Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt (2. Senat) - 2 L 48/14

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung einer Gebühr für die Entscheidung des Beklagten über einen Widerspruch gegen die Ablehnung eines Umverteilungsantrages.

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Der Kläger ist, nachdem sein am 12.09.2006 gestellter Asylantrag durch Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 27.09.2006 abgelehnt worden und die hiergegen erhobene Klage erfolglos geblieben war, vollziehbar ausreisepflichtig. Am 30.04.2008 erhielt er eine Duldung mit der Nebenbestimmung, seinen Wohnsitz in A-Stadt zu nehmen, die fortlaufend verlängert wurde. Seinen Antrag vom 10.05.2011, ihn zu seiner (noch minderjährigen) Lebensgefährtin und seinem minderjährigen Kind nach B-Stadt umzuverteilen, lehnte der Landkreis (...) mit Bescheid vom 05.01.2012 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2012 zurück. Mit streitgegenständlichem Kostenfestsetzungsbescheid vom 13.07.2012 erhob der Beklagte für den Erlass des Widerspruchsbescheides eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 10,00 € unter Bezugnahme auf die Regelungen in §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 47 Abs. 1 Nr. 7 AufenthV.

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Am 20.08.2012 hat der Kläger Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Er beziehe evident niedrige Leistungen nach dem AsylbLG. Bereits deshalb müsse hier von der Gebührenerhebung abgesehen werden, da die Forderung 33% der ihm gewährten Leistungen in Höhe von monatlich 30,68 € betrage. Dabei hätte der Beklagte auch die Voraussetzungen für einen Erlass der Forderung prüfen müssen.

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Der Kläger hat beantragt,

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den Kostenfestsetzungsbescheid vom 13.07.2012 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

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Rechtsgrundlage für die vom Beklagten geltend gemachte Widerspruchsgebühr sei § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV. Der Kläger sei nicht auf der Grundlage des § 53 AufenthV aus Billigkeitsgründen von der Gebührenleistung befreit. Da die Widerspruchsgebühr nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV nicht unter die in § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthV abschließend aufgeführten Tatbestände falle, sei für den Kläger ausschließlich die Regelung des § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AufenthV maßgebend. Ein Sonderfall des § 49 Abs. 3 AufenthV, auf den § 51 Abs. 3 AufenthV verweise, liege nicht vor. Für die Anwendbarkeit des § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AufenthV fehle es aber an dem erforderlichen Antrag des Klägers, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, über eine Billigkeitsregelung bezüglich der vom Kläger verursachten Widerspruchsgebühr entscheiden zu können. Der die Befreiung und Ermäßigung aus Billigkeitsgründen regelnde § 53 AufenthV beruhe auf der korrespondierenden Regelung des § 10 der Gebührenverordnung zum Ausländergesetz (AuslGebV). Aus der Begründung zu § 10 AuslGebV ergebe sich, dass es dem Willen des Gesetzgebers entspreche, die Gebührenermäßigung und -befreiung wegen Eilbedürftigkeit detaillierter als im bisherigen Recht zu regeln. Eine noch genauere Regelung sei jedoch bundeseinheitlich nicht möglich. Den Ländern und vor allem den Kommunen stünden differenziertere Maßstäbe zur Verfügung, die im Rahmen der Vorschrift berücksichtigt werden könnten. Diese „differenzierte Regelung“ stelle mangels anderweitiger spezieller ausländerrechtlicher Regelungen das Verwaltungskostengesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwKostG LSA) dar. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA könne die Behörde die Kosten ermäßigen oder von der Erhebung absehen, wenn dies im Einzelfall mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Belange des Kostenschuldners oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten sei. Diese Regelung entspreche § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AufenthV. Sie bestimme aber auch gleichzeitig das Verfahren. Denn aus der Bestimmung des § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AufenthV ergebe sich nicht, auf welchem Weg die Behörde in diesem Bereich eine Billigkeitsentscheidung, nämlich von Amts wegen oder auf Antrag des Betroffenen, zu treffen habe. Für den Erlass einer Widerspruchsgebühr im Rahmen der Aufenthaltsverordnung reiche die Kenntnis der Behörde, dass der Widerspruchsführer Leistungen nach dem AsylbLG erhalte, nicht aus. Vielmehr müsse der Ausländer, da § 51 AufenthV im abschließenden Befreiungskatalog des § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AufenthV nicht enthalten sei, den entsprechenden Erlassantrag stellen. Der die Widerspruchsgebühr regelnde § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV werde gerade nicht in § 53 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 Nr. 1 AufenthV erfasst.

