatzversorgung für Angestellte des Öffentlichen Dienstes, Rente aus einer gesetzlichen Unfallversicherung oder aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nur im Rahmen einer Höchstgrenze gewährt würden; der übrige Teil der Versorgung ruhe. Die Höchstgrenze setze sich gemäß § 55 Abs. 2 BeamtVG aus den ruhegehaltfähigen Dienstbezügen aus der Endstufe der zugrunde liegenden Besoldungsgruppe und der fiktiven ruhegehaltfähigen Dienstzeit, die vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalles (zuzüglich etwaiger Zurechnungszeiten) rechne, zusammen. Eine Ausnahme von der durchgehenden Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit gelte gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BeamtVG für Zeiten, die gemäß § 2 Nr. 7 Beamtenversorgungsübergangsverordnung (BeamtVÜV) wegen einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst oder einer Tätigkeit aufgrund einer persönlichen Systemnähe zur ehemaligen DDR nicht ruhegehaltfähig seien. Bei der Berechnung der Kürzung der Mindestversorgung blieben die Erhöhungsbeträge nach § 14 Abs. 4 BeamtVG und der Unterschiedsbetrag nach § 50 Abs. 1 BeamtVG außer Betracht. In den dem Bescheid beigefügten Anlagen errechnete die Beklagte ausgehend von einem dem Mindestruhegehalt entsprechenden Gesamtversorgungsbezug i. H. v. 1.327,51 Euro abzüglich einer Kürzung infolge Rentenleistung i. H. v. 818,27 Euro, einen dem Kläger ab 1. August 2008 verbleibenden monatlichen Auszahlungsbetrag von 509,24 Euro. Bei der Berechnung der Höchstgrenze nach § 55 BeamtVG blieben bei Zugrundelegung einer Zeitdifferenz vom 5. Juli 1960 bis 31. Juli 2003 (43 Jahre, 27 Tage) verschiedene Zeiträume zwischen dem 1. September 1960 bis 24. November 1989 über insgesamt 27 Jahre 78 Tage gemäß § 12a BeamtVG unberücksichtigt, so dass sich ein Ruhegehaltssatz von 29,74 v. H. ergab; da diese errechnete Höchstgrenze niedriger war als nach Maßgabe der Mindestversorgung gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 oder 2 BeamtVG, wurde der Ruhensberechnung die amtsunabhängige Mindestversorgung zugrunde gelegt (vgl. Bl. 84 bis 87 der Beiakte A).

9

Der Kläger legte gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2008 mit Schreiben vom 22. Juli 2008 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, in der "Gauck-Anhörung" sei richtig festgestellt worden, dass er ohne sein Wissen und Zutun als inoffizieller Mitarbeiter beim MfS geführt worden sei. Richtig sei, dass er in dem genannten Zeitraum eine dienstliche Anweisung gehabt habe, zu bestimmten Zeiten und Terminen sein Dienstzimmer zu verlassen, damit die Herren der Staatsicherheit dort nötige Gespräche führen konnten. Er habe weder Veranlassung noch überhaupt die Möglichkeit gehabt, sich gegen diese Anweisung zu wehren. Dass er wegen der Nutzung seines Dienstzimmers als „IM“ geführt worden sei, habe er nicht gewusst und auch erst in den Wirren der Wende durch die bekannte „Zeitungsliste“ erfahren. Er sei zu keiner Zeit, weder offiziell noch inoffiziell für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit tätig gewesen. Ihm stehe gemäß § 14 Abs. 5 BeamtVG neben der Rente monatlich ein Ruhegehalt von mindestens 737,08 Euro zu.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2008, der dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19. November 2008 zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Zeitraum der Tätigkeit des Klägers beim MfS/AfNS vom (...) 1986 bis (...) 1989 sowie alle davor liegenden Zeiten seien zu Recht bei der Berechnung der fiktiven ruhegehaltfähigen Dienstzeit für die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG unberücksichtigt geblieben. Nach Tz 30.1.1 BBesGVwV gelte der Ausschluss für jedwede nachweisliche Tätigkeit für das MfS/AfNS, auch für Zeiten einer informellen oder inoffiziellen Tätigkeit. Es komme nicht darauf an, ob man tätig geworden sei oder nicht. Maßgeblich sei die nachweisliche Zugehörigkeit zum MfS/AfNS. § 14 Abs. 5 BeamtVG und § 2 Nr. 9 BeamtVÜV, wonach mindestens die erdiente Versorgung zu zahlen sei, finde hier keine Anwendung.

11

Hiergegen hat der Kläger am 19. Dezember 2008 beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben, zu deren Begründung er vorgetragen hat: Er habe einen Versorgungsanspruch in Höhe seiner erdienten Versorgung. Die vom BStU mit Schreiben vom 4. Mai 2007 verweigerte Herausgabe der ihn betreffenden Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR habe zur Folge, dass ihm eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst nicht nachgewiesen werden könne, weshalb eine Kürzung der Ruhegehaltbezüge aus diesem Grunde nicht erfolgen dürfe. Auch seien die in der Beiakte C enthaltenen Auszüge aus der früheren Personalakte als Beweismittel nicht verwertbar. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass die in der Beiakte C enthaltenden Auszüge aus der Akte des BStU mit den Originalunterlagen vollständig übereinstimmten und in jeder Hinsicht dem Original entsprächen. Die verweigerte Herausgabe der Originalunterlagen könne nicht durch die Vorlage von Kopien aus dem Altbestand einer früheren Dienststelle umgangen werden. Unterlägen die Originalunterlagen einem Herausgabe- bzw. Beweisverwertungsverbot, so gelte dies auch für die angefertigten Kopien. Für den Fall, dass die Beiakte C im Verfahren verwertbar sei, weise er darauf hin, dass ihm dienstlich aufgegeben worden sei, sein Dienstzimmer am Mittwoch zu meiden, damit es durch das Ministerium für Staatssicherheit genutzt werden könne. Bereits in den 70er Jahren habe eine entsprechende Regelung bestanden. Er habe die Aufgabe von einem in Pension gegangenen Kollegen übernommen. Das MfS habe auf eine schriftliche Fixierung der Gewährung des Zugangs zu den Diensträumen im Rahmen einer Verpflichtungserklärung bestanden. Außer der Zurverfügungstellung des Dienstzimmers habe es keine anderweitigen Tätigkeiten für das MfS gegeben. Aufgrund der Dienstvorschrift für Abschnittsbevollmächtigte sei er zur Zusammenarbeit mit allen staatlichen Behörden und Organen verpflichtet gewesen; er habe damit kraft Dienstvorschrift dem MfS „Amtshilfe“ geleistet. Zu dem Bericht der Anlage 3/3 sei es gekommen, weil der für ihn verantwortliche Beschäftigte des MfS die Anweisung erteilt habe, ihm mitzuteilen, wenn sich jemand für die Nutzung des Zimmers interessieren würde. Auf diese Aufforderung hin sei es zu der Information zu einer Person gekommen, die sich nach seiner Einschätzung als neugierig herausgestellt habe. Die personelle Veränderung durch den Auszug einer Familie in einem Haus sei keine „Spitzeltätigkeit“ gewesen, da eine solche Veränderung üblicherweise in einem sog. Hausbuch niedergelegt worden sei, zu dem das MfS aus eigener Kompetenz uneingeschränkten Zugang gehabt habe, so dass es seiner Information überhaupt nicht bedurft habe. Die Angaben zur eigenen Person und der Familienbindung zu seinen Töchtern seien unschädlich. Weitere Berichtstätigkeiten habe er abgelehnt. Zur Übergabe des erwähnten Präsentes sei es gekommen, weil seine Ehefrau im Auftrag der Polizei das Dienstzimmer gereinigt habe. Bedingt durch die übermäßige Nutzung an den Tagen, an denen das MfS die Räume genutzt habe, habe sich seine Frau einmal beschwert. Darauf sei ihr ein Präsent übergeben worden. Aus diesem Grunde sei auch keine Quittierung durch ihn erfolgt, weil ihm kein Präsent übergeben worden sei. All dies rechtfertige nicht die Annahme einer Tätigkeit für das MfS. Er habe nur im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit und nur auf dienstliche Weisung seiner Vorgesetzten am Mittwoch sein Dienstzimmer für das MfS zur Verfügung gestellt. Persönliche Berichte über andere Personen habe er nicht angefertigt. Eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS sei von ihm immer abgelehnt worden. Überdies könne bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Beklagten das Ergebnis eintreten, dass § 55 Abs. 2 BeamtVG zu einer Versorgung unterhalb der verfassungsrechtlich vorgegebenen Mindestversorgung führe. Mit dem Gleichheitssatz sei es nicht zu vereinbaren, wenn der für das MfS tätig Gewesene, mit dem weder ein Beamtenverhältnis begründet noch ein Beschäftigungsverhältnis eingegangen worden sei, versorgungsrechtlich besser stehe als er selbst. Auch gegenüber Beamten, die als IM und wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt worden seien, sei die Ruhensregelung nicht zu rechtfertigen; diesen hätte ein Anspruch auf Nachversicherung zugestanden.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 18. November 2008 aufzuheben, soweit auch ein Teil des durch den Kläger nach § 14 Abs. 1 BeamtVG erdienten Ruhegehalts zum Ruhen gebracht worden ist.

