Urteil vom Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken (4. Zivilsenat) - 4 U 74/10


Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgericht Frankenthal (Pfalz) vom 1. April 2010 geändert:

1. Die auf Zahlung gerichteten Klageanträge Nr. 1 und Nr. 3 sind dem Grunde nach gerechtfertigt.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.457,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24. September 2009 zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen hat, die daraus resultieren, dass der Beklagte den Kläger unzureichend über dessen beabsichtigtes Geschäftsmodell mit der Computersoftware „A...A.... S...“ beriet und der Kläger dieses Geschäftsmodell durchführte.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Anwaltshonorar aus der Vertretung in dem Rechtsstreit zwischen dem Beklagten und der Firma A... S.... I.... (Az.: 2–06 0 437/08 Landgericht Frankfurt am Main) hat.

II. Der Rechtsstreit wird zur Entscheidung über die Höhe der dem Kläger aufgrund der dem Grunde nach zuerkannten Klageanträge Nr. 1 und Nr. 3 zustehenden Ansprüche an das Landgericht zurückverwiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung des Landgerichts vorbehalten.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach Nr. I 2 der Urteilsformel vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

1

Der Kläger vertreibt als selbständiger Händler Computer Hard– und Software. Der Beklagte ist Rechtsanwalt.

2

Der Kläger beabsichtigte im Jahre 2008 die Software „A... A... S...“ (im Folgenden „A...A...“ genannt) zu vertreiben. Dabei handelt es sich um ein Programm zum Lesen, Erstellen, Verwalten, Kommentieren und Verteilen von PDF–Dateien, welches von der Firma A... S... I...., S.. J.., Vereinigte Staaten von Amerika (im Folgenden Firma A... genannt) entwickelt wurde und u. a. auch in der Bundesrepublik Deutschland vertrieben wird. Zugunsten der Firma A...sind beim Deutschen Patent– Markenamt für die Computerprogramme „A...“ und „A...“ jeweils Markenzeichen eingetragen. Das Computerprogramm „A... A...“ wird teils gesondert, teilweise auch zusammen mit Hardware ( z.B. Scanner, Drucker) vertrieben. Das Softwareprogramm „A... A...“ befindet sich auf einer CD, mit deren Hilfe es auf einem Rechner installiert werden kann. Auf der Verpackungshülle der CD befindet sich eine Seriennummer – ein Erkennungscode –, welchen der Erwerber bei der Installation auf seinem Rechner eingeben muss, um eine Freischaltung des Software–Programms zu bewirken. Beim Erwerb eines Hardware–Gerätes werden zum Teil von Händlern mehrere CD`s, welche das Computerprogramm enthalten, mit geliefert. Davon enthält eine CD eine deutschsprachige Programmversion, die übrigen CD´s enthalten Versionen in fremden Sprachen. Auf der Hülle einer jeden CD befindet sich eine Codenummer, um die einmalige Freischaltung des Programms auf einem Rechner zu erreichen. Das Programm jeder CD kann aber auch mit der Codenummer einer anderen CD frei geschaltet werden. Der Beklagte beabsichtigte, CD´s des Programms „A... A...“ im Verbund mit Hardware–Geräten zu erwerben und anschließend die Hardware und die mitgelieferten CD´s getrennt zu verkaufen. Der Vertrieb der CD´s sollte in der Weise erfolgen, dass der Beklagte eine original verpackte deutschsprachige CD gemeinsam mit leeren Hüllen von fremdsprachigen Programmversionen, deren CD er zuvor entnahm, unter der Bezeichnung „Lizenz–Pack“ verkaufen wollte. Auf diese Weise sollte dem Kunden ermöglicht werden, mit Hilfe der auf den leeren CD–Hüllen (der fremdsprachigen Programmversionen) befindlichen Codenummern das deutschsprachige Programm mehrfach frei zu schalten.