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Danach habe der Beklagte aber von sich aus keine Billigkeitsentscheidung ohne weitere Mitwirkung des Klägers treffen müssen.Bei einer Amtshandlung der Verwaltung, die auf Antrag eines Betroffenen tätig werde, handele es sich um eine gebührenpflichtige Tätigkeit, und die Verwaltungsbehörde habe die ihr zustehenden Gebührenansprüche grundsätzlich in voller Höhe auszuschöpfen. Eine Billigkeitsentscheidung sei gegenüber der Kostenlastentscheidung aber ein selbständiger Verwaltungsakt, der gesondert zu beantragen sei und die Rechtmäßigkeit der Kostenlastentscheidung unberührt lasse. Habe jedoch der Kläger vor Klageerhebung keinen Antrag an die Behörde gestellt, sei die Klage schon aus diesem Grund unzulässig. Eine Veranlassung des Beklagten, über den Verzicht der Gebührenforderung im Wege der Ermessensbetätigung zu entscheiden, habe nicht bestanden, insbesondere weil keine Ermessensreduzierung auf „Null“ von Amts wegen ersichtlich sei. Auch wenn der Kläger Leistungen nach dem AsylbLG erhalte, habe er sich zu keiner Zeit zu seiner allgemeinen wirtschaftlichen Situation substantiiert geäußert.Bei Erlass eines Kostenbescheides kenne die Behörde nicht bereits alle Umstände, die überhaupt einen Erlass gegenüber dem Betroffenen rechtfertigen könnten. Die Gebührenforderung und ihr Erlass stellten insofern zueinander ein „aliud“ dar, da eine selbständige Entscheidung der Behörde ohne weitere Kenntnis der finanziellen Verhältnisse des Schuldners nicht möglich sei. Eine Prüfung bleibe dann dem auf Antrag des Schuldners eingeleiteten Erlassverfahren vorbehalten.

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Die vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Berufung hat der Kläger wie folgt begründet:

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Die AufenthV, insbesondere auch deren § 53, sehe für die Ermäßigung und das Absehen von einer Gebührenerhebung kein Antragserfordernis vor. Das Verwaltungsgericht konstruiere ein solches Erfordernis zu Unrecht über die Verweisung von § 53 AufenthV auf die Vorgängernorm des § 10 AuslGebV, die dazu entsprechende Gesetzesbegründung und schließlich § 12 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA. Zwar entspreche § 53 AufenthV den Regelungen des § 10 AuslGebV, jedoch ergebe sich aus der Gesetzesbegründung kein Antragserfordernis. Dort werde lediglich klargestellt, dass es den Ländern unbenommen bleibe, „differenziertere Maßstäbe“ festzulegen. Da diese „differenzierteren Maßstäbe“ jedoch im Rahmen der bundesgesetzlichen Norm zu halten seien, werde lediglich klargestellt, dass durch die Länder weitergehende Ermäßigungen und Erlassvorschriften unberührt blieben. Vor diesem Hintergrund könne insbesondere § 12 Abs. 2 Satz 2 VwKostG LSA hier nicht ins Feld geführt werden, da es sich weder um eine weitergehende Norm als § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 und Abs. 2 AufenthV noch um eine landesrechtliche Norm zur Schaffung einer Antragspflicht handele.
§ 12 VwKostG LSA beziehe sich zudem nur auf die nach dem VwkostG LSA erhobenen Gebühren. Da in § 53 AufenthV kein Antragserfordernis statuiert werde, habe die Behörde bei Kenntnis von relevanten Umständen ein Verfahren im Sinne des § 22 Satz 2 Nr. 1, 1. Alt. VwVfG einzuleiten, in welchem sodann pflichtgemäßes Ermessen auszuüben sei. Zumindest gelte der Grundsatz aus § 22 Satz 1 VwVfG, dass die Behörde bezüglich der Eröffnung des Erlassverfahrens Ermessen ausüben müsse. Dazu hätte der Beklagte jedoch eine Anhörung durchführen oder nach Anhängigkeit der Klage sein Ermessen ausüben müssen: denn es sei unstreitig, dass der Kläger Bezieher von (abgesenkten) Leistungen nach dem AsylbLG gewesen und dieser Umstand dem Beklagten von Anfang an bekannt gewesen sei.

