Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 M 114/13

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma (Gemeinschuldnerin) und wendet sich im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Anordnung des Antragsgegners, mit der ihm die Beseitigung von Betriebsstraßen einer zum Tontagebau gehörenden Tonhalde aufgegeben wurde.

2

Die Gemeinschuldnerin baute seit den 1990er Jahren in den Tongruben M. und V. Ton im Tagebaubetrieb ab. Der letzte gültige Hauptbetriebsplan lief bis zum 31.08.2008. Unter dem 05.03.2004 ließ der Antragsgegner einen Sonderbetriebsplan zu, der nach Ziff. III nur in Verbindung mit einem zugelassenen Hauptbetriebsplan bzw. Abschlussbetriebsplan gelten sollte. Im Rahmen dieses Sonderbetriebsplans wurde der Gemeinschuldnerin erlaubt, bestimmte, nicht aus dem Abbaubereich stammende Fremdmassen im Rahmen der Wiedernutzbarmachung im Tagebau zu verwerten. In der Folgezeit verfüllte die Gemeinschuldnerin die Tongrube mit nicht zugelassenen Abfällen, insbesondere auch Hausmüll. Der Antragsgegner nahm daraufhin mit Bescheid vom 11.03.2008 die Sonderbetriebsplanzulassung vom 05.03.2004 teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurück, schloss bestimmte Abfallarten von der Zulassung aus und ordnete die sofortige Vollziehung an. Die Gemeinschuldnerin erhob gegen diesen Bescheid beim Verwaltungsgericht Magdeburg Klage und suchte um einstweiligen Rechtsschutz nach. Mit Beschluss vom 09.04.2008 stellte das Verwaltungsgericht (3. Kammer) die aufschiebende Wirkung der Klage mit der Begründung wieder her, die ursprüngliche Zulassung vom 05.03.2004 lasse keine Rechtsfehler erkennen und habe deshalb auch nicht zurückgenommen werden dürfen. Die Klage blieb hingegen ohne Erfolg, weil das Verwaltungsgericht sowohl das Rechtsschutzbedürfnis als auch ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneinte. Über die vom Senat zugelassene Berufung (2 L 25/12) ist noch nicht entschieden.

3

Am 11.02.2009 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und der Antragsteller zum Insolvenzverwalter bestellt.

4

Mit Bescheid vom 29.02.2012 gab der Antragsgegner dem Antragsteller auf, Sanierungsuntersuchungen im Bereich der Betriebsstraßen nördlich und westlich der Halde 1 des Tontagebaus V. durchzuführen. Mit Urteil vom 04.03.2013 (1 A 102/02 MD) hob das Verwaltungsgericht diesen Bescheid auf. Über die vom Antragsgegner dagegen eingelegte Berufung (2 L 48/13) ist noch nicht entschieden.

5

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.06.2013 gab der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Androhung der Ersatzvornahme auf, folgende Sanierungsmaßnahmen durchzuführen:

6

1.1 Die westlich und nördlich der Tonhalde 1 aus sog. „Müllbeton“ hergestellten Betriebsstraßen sind zu beseitigen. Hierfür sind die Abfallablagerungen durch Abtrag der teilweise vorhandenen Abdeckung und Ableitung von Oberflächenwasseransammlungen freizulegen, die teilweise vorhandene Betonversiegelung sowie die Abfallablagerung „Müllbeton“ auszubauen und das ausgehobene schadstoffhaltige Material aus dem Sanierungsbereich zu entfernen. Die beim Aushub des Müllbetons anfallenden Sickerwässer sind zu fassen, zu sammeln und ordnungsgemäß zu entsorgen.

7

1.2 Die durch den Ausbau entstehende Hohlform ist so zu verfüllen, dass sich auf der Fläche keine Wasseransammlungen bilden können. Die Oberfläche ist zu profilieren und mit 1 % Gefälle im Bereich der westlichen Betriebsstraße von der Halde in Richtung Zufahrtsstraße und im Bereich der nördlichen Betriebsstraße von der Halde in Richtung des Nordgrabens auszubilden.