14

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat darauf verwiesen, dass der Kläger nach dem Bericht des BStU im Rahmen seiner Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst aktuelle Ermittlungsergebnisse zu Hausbewohnern übergeben habe und im November 1988 ein „Präsent“ im Wert von 97,95 Mark erhalten habe. § 14 Abs. 5 Satz 4 BeamtVG sei nach der Gesetzessystematik und seinem Sinn und Zweck, der durch die Gesetzesmaterialien bestätigt werde, vorliegend nicht anwendbar. Auch § 2 Nr. 9 BeamtVÜV sei nicht anzuwenden, wenn nach der Anwendung des § 55 BeamtVG die verbleibende Versorgung hinter der erdienten Versorgung zurückbleibe. Soweit die vorgenommene Kürzung nicht auf § 2 Nr. 9 Satz 1 BeamtVÜV beruhe, könne es keine Erhöhung entsprechend § 2 Nr. 9 Satz 4 BeamtVÜV geben. § 14 Abs. 5 Satz 4 BeamtVG lasse nur eine Absenkung des Zahlbetrages zu und regele das Mindestruhegehalt, bis zu dem die Versorgungsbezüge abgesenkt werden dürften. Der Kläger verlange aber die Erhöhung auf das erdiente Ruhegehalt; dieser Fall sei in § 14 Abs. 5 BeamtVG nicht geregelt.

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Mit Urteil vom 23. Februar 2011 hat das Verwaltungsgericht Halle den Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 18. November 2008 aufgehoben, soweit auch ein Teil des durch den Kläger nach § 14 Abs. 1 BeamtVG erdienten Ruhegehalts zum Ruhen gebracht worden ist. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der angefochtene Bescheid und der Widerspruchsbescheid der Beklagten seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten, weil dieser über einen Versorgungsanspruch in Höhe seiner erdienten Versorgung verfüge. Die Beklagte habe im Rahmen der Ruhensanordnung gemäß § 55 BeamtVG zu Unrecht den Zeitraum vom (...) 1986 bis (...) 1989 sowie die davor liegenden Zeiten bei der Berechnung der fiktiven ruhegehaltsfähigen Dienstzeit nicht berücksichtigt, weil dem Kläger eine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR nicht (mehr) vorgehalten werden dürfe. Die Unterlagen des BStU seien nicht mehr verwertbar. Das Gericht habe als öffentliche Stelle keinen Zugang (mehr) zu den Unterlagen des BStU. Keiner der im zweiten Unterabschnitt des StUG (§§ 19 ff. StUG) abschließend geregelten und einer Analogie nicht zugänglichen Verwendungszwecke für öffentliche Stellen sei einschlägig. Insbesondere komme eine Verwendung der Unterlagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 StUG nicht in Betracht, weil in diesem Verfahren nicht das Ruhen von Versorgungsleistungen nach dem Versorgungsruhensgesetz sowie die Kürzung oder Aberkennung oder das Ruhen von Leistungen, auf die das Versorgungsruhensgesetz entsprechende Anwendung finde, streitgegenständlich sei. Auch eine Verwendung der Unterlagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 lit. c) und d) StUG sei nicht möglich, weil der Kläger kein Amt mehr inne habe und sich auch nicht um ein solches bewerbe; zudem sei er zuletzt kein Beamter in der nach den Vorschriften beschriebenen herausgehobenen Position gewesen. Eine dem § 20 Abs. 1 Nr. 9 StUG in seiner Gültigkeit bis zum 11. Februar 2009 vergleichbare Regelung, wonach Unterlagen in der Vergangenheit auch für den Zweck der Anerkennung von Beschäftigungszeiten, Zahlungen und Überführungen der Renten ehemaliger Angehöriger des Staatssicherheitsdienstes verwendet werden durften, existiere nicht mehr. Bestehe hiernach gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StUG kein Zugangs- und Verwendungsrecht mehr für die Stasiunterlagen, habe dies ein (Beweis)Verwertungsverbot auch für die aus einer früheren Überprüfung des Klägers in Form von Kopien vorliegenden Unterlagen des BStU zur Folge. Ausnahmen von dieser Zugangs- und Verwendungssperre seien ausschließlich im StUG geregelt und hier nicht gegeben. Auch seien die dem Dienstherr in Bezug auf eine Tätigkeit des Klägers für das MfS vorliegenden Sekundärinformationen dem Kläger nicht (mehr) vorhaltbar. Der Dienstherr dürfe deshalb auch nicht (mehr) auf die - unter dem Druck der Belehrung über die beamtenrechtliche Wahrheitspflicht und dem Hinweis auf drohende personalrechtliche Konsequenzen abgegebenen - klägerischen Angaben im Protokoll vom (...) 1992 zurückgreifen.