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Aus § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV ergebe sich aber, dass bei diesem Leistungsbezug grundsätzlich von der Erhebung einer Gebühr abgesehen werden solle, wenn nicht gewichtige Gründe dagegen sprächen. Schließlich regle § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthV eine Pflicht zum Erlass der Gebühren bei Leistungsbezug nach dem AsylbLG. Der zweite Halbsatz folge unmittelbar darauf und wolle erreichen, dass dieser Grundsatz auch für im ersten Halbsatz nicht genannte Gebühren gelte. Dass hier eine Soll-Vorschrift für den Fall des Bezugs von Leistungen nach AsylbLG anzunehmen sei, ergebe sich auch aus § 53 Abs. 2 AufenthV, wo weitere Umstände aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen hinzutreten müssten. Insofern gelte ein abgestuftes System: Nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthV sei die jeweilige Gebühr zu erlassen, nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV solle die jeweilige Gebühr erlassen oder ermäßigt werden und nach § 53 Abs. 2 AufenthV könne die jeweilige Gebühr erlassen oder ermäßigt werden. Wenn aber – wie hier mit § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV – eine Soll-Vorschrift vorliege, müsse auch § 22 Satz 2 Nr. 1, 1. Alt. VwVfG gelten. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlange, dass der finanzkräftige Rechtsuchende mit dem finanzschwachen Rechtsuchenden auf eine Stufe gestellt werde. Daraus folge, dass der Rechtsschutz nicht durch finanzielle Hürden erschwert werden dürfe, wenn ein durchschnittlich gebildeter Rechtsuchender vernünftigerweise Widerspruch eingelegt hätte. Der Kläger habe neben den Kosten der Unterkunft Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von 30,68 € bezogen. Da bereits der Regelsatz (ohne Kosten der Unterkunft) für Bezieher von ALG ll in Höhe von 391,00 € als an der untersten Grenze des Existenzminimums betrachtet werde und bereits dieser Regelsatz immer wieder verfassungsrechtlichen Bedenken begegne, gelte dies umso mehr für die hier in Rede stehenden Leistungen. Verwaltungsgebühren seien nicht im Regelsatz von Leistungen nach dem AsylbLG enthalten. Er habe objektiv keine Möglichkeit gehabt, die geforderte Gebühr zu zahlen, ohne in seinen Lebensumständen noch weiter unter das Mindestniveau eines menschenwürdigen Lebens zu sinken. Eine Widerspruchsgebühr würde also den Zugang zu Rechtsmitteln für Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG faktisch blockieren. Der Beklagte habe den Leistungsbezug hier sehr genau gekannt, weil § 1a AsylbLG nur angewendet werde, wenn der Beklagte das Sozialamt über ein vermeintlich einschlägiges Verhalten informiere. Hinzu komme, dass sein Kind und dessen damals noch minderjährige Mutter in B-Stadt gelebt hätten, was die Lage weiter erschwert habe. Auch dies sei dem Beklagten bekannt gewesen.

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Ferner sei das Recht aus Art. 13 EMRK verletzt, weil eine effektive Beschwerde – hier in Gestalt des Widerspruchs – nicht gegeben sei, wenn diese faktisch durch unzumutbare finanzielle Belastungen blockiert werde. Es könne nicht sein, dass er zwar das gerichtliche Verfahren durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe bestreiten könne, das Vorverfahren jedoch eine finanzielle Belastung für ihn darstelle. Auch ein faires Verfahren nach Art. 6 Abs. 1 EMRK verlange die sanktionslose Möglichkeit, ein vernünftiges Rechtsmittel zu betreiben. Wenn jedoch nach Abschluss einer Beschwerde im Sinne des Art. 13 EMRK eine unangemessene Gebühr festgesetzt werde, die für den Rechtsuchenden eine unzumutbare Belastung darstelle, sei ein faires Verfahren nicht mehr gegeben.