8

Zur Begründung führte der Antragsgegner u.a. aus, im Bereich der Betriebsstraße westlich der Halde 1 habe die (F...) GmbH am 19.11.2009 östlich dieser Betriebsstraße drei Suchschachtungen angelegt, bei der unterhalb einer Auffüllung mit Ton, die von der Geländeoberkante bis ca. 0,7 bis 1 m Tiefe reiche, locker gelagerter zerkleinerter Abfall, ein Ton-Abfall-Gemisch bzw. festes Zement-Abfall-Gemisch angetroffen worden sei. Bei den dabei entnommenen und untersuchten Proben seien insbesondere Überschreitungen der Prüfwerte der BBodSchV für den Wirkungspfad Boden - Grundwasser für Kupfer, Nickel und Phenole sowie eine Überschreitung der oberen Maßnahmenschwellenwerte der LAWA für Kupfer und Phenole nachgewiesen worden. Des Weiteren habe der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) am 05.11.2009 eine Beprobung der an die Betriebsstraße grenzenden Gräben (Nordgraben“ und „Ziegeleigraben“) durchgeführt. Bei der Analytik dieser Proben sei insbesondere eine Überschreitung der Prüfwerte der BBodSchV für den Wirkungspfad Boden - Grundwasser sowie eine Überschreitung der unteren Maßnahmenschwellenwerte der LAWA für Kupfer und Nickel nachgewiesen worden. Weitere Überschreitungen habe man bei einer Beprobung am 12.07.2011 festgestellt. Am 12.07.2011 habe das Landesamt für Umweltschutz (LAU) im Bereich der Betriebsstraße nördlich der Halde 1 drei Schürfe angelegt und das dort angetroffene Material beprobt. Es seien insbesondere eine Überschreitung der Prüfwerte der BBodSchV für den Wirkungspfad Boden - Grundwasser für PAK, Phenole, Kupfer, Molybdän, Antimon, Nickel, Arsen und Blei sowie eine Überschreitung der Maßnahmenschwellenwerte der LAWA durch PAK, Kupfer, Nickel und Phenole festgestellt. Ebenfalls am 12.07.2011 beprobte der LHW das Oberflächenwasser des nördlich der Betriebsstraße verlaufenden Grabens („Nordgraben“). Dabei sei insbesondere eine mehrfache Überschreitung der Prüfwerte der BBodSchV für den Wirkungspfad Boden-Grundwasser im Oberflächengewässer für PAK, Phenole, Kupfer und Nickel sowie eine Überschreitung der oberen Maßnahmenschwellenwerte der LAWA durch Kupfer, Nickel und Phenole nachgewiesen worden. Nachdem der Antragsteller der Anordnung vom 29.02.2012 innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen sei, habe er die Sanierungsuntersuchungen im Wege der Ersatzvornahme in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Sanierungsuntersuchungen liege inzwischen vor. Nach der Grundlagenermittlung durch die Gesellschaft für Umweltsanierungstechnologien mbH (G.U.T.) habe die beauftragte Firma mit Bericht vom 25.09.2012 die Dokumentation der Feldarbeiten und die Machbarkeitsstudie erstellt. In der Machbarkeitsstudie sei die Variante „Beseitigung“ mit alternativen Sicherungsmaßnahmen verglichen worden. Nach der Untersuchung von Nutzen und Kosten sowie Bewertung der Verhältnismäßigkeit stelle die Variante 1 „Quellenbeseitigung durch Aushub der Müllablagerungen und Entsorgung“ die nachhaltigere Lösung dar, weil die Abfälle vom Standort vollständig entfernt würden und der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt werde. Die Firma G.U.T. habe am 15.04.2013 die Ausführungsplanung für die vorzugswürdige Maßnahme vorgelegt. Die Anordnung ergehe auf der Grundlage von § 10 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 und 3 Satz 1 und 3 des Bundesbodenschutzgesetzes (BBodSchG). Er, der Antragsgegner, sei gemäß § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA für den Erlass dieser Entscheidung zuständig. Das BBodSchG sei anwendbar. Die Anordnung beziehe sich auch auf das im BBodSchG geschützte Umweltmedium Boden. Das Bergrecht werde dadurch nicht umgangen, denn § 58 des Bundesberggesetzes (BBergG) entfalte für die Heranziehung des Antragstellers als Zustandsverantwortlicher nach dem BBodSchG keine Sperrwirkung. Als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Grundstücke sei der Antragsteller als Insolvenzverwalter zur Sanierung verpflichtet.

9

Auf den Antrag des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller am 12.07.2013 erhobenen Klage wiederhergestellt bzw. hinsichtlich der Androhung der Ersatzvornahme angeordnet. Zur Begründung hat es unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 04.03.2013 (1 A 102/12 MD) im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

10

Der Bescheid sei bereits formell rechtswidrig, weil der Antragsgegner für die Anordnung von Maßnahmen zur Beseitigung von Gefahren, die von den im Bereich der Betriebsstraßen eingebrachten Abfällen ausgehen, sachlich nicht zuständig sei. Hierfür seien die Regelungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) einschlägig. Die eingebrachten Abfälle hätten ihre Abfalleigenschaft bislang noch nicht verloren, und gemäß § 32 Abs. 3 Satz 1 AbfG LSA unterlägen die Entscheidungen und andere Maßnahmen aufgrund abfallrechtlicher Vorschriften auch dann der zuständigen Abfallbehörde, wenn die Abfälle in einer der Bergaufsicht unterliegenden Anlage entsorgt würden. Der Beklagte könne die Anordnung nicht auf die §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 21 Abs. 2 BBodSchG i.V.m. § 5 des landesrechtliche Ausführungsgesetzes (BodSchAG LSA) bzw. § 13 Abs. 2 i.V.m. § 18 BBodSchG stützen, weil die im Bereich der Betriebsstraßen eingebrachten Abfälle mangels Verlust ihrer Abfalleigenschaft weiterhin dem Abfallrecht unterlägen und der Antragsteller darüber hinaus auch nach dem BBodSchG nicht als Zustandsstörer herangezogen werden könne. Die Verwendung von hausmüllähnlichem Abfall beim Bau der Betriebsstraßen sei keine „ordnungsgemäße“ Verwertung im Sinne der abfallrechtlichen Vorschriften mit der Folge, dass die betroffenen Stoffe als „Abfall zur Beseitigung“ auf einer nach Abfallrecht zugelassenen Deponie entsorgt werden müssten. Allein die tatsächliche Vornahme einer Verwertungshandlung könne nicht maßgeblich sein. Es spreche nichts dafür, dass der von der Gemeinschuldnerin im Bereich der Betriebsstraßen eingebrachte Abfall durch eine Verwachsung des abgelagerten Materials bereits zum Verlust der Abfalleigenschaft geführt haben könnte. Eine Vermischung von Hausmüll mit Erdreich ändere nichts an der Abfalleigenschaft des entstehenden Gemischs, sondern führe nur dazu, dass auch das beigemischte Material als Abfall zu betrachten sei. Eine „frisch“ betriebene „wilde Mülldeponie“ sei gerade keine Altlast und begründe wegen der technisch noch möglichen Beseitigung des Abfalls, der in eine zugelassene Abfalldeponie zu verbringen sei, rechtlich keine schädliche Bodenveränderung, die nach Bodenschutzrecht zu behandeln sei.