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Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Urteil die Berufung und die Sprungrevision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Das Urteil wurde der Beklagten am 20. April 2011 zugestellt. Sie hat am 17. Mai 2011 beim Verwaltungsgericht Halle Berufung eingelegt und diese am 16. Juni 2011 gegenüber dem Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt wie folgt begründet:

19

Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass die Kürzung der Versorgungsbezüge auf § 55 BeamtVG beruhe. Das Bundesverfassungsgericht habe die Kürzung der Versorgung wegen einer Tätigkeit für das MfS ausdrücklich anerkannt; hieran habe sich durch die Änderung des Stasiunterlagengesetzes i. d. F. v. 18. Februar 2007 nichts geändert. Das Stasiunterlagengesetz habe auch keinen Vorrang vor der beamtenrechtlichen Regelung, denn Spezialgesetz für die Berechnung der Versorgung sei das Beamtenversorgungsgesetz. Die Zugehörigkeit zu einem rechtsstaatswidrigen Organ der DDR dürfe sich - entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes - jedenfalls nicht positiv, d. h. besoldungs- bzw. versorgungserhöhend auswirken, zumal diese Zeiten rentenrechtlich Berücksichtigung finden könnten. Die Neufassung des Stasiunterlagengesetzes habe nur den Personenkreis betroffen, der ab Änderung des Gesetzes noch überprüft werden dürfe. Die Überprüfung des Klägers sei jedoch längst abgeschlossen gewesen. Der Personalausschuss habe am (...) 1992 ausdrücklich eine Tätigkeit des Klägers für das MfS festgestellt, die zuvor auch vom Kläger eingestanden worden sei. Auch das Besoldungsneuregelungsgesetz Sachsen-Anhalt sehe in § 26 weiterhin vor, dass Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für Nationale Sicherheit besoldungsrechtlich nicht zu berücksichtigen seien. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene teleologische Auslegung des Stasiunterlagengesetzes gehe zu weit. Von einer Spezialität des vorgenannten Gesetzes könne nicht gesprochen werden. Die Änderung des § 20 Abs. 3 StUG betreffe die nach Inkrafttreten des Gesetzes erfolgende erstmalige oder neuerliche Überprüfung. Keinesfalls sollte damit der Ausschluss der Berücksichtigung der nicht mit einer rechtsstaatsmäßigen Tätigkeit erworbenen Versorgungsanrechte aufgehoben werden. In der Nichtverwertung der Unterlagen der Gauck-Behörde über den Kläger, aber auch der Nichtverwertung des Protokolls der Anhörung des Klägers durch die Polizeidirektion A-Stadt am (...) 1992 liege ein Verfahrensmangel i. S. von § 130 VwGO. Das Verwaltungsgericht habe sich auch bei seiner Beweiswürdigung geirrt, indem es die zu Recht erfolgte Belehrung über die beamtenrechtliche Wahrheitspflicht und die bei Verletzung ggf. folgenden personal-rechtlichen Konsequenzen zum Anlass genommen habe, die in diesem Zusammenhang gemachten Angaben des Klägers nicht zu beachten und nicht zu verwerten. Das Verwaltungsgericht sei auch rechtsirrigerweise davon ausgegangen, dass der Kläger nochmals überprüft wurde bzw. werden sollte. Dies sei aufgrund der vorhandenen Unterlagen aber gerade nicht der Fall gewesen. Der Vorgang der Aktenanforderung bzw. Verwendung der Stasiunterlagen sei bereits im Jahr 1992 abgeschlossen gewesen; bei der Berechnung der Versorgung sei lediglich das Ergebnis dieser Überprüfung einbezogen worden. § 47 Abs. 2 StUG verweise ausdrücklich auf die sinngemäße Weitergeltung der aufgrund des Einigungsvertrages ergangenen besoldungs- und versorgungsrechtlichen Übergangsvorschriften, weshalb diesen Vorrang vor dem StUG einzuräumen sei. Rechtlich zu beanstanden sei auch, dass das Verwaltungsgericht der Auffassung gewesen sei, im Wege der Auslegung die bereits außer Kraft getretene Vorschrift des § 20 Abs. 3 StUG in der bis zum 28. Dezember 2006 gültigen Fassung weiter anwenden zu dürfen. Im Übrigen komme es für das vorliegende Anfechtungsbegehren des Klägers auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, d. h. auf den Widerspruchsbescheid vom 18. November 2008 an. Zu diesem Zeitpunkt habe die nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nur bis zum 11. Februar 2009 gültige Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 StUG noch bestanden.

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Die Beklagte beantragt,

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das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 5. Kammer - vom 23. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt sinngemäß,

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die Berufung zurückzuweisen.

24

Nach seiner Auffassung ist das erstinstanzliche Urteil rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte verkenne, dass sie das Vorliegen der Kürzungsvoraussetzungen gemäß § 55 BeamtVG nicht belegen könne, wenn - wie das Verwaltungsgericht zu Recht annehme - die über ihn angelegten Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes sowie deren Kopien nicht mehr verwertet werden dürfen. Auch finde die Rechtssauffassung der Beklagten, dass durch die Neufassung des Stasiunterlagengesetzes nur Personen betroffen sein sollen, die ab diesem Zeitpunkt noch überprüft werden dürfen, im Gesetz keine Stütze; vielmehr sei nach dem Gesetzeswortlaut jede Überprüfung gemeint. Eine Überprüfung i. S. d. Gesetzes liege deshalb auch dann vor, wenn aus Anlass der von der Beklagten gewollten Kürzung der Versorgungsbezüge wegen einer aus ihrer Sicht vorliegenden Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit auf diese Unterlagen zurückgegriffen werden müsse. Das Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der Überprüfung des Personalausschusses Anfang der 90er Jahre, sei von dem jetzigen Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit der Kürzung von Versorgungsbezügen rechtlich zu unterscheiden. Aufgrund der Verschiedenheit der Verwaltungsverfahren dürfe zum jetzigen Nachweis seiner Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der früheren DDR nur auf die Unterlagen zurückgegriffen werden, die für ihn angelegt worden seien und die beim BStU lagerten. Da es sich um eine erneute Überprüfung i. S. d. Stasiunterlagengesetzes handele, sei die Entscheidung des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR vom 4. Mai 2010, wonach eine Herausgabe wegen der jetzt existierenden Rechtslage nicht mehr möglich sei, rechtmäßig. Auf die von der Beklagten angeführten Regelungen im Besoldungsneuregelungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt komme es nicht an. Werde eine Tätigkeit für den ehemaligen Staatssicherheitsdienst der DDR bestritten - wie hier - könne ein entsprechender Nachweis rechtsgültig nur durch die Einsichtnahme in die Originalunterlagen beim Bundesbeauftragten erbracht werden. Könne diese Einsichtnahme rechtlich nicht mehr erfolgen, so sei davon auszugehen, dass eine Tätigkeit für den früheren Staatssicherheitsdienst der DDR nicht vorgelegen habe. Auch liege in der Nichtverwertung des Anhörungsprotokolls vom (...) 1992 kein Verfahrensmangel vor, weil der Grund für die Überprüfung Anfang der 1990er Jahre ein völlig anderer gewesen sei als derjenige, der jetzt durch die Beklagte angeführt werde. Damals sei es um die Weiterbeschäftigung des Klägers im Öffentlichen Dienst gegangen. Vor diesem Hintergrund sei auch der Tatsache der Belehrung ein völlig anderer Stellenwert beizumessen. Die Rechtssauffassung des Verwaltungsgerichts zu § 20 Abs. 3 StUG sei juristisch vertretbar und stelle keinen Rechtsfehler dar.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhaltes im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd (Beiakten A, B und C) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Halle - 5. Kammer - vom 23. Februar 2011 gerichtete Berufung der Beklagten, über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet.