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Der Kläger beantragt,

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das angefochtene Urteil zu ändern und den Kostenfestsetzungsbescheid des Beklagten vom 13.07.2012 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er trägt vor: Die streitige Widerspruchsgebühr sei in der Gebührenbefreiungsregelung des § 53 Abs. 1 AufenthV nicht aufgeführt. Für „sonstige Gebühren“ sehe § 53 Abs. 1. Halbsatz 2 AufenthV hingegen keine zwingende Befreiung sondern nur die Möglichkeit einer Ermäßigung vor. Ein Ermäßigungs- oder Absehensermessen nach § 53 Abs. 2 AufenthV sei erst dann eröffnet, wenn das mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse geboten sei. Es handele sich um keine Soll-Vorschrift. Es sei dem Beitreibungsverfahren vorbehalten, inwieweit tatsächlich Gebühren erhoben werden. Hierzu bedürfe es eines Antrages. Dies entspreche den allgemeinen Grundsätzen im Gebührenrecht, wonach ein Billigkeitserlass stets einen Antrag voraussetze. Die vom Kläger der Sache nach verlangte Anhörung vor Erlass des Kostenfestsetzungsbescheides sei völlig verfahrens- und praxisfremd. Im Übrigen hätte der anwaltlich vertretene Kläger seine wirtschaftlichen Verhältnisse bereits im Widerspruchsverfahren darlegen und eine Gebührenermäßigung bzw. das Absehen von der Gebührenerhebung bewirken können.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die von der Beklagten vorgelegten Behördenvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO, weil er einstimmig zu dem in der Beschlussformel niedergelegten Ergebnis gelangt und bei geklärtem Sachverhalt keine mündliche Verhandlung für erforderlich hält. Die Anhörungsrechte der Beteiligten (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO) sind gewahrt.

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II. Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochten Kostenfestsetzungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Widerspruchsgebühren beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt, in dem die Amtshandlung beendet wurde, hier mit Erlass des das Verfahren beendenden Widerspruchsbescheides (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 15.10.2009 – 3 L 22/08 –, NVwZ-RR 2010, 177, RdNr. 4 ff. in juris, m.w.N.).

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Rechtsgrundlage für die streitige Widerspruchsgebühr ist § 51 Abs. 1 Nr. 1 der Aufenthaltsverordnung in der hier maßgeblichen Fassung vom 19.08.2007 (BGBl I S. 1970) – AufenthV. Danach sind Gebühren zu erheben für den Widerspruch gegen die Ablehnung einer gebührenpflichtigen Amtshandlung in Höhe der Hälfte der für die Amtshandlung nach den §§ 44 bis 48 Abs. 1 und §§ 50 AufenthV zu erhebenden Gebühr. Bei der vom Kläger am 10.05.2011 beantragten „Umverteilung“ nach B-Stadt handelt es sich um eine gebührenpflichtige Amtshandlung. Gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 7 AufenthV beträgt die Gebühr für die Aufhebung oder Änderung einer Auflage zur Aussetzung der Abschiebung auf Antrag 20 €. Demgemäß hat der Beklagte zutreffend eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 10 € festgesetzt.

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Gemäß § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 AufenthV sind zwar Ausländer, die ihren Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB II oder XII) oder dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bestreiten können, von den Gebühren nach § 47 Abs. 1 Nr. 7 für die Aufhebung oder Änderung einer Auflage zur Aussetzung der Abschiebung befreit. Die Widerspruchsgebühr nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV ist in dieser Befreiungsvorschrift aber nicht genannt. Auch enthalten die die Widerspruchsgebühr regelnden Bestimmungen in § 51 AufentV keine Verweisungsnorm auf die Vorschriften in § 53 AufenthV.

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Ein Anspruch auf Befreiung von der Widerspruchsgebühr nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthV ergibt sich auch nicht mittelbar daraus, dass § 47 Abs. 1 Nr. 7 AufenthV in der Befreiungsvorschrift des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 AufenthV genannt ist und der Kläger gemäß § 53 Abs. 1 Halbsatz Nr. 3 AufenthV von der Gebühr für die Änderung oder Aufhebung der Wohnsitzauflage befreit gewesen wäre, wenn der Landkreis (...) seinem Antrag auf „Umverteilung“ entsprochen hätte. Die Befreiung nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 AufenthV ist bei der Berechnung der Widerspruchsgebühr nicht dergestalt zu berücksichtigen, dass nicht die Hälfte des in § 47 Abs. 1 Nr. 7 AufenthV genannten Betrages von 20 €, sondern des durch eine Befreiung nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 AufenthV auf Null reduzierten Betrages maßgeblich wäre. Soweit § 51 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG auf die Gebühr nach § 47 Abs. 1 Nr. 7 AufenthV Bezug nimmt, handelt es sich um eine bloße Berechnungsgröße, die unabhängig davon zu Grunde zu legen ist, ob ein Ausländer von dieser Gebühr im Falle der positiven Entscheidung nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 AufenthV befreit gewesen wäre. Für diese Auslegung spricht bereits der Umstand, dass in den §§ 44 bis 51 AufenthV unterschiedliche Gebühren geregelt sind, § 53 Abs. 1 AufenthV aber in den Nummern 1 bis 9 einzeln und abschließend nur diejenigen Gebühren aufzählt, für die eine Befreiung möglich ist (vgl. zum Ganzen: Beschl. d. Senats v. 24.09.2009 – 2 O 149/09).