11

Der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil der Antragsteller als Insolvenzverwalter kein bergrechtlich Verantwortlicher im Sinne des § 58 Abs. 1 BBergG sei, der zu Gefahrenabwehrmaßnahmen herangezogen werden könne. Die unmittelbare Anwendung des BBodSchG im Rahmen der Wiedernutzbarmachung des Tontagebaus auf der Grundlage eines Sonderbetriebsplans mit den dabei entstandenen Folgewirkungen ordne weder das BBergG noch das BBodSchG an. Der Gesetzgeber habe auch zu keiner Zeit bis zum endgültigen Erlass des BBodSchG dessen formell und materiell unmittelbare Anwendung im Bereich des BBergG bzw. der BBodSchV bei der Genehmigung von Betriebsplänen nach § 55 BBergG in Verbindung mit § 48 Abs. 2 Satz 1 BBergG vorgesehen, wenn nach den vorgenannten Begründungen in Anwendung der Regelungen des BBergG nur die Berücksichtigung der Belange des BBodSchG gewährleistet sein solle. Im Rahmen der Vorsorge- und Gefahrenabwehrpflichten im Zusammenhang mit den Betriebsplänen würden die Regelungen des BBodSchG verdrängt; sie seien nur ergänzend im Zusammenhang mit der Beurteilung und Bewertung von Beeinträchtigungen des Bodens sowie der Prüfung der Erforderlichkeit von Maßnahmen im Rahmen der Betriebspläne zu berücksichtigen. Nichts anderes folge aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2005 (7 C 26103), in der ausgeführt werde, dass das BBodSchG bei der bergrechtlichen Zulassung eines Abschlussbetriebsplanes, der die Verfüllung von Abfällen gestatte, über § 48 Abs. 2 BBergG „heranzuziehen“ sei. Dies schließe eine unmittelbare formelle Anwendung des „fremden Gesetzes“ aus und lasse nur die dort genannten materiellen Vorgaben im Rahmen der allein zulässigen Anwendung des BBergG zu.

II.

A.

12

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Die von ihm dargelegten Gründe gebieten eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägungsentscheidung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil die von ihm erhobene Klage nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird und das vom Antragsgegner in der Verfügung dargelegte besondere öffentliche Interesse für die Anordnung der sofortigen Vollziehung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) vorliegt.

13

1. Entgegen der Annahme der Vorinstanz ist der angefochtene Bescheid nicht bereits formell rechtswidrig, weil dem Antragsgegner die sachliche Zuständigkeit für die Anordnung der streitigen Sanierungsmaßnahmen fehlte. Dessen Zuständigkeit ergibt sich aus § 18 Abs. 3 Satz 1 BodSchAG LSA. Danach ist für die Ausführung des BBodSchG bei den der Bergaufsicht unterliegenden Betrieben die zuständige Bergbehörde zuständig.

14

1.1. Der Antragsgegner ist zu Recht auf der Grundlage des BBodSchG tätig geworden. Weder die Vorschriften KrWG noch die des BBergG haben Anwendungsvorrang.

15

Gemäß § 3 Abs. 1 BBodSchG findet dieses Gesetz auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung, soweit die in den Nrn. 1 bis 10 genannten Vorschriften Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 BBodSchG sind Altlasten im Sinne dieses Gesetzes stillgelegte Abfallbeseitigungsanlagen sowie sonstige Grundstücke, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert worden sind (Altablagerungen), durch die schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.

16

Bei den hier streitigen, aus „Müllbeton“ hergestellten Betriebsstraßen handelt es sich nach summarischer Prüfung um eine solche Altablagerung, unabhängig davon, ob es sich bei dem dort eingebrachten Abfall um Abfall zur Beseitigung handelt. Zwar dürfte es sich bei der mit Abfallgemischen verfüllten Tongrube um keine stillgelegte Abfallbeseitigungsanlage im Sinne von § 2 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 1 BBodSchG handeln. Es greift hier aber die zweite Alternative des § 2 Abs. 1 Nr. 5 BBodSchG, da auf den dortigen Grundstücken Abfälle abgelagert und behandelt worden sind. Auf eine Zweckbestimmung der in dieser Vorschrift genannten Grundstücke zur Abfallbeseitigung kommt es nicht an; handelt es sich nicht um eine „Anlage“ zur Abfallbeseitigung, so können Flächen, auf denen Abfälle behandelt, gelagert oder abgelagert werden, „sonstige Grundstücke“ im Sinne des Altlastenrechts sein (vgl. Sondermann/Hejma, in: Versteyl/Sondermann, BBodSchG, 2. Aufl., § 2 RdNr. 59). Nach den vom Antragsgegner veranlassten Suchschachtungen unmittelbar neben den Straßen und dem Ergebnis der Untersuchung der Proben ist ferner davon auszugehen, dass durch diese Altlasten auch Gefahren für den einzelnen oder die Allgemeinheit hervorgerufen werden.