27

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Denn der Bescheid der Beklagten vom 8. Juli 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 18. November 2008 sind rechtmäßig und verletzten den Kläger mithin nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Auszahlung höherer Versorgungsbezüge als ihm aufgrund der streitgegenständlichen Bescheide nach der Höchstgrenzenberechnung wegen des Zusammentreffens von Versorgungsbezügen mit Rente ab 1. August 2008 zuerkannt worden ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

28

Dabei kann der Senat dahingestellt sein lassen, ob für die Höchstgrenzenberechnung die Rechtslage im Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand (gemäß § 4 Abs. 2 BeamtVG, vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss v. 19.08.2010 - 2 C 34.09 -, juris unter Bezug auf einen Antrag gemäß § 14a BeamtVG) bzw. der Zeitpunkt des erstmaligen Zusammentreffens von Versorgungsbezügen mit einer Rente oder ein späterer Zeitpunkt, spätestens der Zeitpunkt der Entscheidung des Senats, maßgeblich ist. Denn trotz der im Zeitraum 1. August 2003 bzw. 1. August 2008 bis heute erfolgten Rechtsänderungen haben sich die materiell-rechtlichen Anforderungen an eine Höchstgrenzenberechnung - soweit sie hier in Streit stehen - nicht geändert.

29

Das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Rente beurteilt sich nach § 55 BeamtVG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung. Diese Fassung ist mit Wirkung vom 1. Januar 2002 durch Gesetz vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I, S. 3926) in Kraft getreten. Die Anwendbarkeit des Beamtenversorgungsgesetzes auch für Beamte der Länder - wie den Kläger - folgte bis zur Föderalismusreform durch Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I, S. 2034), infolge dessen Art. 74a GG aufgehoben und Art. 74 Abs. 1 GG mit Wirkung vom 1. September 2006 (vgl. Art. 2 des Gesetzes v. 28.08.2006, a. a. O.) geändert wurde, aus § 1 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bzw. § 85 BG LSA (i. d. F. d. Bekanntmachung v. 09.02.1998, GVBl. LSA, S. 50). Ab 1. September 2006 ergab sich die Anwendbarkeit des Beamtenversorgungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung aus der Regelung des Art. 125a Abs. 1 GG bzw. ab 1. Januar 2008 aus § 108 Abs. 1 BeamtVG (gemäß Art. 3 Nr. 7 d. Gesetzes v. 29.07.2008, BGBl. I, S. 1582), wonach das Beamtenversorgungsgesetz in der vorgenannten Fassung u. a. für Landesbeamte weiter gilt, soweit es nicht durch Landesrecht ersetzt wurde. Bestätigt wurde dies durch die bis zum 31. Januar 2010 gültige Fassung des § 85 BG LSA, wonach sich die Versorgung nach den Vorschriften des Beamtenversorgungsgesetzes richtete.

30

Ab 1. April 2011 regelte das Besoldungs- und Versorgungsrechtsergänzungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (BesVersEG LSA) vom 8. Februar 2011 (GVBl. LSA, S. 68) für Versorgungsempfänger und Versorgungsempfängerinnen der in § 1 LBG LSA aufgeführten Dienstherrn (also auch für Landesbeamte), dass für den vorgenannten Personenkreis die am 31. August 2006 gültigen bundesrechtlichen Gesetze und Verordnungen als Landesrecht fort gelten, sofern sich aus Abschnitt 2, d. h. den §§ 5 bis 13 BesVersEG LSA nichts anderes ergibt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BesVersEG LSA). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 BesVersEG LSA gelten Verweisungen im Beamtenversorgungsgesetz auf das Bundesbesoldungsgesetz oder auf Bestimmungen des Bundesbesoldungsgesetzes bis zum Erlass eines Beamtenversorgungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt als Verweisungen auf das Landesbesoldungsgesetz oder auf die entsprechenden Bestimmungen des Landesbesoldungsgesetzes.

31

Hiervon ausgehend richtet sich das Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit Renten nach § 55 BeamtVG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung. Diese Regelung gilt auch für Beamte, die - wie der Kläger - nach Inkrafttreten des Einigungsvertrages von ihrer ersten Ernennung an im Beitragsgebiet verwendet wurden (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Nr. 8 Satz 1 BeamtVÜV, BGBl. I 1993, 369).

32

Gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Als Renten gelten gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG u. a. Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen. Um eine solche handelt es sich bei der mit Rentenbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 13. Mai 2008 dem Kläger ab 1. August 2008 gewährten Regelaltersrente i. H. v. insgesamt 859,26 € (818,27 € monatliche Rente zuzüglich Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag i. H. v. 40,99 €, vgl. Bl. 74 der Beiakte A).

33

Gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lit. b) BeamtVG gilt als Höchstgrenze für Ruhestandsbeamte der Betrag, der sich als Ruhegehalt zuzüglich des Unterschiedsbetrages nach § 50 Abs. 1 ergeben würde, wenn der Berechnung (u. a.) als ruhegehaltfähige Dienstzeit die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr bis zum Eintritt des Versorgungsfalles abzüglich von Zeiten nach § 12a BeamtVG, zuzüglich der Zeiten, um die sich die ruhegehaltfähige Dienstzeit erhöht, und der bei der Rente berücksichtigten Zeiten einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nach Eintritt des Versorgungsfalles, zugrunde gelegt wird.

34

Gemäß § 12a BeamtVG sind Zeiten nach § 30 BBesG nicht ruhegehaltfähig. Entsprechendes gilt nach § 2 Nr. 8 Satz 2, Nr. 7 BeamtVÜV, wonach die ruhegehaltfähige Dienstzeit i. S. d. § 55 Abs. 2 Nr. 1 lit. b) BeamtVG um Zeiten zu vermindern ist, die nach Nr. 7 nicht ruhegehaltfähig sind; letzteres sind Zeiten nach § 30 BBesG.

35

§ 12a BeamtVG i. d. F. von § 7 Abs. 1 Satz 3 BesVersEG LSA verweist insoweit auf nicht zu berücksichtigende, d. h. nicht ruhegehaltfähige Zeiten nach § 26 des Landesbesoldungsgesetzes (i. d. F. v. 08.02.2011, GVBl. LSA, S. 68). Nicht ruhegehaltfähig sind danach unter anderem Zeiten einer Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit oder das Amt für nationale Sicherheit. Dies gilt auch für Zeiten, die vor einer solchen Tätigkeit zurückgelegt worden sind sowie für Zeiten einer Tätigkeit als Angehöriger der Grenztruppen der DDR (vgl. § 30 Abs. 1 Satz 1 bis 3 BBesG, § 26 Abs. 1 Satz 1 bis 3 LBesG LSA).

36

In Anwendung dieser Rechtsvorschriften hat die Beklagte den Zeitraum vom (...) 1986 bis (...) 1989 wegen Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit sowie alle davor liegenden Zeiten zu Recht bei der Berechnung der fiktiven ruhegehaltsfähigen Dienstzeit für die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG nicht berücksichtigt.

37

Im Einzelnen:

38

Einer Verwertung der von der Beklagten vorgelegten und als Beiakte C geführten Verwaltungsvorgänge der Polizeidirektion A-Stadt, insbesondere des Einzelberichtes des BStU vom (...) 1993 samt Anlagen und der Unterlagen im Zusammenhang mit der Anhörung des Klägers vor dem Personalausschuss der Polizeidirektion A-Stadt vom (...) 1992, stehen die Vorschriften des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) nicht entgegen.

39

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StUG (gleichlautend i. d. F. v. 20.12.1991, BGBl. I, S. 2272 bis aktuell i. d. F. d. Bekanntmachung v. 18.02.2007, BGBl. I, S. 162, zuletzt geändert durch Art. 1 d. Gesetzes v. 22.12.2011, BGBl. I, S. 3106, ber. d. BGBl. I 2012, 442) haben öffentliche und nicht öffentliche Stellen nur Zugang zu den Unterlagen und dürfen sie nur verwenden, soweit es dieses Gesetzes erlaubt oder anordnet.

40

Gemäß § 6 Abs. 9 Satz 1 StUG umfasst die Verwendung von Unterlagen

41

-die Weitergabe von Unterlagen,

42

-die Übermittlung von Informationen aus den Unterlagen

43

sowie

44

-die sonstige Verarbeitung und Nutzung von Informationen.

45

Öffentlichen Stellen wird grundsätzlich ein Zugangsrecht zugebilligt, soweit die Verwendung der Unterlagen nach den §§ 20 bis 23, 25 und 26 StUG zulässig ist (§ 19 Abs. 1 Satz 1 StUG).

46

Im Hinblick auf die mit Einzelbericht des BStU vom (...) 2003 vorgelegten Unterlagen bzw. mitgeteilten Informationen sind nur die in § 20 StUG geregelten Verwendungszwecke für Unterlagen, die keine personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten, von Interesse. Entgegen der vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsauffassung besteht die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 9 StUG, wonach Unterlagen für die „Anerkennung von Beschäftigungszeiten, Zahlung und Überführung der Renten ehemaliger Angehöriger des Staatssicherheitsdienstes“ verwendet werden dürfen, bis zum heutigen Tag. Die Vorschrift wurde letztmals durch Art. 1 Nr. 6 des 3. StUÄndG vom 20. Dezember 1996 (BGBl. I 1996, 2026) mit Wirkung vom 28. Dezember 1996 geändert, indem die bisher verwandte Formulierung „Anerkennung ruhegehaltfähiger Zeiten“ durch die Formulierung „Anerkennung von Beschäftigungszeiten“ ersetzt wurde. Die Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 13/5816 vom 16. Oktober 1996, S. 9 zu Nr. 4 a und b) führen hierzu aus:

47

„Die Empfänger der Mitteilungen des Bundesbeauftragten, soweit es sich um öffentliche Stellen handelt, verwenden diese neben dem eigentlichen Zweck, nämlich der Bewertung der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung bzw. der Einstellung u. a. auch für

48

- die Festsetzung des Besoldungsalters bzw. die Festsetzung ruhegehaltfähiger Zeiten nach Beamtenrecht und .

49

Nach § 30 Abs. 1 BBesG … werden Zeiten einer hauptamtlichen oder inoffiziellen Tätigkeit für das MfS/AfNS und seine Vorgänger bei den vorgenannten Festsetzungen berücksichtigt.

50

Wenn künftig keine Mitteilungen mehr zu inoffiziellen Tätigkeiten für das MfS gemacht werden dürfen, die vor dem 1. Januar 1976 beendet waren, so ist den öffentlichen Stellen der genannte Verwendungszeck genommen.

51

Eine Auffangregelung bietet § 20 Abs. 1 Nr. 9 StUG gegenwärtig jedoch nur für Beamte, da der Begriff „ruhegehaltfähige Zeiten“ eine nur dem Beamtenrecht zuzuordnende Begriffsbestimmung ist.

52

… benötigen auch private Arbeitsgeber für ihre arbeitsrechtlichen Entscheidungen möglichst fundierte Informationen. Sie sollen daher mit den öffentlichen Arbeitgebern gleichgestellt werden.“

53

Diese Gesetzesbegründung macht deutlich, dass die Formulierungsänderung der Erweiterung des bislang von dieser Regelung erfassten Nutzerkreises diente, künftig mithin nicht nur öffentliche Stellen, sondern auch nicht öffentliche Stellen bzw. private Arbeitgeber die Unterlagen verwenden dürfen sollten, soweit es auf die Anerkennung von Beschäftigungszeiten besoldungs-/vergütungsrechtlich bzw. versorgungsrechtlich ankommt. Der Hinweis auf den „Auffangcharakter“ der Vorschrift bei Wegfall von Mitteilungen zu vor dem 1. Januar 1976 beendeten inoffiziellen Tätigkeiten für das MfS zeigt des weiteren, dass von der Regelung nicht nur hauptamtliche, sondern auch inoffizielle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes erfasst wurden und werden. Der Senat teilt aus diesem Grunde nicht die von Rapp-Lücke in Geiger/Klinghardt, Stasi-Unterlagen-Gesetz, Kommentar, 2. Aufl. in § 20 Rdnr. 56 ohne Begründung vertretene Rechtsauffassung, Nr. 9 betreffe nur hauptamtliche Mitarbeiter i. S. des § 6 Abs. 4 Nr. 1 StUG.

54

Im Übrigen macht die Beibehaltung der Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 9 StUG auch plausibel, warum der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der seit 29. Dezember 2006 (durch Gesetz v. 21.12.2006, BGBl. I, S. 3326) erfolgten und zuletzt mit Wirkung vom 31. Dezember 2011 (durch Gesetz v. 22. 12.2011, BGBl. I, S. 3106) wieder modifizierten Beschränkung des nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 StUG überprüfbaren Personenkreises und der zeitlichen Begrenzung der Verwendung der Unterlagen für die in Abs. 1 Nr. 6 genannten Zwecke gemäß § 20 Abs. 3 StUG, keine Veranlassung hatte, bei den aktive Beschäftigungsverhältnisse bzw. Bewerbungen hierzu betreffenden Regelungen auf den beamtenversorgungsrechtlichen Aspekt gesondert einzugehen (vgl. zu den Gesetzesänderungen im Zusammenhang mit § 20 Nr. 6 StUG: BT-Drs. 17/7170 v. 27.09.2011, S. 3, 9 und 10; BT-Drs. 16/3638 v. 29.11.2006, S. 2, 10).

55

Die nach § 12a BeamtVG, § 30 BBesG bzw. § 26 LBesG LSA nicht berücksichtigungsfähigen Zeiten führen auch nicht zu einer lebenslangen Bemakelung des Klägers, sondern verhindern lediglich, dass ein Beamter von Zeiten einer rechtsstaatswidrigen Betätigung nicht auch noch profitiert, indem diese sich besoldungs- und versorgungssteigernd auswirken (vgl. BVerfG, Beschl. v. 04.04.2001 - 2 BvL 7/98 -, juris; BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010 - 2 B 109.09 -, juris).

56

Nach alldem bestehen keine rechtlichen Bedenken, die bislang aktenkundig gewordenen Informationen über eine IM-Tätigkeit des Klägers einschließlich seiner Äußerungen hierzu rechtlich zu verwerten. Dem steht auch nicht entgegen, dass Informationen in einem anderen Verwaltungsverfahren erlangt und die entsprechenden Verwaltungsvorgänge zu diesem Verfahren von der Beklagten vorgelegt wurden. Mit ihrer Vorlage wurde die Beiakte C zum Gegenstand des Verfahrens (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 100 Rdnr. 3). Hinsichtlich ihrer Entscheidungsrelevanz ist das Gericht gesetzlich nicht auf bestimmte Beweismittel festgelegt bzw. beschränkt. Es bestimmt die im Einzelfall in Betracht kommenden Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen danach, ob und inwieweit sie im konkreten Fall, zur Erforschung des Sachverhaltes geeignet erscheinen. Es besteht deshalb auch keine Bindung des Gerichts an Vorbringen in Beweisanträgen der Beteiligten (§ 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Bei der Entscheidung, welche Mittel zur Erforschung des Sachverhaltes angewandt werden, ist das Gericht ebenso wie hinsichtlich der Würdigung des Ergebnisses der Beweiserhebung und des Gesamtergebnisses des Verfahrens frei (§ 108 Abs. 1 VwGO; vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a. a. O. § 86 Rdnr. 5 a, 14).

57

Die dem Senat vorliegenden Unterlagen erlauben die gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO gebotene Überzeugungsbildung.

58

Ausweislich des Einzelberichtes des BStU vom (...) 1993 wurde der Kläger im Zeitraum vom (...) 1986 bis (...) 1989 in der IM-Kategorie „Inoffizieller Mitarbeiter zur Sicherung der Konspiration/Sonstiges“ (IMK/S) mit dem Decknamen „(...)“ geführt. Sein Führungsoffizier war Hauptmann (...). Der Kläger hat eine handschriftlich verfasste, mit seinem Klarnamen unterschriebene, nicht datierte Verpflichtungserklärung abgegeben, wonach er freiwillig bereit sei, das MfS inoffiziell zu unterstützen, indem er das Dienstzimmer in der T-Straße 05 für die Arbeit des MfS zur Verfügung stelle und die Sicherheit der Aufgabenrealisierung gewährleiste. Der Kläger sicherte zu:

59

„Über die inoffizielle Unterstützung des MfS und über in diesem Zusammenhang bekannt werdende Sachverhalte und Personen werde ich gegenüber jedermann strengstens Stillschweigen wahren“.

60

Gemäß Ziff. 8 des Einzelberichtes des BStU vom (...) 1993 erfolgte die schriftliche Verpflichtung laut „Bericht zur Werbung“ am (...) 1986.

61

Nach der Kopie des Abschlussberichtes zum IM-Vorgang vom (...) 1989 (Anlage 3/4 zum Einzelbericht des BStU) bestand aufgrund der Einstellung der Nutzung des ABV-Zimmers als Objekt für Kontaktgespräche für die weitere inoffizielle Zusammenarbeit keine Perspektive mehr.

62

Der Kopie des vom Führungsoffizier (...) verfassten Kurztreff-Berichtes mit IMK/S „(...)“ vom (...) 1988 (Anl. 3/2 zum Einzelbericht des BStU) ist zu entnehmen, dass bei einem Treffen in der konspirativen Wohnung „C...“ dem IM „bezogen auf Veränderungen im Haus … keine Hinweise“ vorliegen. Im Auftreten/Verhalten der Hausbewohner gebe es keine zu beachtenden Hinweise. Die Legendierung der Nutzung des Zimmers durch das MfS gegenüber Gen. (geschwärzt) als „Nutzung durch Genossen des VPKA“ werde vom Gen. (geschwärzt) nicht angezweifelt. Fragestellungen seitens der Hausbewohner gebe es nicht.

63

Der Kopie eines Berichtes des Hauptmann (...) vom (...) 1988 über mündliche Informationen des IMK/S „(...)“ (Anl. 3/3 zum Einzelbericht des BStU) zufolge, gebe es „bezogen auf die Durchführung von Treffs im ABV-Zimmer … keine Hinweise auf unmotiviertes Interesse von Hausbewohnern“. „Als neugierig … (sei) die Person (geschwärzt) einzuschätzen. Dieser fühlt sich für die Ordnung im Haus verantwortlich und hatte bereits mehrfach Auseinandersetzungen im Haus wegen der Abstellung von Motorrädern auf dem Hof“. Des Weiteren enthält der Bericht Angaben dazu, wer im Haus aus- und eingezogen ist sowie zur Wohn- und Arbeitssituation und zum Familienstand einzelner Personen und zur Qualität der Verbindung des IM zu diesen Personen.

64

Gemäß Pkt. 14 des Einzelberichtes des BStU erhielt der Kläger im November 1988 ein Präsent im Wert von 97,95 Mark, das er nicht quittierte.

65

Dieser sich aus dem Einzelbericht des BStU und seinen Anlagen ergebende Sachverhalt wird vom Kläger nicht schlüssig in Frage gestellt. Soweit in der Klagebegründungsschrift vom 20. März 2009 ausgeführt wird, der Kläger sei ohne sein Wissen als IM geführt worden, ist dies in Anbetracht der handschriftlich abgegebenen (Verpflichtungs-)Erklärung „freiwillig bereit (zu sein), das MfS inoffiziell zu unterstützen“ als widerlegt anzusehen. Die Abgabe einer solchen Verpflichtungserklärung hat der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Personalausschuss der Polizeidirektion A-Stadt vom (...) 1992 und mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6. August 2010 ausdrücklich zugestanden. Im Übrigen kommt es nicht darauf an, ob ihm die MfS-Kategorie bzw. der Begriff „IM“ bekannt war; entscheidend ist, dass er sich zur Zusammenarbeit mit dem MfS unter konspirativen Bedingungen wissentlich und willentlich bereit erklärt hat. Der konspirative Charakter der vom Kläger eingegangenen Verpflichtung, insbesondere die gegenüber jedermann, also auch gegenüber Dienstvorgesetzten des Klägers bestehende Verschwiegenheitspflicht, die auch eine Beachtung des Dienstweges verhinderte, schließt es aus, die Zurverfügungstellung des Dienstzimmers als dienstlich veranlasst und als durch Dienstvorschriften für Abschnittsbevollmächtigte vorgeschriebene Zusammenarbeit mit allen staatlichen Behörden und Organen, quasi als „Amtshilfe für das MfS“ einzustufen. Die Handlung des Klägers erschöpfte sich auch keineswegs lediglich in der reinen Zurverfügungstellung seines Dienstzimmers an einem bestimmten Wochentag, sondern er hatte laut Verpflichtungserklärung die „Sicherheit der Aufgabenrealisierung“ zu gewährleisten. Dementsprechend erfolgten gegenüber dem Führungsoffizier (...) mündliche Angaben dazu, ob die Legendierung der Nutzung des Zimmers durch das MfS von Außenstehenden angezweifelt wird sowie Hinweise, an welchen Wochentagen das Zimmer - weil ungenutzt - ohne „Belastung“ in Anspruch genommen werden kann bzw. wann eine Kollision mit anderen Nutzern zu gewärtigen war (vgl. Anl. 3/2 zum Einzelbericht des BStU). Auch die mündlichen Angaben über die Reaktion der Hausbewohner in Bezug auf die Zimmernutzung durch den Staatssicherheitsdienst, der Hinweis auf einen besonders neugierigen Hausbewohner sowie Angaben über die personellen Veränderungen im Haus und (nach Angaben des Klägers im Schriftsatz v. 06.08.2010) zu den Lebensumständen seiner Töchter wie auch seiner Verbindungen zu ihnen (Anlage 3/3 zum Einzelbericht des BStU), stellen mehr als das reine Überlassen eines Zimmers bzw. die Einräumung eines Zutrittsrechtes zu konspirativen Zwecken dar; der Kläger hat durch sein Verhalten aktiv dazu beigetragen, die Konspiration und Legendierung abzusichern und darüber hinaus dem Staatssicherheitsdienst Einschätzungen und Informationen über (ehemalige) Hausbewohner und Familienmitglieder zur Verfügung gestellt. Dass diese mündlichen Informationen den Betroffenen vermutlich nicht zum Nachteil gereichten, hat seine Berücksichtigung bereits in dem Umstand gefunden, dass der Kläger als nicht derart gravierend vorbelastet angesehen wurde, so dass seine Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst noch als zumutbar angesehen wurde. Eine darüber hinausgehende begünstigende Auswirkung in Form einer Versorgungssteigerung ist diesem Verhalten dagegen nicht beizumessen. Eine Gleichstellung mit Bediensteten, die - womöglich unter Hinnahme von beruflichen und persönlichen Nachteilen - jegliche Zusammenarbeit mit dem MfS abgelehnt haben, rechtfertigt sich aufgrund der Handlungen des Klägers nicht.

66

Bereits im Hinblick auf die dokumentierten mündlichen Angaben des Klägers gegenüber seinem Führungsoffizier steht auch nicht in Frage, dass von einer „Tätigkeit“ des Klägers für das MfS i. S. d. beamtenversorgungs- bzw. besoldungsrechtlichen Bestimmungen auszugehen ist. Im Übrigen dürfte auch bereits allein die tatsächliche Überlassung des Dienstzimmers an den Staatssicherheitsdienst ein das Bereitstellen eines Raumes für konspirative Zwecke und damit eine Tätigkeit für das MfS darstellen. Denn durch das positive Tun des IMK/S wurde die Einhaltung der Konspiration gefördert (vgl. BAG, Urt. v. 04.06.1998 - 8 AZR 496/96 -, juris). Letzteres bedarf aber im Hinblick auf die zudem erfolgte Abgabe von Informationen und die Einbindung des Klägers in die Gewährleistung der Konspiration und Legendierung der Wohnung keiner weiteren Vertiefung.

67

Soweit der Kläger geltend macht, er sei zu den Angaben im Bericht vom (...) 1988 (Anl. 3/3) durch seinen Führungsoffizier angewiesen worden, wird damit die versorgungsrechtlich relevante Tatbestandsvoraussetzung einer Tätigkeit des Klägers für das MfS nicht in Frage gestellt. Vielmehr bestätigt das Vorbringen zum Einen die Richtigkeit der im Bericht enthaltenen Angaben, zum Anderen belegt es, dass sich damit die eingegangene Verpflichtung, „die Sicherheit der Aufgabenrealisierung zu gewährleisten“, tatsächlich realisiert hat.

68

Auch die Behauptung, die personelle Veränderung durch den Auszug einer Familie in einem Haus sei keine „Spitzeltätigkeit“ gewesen, weil solche Veränderungen üblicherweise in einem sog. Hausbuch niedergelegt worden seien, zu denen das MfS aus eigener Kompetenz uneingeschränkt Zugang gehabt habe, erweist sich nicht als entscheidungserheblich. Eine inoffizielle Tätigkeit für das MfS durch die Weitergabe von Informationen über Dritte wird nicht durch den „Wert“ der Information relativiert. Es kommt deshalb - jedenfalls unter versorgungsrechtlichen Aspekten - nicht darauf an, ob der Kläger mit seinen Informationen Dritten geschadet hat. Wie bereits ausgeführt, hat die qualitative Bewertung seiner Zusammenarbeit mit dem MfS bereits im Zusammenhang mit der Frage der Zumutbarkeit seiner Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst hinreichend Berücksichtigung gefunden. Im Übrigen stellt auch die Abgabe vermeintlich „harmloser, unschädlicher oder wertfreier“ und dem MfS bereits aus anderen Quellen zugänglicher Informationen die rechtsstaatswidrige Betätigung eines IM und seine damit dokumentierte Nähe zum Herrschaftssystem der DDR nicht in Frage. Nicht zuletzt war es kennzeichnend für die Arbeitsweise des Staatssicherheitsdienstes, dass Informationen akribisch aus allen möglichen Quellen gesammelt wurden, um einerseits ihren Wahrheitsgehalt zu verifizieren und gleichzeitig die Zuverlässigkeit der jeweiligen Quelle zu prüfen.

69

Soweit der Kläger geltend macht, die im Einzelbericht des BStU erwähnte finanzielle Zuwendung sei ein Präsent für seine Frau gewesen, weil diese im Auftrag der Polizei das Dienstzimmer gereinigt und sich über die starke Verschmutzung an den Tagen beschwert habe, an denen das MfS die Räumlichkeiten genutzt habe, kann dahingestellt bleiben, ob dies zutrifft. Auch wenn das Geldgeschenk weder direkt noch indirekt die Zusammenarbeit des Klägers mit dem MfS honorieren sollte bzw. - wie der Kläger behauptet - nicht ihm, sondern seiner Frau übergeben worden sei, wird hierdurch die sich bereits aus den oben genannten Umständen ergebende inoffizielle Tätigkeit des Klägers für das MfS nicht in Frage gestellt. Auch ergeben die klägerischen Angaben zu den Umständen der Übergabe (an die Ehefrau, nicht an den Kläger), weshalb keine Quittierung erfolgt sei) keinen Hinweis darauf, dass die Zuwendung nicht durch das MfS erfolgte.

70

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, die beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR geführten Unterlagen über den Kläger, die keine personenbezogenen Informationen über Betroffene oder Dritte enthalten, im Original beizuziehen. Abgesehen davon, dass Originalunterlagen gemäß § 19 Abs. 7 Satz 2 StUG an öffentliche Stellen nur herausgegeben werden, wenn dies insbesondere für Beweiszwecke unerlässlich ist, wohingegen ansonsten die Auskunftserteilung durch schriftliche Mitteilung (§ 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StUG), Einsichtsgewährung (§ 19 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4, Abs. 6, § 12 Abs. 4 Satz 1 StUG) und Duplikate von Unterlagen (§ 19 Abs. 7 Satz 1 i. V. m. § 12 Abs. 5 StUG) erfolgt, besteht entgegen der klägerischen Rechtsauffassung, Beweiskraft sei allein Originalunterlagen beizumessen, kein allgemeiner Rechtssatz, wonach der Unmittelbarkeitsgrundsatz die Benutzung von Beweissurrogaten verbietet (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.1986 - 3 StR 10/86 -, juris im Zusammenhang mit dem in § 261 StPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung, der im Verwaltungsprozess gleichermaßen gilt, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zweifel an der Originaltreue der mit Einzelbericht des BStU vom (...) 1993 als Anlagen vorgelegten Kopien hat der Senat ebenso wenig wie an der inhaltlichen Richtigkeit der im Einzelbericht mitgeteilten Informationen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat im erstinstanzlichen Verfahren Einsicht in die Beiakte C genommen. Soweit der Kläger mit Nichtwissen bestreitet, dass die Kopien mit den Originalunterlagen völlig übereinstimmen und in jeder Hinsicht dem Original entsprechen, besteht mangels Substantiiertheit des Vorbringens kein Anlass, die Echtheit der Originalurkunden bzw. die Übereinstimmung der Ablichtung mit dem Original anzuzweifeln. Der Senat hat des weiteren keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme, dass die BStU-Unterlagen, neben den mitgeteilten Informationen, weitere den Kläger entlastende bzw. die Richtigkeit der vorliegenden Informationen in Frage stellende Information enthalten könnten. Dagegen spricht bereits, dass der Kläger weder die Abgabe der Verpflichtungserklärung noch die Zurverfügungstellung des Dienstzimmers bzw. die Richtigkeit des Kurztreff-Berichts vom (...) 1988 in Abrede gestellt hat; zudem hat er den sich aus Anlage 3/3 ergebenen Sachverhalt sogar ausdrücklich eingeräumt und im Einzelnen erläutert. Bei dieser Sachlage steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Einzelbericht des BStU vom (...) 1993 und seine Anlagen der Wahrheit entsprechende Angaben enthalten und diese Unterlagen eine geeignete und ausreichende Grundlage für seine Überzeugungsbildung darstellen.

71

Die Regelung der §§ 55 Abs. 2, 12a BeamtVG ist auch verfassungsgemäß und verstößt nicht gegen den Grundsatz einer amtsangemessenen Alimentierung oder gegen Art. 3 GG.

72

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Bestätigung der Senatsentscheidung vom 18. August 2009 (- 1 L 40/09 -, juris) bereits mit Beschluss vom 14. Juli 2010 (- 2 B 109.09 -, juris) festgestellt, dass über die Regelung des § 55 Abs. 2 BeamtVG, in dessen Rahmen die Vorschriften über die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG gelten, sichergestellt ist, dass die Gesamtversorgung des Beamten ausnahmslos zumindest das Niveau der beamtenrechtlichen Mindestversorgung erreicht und damit in jedem Falle dem Gebot der amtsangemessenen Versorgung nach Art. 33 Abs. 5 GG genügt. Etwas anderes folge auch nicht aus § 12a BeamtVG (i. V. m. § 30 BBesG), da bei nur kurzer Dienstzeit im aktiven Beamtenverhältnis, eine amts(un)abhängige Versorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 oder 2 BeamtVG zu zahlen sei, die sich von der Versorgung nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 BeamtVG nicht unterscheide und im Hinblick auf ihren Alimentationscharakter ebenfalls im Beamtenstatus „erdient“ sei.

73

Auch liege in der Anwendung von § 12a BeamtVG i. V. m. § 30 BBesG keine sachwidrige Ungleichbehandlung i. S. d. Art. 3 GG in Bezug auf Personen vor, mit denen ein Beamtenverhältnis aufgrund ihrer Vorbelastung gar nicht erst begründet oder die aus diesem wieder entlassen bzw. entfernt worden seien, weil dieser Personenkreis keine Versorgungsleistungen des Dienstherrn beziehe und dies eine Ungleichbehandlung rechtfertige. Soweit im Übrigen höchstrichterlich (BVerfG, Beschl. v. 04.04.2001 - 2 BvL 7/98 -, juris) bereits geklärt sei, dass die dort genannten Zeiten nicht besoldungssteigernd zu berücksichtigen seien, greife § 12a BeamtVG den Grundgedanken des § 30 BBesG lediglich auf, indem die dort genannten Zeiten sich auch nicht versorgungssteigernd auswirken sollen. § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 BeamtVG stelle in jedem Fall sicher, dass der Beamte die amts(un)abhängige Mindestversorgung erhalte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.07.2010, a. a. O.). Letzteres ist ausweislich der dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. Juli 2008 als Anlage beigefügten „Berechnungsanordnung über Ruhegehalt“ auch der Fall. Der Ruhensberechnung liegt das amtsunabhängige Mindestruhegehalt i. H. v. 1.327,51 € zugrunde. Dieses bildet zugleich den Gesamtversorgungsbezug des Klägers. Hiervon zu unterscheiden ist der infolge der Kürzung um den Rentenbetrag i. H. v. 818,27 € ermittelte Auszahlungsbetrag i. H. v. 509,24 €. Auszahlungsbetrag und Rente gewährleisten die dem Kläger zuerkannte amtsunabhängige Mindestversorgung.

74

Soweit der Kläger einwendet, ihm sei aufgrund des Beamtenverhältnisses eine günstigere rentenrechtliche Versorgung verwehrt gewesen, ist darauf hinzuweisen, dass die Einstellung in das Beamtenverhältnis aufgrund seiner Bewerbung und damit aufgrund seiner Willensentscheidung erfolgte; mit der Entscheidung für den Beamtenstatus hat er sich zugleich den beamtenrechtlichen Versorgungsregelungen unterworfen. Es hätte dem Kläger deshalb oblegen, vor seiner Einstellung - ggf. unter Inanspruchnahme rechtskundigen Rates - die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Versorgungssysteme für Beamte und Nichtbeamte abzuwägen.

75

Nicht gefolgt werden kann der Auffassung des Klägers, eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 5 Satz 4 BeamtVG gebiete eine Auszahlung des erdienten Ruhegehaltes und der Rente. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 02.03.2006 - 1 L 7/05 -, juris; Beschl. v. 11.10.2011 - 1 L 134/11 -, juris) festgestellt, dass die Bestimmung des § 14 Abs. 5 BeamtVG eine weitere Einschränkung bei der Gewährung einer Mindestversorgung darstellt. Sinn und Zweck der weitgehend inhaltsgleichen Bestimmungen der §§ 2 Nr. 9 BeamtVÜV, 14 Abs. 5 BeamtVG bestehe darin, den sich nach Anwendung von § 55 BeamtVG ergebenden Zahlbetrag an Versorgungsbezügen nochmals zu reduzieren, wenn und weil in Folge einer späten Begründung des Beamtenverhältnisses die Gewährung einer Mindestversorgung auf eine Rentenleistung trifft, die nach der Regelung des § 55 dazu führe, dass trotz der verhältnismäßig kurzen Dienstzeit neben der Rentenleistung gleichwohl das (nahezu) ungekürzte Mindestruhegehalt zu gewähren wäre. Dementsprechend sei die erweiterte Ruhensregelung des § 2 Nr. 9 BeamtVÜV bzw. § 14 Abs. 5 BeamtVG nicht anzuwenden, wenn nach der Anwendung des § 55 BeamtVG die - verbleibende - Versorgung hinter der erdienten Versorgung zurück bleibt. Finde jedoch - wie hier - eine weitere Reduktion der Versorgungsbezüge gemäß § 2 Nr. 9 Satz 1 BeamtVÜV bzw. § 14 Abs. 5 BeamtVG nicht statt, bestehe auch kein Anspruch auf den in diesen Vorschriften genannten Mindestzahlbetrag.

76

Sonstige gegen die streitgegenständliche Ruhensberechnung der Beklagten bestehende rechtliche Bedenken sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ergibt sich kein Anhalt für die Annahme, dass der der Ruhensberechnung zugrunde gelegte Gesamtversorgungsbezug rechnerisch unzutreffend ermittelt wurde.

77

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

78

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

79

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in §§ 132 VwGO, 127 BRRG genannten Gründe vorliegt.


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