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Für die Widerspruchsgebühr besteht nur die Möglichkeit der Ermäßigung der Gebühr oder des Absehens von der Gebührenerhebung nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 und Absatz 2 AufenthV. § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV regelt die Befreiung von den „sonstigen“, also in
§ 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthV nicht aufgeführten Gebühren für Ausländer, die ihren Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII oder dem AsylbLG bestreiten können. Darüber hinaus bestimmt § 53 Abs. 2 AufenthG, dass Gebühren ermäßigt werden können oder von ihrer Erhebung abgesehen werden kann, wenn es mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gebührenpflichtigen in Deutschland geboten ist. Aus dem systematischen Zusammenhang mit § 53 Absatz 1 Halbsatz 1 AufenthV ergibt sich, dass auch die im Ermessen der Behörde stehende Ermäßigung sonstiger Gebühren oder das Absehen von einer Gebührenerhebung nach Halbsatz 2 voraussetzt, dass der Ausländer seinen Lebensunterhalt nicht ohne Inanspruchnahme von den in Halbsatz 1 genannten Leistungen bestreiten kann (vgl. SächsOVG, Urt. v. 20.01.2014 – 3 A 623/12 –, InfAuslR 2014, 156 [157], RdNr. 43 in juris). § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV stellt daher gegenüber § 53 Abs. 2 AufenthV eine Spezialregelung für solche Ausländer dar, die Leistungen nach dem SGB II oder XII oder dem AsylbLG in Anspruch nehmen. Der Verordnungsgeber ist davon ausgegangen, dass bereits aufgrund des Bezugs solcher Leistungen, die Möglichkeit bestehen soll, die Gebühr zu ermäßigen oder von ihrer Erhebung abzusehen.

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Da der Kläger als Bezieher von Leistungen nach dem AsylbLG zu den in § 53 Abs. 1 AufenthV genannten Personen zählte, war dem Beklagten ein Ermessensspielraum dahingehend eröffnet, ob er die Widerspruchsgebühr ermäßigt oder von einer Gebührenerhebung absieht. Da sich § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV ein Antragserfordernis nicht entnehmen lässt, dürfte eine Ermessensentscheidung zugunsten des Gebührenpflichtigen bereits im Heranziehungsverfahren nicht in jedem Fall voraussetzen, dass der Gebührenpflichtige zuvor einen entsprechenden Antrag stellt (vgl. zum Billigkeitserlass nach § 227 AO: Rüsken, in Klein, AO, § 227 RdNr. 28), etwa wenn die Gründe für eine solche Billigkeitsmaßnahme für die Behörde offensichtlich sind. Ungeachtet dessen ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbescheid nicht ermessensfehlerhaft.

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Insbesondere ist eine Ermessensreduzierung auf Null wegen der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem AsylbLG durch den Kläger nicht gegeben. Sieht der Normgeber bei Beziehern von Leistungen nach dem SGB II und XII sowie dem AsylbLG nur im Fall enumerativ aufgeführter Gebührentatbestände eine unmittelbare normative Befreiung vor, folgt hieraus umgekehrt, dass er in den anderen nicht genannten Fällen grundsätzlich eine Belastung von Leistungsbeziehern mit der Gebühr für möglich und zumutbar ansieht und ggf. eine Berücksichtigung der geringen Leistungsfähigkeit dem Betreibungsverfahren vorbehält, in dem Stundungen und Ratenzahlungen eingeräumt werden können und letztlich auch ein Billigkeitserlass möglich ist; der Unterschied liegt somit entscheidend darin, dass hier nicht von vornherein und generell auf die Gebührenforderung verzichtet wird, sondern im Falle eines Absehens von einer Befreiung im Einzelfall zunächst im Beitreibungsverfahren die weitere Entwicklung der Lebensverhältnisse der Betroffenen abgewartet wird (vgl. VGH BW, Beschl. v. 08.07.2010 – 11 S 492/10 –, AuAS 2010, 242 [243], RdNr. 25 in juris). Im Hinblick auf diese Möglichkeit besteht auch keinerlei Anlass für die vom Kläger vorgetragene Befürchtung, dass effektiver Rechtsschutz in Gestalt der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht gegeben sei, wenn dieser faktisch durch unzumutbare finanzielle Belastungen blockiert werde. Dem entsprechend besteht ein Anspruch auf eine Ermäßigung der Widerspruchsgebühr oder ein Absehen von der Gebührenerhebung nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV nicht schon deshalb, weil der Gebührenpflichtige Leistungen nach dem SGB II oder XII oder nach dem AsylbLG in Anspruch nimmt. Dieser Umstand eröffnet erst einen Ermessensspielraum der Behörde. Für eine Ermessensreduzierung auf Null müssen vielmehr weitere Gründe gegeben sein, die – ggf. in Zusammenschau mit dem Leistungsbezug – für eine der vorgesehenen Billigkeitsmaßnahmen sprechen.