17

a) Das BBodSchG wird hier nicht durch die abfallrechtlichen Vorschriften verdrängt. Der Abgrenzung zum Abfallrecht dient die Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG, wonach das Gesetz auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung findet, soweit die Vorschriften des KrWG über die Zulassung und den Betrieb von Abfallbeseitigungsanlagen sowie über die Stilllegung von Deponien Einwirkungen auf den Boden nicht regeln. Damit räumt das BBodSchG, bezogen auf die Stilllegung von Deponien, dem Abfallrecht einen Anwendungsvorrang ein, soweit dieses bodenschützende Vorschriften enthält. Eine bodenschützende Vorschrift im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 findet sich in § 15 Abs. 2 KrWG. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Abfälle so zu beseitigen, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt wird; eine Beeinträchtigung liegt nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 KrWG u.a. dann vor, wenn Böden schädlich beeinflusst werden. Das KrWG enthält allerdings Ausnahmen vom Anwendungsvorrang des Abfallrechts. So beinhaltet § 40 Abs. 2 Satz 2 eine „Rückausnahme“ zugunsten des BBodSchG; diese Regelung bestimmt, dass dann, wenn von einer endgültig stillgelegten Deponie nach Abs. 3 (des § 40 Abs. 1 KrWG) schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des BBodSchG Anwendung finden. Eine endgültig stillgelegte Deponie dürfte die in Rede stehende Tongrube nicht darstellen.

18

Eine weitere Ausnahmeregelung enthält indes § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrWG. Danach gelten die Vorschriften dieses Gesetzes nicht für Böden am Ursprungsort (Böden in situ), einschließlich nicht ausgehobener, kontaminierter Böden und Bauwerke, die dauerhaft mit dem Grund und Boden verbunden sind. Der Senat teilt nicht die Auffassung des Antragstellers, § 2 Abs. 2 Nr. 10 KrwG erfasse nur solche Fälle, in denen der Verwendungszweck von Böden oder Bauwerken von dem Eigentümer oder Besitzer im Sinne von § 3 Abs. 3 Nr. 2 KrWG aufgegeben wird, in denen also kontaminierte Böden und Bauwerke, die zunächst keinen Abfall darstellten, nachträglich zu Abfall werden.

19

Die Ausnahmevorschrift dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 Buchstabe b der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19.11.2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (Abfallrahmenrichtlinie – AbfRRL) und wurde notwendig, weil der Abfallbegriff nicht mehr nur bewegliche Sachen, sondern gemäß § 3 Abs. 1 KrWG (Umsetzung von Art. 3 Nr. 1 AbfRRL) nunmehr insgesamt alle „Stoffe und Gegenstände“ umfasst, auf deren Entsorgung die Regelungen des Abfallrechts allerdings nicht zugeschnitten sind (vgl. BT-Drs. 17/6052, S. 70). Die zivilrechtliche Frage, ob ein Stoff oder Gegenstand wesentlicher Bestandteil des Bodens bzw. eines Bauwerks ist, ist deshalb nach wie vor für die Anwendung des Abfallrechts von maßgebender Bedeutung; entscheidend ist, ob der Stoff oder Gegenstand entsprechend § 94 BGB dauerhaft mit dem Boden verbunden oder zur Herstellung eines Bauwerks eingefügt worden ist (vgl. Schink, Der Abfallbegriff der Kreislaufwirtschaftsgesetzes, UPR 2012, 201 [203]). Dem entsprechend kommt es bei der Verfüllung von Gruben und Senken darauf an, ob und inwieweit eine Trennung der abgelagerten Abfälle noch möglich ist oder nicht (Schink, a.a.O.). Wurden etwa Stoffe nicht nur lose in einen Steinbruch verfüllt, sondern die Oberfläche nach Abschluss der Verfüllung dem Geländeprofil angepasst, planiert und durch Aussaat bepflanzt, wobei auch der Wille des Grundstückseigentümers auf die Herstellung einer dauerhaften festen Verbindung mit dem Grundstück gerichtet ist, so haben die Stoffe mit dem Abschluss der Verfüllungsmaßnahme ihre Abfalleigenschaft verloren mit der Folge, dass Bodenschutzrecht anzuwenden ist (OVG RP, Urt. v. 26.01.2012 – 8 A 11081/11 –, UPR 2012, 234 [235], RdNr. 50 in Juris). § 5 Abs. 1 KrWG, der bestimmt, dass die Abfalleigenschaft eines Stoffes oder Gegenstandes (erst) bei Vorliegen der in den Nrn. 1 bis 4 genannten Voraussetzungen endet, greift erst ein, wenn das KrWG Anwendung findet, der Stoff oder Gegenstand also noch nicht mit Grund und Boden oder einem Bauwerk fest verbunden ist. So liegt es hier aber nicht.