3

Mit E-Mail vom 20. April 2008 (in Kopie Bl. 18 f. d.A.) beauftragte der Kläger den Beklagten mit der Überprüfung, ob sein Vorhaben „rechtlich gesehen hundertprozentig legal“ sei. In einer schriftlichen „Kurzstellungnahme“ vom 25. April 2008 (in Kopie Bl. 20 – 23 d.A.) teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass das geplante Geschäftsmodell des Beklagten „rechtlich zulässig“ sei, was er im Wesentlichen mit urheberrechtlichen Erwägungen begründete. Der Kläger bezahlte die Honorarrechnung des Beklagten für das Gutachten (1... €) und begann im April 2008, „Lizenz–Packs“ in verschiedenen Größen über die Internetplattform „E...“ zu verkaufen. Auf Antrag der Firma A...untersagte ihm das Landgericht Frankfurt am Main im einstweiligen Verfügungsverfahren, in welchem der Beklagte den Kläger vertrat, durch Beschlussverfügung vom 5. August 2008 (Az: 2–06 O 437/08) den Vertrieb der „bloßen“ Seriennummern bzw. CD–Hüllen mit den darauf befindlichen Zugangsnummern. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers bestätigte das Landgericht Frankfurt am Main durch Urteil vom 19. November 2008 den vorgenannten Beschluss. Anschließend kam es zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits zu Unstimmigkeiten. Der Kläger - mittlerweile durch andere Rechtsanwälte beraten - einigte sich am 22./24. September 2009 mit der Firma A... vergleichsweise, an diese wegen des Verkaufs von 259 „Seriennummern als Lizenz“ 6... € Schadensersatz zu zahlen und ihr die Kosten des vor dem Landgericht Frankfurt geführten Verfügungsverfahrens zu ersetzen.

4

Der Kläger begehrt im vorliegenden Rechtsstreit im Wege des Schadensersatzes von dem Beklagten die Erstattung der Vergleichssumme in Höhe von 6... €, Ersatz der ihm anlässlich des Vergleichsschlusses entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1... € und Erstattung ihm im vorliegenden Verfahren entstandener außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2... €, jeweils nebst Zinsen; ferner beantragt er die Feststellung, dass der Beklagte ihm den aus der behaupteten Fehlberatung entstehenden Zukunftsschadens zu ersetzen habe und er dem Kläger aus dem vor dem Landgericht Frankfurt geführten einstweiligen Verfügungsverfahren kein Anwaltshonorar schulde. Der Kläger ist der Auffassung, dass das Rechtsgutachten des Beklagten vom 25. April 2008 unrichtig gewesen sei; das habe zur Folge gehabt, dass er wegen seines Geschäftsmodells von der Firma A... mit Recht auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen worden sei.

5

Durch das angefochtene Urteil, auf welches zur Ergänzung der Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage abgewiesen.

6

Mit seiner Berufung bekämpft der Kläger das Urteil in vollem Umfang. Er rügt die Rechtsauffassung des Landgerichts, wobei er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag vertieft.

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Er beantragt,

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1. das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 6... € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszins p. a. seit dem 24.09.2009 zu bezahlen;

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hilfsweise,

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a) an den Kläger 4... € (= 1... € + 2... €) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 24. September 2009 zu bezahlen.

11

b) den Kläger aus den Zahlungsverpflichtungen des mit der Firma A... S...I.... am 22./24. September 2009 geschlossenen Vergleichs freizustellen.

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2. weitere 1... € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit 24.09.2009 zu bezahlen.

13

3. weitere 2... € (nicht festsetzungsfähige außergerichtliche Geschäftsgebühr) zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 11.11.2008, hilfsweise seit Rechtshängigkeit, zu zahlen.

14

4. festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen hat, die daraus resultieren, dass der Beklagte den Kläger unzureichend über dessen beabsichtigtes Geschäftsmodell mit A... A...–S... beriet und der Kläger dieses Geschäftsmodell infolgedessen durchführte.

15

5. festzustellen, dass der Beklagte gegen den Kläger keinen Anspruch auf Zahlung von Anwaltshonorar aus der Gerichtssache M... D..../. A...S... I.., geführt vor dem Landgericht Frankfurt, Az.: 2–06 O 437/08, hat.