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Solche besonderen Umstände sind hier nicht schon darin zu sehen, dass der Kläger nur eingeschränkte Leistungen nach § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. erhielt, so dass ihm neben den Sachleistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG a.F. nur ein Taschengeld in Höhe von monatlich 30,68 € zur Verfügung stand. Der Normgeber unterscheidet in § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV nicht danach, in welcher Höhe der Ausländer Leistungen nach dem AsylbLG erhält. Hinzu kommt, dass die nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten nur dann gemäß § 1a Nr. 2 AsylbLG a.F. eingeschränkte Leistungen erhielten, wenn von aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden konnten, die Einschränkung also auf einem ihnen vorwerfbaren Verhalten beruhte.

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Zu einer anderen Beurteilung führt auch nicht das Vorbringen des Klägers, er habe insbesondere aufgrund der Minderjährigkeit seiner Lebenspartnerin das Recht und die Pflicht gehabt, sich um sein in B-Stadt lebendes Kind zu kümmern, weshalb er sich um seine Umverteilung nach B-Stadt bemüht habe. Es ist nicht ersichtlich, weshalb gerade die Erhebung der streitigen Widerspruchsgebühr von 10,00 € dazu geführt haben könnte, dass der Kläger sein Umgangs- und Besuchsrecht nicht hätte wahrnehmen können.

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Entgegen der Auffassung des Klägers kann § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Halbsatz 1 AufenthV im Regelfall die Gebühr zu ermäßigen oder von ihr abzusehen ist. Dem stehen schon der klare Wortlaut der Norm sowie die oben dargestellte Systematik in § 53 Abs. 1 AufenthV entgegen.

33

Der Kostenfestsetzungsbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er keine Ermessenserwägungen zu einer Ermäßigung der Gebühr oder zu einem Absehen von der Gebührenerhebung nach § 53 Abs. 1 Halbsatz 2 AufenthV enthält. Zwar mag die Behörde bei der Frage, ob sie bereits im Heranziehungsverfahren eine Gebühr ermäßigt oder von ihr absieht, dann Ermessenserwägungen anstellen müssen, wenn die Gründe, die eine solche Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen können, für sie offensichtlich erkennbar sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.08.1986 – BVerwG 8 C 54.85 –, NVwZ 1987, 601 [602], RdNr. 21 in juris, zu § 135 Abs. 5 Satz 1 BBauG, bei Vorliegen sachlicher Billigkeitsgründe). Auch mag der Umstand, dass der Kläger nur eingeschränkte Leistungen nach § 1a AsylbLG erhielt, ein Grund sein, der eine Gebührenermäßigung oder ein Absehen von der Gebührenerhebung bereits im Kostenfestsetzungsverfahren hätte rechtfertigen können; der eingeschränkte Leistungsbezug ergab sich aus der dem Beklagten im Widerspruchsverfahren übersandten Ausländerakte (Seiten 115 f. und 335 f.). Eine fehlende Berücksichtigung von für die Behörde offensichtlich erkennbaren Billigkeitsgründen im Kostenfestsetzungsverfahren führt aber nicht zur Rechtswidrigkeit des gleichwohl (ungekürzt) ergehenden Kostenfestsetzungsbescheides. Den Interessen des Gebührenpflichtigen wird hinreichend dadurch Rechnung getragen, dass er solche Gründe auch nach Bestandskraft des Festsetzungsbescheides durch einen Antrag in einem selbständigen Verfahren betreiben und gegebenenfalls gerichtlich verfolgen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.08.1986, a.a.O.). Dem entsprechend kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, er werde durch die Widerspruchsgebühr faktisch gehindert, ein faires Verfahren zu führen.

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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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V. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht gegeben sind.

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VI. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 3 GKG.


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