20

Mit dem angegriffenen Bescheid verfolgt der Antragsgegner nicht lediglich die Beräumung des Grundstücks von dort gelagerten und (teilweise) mit anderen Materialien vermischten Abfällen, sondern die Beseitigung von Betriebsstraßen einschließlich Unterbau, bei deren Herstellung nicht zugelassene Abfälle verarbeitet wurden. Das zum Zwecke der Befestigung einer Straße eingebaute Material ist in der Regel wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks im Sinne von § 94 Abs. 1 BGB. Nach § 94 Abs. 1 BGB gehören zu den wesentlichen Bestandteilen eines Grundstücks die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Entscheidend für die Beurteilung ist die Verkehrsanschauung (Staudinger, BGB, 13. Aufl., § 94 RdNr. 6). Beurteilungskriterien sind dabei z.B. die Art und der Zweck der Verbindung, deren beabsichtigte Dauer oder der wirtschaftliche Aspekt der Zusammenführung. Eine feste Verbindung mit einem Grundstück liegt demnach vor, wenn eine physische Zerstörung oder starke Beschädigung des abzulösenden Teils oder des verbleibenden Grundstücks unvermeidlich ist oder wenn zur Abtrennung verhältnismäßig erhebliche Mühen und Kosten aufgewendet werden müssen (Staudinger, a.a.O.). Diese Voraussetzungen sind bei einer befestigten Straße in aller Regel erfüllt. Zu den Bestandteilen eines Grundstücks gehören nach § 95 Abs. 1 Satz 1 zwar solche Sachen nicht, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Betriebsstraßen nur zu einem vorübergehenden Zweck angelegt wurden. Es liegt auch keine Fallgestaltung vor, in der sich ein wesentlicher Bestandteil in einen – sonderrechtsfähigen – Scheinbestandteil im Sinne von § 95 Abs. 1 Satz 1 BGB verändern kann, wofür es eines nach außen in Erscheinung tretenden Willens des Eigentümers bedarf, dass die bislang feste und auf Dauer angelegte Verbindung der Sache mit dem Grundstück nunmehr nur noch vorübergehender Natur sein soll (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 02.12.2005 – V ZR 35.05 –, BGHZ 165, 184).

21

b) Die Anwendung des BBodSchG ist auch nicht durch einen Anwendungsvorrang des BBergG nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG ausgeschlossen. Danach findet das BBodSchG auf schädliche Bodenveränderungen und Altlasten Anwendung, soweit Vorschriften des BBergG und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen über die Errichtung, Führung oder Einstellung eines Betriebes Einwirkungen auf den Boden nicht regeln.

22

Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 09.05.2013 – 2 M 13/12 –, NuR 2012, 505, RdNr. 37 in Juris) unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.04.2005 (7 C 26/03 –, BVerwGE 123, 247 [254]) darauf abgestellt, dass sich schädliche Bodenveränderungen infolge einer Verfüllung von Abfällen mit den bergrechtlichen Vorschriften nicht sachgerecht erfassen ließen und weder das BBergG noch die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen Anforderungen an die Verwendung bergbaufremder Abfälle enthielten, durch die schädliche Einwirkungen auf den Boden hervorgerufen werden. Wenngleich Gegenstand dieser Rechtsprechung die bergrechtliche Zulassung eines Abschlussbetriebsplans gewesen sei, der das Verfüllen mit bergbaufremden Abfällen zum Gegenstand gehabt habe, so seien diese Grundsätze auch auf eine Sicherungsanordnung anwendbar, die unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere nicht auf § 71 Abs. 1 BBergG gestützt werden könne. Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergG ergänzten (lediglich) den Betriebsplan. Wenn daher das BBergG bereits in Bezug auf einen Betriebsplan keine Anforderungen bereitstelle, die schädliche Einwirkungen auf den Boden betreffen, so könne in Bezug auf Anordnungen nach § 71 Abs. 1 BBergG nichts anderes gelten. Zwar enthalte diese Vorschrift in Form einer Generalklausel die Ermächtigung, im Einzelfall die zum Schutz der in § 55 BBergG bezeichneten Rechtgüter und Belange erforderlichen Anordnungen zu treffen. Anhand der Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 und Abs. 2 BBergG lasse sich indes eine sachgerechte Beurteilung der Frage von nachteiligen Einwirkungen verfüllter Abfälle auf Boden und Grundwasser gerade nicht vornehmen.

23

Der Senat teilt zwar die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die Vorschriften des BBodSchG bei der Genehmigung von Betriebsplänen nach § 55 BBergG keine unmittelbare Anwendung finden, sondern nur über die Regelung des § 48 Abs. 2 BBergG „herangezogen“ werden. Die Zulassungsentscheidung bleibt eine Entscheidung nach dem BBergG, die sich lediglich materiell – in Bezug auf die Einwirkung auf den Boden – an den Vorschriften des BBodSchG messen lassen muss. Dies vermag aber an der für die Abgrenzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG allein maßgeblichen Feststellung, dass Vorschriften des BBergG Einwirkungen auf den Boden nicht regeln (BVerwG, Urt. v. 14.04.2005, a.a.O., RdNr. 24), nichts zu ändern.