16

Der Beklagte beantragt,

17

die Berufung zurückzuweisen.

18

Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung seines dortigen Vortrags.

19

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

II.

20

Die zulässige Berufung des Klägers ist bezüglich der Anträge Nrn. 2, 4 und 5 begründet. Bezüglich der Anträge Nrn. 1 und 3 führt das Rechtsmittel insoweit zum Erfolg, als dahin zu erkennen ist, dass die Zahlungsansprüche dem Grunde nach bestehen (§ 304 Abs. 1 ZPO). Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1 BGB wegen Schlechterfüllung des mit dem Beklagten geschlossenen Anwaltsvertrages. Die Pflichtverletzung des Beklagten besteht darin, dass er den Kläger in seinem Rechtsgutachten vom 25. April 2008 unrichtig und unvollständig über die rechtliche Zulässigkeit von dessen beabsichtigten „Geschäftsmodell“ beraten hat.

21

1. Grundsätzlich erstreckt sich die Beratungspflicht eines Rechtsanwalts auf alle mit dem Auftrag zusammenhängenden Rechtsfragen; er muss das Interesse seines Mandanten in jeder Richtung umfassend wahrnehmen und Schädigungen vermeiden (BGH NJW 1998, 901; WM 1993, 1798, 1799; NJW–RR 1990, 204). Insbesondere obliegt ihm auch die Pflicht, seinem Mandanten zum sogenannten „sichersten Weg“ zu raten (BGH Urteil vom 17. Juli 2002 – IX ZR 418/98 –; 18. November 1999 – IX ZR 420/97 –; Borgmann, Jungk/Grams Anwaltshaftung 4. Aufl., Kap. IV Rdnr. 131).

22

Das Gutachten des Beklagten vom 25. April 2008 war unrichtig, weil das Vorhaben des Klägers zumindest unter marken– und urheberrechtlichen Gesichtspunkten nicht zulässig war. Das Landgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 19. November 2008 einen Unterlassungsanspruch der Firma A... gegen den Kläger nach §§ 97 Abs. 1 UrhG, 14 Abs. 5 MarkG angenommen, weil der Kläger durch den Verkauf der Papierhüllen der (fremdsprachigen) Versionen des Computerprogramms das Vervielfältigungsrecht (§ 69 Nrn. 1, 3 UrhG) der Fa. A... und das zu deren Gunsten eingetragene und damit geschützte Kennzeichen verletzt hat. Der Senat tritt dieser Auffassung im Wesentlichen bei.

23

2. Das Geschäftsmodell des Klägers verletzte die urheberrechtlichen Schutzrechte der Firma A... nach § 69 c Nr. 1 und Nr. 3 UrhG. Das Gutachten des Beklagten war deshalb unrichtig, soweit es die urheberrechtliche Zulässigkeit bestätigte. Nach der genannten Vorschrift steht das ausschließliche Recht, Computerprogramme zu vervielfältigen und zu verbreiten, dem Rechteinhaber, hier der Firma A..., zu. Sie allein hat das Recht zu entscheiden, wem sie welche Nutzungsrechte an den von ihr entwickelten Softwareprogrammen einräumt. Von diesem Bestimmungsrecht hat die Firma A... Gebrauch gemacht, indem sie jeweils einer Sprachversion auf der CD–Hülle eine bestimmte Nummer zugeordnet hat, mit welcher der Erwerber der CD die jeweilige Sprachversion auf seinem Rechner aufspielen konnte. Dadurch, dass der Kläger es seinen Kunden ermöglicht hat, die deutschsprachige Version mehrfach mit den auf den miterworbenen leeren CD–Hüllen enthaltenen Nummern frei zu schalten, hat er in dieses Bestimmungsrecht der Firma A... eingegriffen (vgl. zu ähnlich gelagerten Fallgestaltungen OLG Frankfurt Beschluss vom 12. Mai 2009 – 11 W 15/09 – MMR 2009, 544 und Juris; OLG München Urteil vom 3. Juli 2008 – 6 U 2759/07 – MMR 2008, 601 und Juris). Das Geschäftsmodell des Klägers, der glaubte, hier eine Sicherheitslücke im Vertriebssystem der Fa. A... entdeckt zu haben und für sich nutzbar machen zu können, lief – wie er bei seiner Anhörung vor dem Senat eingeräumt hat – gerade darauf hinaus, seinen Kunden die Möglichkeit zu eröffnen, das deutschsprachige Programm mit Hilfe der Seriennummern der leeren CD–Hüllen (der fremdsprachigen Programme) mehrfach aufzuspielen, um sich so den teureren mehrfachen Erwerb des deutschsprachigen Programms zu ersparen, was auf eine unzulässige Vervielfältigung der Software hinaus lief (vgl. hierzu OLG Frankfurt aaO; OLG München aaO; Schuppert/Greissinger CR 2005, 81, 82).

24

Der Tatbestand der Erschöpfung (§ 69 c Nr. 3 UrhG) liegt nicht vor.

25

Danach ist eine Weiterverbreitung mit Ausnahme der Weitervermietung zulässig, wenn ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechteinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht worden ist. Bereits mit der ersten durch ihn oder mit seiner Zustimmung erfolgten Veräußerung gibt der Rechteinhaber seine Herrschaft über sein Werkexemplar auf. Es wird für jede Weiterverbreitung frei, ohne dass es darauf ankommt, ob und inwieweit der Rechteinhaber einer weiteren Verbreitung zugestimmt hat (BGH, Urteile vom 6. Juli 2000 – I ZR 244/97 – OEM–Version; 11. Februar 2010 – I ZR 178/08 – Half–Life 2). Der Erwerber kann deshalb das Werk einzeln oder auch getrennt veräußern (BGH, Urteil vom 6. Juli 2000 aaO). Da die Firma A... die Vervielfältigungsstücke (CD) des von ihr entwickelten Computerprogramms „A... A...“ über berechtigte Händler in den Verkehr gebracht hat, ist zwar bezüglich dieser CD´s Erschöpfung eingetreten (vgl. BGH Urteil vom 11. Februar 2010, aaO; Huppertz CR 2006, 145 ff.). Das Geschäftsmodell des Klägers zielte aber – wie ausgeführt – nicht auf die Weiterverbreitung der einzelnen CD´s, deren fremdsprachige Exemplare der Kläger ohnehin nicht verbreiten wollte, sondern auf das von der Erschöpfung nicht umfasste (Huppertz CR 2006, 145, 146) Vervielfältigungsrecht der Firma A..., indem es ein mehrfaches Aufspielen der deutschsprachigen Version mit Hilfe der Freischaltungsnummern der fremdsprachigen Versionen ermöglichte.

26

3. Der Vertrieb der Software „A... A...“ in der von dem Kläger praktizierten Weise verletzte darüber hinaus auch das zugunsten der Fa. A... eingetragene Markenrecht. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers identische oder ähnliche verwechselungsfähige Zeichen im Geschäftsverkehr zu benutzen. Zwar gilt auch im Markenrecht der Erschöpfungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 MarkG). Dies gilt aber nur insoweit, als sich der Zustand der Ware nach ihrem Inverkehrbringen nicht verändert oder verschlechtert hat, § 24 Abs. 2 MarkG. Ob eine Veränderung oder Verschlechterung vorliegt, die eine Erschöpfungswirkung ausnahmsweise nicht eintreten lässt, hängt davon ab, ob berechtigte Interessen des Kennzeicheninhabers vorliegen, die einer Benutzung der Marke im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren entgegenstehen (vgl. Fezer Markenrecht 4. Aufl., § 24 Rdnr. 42). Das ist der Fall, wenn die Herkunfts– und Garantiefunktion des Zeichens durch eine Veränderung der Eigenart der Waren berührt wird. Der Begriff der Eigenart der Ware bezieht sich auf ihre charakteristischen Sacheigenschaften (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – I ZR 210/93 – gefärbte Jeans). Zu den charakteristischen Sacheigenschaften gehören auch das Produkt und seine Verpackung, welche kennzeichnungsrechtlich eine Einheit bilden. Eine Umverpackung ist kennzeichnungsrechtlich grundsätzlich unzulässig, damit der Kennzeichnungsberechtigte Gefahren für die Identität und Integrität der Ware und demgemäß für seinen Ruf entgegentreten kann. Das alleinige Bezeichnungsrecht des Kennzeicheninhabers ist dabei nicht davon abhängig, ob im Einzelfall eine konkrete Gefährdung besteht (BGH Urteil vom 10. November 1983 – I ZR 125/81 – Valium Roche; Fezer aaO, § 24 Rdnr. 49, 59 f).

27

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der vom Kläger geplante und durchgeführte Verkauf der Software „A... A...“ mit teilweise entleerten Verpackungshüllen unter Benutzung der zugunsten der Firma A... geschützten Kennzeichen das Kennzeichnungsrecht der Firma A... verletzt. Der Kläger hat einen Hauptbestandteil der CD–Pakete – nämlich die (fremdsprachigen) CD´s - entfernt und die leeren Hüllen zusammen mit der deutschsprachigen CD–Rom vertrieben. Damit wurde hinsichtlich der fremdsprachlichen Programmversionen die bis dahin bestehende Einheit zwischen Ware und Verpackung aufgehoben. Dadurch veränderte der Kläger den von der Firma A... legitimierten Originalzustand des Produkts. Es ist allein Sache der Firma A... als Markeninhaberin, die Eigenart und das äußere Erscheinungsbild ihrer Markenware zu prägen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sie sich entschlossen hatte, die CD–Roms in der geschehenen Weise auf den Markt zu bringen, dass mit den auf den Verpackungshüllen angebrachten Nummern auch die auf den jeweils anderen CD´s enthaltenen Sprachversionen frei geschaltet werden konnten. Aus diesem Umstand ergab sich für den Kläger als Enderwerber nicht die Berechtigung, die Herkunftsfunktion der Marke dadurch zu beeinträchtigen, dass er die Originalverpackungen öffnete, die fremdsprachigen CD–Rom entfernte und die (geöffneten) leeren Verpackungshüllen – allein wegen der darauf enthaltenen Freischaltungsnummer – zusammen mit dem deutschsprachigen Programm an seine eigenen Kunden vertrieb (vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Februar 2000 – 6 U 204/99 –, CR 2000, 285 und juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 12. November 2009 – 6 U 160/08 –, in juris).

28

4. Dahinstehen kann, ob das Geschäftsmodell des Klägers zudem gegen § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG (Verbot irreführender Werbeanzeigen) verstieß, weil er seine Kunden zu der Annahme verleitete, dass sie das – in Wahrheit nicht bestehende – Recht erwerben würden, das deutschsprachige Computerprogramm vervielfältigen zu dürfen (vgl. LG München I, Urteil vom 15. März 2007, – 7 0 7061/06, MMR 2007, 328 und juris, Rdnrn. 85 ff.).

29

5. Damit war das Rechtsgutachten des Beklagten vom 25. April 2008 unrichtig.

30

a) Vergeblich macht der Beklagte geltend, dass sich sein Auftrag zur Überprüfung des vom Kläger beabsichtigten Geschäftsmodells nur auf die urheberrechtliche Seite beschränkt habe. Der Beklagte will das daraus herleiten, dass er in seiner „Kurzstellungnahme“ vom 25. April 2008 ausgeführt hat, dass er „patent-, marken– sowie wettbewerbsrechtliche Aspekte“ nicht geprüft habe. Abgesehen davon, dass auch die urheberrechtliche Begutachtung – wie ausgeführt - nicht zutreffend war, ließ dieser Hinweis die Haftung des Beklagten für sein Gutachten nicht entfallen. Die vertragliche Vereinbarung sah eine eingeschränkte Prüfpflicht des Beklagten nicht vor. In seinem Auftragsschreiben vom 20. April 2008 begehrte der Kläger die Prüfung, ob sein Vorhaben „rechtlich gesehen hundertprozentig legal“ sei, mithin eine umfassende Prüfung der Rechtslage. Die zwischen den Parteien geschlossene „Vergütungsvereinbarung“ vom 27. April 2008 (in Kopie Bl. 91 f. d.A.) enthielt keine Einschränkung des Gutachtensauftrags; ebenso wenig die „Haftungsbeschränkungsvereinbarung“ vom selben Tage (in Kopie Bl. 93 d.A.). Der Beklagte konnte sich deshalb von seiner umfassenden Prüfpflicht und der zu Beginn seines Gutachtens als „Ergebnis“ bezeichneten Feststellung, dass der vom Kläger beabsichtigte Weiterverkauf der Software „rechtlich zulässig“ sei, nicht dadurch frei zeichnen, dass er unter der Rubrik „Ausgangslage“ ausführte, er habe einen Teil der in Betracht kommenden Rechtsfragen (vertragswidrig) nicht geprüft. Der Hinweis erschloss dem Kläger als juristischem Laien nicht, dass das Gutachten nicht abschließend sei, und er sein Geschäftsmodell weiter überprüfen (lassen) sollte. Im Gegenteil erweckte der auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gestützte Hinweis, das die Trennung der Software „im Rahmen des Unbundeling .... völlig unproblematisch“, bezüglich der Urheberrechte der Firma A... „Erschöpfung“ eingetreten sei und der Verweis auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg vom 29. Juni 2006 (Az.: 315 O 343/06), dessen Entscheidung als „Präjudiz“ für ähnlich gelagerte Sachverhalte bezeichnet wird, den Anschein eines endgültigen Rates. Die abschließende Beurteilung der Rechtslage im Sinne einer Zulässigkeit wurde – jedenfalls für einen Laien – auch nicht dadurch relativiert, dass der Beklagte am Ende des Gutachtens in einem „besonderen Hinweis“ ausführte, dass die Entscheidung des Landgerichts Hamburg „für andere deutsche Gerichte infolge der richterlichen Unabhängigkeit nicht bindend“ sei, so dass möglicherweise „ein anderes deutsches Gericht zur Auffassung (gelangen könne), dass im Hinblick auf die Weiterveräußerung nur bezüglich des körperlichen Vervielfältigungsstückes – nämlich der CD mit deutscher Sprachversion – Erschöpfung eingetreten (sei) und sich diese gerade nicht auf Nutzerlizenzen“ erstrecke. Die Formulierung erweckte lediglich den Eindruck, dass abweichende Entscheidungen anderer Gerichte zwar nicht ausgeschlossen werden könnten, solches aber nicht ernsthaft zu befürchten sei. Der besondere Hinweis verschweigt zudem, dass das Landgericht München I in seinem Urteil vom 19. Januar 2006 – 7 O 237/05 – entschieden hatte, dass durch die Veräußerung sogenannter „gebrauchter Lizenzen“ das Vervielfältigungsrecht des Rechteinhabers verletzt werde. Das Verschweigen dieser Entscheidung, die dem Beklagten wegen ihrer Veröffentlichung (u.a. in MMR 2006, 175, CR 2006, 159 sowie in juris) hätte bekannt sein müssen, erhärtet den Eindruck, dass der Hamburger Entscheidung für das Geschäftsmodell des Klägers wegweisende Bedeutung beigemessen werden müsse.

31

b) Der Beklagte hat den Kläger auch nicht später in ausreichender Form darauf hingewiesen, dass das geplante Geschäftsmodell möglicherweise gegen marken– und urheberrechtliche Schutzvorschriften verstieß.

32

Der Einzelrichter hat angenommen, der Beklagte habe mit Schreiben vom 28. April 2008 (in Kopie Bl. 116 f. d.A.) ernstliche Zweifel an dem vom Kläger geplanten Geschäftsmodell geäußert. Dem kann nicht gefolgt werden. Das Schreiben des Beklagten stellt das Ergebnis seines Gutachtens nicht in Frage. Darin riet der Beklagte dem Kläger zwar „ausdrücklich“ davon ab, „mehrfach Lizenz–Packs“ ohne vorherige Absprache mit der „Firma A... bzw. ohne sämtlich dazugehörigen Datenträger zu verkaufen“; der Kläger müsse in diesem Fall „mit ernsthaften rechtliche Konsequenzen durch A... selbst sowie durch die Käufer rechnen“, da er „unvollständige Ware“ verkaufe; der Kläger solle deshalb „zumindest fünf deutschsprachige CD´s mitliefern“. Dieser – ebenfalls unrichtige – Hinweis bedeutete dem Kläger nicht, dass er aus urheber– oder markenrechtlichen Gründen von seinem Geschäftsvorhaben ablassen solle, sondern warnte diesen aus angeblich (kauf–) vertragsrechtlichen Gründen davor, leere CD–Hüllen zu verkaufen. Die vom Beklagten dem Kläger ab August 2008 übersandten weiteren Schreiben waren schon deshalb nicht mehr geeignet, den begangenen Beratungsfehler zu beheben, weil der Kläger mittlerweile den Vertrieb der „Lizenz-Packs“ aufgenommenen und die Firma A... bereits am 4. August 2008 die dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main zugrunde liegende Unterlassungsverfügung beantragt hatte.

33

6. Hätte der Beklagte den Kläger richtig beraten, besteht die Vermutung, dass der Kläger sich dementsprechend verhalten und vom Verkauf der „Lizenz–Packs“ abgesehen hätte (vgl. hierzu BGH Urteil vom 8. Juni 2004 – IX ZR 30/03 – bei Juris).

34

7. Damit erweist sich der Klageantrag Nr. 1 dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Kläger hat gegen den Beklagten aufgrund der Fehlberatung einen Anspruch auf Ersatz des Schadens, welcher ihm durch das unrichtige Gutachten entstanden ist, § 249 Abs. 1 BGB (vgl. Borgmann/Jungk/Grams aaO Kap. IV Rdnr. 79).

35

Dem geltend gemachten Zahlungsanspruch steht nicht entgegen, dass sich der Kläger in dem mit der Firma A... am 22./24. September 2009 geschlossenen Vergleich verpflichtet hat, die Vergleichssumme von 6... € in Raten zu bezahlen, welche der Kläger bislang nur teilweise erbracht hat. Da der Beklagte seine Schadensersatzpflicht ernsthaft und endgültig ableugnet und außergerichtlich die Aufforderung des Klägers, dessen Schadensersatzansprüche (dem Grunde nach) anzuerkennen, unbeantwortet gelassen hat, ist der Befreiungsanspruch des Klägers in einen Zahlungsanspruch übergegangen (BGH Urteil vom 16. November 2006 – I ZR 257/03 – bei Juris; 10. Dezember 1992 – IX ZR 54/92 – bei Juris).

36

Der Senat sieht sich auf der Grundlage des bisherigen Prozessstoffes nicht in der Lage, abschließend über die Höhe des dem Kläger zustehenden Schadensersatzanspruchs zu befinden, weil der Kläger sich im Wege des Vorteilsausgleichs den Gewinn aus dem unstreitig erfolgten Verkauf der „Lizenz–Packs“ anrechnen lassen muss. Aus dem zwischen dem Kläger und der Firma A... geschlossenen Vergleichs ergibt sich, dass die Vertragsparteien damals davon ausgegangen sind, dass der Kläger in E...–A... 2... Verkäufe getätigt hat. Der dadurch vom Kläger erzielte Gewinn ist aufzuklären.

37

8. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auch der mit dem Klageantrag Nr. 3 geltend gemachte Anspruch des Klägers auf Ersatz seiner außergerichtlichen Auslagen, die ihm im Wege der Rechtsverfolgung gegen den Beklagten entstanden sind, zwar dem Grunde, nicht aber der Höhe nach entscheidungsreif ist. Die Höhe der berechtigten Ansprüche des Klägers hängt von der Höhe des dem Kläger zustehenden Schadensersatzanspruchs ab, aus welchem sich der Gebührenanspruch seines Rechtsanwaltes errechnet. Die Höhe des Schadensersatzanspruches ist – wie ausgeführt – noch zu ermitteln.

38

Der Senat verweist den Rechtsstreit deshalb zur Entscheidung über die Höhe der beiden vorgenannten Ansprüche nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auf Antrag des Beklagten an das Landgericht zurück.

39

9. Über die weiteren vom Kläger geltend gemachten Ansprüche kann der Senat abschließend entscheiden.

40

a) Wegen der Fehlberatung des Beklagten steht dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz (§ 280 Abs. 1 BGB) in Höhe von 1... € zu. Dabei handelt es sich um die Kosten, die dem Kläger aus der rechtlichen Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss des Vergleichs mit der Firma A... am 22./24. September 2009 entstanden sind. Dass dem Kläger diese Kosten entstanden sind, ist zwischen den Parteien unstreitig.

41

Die pauschale Behauptung des Beklagten, dass die Vergleichssumme zu hoch sei, rechtfertigt nicht den Vorwurf eines Mitverschuldens (§ 254 Abs. 1 BGB). Die Vertragsparteien des Vergleichs vom 22./24. September 2009 haben für 2... „Lizenzverstöße“ (Verkäufe) einen Schadensbetrag von 6... €, mithin 250,00 € pro „Lizenzverstoß“ für angemessen erachtet. Wie sich aus der Telefonnotiz des Beklagten vom 9. September 2008 ergibt, hat er gegenüber dem Kläger pro Verkauf eine Schadensersatzsumme von 200,00 € als angemessen erachtet. Wenn die Vergleichsregelung letztlich einen Betrag von 250,00 € pro Verkauf beinhaltete, ergibt sich daraus kein Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger damit gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB) verstoßen hätte, mit der Folge, dass dem Kläger die dafür aufgewandten Rechtsanwaltskosten nicht in voller Höhe zustehen würden.

42

b) Die zulässige Klage auf Feststellung einer Ersatzpflicht des Beklagten für etwaige Zukunftsschäden des Klägers ist begründet. Wie der Beklagte nicht bestritten hat, muss der Kläger befürchten, von Verkäufern der von ihm vertriebenen „Lizenz–Packs“ auf Gewährleistung oder Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, weil – wie ausgeführt – die Vervielfältigung der deutschsprachigen Version des Computerprogramms „A... A...“ nicht zulässig ist.

43

c) Der (negative) Feststellungsantrag Nr. 5 ist zulässig. Das Rechtsschutzinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) des Klägers ergibt sich daraus, dass der Beklagte sich seines Honoraranspruchs berühmt und die vom Kläger dagegen erklärte Aufrechnung für nicht nachvollziehbar erklärt hat.

44

Die negative Feststellungsklage ist auch begründet. Der Beklagte hat – wie ausgeführt – schuldhaft durch seine Fehlberatung die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens Rechtsstreits vor dem Landgericht Frankfurt am Main (Az.: 2 – 06 O 237/08) verursacht, in welchem er den Kläger vertreten hat. Der Schaden des Klägers besteht u. a. in dem durch die Prozessführung des Beklagten gegen den Kläger entstandenen Honoraranspruch. Mit diesem Schadensersatzanspruch hat der Kläger die Aufrechnung erklärt, so dass ein Honoraranspruch des Beklagten gegen den Kläger nicht mehr besteht.

45

10. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich des Klageantrags Nr. 2 beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 2, 711 ZPO.

46

11. Der vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Schriftsatz vom 25. Januar 2011 bot keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§ 156 ZPO).

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