24

Über die hier maßgebliche Frage, ob für Anordnungen zur Beseitigung von rechtswidrig – entgegen einem Sonderbetriebsplan – eingelagertem Verfüllmaterial die Vorschriften des BBodSchG durch die Regelungen des BBergG verdrängt werden, hatte das Bundesverwaltungsgericht im oben genannten Urteil nicht zu entscheiden. Die Vorschriften des BBodSchG, die dem in § 1 Satz 2 BBodSchG genannten Zweck dienen, den Boden und Altlasten sowie hierdurch verursachte Gewässerverunreinigungen zu sanieren, werden durch die Vorschriften des BBergG nicht verdrängt. Insoweit kann offen bleiben, ob daran festzuhalten ist, dass Anordnungen zur Beseitigung von rechtswidrig ab- oder eingelagerten Abfällen auf der Grundlage von § 71 Abs. 1 BBergG nicht getroffen werden können. Solche Maßnahmen können jedenfalls auch auf der Grundlage von Vorschriften des BBodSchG getroffen werden. Wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, trat im Gesetzgebungsverfahren § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG an die Stelle des im Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 14.01.1997 (BT-Drs. 13/ 6701) formulierten § 3 Abs. 4 (vgl. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 10.06.1997 (BT-Drs. 13/7891, S. 9). Damit sollte die Systematik des Gesetzentwurfs verbessert und die Abgrenzung der Anforderungen des BBodSchG von denen des BBergG nunmehr in § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG geregelt werden; inhaltliche Änderungen zu der ursprünglich in § 3 Abs. 4 vorgesehenen Regelung ergäben sich nicht (BT-Drs. 13/7891 S. 38). § 3 Abs. 4 des ursprünglichen Gesetzentwurfs bestimmte indes, dass auf die Zulassung von Tätigkeiten und Einrichtungen im Sinne des § 2 BBergG dieses Gesetz (das BBodSchG) keine Anwendung finde; die Berücksichtigung der Belange dieses Gesetzes im Rahmen des § 55 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 BBergG bleibe unberührt. Die Schnittstellen zwischen dem BBodSchG und dem BBergG ergeben sich damit aus den Betriebsplänen nach § 55 i.V.m. § 48 Abs. 2 BBergG sowie aus den Abschlussbetriebsplänen nach § 53 BBergG (Frenz, BBodSchG, § 3 RdNr. 46). Im Rahmen der Vorsorge und Gefahrenabwehr im Zusammenhang mit den Betriebsplänen werden die Regelungen des BBodSchG verdrängt (Sondermann/Hejma, a.a.O., § 3 Rdnr. 70). Daraus folgt nach der Auffassung des Senats, dass die Anwendung des BBodSchG nicht ausgeschlossen sein soll, soweit ordnungsbehördliche Maßnahmen zur Sanierung einer bereits eingetretenen schädlichen Bodenveränderung oder einer vorhandenen Altlast im Raum stehen. Dafür spricht auch, dass sich die in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vorgeschlagene Formulierung in § 3 Abs. 1 Nr. 10 BBodSchG an die Abgrenzungsregelung zum Immissionsschutzrecht in § 3 Abs. 1 Nr. 11 BBodSchG anlehnte (vgl. nochmals BT-Drs. 13/7891 S. 38). Diese Vorschrift normiert die Abgrenzung zwischen dem Anlagenzulassungsrecht des BImSchG und den Regelungen des BBodSchG. Einwirkungen auf den Boden können im Zusammenhang mit der Errichtung und dem Betrieb sowie der wesentlichen Änderung von Anlagen dadurch verursacht werden, dass eine Anlage Schadstoffe emittiert, die in den Boden eingetragen werden; darüber hinaus können durch sonstige Auswirkungen einer Anlage im Rahmen des Normalbetriebs oder infolge eines Störfalls mittelbar oder unmittelbar Einwirkungen auf den Boden verursacht werden. Soweit das BImSchG Vorschriften über die Errichtung und den Betrieb von Anlagen enthält und in diesem Zusammenhang Einwirkungen auf den Boden geregelt werden, werden die Regelungen des BBodSchG verdrängt (vgl. Sondermann/Hejma, a.a.O., § 3 RdNr. 71). Nach dem BImSchG können daher allein anlagenbezogene Maßnahmen ergriffen werden. Dass Maßnahmen zur Sanierung von Boden, die über den Luftweg mit Schadstoffen kontaminiert wurden, auf die Regelungen des BImSchG zurückgegriffen werden könnte, ist dagegen nicht ersichtlich.

25

2. Die angefochtene Verfügung begegnet auch materiell-rechtlichen keinen Bedenken. Rechtsgrundlage ist § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG. Danach kann die zuständige Behörde zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und den auf Grund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 erlassenen Rechtsverordnungen ergebenden Pflichten die notwendigen Maßnahmen treffen. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.

26

2.1. Aus den bereits dargelegten Gründen liegt hier eine Altlast im Sinne des § 2 Abs. 5 Nr. 1 Alt. 2 BBodSchG vor.

27

2.2. Die Heranziehung des Antragstellers als Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist aller Voraussicht nach rechtlich nicht zu beanstanden.

28

Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen. Hierzu gehören nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BBodschG auch solche Maßnahmen, die eine Ausbreitung der Schadstoffe langfristig verhindern. Ein Rangverhältnis, nach dem sich die Auswahl der in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG aufgezählten Störer bestimmt, gibt es nicht; insbesondere besteht kein genereller Vorrang der Haftung des Verhaltensverantwortlichen vor derjenigen des Zustandsverantwortlichen (BayVGH, Beschl. v. 31.08.2006 – 22 CS 06.2055 –, Juris, m.w.N.).

29

a) Die Verantwortlichkeit für Maßnahmen nach § 10 Abs. 1 BBodSchG trifft damit jedenfalls auch den Inhaber der tatsächlichen Gewalt. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gemeinschuldnerin ist nach § 80 Abs. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Bergwerkseigentum auf den Antragsteller als Insolvenzverwalter übergegangen. Da § 4 Abs. 3 BBodSchG an das Innehaben der tatsächlichen Gewalt anknüpft, ist es auch unerheblich für die Verantwortlichkeit des Insolvenzverwalters, ob die Gefahr bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestanden hat (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 23.09.2004 – 7 C 22/03 –, BVerwGE 122, 75 [78], RdNr. 10 in Juris; Beschl. v. 05.06.2007 – 7 B 25/07 –, Juris, RdNr. 3). Die Anzeige der (temporären) Masseunzulänglichkeit nach § 208 InsO und ein sich daraus ergebendes insolvenzrechtliches Vollstreckungsverbot nach §§ 209 Abs. 1 Nr. 3, 210 InsO beschränkt nicht die Befugnis der Ordnungsbehörde, den Insolvenzverwalter als Störer auf der Grundlage der einschlägigen ordnungsrechtlichen Bestimmungen in Anspruch zu nehmen; anderenfalls könnte die Behörde nicht die erforderliche Grundlage zur Beseitigung der Gefahr im Wege der Verwaltungsvollstreckung mittels Ersatzvornahme schaffen (vgl. OVG NW, Beschl. v. 21.08.2013 – 8 B 612/13 –, Juris RdNr. 20 ff.; VGH BW, Beschl. v. 07.04.2012 – 10 S 3127/11 –, NVwZ-RR 2012, 460 [462], im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 22.10.1998 – 7 C 38.97 –, BVerwGE 107, 299 [303 f.], RdNr. 15 in Juris).

30

b) Es ist ferner nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner davon abgesehen hat, zur Durchführung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen die (möglichen) Verursacher der Altlast in Anspruch zu nehmen.

31

aa) Dies gilt insbesondere für die Gemeinschuldnerin als frühere Betreiberin der Tongrube, der nach Lage der Dinge der Einbau der nicht zugelassenen Abfälle in die Betriebsstraßen und damit die Verursachung der hier in Rede stehenden Altlast zuzurechnen sein dürfte. Ihre Inanspruchnahme – mit einer entsprechenden Duldungsanordnung an den Antragsteller – hat der Antragsgegner in der angefochtenen Verfügung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Begründung verworfen, dass sie zur Vornahme der kostenintensiven Sanierungsmaßnahmen angesichts der Einstellung des Tagebaubetriebs zumindest tatsächlich nicht in der Lage wäre und sie aufgrund der bestehenden Insolvenz nicht über die für die Sanierung notwendigen Mittel verfüge.

32

bb) Dem Antragsgegner kann auch nicht vorgehalten werden, er hätte die Abfallerzeuger bzw. die früheren Abfallbesitzer oder die für die Gemeinschuldnerin vor der Insolvenz handelnden Personen in Anspruch nehmen können oder müssen.

33

Aus Effizienzgründen kann es geboten sein, allein den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu den erforderlichen Sanierungsmaßnahmen heranzuziehen, wenn die Heranziehung von möglichen Verhaltensverantwortlichen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen zweifelhaft ist, insbesondere die einzelnen Verursachungsbeiträge ungeklärt sind. Die Regelung des § 4 Abs. 3 BBodSchG verfolgt insbesondere zwei Ziele, nämlich die schnelle und effektive Beseitigung eingetretener Störungen, die auf schädlichen Bodenveränderungen beruhen oder von Altlasten ausgehen, und die Freihaltung der öffentlichen Hand von finanziellen Lasten. Eine langwierige prozessuale Auseinandersetzung mit einem Verhaltensstörer, dessen (Mit-)Verursachungsbeitrag zweifelhaft ist, könnte jedoch der Effektivität der Gefahrenabwehr zuwiderlaufen (vgl. VG Düsseldorf, Beschl. v. 09.06.2009 – 17 L 513/09 –, Juris, RdNr. 10). Unverzichtbares Kriterium bei der Heranziehung als Handlungsstörer ist, dass die Verantwortlichkeit der in die Pflicht genommenen Personen dem Grunde nach feststeht; eine bloß mögliche Verantwortlichkeit reicht insoweit nicht aus (vgl. Dombert, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. II, § 4 BBodSchG, RdNr. 22) Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 24 Abs. 2 BBodSchG, in welchem Ausgleichsansprüche zwischen mehreren Verpflichteten vorgesehen sind, die Schärfe einer Inanspruchnahme des Inhabers der tatsächlichen Gewalt durch die Möglichkeit des Rückgriffs bei anderen Verantwortlichen, insbesondere den Verursachern, erheblich relativiert hat (vgl. VG Düsseldorf, a.a.O, m.w.N.).

34

Die Heranziehung derjenigen Personen, die die eingearbeiteten Abfälle angeliefert haben, erscheint nicht unproblematisch. Die Überlegung des Antragsgegners, dass sie nur als mittelbare Verursacher dieser Altlast anzusehen seien, ist nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen. Zwar mögen die Abfälle – wie der Antragsteller einwendet – durch ein kollusives Zusammenwirken zwischen der Städtereinigung West (...)GmbH & Co. KG und der Gemeinschuldnerin in den Tontagebau eingebracht worden sein. Fraglich ist aber, ob auch die Herstellung von Betriebsstraßen eine Handlung darstellt, die dem Abfallerzeuger oder dem (früheren) Abfallbesitzer noch zugerechnet werden kann. Eine Verhaltensverantwortlichkeit setzt nämlich voraus, dass die handelnde Person die Gefahr „unmittelbar" herbeigeführt haben muss, also bei einer wertenden Zurechnung die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat, so dass Personen, die entferntere, nur mittelbare Ursachen für den eingetretenen Erfolg gesetzt, also nur den Anlass für die unmittelbare Verursachung durch andere gegeben haben, in diesem Sinn keine Verursacher sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.02.2008 – 7 B 12.08 –, NVwZ 2008, 684, RdNr. 3 in Juris). Mit dem Bau der Betriebsstraßen aus einem Gemisch von Abfällen und Beton bzw. Zement wurde eine über das bloße Ablagern von Abfällen hinausgehende, den rechtswidrigen Zustand verfestigende Gefahr begründet. Nach der gebotenen wertenden Betrachtungsweise kann zwar auch ein als „Veranlasser" auftretender Hintermann (mit)verantwortlich sein, wenn dessen Handlung zwar nicht die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten hat, aber mit der durch den Verursacher unmittelbar herbeigeführten Gefahr oder Störung eine natürliche Einheit bildet, die die Einbeziehung des Hintermanns in die Polizeipflicht rechtfertigt, wie dies etwa beim „Zweckveranlasser“ der Fall ist (BVerwG, Beschl. v. 12.04.2006 – 7 B 30.06 –, Juris, RdNr. 4). Eine solche Feststellung lässt sich hier aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht mit der erforderlichen Sicherheit treffen.

35

Auch die Inanspruchnahme des Geschäftsführers oder von Gesellschaftern der Gemeinschuldnerin erscheint fraglich. Zwar können auch Leitungspersonen juristischer Personen oder diesen aufgrund ihrer Struktur gleichgestellter Personengesellschaften persönlich als Verursacher schädlicher Bodenveränderungen ordnungspflichtig sein; Anknüpfungspunkt für einen Zugriff auf den Betreffenden ist, dass er (auch) in seiner Person die Voraussetzungen der Verhaltensverantwortlichkeit erfüllt, etwa indem er persönlich die zur schädlichen Bodenveränderung oder Entstehung der Altlast führenden Umstände zentral und umfassend gesteuert hat (vgl. OVG NW, Urt. v. 21.11.2012 – 16 A 85/09 –, Juris, RdNr. 37). Zwar hat der Antragsgegner u.a. im Berufungsbegründungsschriftsatz im Verfahren 2 L 52/13 vom 12.06.2013 (S. 6) vorgetragen, dem Geschäftsführer und zumindest einem Gesellschafter der Gemeinschuldnerin sei bekannt gewesen, dass nicht zugelassene Abfälle in die Tagebaue eingebracht wurden. Auch spricht Vieles dafür, dass diese Personen aufgrund ihrer jeweiligen Funktion im Unternehmen der Gemeinschuldnerin u.a. den Bau der Betriebsstraßen und damit die Verfestigung der illegalen Abfallablagerung gesteuert haben. Da die Ermittlung der einzelnen Verursachungsbeiträge jedoch langwierig sein dürfte, war es voraussichtlich nicht ermessensfehlerhaft, dass der Antragsgegner die Heranziehung dieser Personen für die (zeit)aufwendigen Sanierungsmaßnahmen letztlich nicht (ernsthaft) in Erwägung gezogen hat.

36

c) Die Entscheidung des Antragsgegners, die Grundstückseigentümer wegen der verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.02.2000 – 1 BvR 242/91 –, BVerfGE 102, 1) nicht für die – aller Voraussicht nach sehr kostenintensiven – Sanierungsmaßnahmen heranzuziehen, begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

37

3. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, das der Antragsgegner in der angefochtenen Verfügung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet hat, liegt vor. Zutreffend hat der Antragsgegner darauf verwiesen, dass jede weitere Verzögerung der Sanierungsmaßnahmen zu einer Ausweitung des Schadens und somit zu einer Verschärfung der schon bestehenden Gefahrenlage für die Allgemeinheit führen kann, so dass die – sich möglicherweise über Jahre hinziehende – Durchführung etwaiger Rechtsbehelfsverfahren nicht abgewartet werden kann.

B.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

C.

39

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat folgt der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Bemessung des Streitwerts.


Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen