Beschluss vom Verwaltungsgericht Aachen - 8 L 250/20
Tenor
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Streitwert wird auf 5.000,- € festgesetzt.
1
G r ü n d e
2Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes,
3- 4
1. die aufschiebende Wirkung der Klage 8 K 746/20 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. März 2020 anzuordnen,
- 6
2. hilfsweise festzustellen, dass die Klage 8 K 746/20 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. März 2020 aufschiebende Wirkung hat,
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3. hilfsweise dem Antragsgegner einstweilen zu untersagen, die mit Schreiben vom 13. März 2020 angekündigte Informationsgewährung im Zusammenhang mit den letzten beiden Betriebskontrollen in dem von der Antragstellerin betriebenen Markt vorzunehmen,
hat insgesamt keinen Erfolg.
10I. Der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 13. März 2020 gerichtete Hauptantrag ist abzulehnen.
111. Der Antrag ist gemäß §§ 80a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 5 Abs. 4 S. 1 des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) zulässig. In der Hauptsache ist eine (Dritt-)Anfechtungsklage statthaft. Die Tatsache, dass der Antragsgegner die Entscheidung über die Erteilung der Information nach dem Verbraucherinformationsgesetz bisher nur der Antragstellerin und nicht auch dem Beigeladenen bekanntgegeben hat, ändert nichts daran, dass jedenfalls gegenüber der Antragstellerin ein wirksamer belastender Verwaltungsakt ergangen ist (§ 43 Abs. 1 S. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes ‑ VwVfG - NRW),
12vgl. zur relativen Wirksamkeit eines Verwaltungsakts auch: Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., 2019, § 43 Rn. 38,
13der gegenüber dem Beigeladenen bereits insoweit eine begünstigende Wirkung entfaltet, als er die positive Entscheidung über sein Informationsbegehren präjudiziert. Die Klage entfaltet gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 VIG in den Fällen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, enthalten die streitgegenständlichen Kontrollberichte, auf die sich das Informationsbegehren des Beigeladenen bezieht, ausschließlich Daten über festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittelrechts i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG. Der Klage kommt daher auch nicht etwa teilweise – im Hinblick auf andere Daten i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 7 VIG – aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO zu.
14Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Gegenstand des Auskunftsbegehrens sind Informationen über Mängel in ihrem Betrieb. Die Antragstellerin kann daher jedenfalls geltend machen, durch die Informationserteilung möglicherweise in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt zu sein.
152. Der Aussetzungsantrag ist jedoch unbegründet.
16a) Entfällt die aufschiebende Wirkung kraft Gesetzes, kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Dabei nimmt es eine eigene Interessenabwägung vor, bei der das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs abzuwägen ist. Maßgebliches Kriterium sind hierbei zunächst die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, überwiegt regelmäßig das private Aussetzungsinteresse. Stellt sich der Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig dar, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Lässt sich bei der Prüfung im Eilverfahren eine Offensichtlichkeitsbeurteilung nicht treffen, kommt es entscheidend auf eine Abwägung zwischen den für eine sofortige Vollziehung sprechenden Interessen und dem Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren an. Die Erfolgsaussichten sind dabei auch unabhängig von einer fehlenden Offensichtlichkeit einzubeziehen. Je höher diese sind, umso größer ist das Interesse an der aufschiebenden Wirkung. Sind die Erfolgsaussichten demgegenüber gering, fällt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts stärker ins Gewicht. Die Prüfung der Erfolgsaussichten muss umso eingehender sein, als die angegriffene Maßnahme Unabänderliches bewirkt und später praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
17Vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 2011 - 2 BvR 1392/10 -, juris, Rn. 16 f.; OVG NRW, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - 2 B 1037/11 -, juris, Rn. 20 ff.
18b) Davon ausgehend ist in die Interessenabwägung zunächst einzustellen, dass der Bescheid vom 13. März 2020 sich bei einer wegen fehlender Rückholbarkeit einmal erteilter Informationen über eine nur summarische Prüfung hinausgehenden Betrachtung aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Mit dem Bescheid hat der Antragsgegner dem Antrag des Beigeladenen vom 30. Juli 2019 auf Herausgabe der Kontrollberichte zu den Ergebnissen der letzten beiden amtlichen Kontrollen im Betrieb der Antragstellerin vom 13. Juni 2017 und vom 14. November 2018, bereinigt um personenbezogene Daten von Behörden- und Betriebspersonal und beschränkt auf festgestellte nicht zulässige Abweichungen, entsprochen.
19aa) Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin liegt nicht darin, dass der Antragsgegner die Entscheidung über den Antrag (bisher) nur ihr und nicht auch dem Beigeladenen bekanntgegeben hat. Zwar dürfte dieses Vorgehen formell fehlerhaft sein. Gemäß § 5 Abs. 2 S. 3 VIG ist die Entscheidung über den Antrag „auch“ der oder dem Dritten bekannt zu geben. Daraus folgt, dass die Entscheidung über das Informationsersuchen in erster Linie dem VIG-Antragsteller bekannt zu geben ist. Im Fall der Betroffenheit eines Dritten muss die Entscheidung darüber hinaus auch diesem bekanntgegeben werden. Eine (derzeit) fehlende Bekanntgabe an den Beigeladenen verletzt die Antragstellerin aber nicht in eigenen Rechten. § 5 Abs. 2 S. 3 VIG dient insofern allein dem Schutz des VIG-Antragstellers, nicht (auch) dem des betroffenen Dritten. Die die Antragstellerin schützenden Verfahrensvorschriften – d.h. Bekanntgabe der Entscheidung (§ 5 Abs. 2 S. 3 VIG) sowie Einräumung eines Zeitraums von 14 Tagen zur Einlegung von Rechtsbehelfen vor Informationserteilung (§ 5 Abs. 4 S. 2 und 3 VIG) – hat der Antragsgegner hingegen beachtet. Unabhängig davon wäre ein formeller Fehler auch gemäß § 46 VwVfG NRW unbeachtlich, weil offensichtlich ist, dass die Verletzung der Vorschriften über das Verfahren bzw. die Form die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben kann. Bei der Entscheidung über den Anspruch auf Informationszugang nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG handelt es sich um eine gebundene Entscheidung ohne Ermessensspielraum.
20bb) Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG sind voraussichtlich erfüllt.
21(1) Nach dieser Vorschrift hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu allen Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen a) des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, b) der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, c) unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie über Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den in den Buchstaben a) bis c) genannten Abweichungen getroffen worden sind.
22Eine „festgestellte nicht zulässige Abweichung“ i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG liegt vor, wenn ein bestimmter Vorgang mit lebensmittelrechtlichen Vorschriften nicht in Einklang steht. Erfasst sind Daten über nicht zulässige Abweichungen vom gesamten geltenden nationalen und unionsrechtlichen Lebensmittel- und Futtermittelrecht. Die europäischen Regelungen müssen gegenständlich dem Lebensmittel- und Produktsicherheitsrecht zuzuordnen sein. Erforderlich ist die Feststellung eines Tuns, Duldens oder Unterlassens, das objektiv mit Bestimmungen der in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG genannten Vorschriften nicht übereinstimmt. Die objektive Nichtbeachtung von Rechtsvorschriften muss nicht durch Verwaltungsakt bestandskräftig festgestellt sein. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass die Abweichung von der zuständigen Stelle unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt wird. Dazu bedarf es einer juristisch-wertenden Einordnung durch die zuständige Behörde im Sinne einer rechtlichen Subsumtion.
23Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 27 f. und 30 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 13 m.w.N.
24(2) Gemessen daran kann der Beigeladene den Informationsanspruch auf § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG stützen. Die streitgegenständlichen Kontrollberichte enthalten Daten über festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittelrechts im Sinne dieser Vorschrift.
25Nach dem Vorbringen des Antragsgegners und dem von ihm vorgelegten Musterformular sind die Kontrollberichte dergestalt aufgebaut, dass sie in der unter den Betriebsdaten befindlichen Rubrik „Stand/Ausgang“ die Angabe enthalten, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht, und dass sie in der darunter angeordneten Rubrik „Verstöße – Nr. …“ eine stichpunktartige handschriftliche Beschreibung der einzelnen festgestellten Mängel in tatsächlicher Hinsicht enthalten. Damit beinhalten die Kontrollberichte entsprechend den genannten Maßstäben zum einen tatsächliche Feststellungen zu den im Betrieb vorgefundenen Zuständen und zum anderen eine abschließende rechtlich-bewertende Einordnung dieser Feststellungen als (Rechts-) Verstoß. Zu Letzterem hat der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren weiter vorgetragen, dass es sich bei den festgestellten Verstößen um unzulässige Abweichungen von Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (HygieneVO), der Verordnung (EG) 852/2004 i.V.m. dem Infektionsschutzgesetz, des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs und der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1924/2006 und Nr. 1925/2006 und zur Aufhebung der Richtlinien 87/250/EWG, 90/496/EWG, 1999/10/EG, 2000/13/EG, 2002/67/EG und 2008/5/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 (LebensmittelinformationsVO) und deren Durchführungsverordnung handele. Eine schriftliche Subsumtion eines jeden festgestellten Verstoßes unter die Rechtsvorschrift sei nicht erfolgt, weil bei den Kontrollen lediglich geringfügige Mängel festgestellt worden seien, aufgrund derer im Nachgang keine weiteren Maßnahmen ergriffen worden seien. Diese Erwägungen zeigen, dass aus Sicht des Antragsgegners im Rahmen der Kontrollen eine abschließende Beurteilung der Sach- und Rechtslage erfolgt ist. Einer ausdrücklichen schriftlichen Zuordnung der Verstöße zu bestimmten Rechtsnormen in den Kontrollberichten selbst bedarf es darüber hinaus nicht. Die vom Bundesverwaltungsgericht geforderte aktenkundige Feststellung der Verstöße soll lediglich verhindern, dass auch vorläufige Überlegungen und juristisch noch nicht von der zuständigen Stelle gewürdigte Informationen, d.h. Informationen, die noch keine gesicherte Erkenntnis über eine Abweichung bieten, zum Gegenstand eines Informationsbegehrens gemacht werden können.
26Vgl. ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 15; offen gelassen: BayVGH, Beschluss vom 27. April 2020 - 5 CS 19.2415 -, juris, Rn. 15.
27(3) Dass es sich bei den festgestellten Verstößen nur um geringfügige Mängel handelt, ist für das Vorliegen einer nicht zulässigen Abweichung i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG unerheblich, da es nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht auf die Schwere des Verstoßes ankommt.
28(4) Aus dem Vorbringen des Antragsgegners ergibt sich – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – nicht, dass die streitgegenständlichen Kontrollberichte auch Risikobewertungen zu ihrem Betrieb, d.h. nicht nur Feststellungen zu nicht zulässigen Abweichungen i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG enthalten. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 29. April 2020 lediglich den Inhalt der amtlichen Kontrollen erläutert, der sich ebenso wie deren Häufigkeit nach der Risikoeinstufung des jeweiligen Betriebs richtet. Eine solche Risikoeinstufung hat jedoch vor Durchführung der amtlichen Kontrollen zu erfolgen und ist gesondert zu dokumentieren (vgl. § 6 Abs. 1 und 2 S. 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Grundsätze zur Durchführung der amtlichen Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des Lebensmittelrechts, des Rechts der tierischen Nebenprodukte, des Weinrechts, des Futtermittelrechts und des Tabakrechts). Diese Dokumentation ist von den Kontrollberichten nach Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz – KontrollVO – (heute: Art. 13 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625), auf die sich das Informationsbegehren bezieht, zu unterscheiden.
29(5) Das Infektionsschutzgesetz i.V.m. mit der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist ‑ anders als die Antragstellerin meint – auch dem Lebensmittelrecht zuzuordnen. Gemäß Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 haben Lebensmittelunternehmer, die – wie die Antragstellerin – auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen der Primärproduktion nachgeordnet sind, u.a. die allgemeinen Hygienevorschriften nach Anhang II zu erfüllen. Gemäß Anhang II Kapitel VIII (persönliche Hygiene) Nr. 2 ist Personen, die an bestimmten Infektionskrankheiten leiden, der Umgang mit Lebensmitteln und das Betreten von Bereichen, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird, generell verboten, wenn die Möglichkeit einer Kontamination besteht. Betroffene Personen, die in einem Lebensmittelunternehmen beschäftigt sind und mit Lebensmitteln in Berührung kommen können, haben dem Lebensmittelunternehmer Krankheiten und Symptome unverzüglich zu melden. Gemäß Anhang II Kapitel XII (Schulung) Nr. 1 und 3 haben Lebensmittelunternehmer zu gewährleisten, dass Betriebsangestellte, die mit Lebensmitteln umgehen, entsprechend ihrer Tätigkeit geschult werden (Nr. 1), und dass alle Anforderungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über Schulungsprogramme für Beschäftigte bestimmter Lebensmittelsektoren eingehalten werden (Nr. 3). Zu diesen Schulungen gehören u.a. auch die in § 43 Abs. 1 und 4 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vorgesehenen Belehrungen durch das Gesundheitsamt und durch den Arbeitgeber über ansteckende Krankheiten, ihr Auftreten und ihre Symptome von Personen, die beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in § 42 Abs. 2 IfSG genannten Lebensmittel tätig werden oder beschäftigt sind, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen oder wenn sie mit Bedarfsgegenständen, die für die Tätigkeiten verwendet werden, so in Berührung kommen, dass eine Übertragung der Krankheitserreger auf die Lebensmittel zu befürchten ist. Gemäß § 43 Abs. 5 IfSG hat der Arbeitgeber die Bescheinigung des Gesundheitsamts und die von ihm zu erstellende Dokumentation über diese Belehrungen aufzubewahren und an der Betriebsstätte verfügbar zu halten. Diese Pflichten zur Verhinderung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten in Lebensmittelbetrieben treffen in spezifischer Weise Lebensmittelunternehmer und sind daher, unabhängig davon, in welchem Gesetz sie geregelt sind, materiell-rechtlich (auch) dem Lebensmittelrecht zuzurechnen.
30(6) Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Antragstellerin, dass das Informationsbegehren des Beigeladenen auf Daten über nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs und Hygienevorschriften beschränkt sei, mit der Folge, dass Daten über Abweichungen von anderen Rechtsvorschriften, insbesondere solche betreffend die Kennzeichnung von Lebensmitteln oder nach dem Infektionsschutzgesetz nicht von dem Antrag erfasst seien und daher nicht herausgegeben werden dürften.
31Bei sachgerechter Auslegung unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts (§§ 133, 157 BGB) ist das Informationsbegehren dahin zu verstehen, dass der Antrag des Beigeladenen auf Herausgabe der Kontrollberichte zu den Ergebnissen der letzten beiden amtlichen Betriebskontrollen inhaltlich nicht auf Verstöße gegen bestimmte Rechtsvorschriften beschränkt ist. Soweit der Beigeladene den von ihm verwendeten Begriff „Beanstandungen“ im Antrag dahin erläutert, dass er hierunter unzulässige Abweichungen von den „Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) oder anderen geltenden Hygienevorschriften“ verstehe, gibt er mit dem ersten Teil der Erläuterung den Wortlaut von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) VIG wieder, während der weitere von ihm benutzte Begriff „andere geltende Hygienevorschriften“ im Text dieser Vorschrift keine Verwendung findet. Der Begriff dient aber erkennbar einer Zusammenfassung weiterer Rechtsvorschriften. Im Kontext mit dem Begriff „Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch“, das nicht nur Hygienevorschriften enthält, liegt es daher nahe, dass der Beigeladene damit die weiteren in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG genannten Bestimmungen meint und die Anfrage hinsichtlich der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen daher in dem weiten Sinne verstanden wissen will, wie er von der Rechtsprechung ausgelegt wird, nämlich die Anforderungen des gesamten geltenden nationalen und unionsrechtlichen Lebensmittel- und Futtermittelrechts. Dies entspricht auch dem in der Anfrage zum Ausdruck kommenden umfassenden Informationsinteresse des Beigeladenen, das von Informationen nach „§ 2 Abs. 1 VIG“ spricht und auf Herausgabe der „vollständigen“ Kontrollberichte gerichtet ist. In diesen Berichten sind aber die Ergebnisse der amtlichen Kontrollen festzuhalten, die sich wiederum auf die Einhaltung des gesamten nationalen und unionsrechtlichen Lebensmittel- und Futtermittelrechts beziehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 bzw. heute Art. 1 Abs. 2, Art. 3 Nr. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625). Gegen eine bewusste Differenzierung und damit rechtserhebliche Beschränkung des Antrags spricht schließlich auch, dass der Beigeladene nicht anwaltlich vertreten ist und, soweit ersichtlich, keine besonderen juristischen Vorkenntnisse hat. Daran ändert auch nichts, dass er sich der vorformulierten Anfrage der Online-Plattform „U.“ bedient hat, bei der es sich um eine Kampagne der Verbraucherschutzorganisation G. und G1., ein Projekt des P., handelt. Daher erstreckt sich der Antrag des Beigeladenen auch auf die in den streitgegenständlichen Kontrollberichten enthaltenen Feststellungen zu nicht zulässigen Abweichungen von den Verordnungen (EU) Nr. 1169/2011 und (EG) Nr. 852/2004 i.V.m. dem Infektionsschutzgesetz als Bestandteilen des Lebensmittelrechts.
32(7) Die inhaltliche Bewertung der Kontrollberichte ohne deren Inaugenscheinnahme durch die Kammer verstößt auch nicht gegen § 122 Abs. 1 i.V.m. § 108 VwGO. Für die Feststellung und richterliche Überzeugungsbildung, dass die tatbestandliche Voraussetzung einer nicht zulässigen Abweichung i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG vorliegt, reicht der Akteninhalt, namentlich die – unbestrittenen – Angaben des Antragsgegners zur Erläuterung von Aufbau und Inhalt der Kontrollberichte und das vorlegelegte Musterformular eines Kontrollberichts aus.
33(8) Der Durchführung eines in-camera-Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO bedarf es nicht, um eine hinreichende Gewissheit über das Vorliegen der Voraussetzung einer nicht zulässigen Abweichung i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG zu erlangen. Allein aus dem Umstand, dass Streitgegenstand des Verfahrens die Pflicht zur Vorlage von Behördenakten(-teilen) ist, folgt nicht, dass es zur Überzeugungsbildung des Gerichts zwingend der Einsicht in diese Akten(-teile) bedarf. Streitigkeiten um Informationszugangsrechte führen nicht automatisch zur Verlagerung in das in-camera-Verfahren des § 99 Abs. 2 VwGO. Das Gericht muss zunächst die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um den Sachverhalt aufzuklären. Je nach Fallkonstellation muss es vor Erlass eines Beweisbeschlusses die aktenführende Stelle auffordern, weitere Angaben mit abstrakter Umschreibung zur Kategorisierung der einzelnen in den Akten befindlichen Schriftstücke zu machen. Eine Einsicht in die zurückgehaltenen Unterlagen wird erst dann entscheidungserheblich, wenn die Angaben der Behörde für eine Prüfung nicht ausreichen.
34Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 21 ff. m.w.N.
35Dies ist hier nicht der Fall, weil – wie dargelegt – der Akteninhalt und die Angaben des Antragsgegners für die rechtliche Beurteilung, ob das Tatbestandsmerkmal vorliegt, ausreichen.
36cc) Dem Anspruch auf Informationszugang steht nicht der Ausschlussgrund des § 3 S. 1 Nr. 2 a) VIG entgegen.
37(1) Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch nach § 2 VIG wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit Zugang zu personenbezogenen Daten beantragt wird. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt Satz 1 Nr. 1 a) nicht, wenn die Betroffenen dem Informationszugang zugestimmt haben oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt.
38(2) Bei den in den streitgegenständlichen Kontrollberichten enthaltenen Informationen handelt es sich nicht um personenbezogene Daten i.S.v. § 3 S. 1 Nr. 2 a) VIG. Dies gilt sowohl für die tatsächlichen Feststellungen zu Mängeln und deren rechtliche Bewertung als Verstoß als auch für Name und Anschrift der Antragstellerin.
39Das Verbraucherinformationsgesetz selbst enthält keine Definition des Begriffs der personenbezogenen Daten. Dieser ist daher im Sinne des allgemeinen Datenschutzrechts zu verstehen. Dies ergibt sich auch aus Gesetzesbegründung zu § 3 S. 1 Nr. 2 a) VIG, in der auf § 3 BDSG Bezug genommen wird (vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 12), der seinerzeit noch eine Definition dieses Begriffs enthielt. Seit dem 25. Mai 2018 gilt jedoch unmittelbar die Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO), wonach personenbezogene Daten Informationen sind, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Die Datenschutz-Grundverordnung schützt demnach ausschließlich natürliche Personen. Dies ergibt sich auch aus deren 14. Erwägungsgrund, in dem ausdrücklich klargestellt wird, dass die Verordnung nicht für die Verarbeitung personenbezogener Daten juristischer Personen und insbesondere als juristische Person gegründeter Unternehmen, einschließlich Name, Rechtsform oder Kontaktdaten der juristischen Person, gilt. Eine Ausdehnung des Persönlichkeitsschutzes auf juristische Personen ist in der Datenschutz-Grundverordnung damit nicht vorgesehen.
40Vgl. Schreiber, in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl., 2018, Art. 4 Rn. 4; Schild, in: BeckOK, Datenschutzrecht, Wolf/Brink, Stand: 1. Februar 2020, Art. 4 DSGVO, Rn. 5; Ziebarth, in: Sydow, Europäische Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 4, Rn. 13.
41Dementsprechend schützt auch der Ausschlussgrund des § 3 S. 1 Nr. 2 a) VIG nur natürliche Personen. Juristische Personen – wie die Antragstellerin als GmbH – sind vom Anwendungsbereich der Vorschrift hingegen grundsätzlich nicht erfasst.
42Vgl. ebenso zu § 5 IFG: Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 5, Rn. 23.
43(3) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin unter dem Nachnamen ihres Geschäftsführers firmiert. Zwar können Angaben über eine Gesellschaft auch einen Bezug zu den „hinter“ ihr stehenden natürlichen Personen aufweisen, sofern zwischen der Gesellschaft und diesen Personen eine enge finanzielle, personelle oder wirtschaftliche Verflechtung besteht. Bei derartigen Verbindungen, die häufig bei einer Einzelfirma auftreten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, dass sich Angaben zu der juristischen Person auch auf die „hinter“ ihr stehende natürliche Person beziehen. Dabei ist auch danach zu unterscheiden, ob es sich um eine Personengesellschaft handelt, bei der ein solcher Bezug typischerweise bestehen wird, oder – wie hier – um eine Kapitalgesellschaft, bei der die Inhaberschaft einer Einzelperson als solche in der Regel nicht ausreichen wird.
44Vgl. hierzu: Gola, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 4, Rn. 25.
45Vorliegend hat die Antragstellerin schon nicht dargetan, dass es sich bei ihr um eine sog. Ein-Mann-GmbH handelt. Sie verweist zur Begründung des Personenbezugs der in den Kontrollberichten enthaltenen Daten lediglich auf die Firmierung unter dem Nachnamen ihres Geschäftsführers. Unabhängig davon sind die in den Kontrollberichten enthaltenen Daten bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie stehen,
46vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 244/84 -, juris, Rn. 12,
47allein als auf die Antragstellerin als juristische Person bezogen zu verstehen und nicht (auch) auf ihren Geschäftsführer und/oder ihre(n) Gesellschafter. In den Berichten werden die Betriebsdaten und die Daten über die tatsächlichen Feststellungen zu Mängeln und deren rechtliche Bewertung als Verstoß aufgenommen. Es handelt sich daher um Informationen, die Zustand, Organisation und Abläufe des Betriebs unter Berücksichtigung der Anforderungen des Lebensmittelrechts betreffen, und damit ausschließlich um betriebsbezogene Daten. Angaben zu den hinter dem Betrieb stehenden natürlichen Personen enthalten die Kontrollberichte hingegen nicht. Dies ergibt sich auch daraus, dass die rechtliche Verantwortung für festgestellte Verstöße allein den Lebensmittelunternehmer trifft, d.h. die natürliche oder juristische Person, die für die Einhaltung der Anforderungen des Lebensmittelrechts verantwortlich ist (Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Nr. 1 und 29 der Verordnung (EU) 2017/625). Handelt es sich bei dem Lebensmittelunternehmer aber – wie hier – um eine juristische Person, beziehen sich auch die in den Kontrollberichten enthaltenen Betriebsdaten allein auf diese.
48(4) Darüber hinaus schließt auch § 3 S. 6, Halbs. 2 VIG die Anwendung des § 3 S. 1 Nr. 2 a) VIG in den Fällen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG für den Namen und die Anschrift des Herstellers, Bevollmächtigten, Einführers, Händlers sowie jedes Gliedes der Liefer- und Vertriebskette und damit auch für die Antragstellerin aus. Dahinter steht erkennbar die vom Gesetzgeber getroffene, von Art. 86 DS-GVO gebotene Abwägungsentscheidung, dass andernfalls das berechtigte Informationsinteresse des Verbrauchers an Daten i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG beeinträchtigt und die Informationsgewährung entwertet würde, weil sich die festgestellten nicht zulässigen Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittelrechts keinem konkreten Betrieb zuordnen ließen und damit das Ziel der Informationserteilung nach § 1 VIG – Verbraucherschutz und Markttransparenz – verfehlt würde. Im Übrigen besteht ein schutzwürdiges Geheimhaltungsbedürfnis der Antragstellerin in Bezug auf den Name und die Anschrift ihres Betriebs auch schon deswegen nicht, weil sie diese Daten selbst im Internet auf der Website www.F.de veröffentlicht hat und unter dem Namen auch handelsrechtlich firmiert und im Rechtsverkehr auftritt.
49(5) Selbst wenn man – entgegen den vorstehenden Ausführungen – zugunsten der Antragstellerin von einem Personenbezug der Daten und damit der Anwendbarkeit von § 3 S. 1 Nr. 2 a) VIG ausgehen wollte, ergäbe eine nach Art. 86 DS-GVO gebotene Abwägung der gegenläufigen Interessen gemäß § 3 S. 2 VIG, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe der Informationen das Interesse der Antragstellerin am Schutz ihrer Daten überwiegt (vgl. die Ausführungen unter c).
50dd) Der Ausschlussgrund des § 3 S. 1 Nr. 2 c) VIG greift ebenfalls nicht ein.
51(1) Nach dieser Vorschrift besteht der Anspruch nach § 2 VIG wegen entgegenstehender privater Belange nicht, soweit durch die begehrten Informationen Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, insbesondere Rezepturen, Konstruktions- oder Produktionsunterlagen, Informationen über Fertigungsverfahren, Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sowie sonstiges geheimnisgeschütztes technisches oder kaufmännisches Wissen, offenbart würden. Gemäß § 3 S. 5 Nr. 1 VIG kann allerdings der Zugang zu Informationen über unzulässige Abweichungen i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG nicht unter Berufung auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis abgelehnt werden. In diesem Fall besteht kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 16 f.).
52(2) Unabhängig davon, ob Beanstandungen in Kontrollberichten überhaupt als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse angesehen werden können, greift § 3 S. 1 Nr. 2 c) VIG daher nicht zugunsten der Antragstellerin ein, weil sich der dem Beigeladenen zu gewährende Informationszugang nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG richtet.
53ee) Der Antrag ist auch nicht rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 4 Abs. 4 S. 1 VIG.
54(1) Eine Rechtsmissbräuchlichkeit ist unter Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundsätze anzunehmen, wenn das Informationsbegehren erkennbar nicht dem Zweck des Gesetzes dient, Öffentlichkeit in dem betreffenden Bereich herzustellen und dadurch etwaige bestehende Missstände aufzudecken und letztlich abzustellen. Ein solcher Fall läge etwa vor, wenn eine Vielzahl identischer Informationsanträge nur zur Generierung anwaltlicher Gebühren gestellt würde oder es erkennbar darum ginge, die Arbeit der Verwaltung zu erschweren oder ein Verwaltungsverfahren zu verzögern.
55Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 32 f.; VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 -, juris, Rn. 27 f.
56(2) Dies ist hier nicht der Fall. Auch wenn der Beigeladene den Antrag über die Internet-Plattform „U.“ der privaten Organisationen G. und G1., ein Projekt des P., gestellt hat und die streitgegenständlichen Kontrollberichte möglicherweise in dieses Portal eingestellt werden sollen, wird dadurch nicht der Zweck des Verbraucherinformationsgesetzes verfehlt, dem Verbraucher Informationen für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen im Lebensmittelsektor zu liefern. Das Gesetz zielt gerade auf die Gewährleistung eines weiten Informationszugangs ab (vgl. BT-Drs. 16/5404, S. 7). Einzelpersonen sollen nicht nur eine informierte Kaufentscheidung treffen, sondern zugleich als Sachwalter des Allgemeininteresses fungieren können. Eine Verbraucherinformation findet daher auch bei einer Antragstellung im Rahmen einer Kampagne Dritter statt. Eine derartige Verwendung der Informationen ist im Verbraucherinformationsgesetz angelegt. Ein Verfassungsverstoß liegt darin nicht (vgl. hierzu unter gg), so dass es auch einer verfassungskonforme Auslegung der Missbrauchsklausel nicht bedarf.
57Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 21 f.; BayVGH, Beschluss vom 27. April 2020 - 5 CS 19.2415 -, juris, Rn. 19; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 35 ff.; Nieders. OVG, Beschluss vom 16. Januar 2020 ‑ 2 ME 707/19 -, juris, Rn. 14; VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 -, juris, Rn. 27 ff.
58ff) Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Informationserteilung stehe entgegen, dass die streitgegenständlichen Kontrollberichte veraltet seien und ein nicht mehr aktuelles und damit falsches Bild in Bezug auf den Zustand ihres Betriebes vermittelten, liegt darin ebenfalls kein den Informationsanspruch ausschließender Grund. Gemäß § 3 S. 1 Nr. 1 e) VIG besteht der Anspruch nach § 2 VIG wegen entgegenstehender öffentlicher Belange in der Regel nicht bei Informationen nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Die streitgegenständlichen Kontrollberichte datieren aus den Jahren 2017 und 2018, so dass im Zeitpunkt der Antragstellung am 19. Juli 2019 die zeitliche Grenze bei weitem nicht erreicht war. Atypische Umstände, die schon zu einem früheren Zeitpunkt eine Informationserteilung ausschließen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aus der Regelung in § 3 S. 1 Nr. 1 e) VIG ergibt sich vielmehr, dass vor Erreichen der zeitlichen Grenze der Informationswert von Daten im Interesse eines umfassenden Verbraucherschutzes grundsätzlich fortbesteht.
59gg) § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG und dessen Anwendung verletzen die Antragstellerin auch nicht in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG.
60(1) Eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht festzustellen.
61(a) § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG verletzt von der Informationserteilung betroffene Unternehmen im Hinblick auf ihre unter bestimmten Bedingungen geschützten Wettbewerbschancen nicht in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Zwar entspricht die antragsgebundene Informationsgewährung nach § 4 Abs. 1 S. 1 VIG in ihrer Zielgerichtetheit – Schaffung der informationellen Grundlage für eigenverantwortliche Konsumentscheidungen der Verbraucher und dadurch Förderung eines transparenten und funktionierenden Marktes (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2, 14) – und in ihren Wirkungen – Beeinflussung des Konsumverhaltens der Verbraucher und damit der Wettbewerbs- und Marktbedingungen der betroffenen Unternehmen – einem mittelbaren Eingriff in die Berufsfreiheit im Sinne eines funktionalen Äquivalents, zumal wenn – wie hier – eine Verbreitung der erteilten Informationen durch den antragstellenden Verbraucher absehbar ist.
62Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 44 ff.
63Der Eingriff in die Berufsfreiheit ist jedoch gerechtfertigt; insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt. Die antragsgebundene Informationsgewährung ist zur Erreichung des legitimen Ziels des Verbraucherschutzes geeignet, erforderlich und angemessen. Der Gesetzgeber hat mit § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG eine verfassungsrechtlich vertretbare Bewertung und Abwägung der gegenläufigen Interessen – dem wichtigen Ziel des Verbraucherschutzes einerseits und den potentiell gewichtigen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Interessen der betroffenen Unternehmen andererseits – vorgenommen. Im Grundsatz ist es angemessen, die Interessen der Unternehmen im Fall eines im Raum stehenden Rechtsverstoßes hinter die Schutz- und Informationsinteressen der Verbraucher zurücktreten zu lassen. Dass die Rechtsverstöße nicht notwendig mit einer Gesundheitsgefährdung verbunden sind, steht dem nicht entgegen, weil auch der Schutz vor Täuschung und Nichteinhaltung hygienischer Anforderungen und die Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen legitime Zwecke des Verbraucherschutzes sind. Insbesondere ist die antragsgebundene Informationsgewährung für die betroffenen Unternehmen nicht unzumutbar, weil der Gesetzgeber im bipolaren Verhältnis zwischen der Behörde und dem antragstellenden Verbraucher ausreichend Schutzvorkehrungen zum Ausschluss solcher Wirkungen getroffen und damit einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Informationsinteresse des antragstellenden Verbrauchers einerseits und dem Schutzbedürfnis des betroffenen Unternehmens andererseits geschaffen hat.
64Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 48 ff.
65So werden in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG die vom Informationsanspruch erfassten Daten auf die dort genannten nicht zulässigen Abweichungen beschränkt. Regelhaftes Verhalten des Unternehmers darf auch nicht mittelbar oder nebenbei zugänglich gemacht werden. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die solchem regelhaften Verhalten zugrunde liegen, können daher von vornherein nicht zum Gegenstand des Informationszugangs werden.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 52.
67Mit der Auslegung der Voraussetzung der festgestellten nicht zulässigen Abweichung i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG dahin, dass die zuständige Stelle die Abweichung unter Würdigung des Sachverhalts und der einschlägigen Rechtsvorschriften abschließend aktenkundig festgestellt haben muss, wird zudem eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage gefordert. Damit ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs die Richtigkeit der erteilten Informationen ausreichend sichergestellt. Die Auslegung der Vorschrift entspricht im Hinblick auf die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung insofern den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht bei der staatlichen Öffentlichkeitsinformation nach § 40 Abs. 1a LFGB bei noch nicht bestandskräftig festgestellten Verstößen in Bezug auf das Tatbestandmerkmal „hinreichend begründeter Verdacht“ gemacht hat, nämlich, dass eine abschließende Ermittlung der Tatsachen aus Sicht der Behörde erfolgt und deren Ergebnis entsprechend dokumentiert sein muss.
68Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - juris, Rn. 44.
69Die Eignung des Eingriffs zu dem legitimen Zweck einer – zutreffenden – Verbraucherinformation wird ferner durch die in § 6 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 S. 1 VIG vorgesehenen Pflichten der Behörde gewährleistet, auf ihr bekannte Zweifel an der Richtigkeit der Informationen hinzuweisen und für den Fall, dass sich die zugänglich gemachten Informationen im Nachhinein als falsch oder die zugrunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben herausstellen, dies unverzüglich richtigzustellen, sofern der oder die Dritte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Die Richtigstellung soll in derselben Weise erfolgen, in der die Information zugänglich gemacht wurde. Dabei kann die Verpflichtung zur Richtigstellung als falsch erkannter Informationen gemäß § 6 Abs. 4 S. 1 VIG zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit auch die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung der Richtigstellung umfassen, wenn die Publikation der Information über das Verhältnis zum antragstellenden Verbraucher hinausgegangen ist, d.h. wenn dieser die erteilten Informationen an eine Verbraucherschutzorganisation weitergegeben hat und diese den Informationen einen hohen Verbreitungsgrad verschafft hat.
70Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 52.
71Auch enthält das Verbraucherinformationsgesetz ausreichende verfahrensrechtliche Sicherungen, indem es in § 5 Abs. 1 bis 4 VIG die Beteiligung des Dritten, dessen rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden können, am Verfahren sicherstellt. Durch die Beteiligung wird der Dritte insbesondere in die Lage versetzt, im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes die Herausgabe von Informationen und damit die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 52.
73Schließlich enthält das Gesetz für Informationen i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG auch eine zeitliche Begrenzung in Bezug auf deren Herausgabe. So sieht der Ausschlussgrund des § 3 S. 1 Nr. 1 e) VIG – wie dargelegt – vor, dass der Informationsanspruch wegen entgegenstehender öffentlicher Belange in der Regel nicht bei Informationen nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG besteht, die vor mehr als fünf Jahren seit der Antragstellung entstanden sind. Damit besteht für betroffene Unternehmen auch ein hinreichender zeitlicher Schutz vor Erteilung veralteter Informationen von nur noch geringem Informationswert bei ggf. fortbestehenden nachteiligen Wirkungen.
74(b) Die weitergehenden Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Verhältnismäßigkeit staatlicher Öffentlichkeitsinformation gemäß § 40 Abs. 1a LFGB gestellt hat, insbesondere die Pflicht der Behörde, auf die nachträgliche Beseitigung von Mängeln hinzuweisen, sowie zur einschränkenden Auslegung auf Bagatellfälle,
75vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - juris, Rn. 39 und 50 f.,
76sind auf die antragsgebundene Informationserteilung nicht zu übertragen, und zwar auch dann nicht, wenn – wie hier – eine Veröffentlichung der Informationen im Internet durch den antragstellenden Verbraucher absehbar bzw. wahrscheinlich ist.
77Vgl. ebenso: BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 41 ff., das bei der Rechtfertigung des mittelbaren Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG gerade nicht die vom BVerfG zu § 40 Abs. 1a LFGB aufgestellten Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit zugrunde gelegt hat, sondern eine eigenständige Verhältnismäßigkeitsprüfung anhand der Regelungen des VIG vorgenommen hat; BayVGH, Beschluss vom 27. April 2020 - 5 CS 19.2415 -, juris, Rn. 20 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 59 ff.; Nieders. OVG, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 2 ME 707/19 -, juris, Rn. 14 f.; VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 -, juris, Rn. 15 f.; offen gelassen: OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 15. Januar 2020 ‑ 10 B 11634/19 -, juris, Rn. 6 ff.; Hamburgisches OVG, Beschluss vom 14. Oktober 2019 - 5 Bs 149/19 -, juris, Rn. 10 ff., das die Beschwerde im Kern mangels substantiierter Erschütterung der Richtigkeit der Annahme des VG, die Erfolgsaussichten seien in Bezug auf die Frage der Vereinbarkeit der Informationserteilung bei anschließender Veröffentlichung im Internet mit Art. 12 Abs. 1 GG offen, zurückgewiesen hat; sämtlich m.w.N. aus der erstinstanzlichen Rechtsprechung.
78Die beiden Arten der Information weisen derart große Unterschiede auf, dass eine Übertragung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur staatlichen Öffentlichkeitsinformation auf die antragsgebundene Informationsgewährung ausgeschlossen ist.
79Zum einen enthält § 40 Abs. 1a LFGB sowohl andere tatbestandliche Voraussetzungen als auch andere Rechtsfolgen als § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG. Während § 40 Abs. 1a S. 1 LFGB für eine Information der Öffentlichkeit durch die Behörde einen durch Tatsachen hinreichend begründeten Verdacht eines Verstoßes gegen Vorschriften verlangt, die dem Schutz vor Gesundheitsgefahren oder vor Täuschung oder der Einhaltung hygienischer Anforderungen dienen (Nr. 1 bis 3), bzw. zumindest die Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung von Lebensmitteln fordert (S. 2), setzt § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG für eine Herausgabe von Informationen an den antragstellenden Verbraucher im Interesse einer umfassenden Verbraucherinformation auf dem Lebensmittelsektor lediglich die Feststellung einer nicht zulässigen Abweichung von den dort genannten Normen voraus. Insbesondere scheidet die vom Bundesverfassungsgericht geforderte verfassungskonforme Auslegung des Tatbestandsmerkmals „Verstoß von nicht nur unerheblichem Ausmaß“ (§ 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB a.F. bzw. § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB n.F.) schon aufgrund des Wortlauts von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG aus, da dieser eine vergleichbare Einschränkung nicht enthält.
80Zum anderen unterscheiden sich die beiden Vorschriften auch in ihrer Zielsetzung. Während die staatliche Öffentlichkeitsinformation nach § 40 Abs. 1a LFGB im Wesentlichen der Gefahrenabwehr bzw. der Gewährleistung der Sicherheit der Verbraucher durch deren Warnung dient,
81vgl. BayVGH Beschluss vom 27. April 2020 - 5 CS 19.2415 -, juris, Rn. 21,
82ist die Informationsgewährung nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG – unabhängig von Gefahrenabwehr- bzw. Sicherheitsaspekten – darauf gerichtet, eine möglichst umfassende Verbraucherinformation zur Förderung eines offenen und funktionierenden Markts auf dem Lebensmittelsektor herzustellen.
83Schließlich ist die antragsgebundene Informationsgewährung auch bei absehbarer Veröffentlichung der Informationen im Internet in ihren beeinträchtigenden Wirkungen für die betroffenen Unternehmen nicht mit der staatlichen Öffentlichkeitsinformation vergleichbar. Zwar stellen beide Arten der Information – wie dargelegt – aufgrund ihrer Zielgerichtetheit und ihrer Wirkungen einen mittelbaren Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG dar. Gewicht und Intensität des Eingriffs sind bei der antragsgebundenen Informationsgewährung jedoch wesentlich geringer. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von der Antragstellerin hervorgehobene besondere Belastung der betroffenen Unternehmen nicht in der Informationsgewährung an den antragstellenden Verbraucher als solche liegt. Denn die Kenntnis des einzelnen Verbrauchers von den festgestellten Mängeln in einem Betrieb hat in aller Regel nur begrenzte Auswirkungen auf die Markt- und Wettbewerbssituation eines Unternehmens. Die eigentliche Belastung liegt vielmehr in der Veröffentlichung der erteilten Informationen im Internet.
84Diese erfolgt aber nicht durch die Behörde, sondern durch den antragstellenden Verbraucher im Rahmen der Kampagne einer privaten Verbraucherschutzorganisation. Private handeln jedoch gerade nicht unter Inanspruchnahme amtlicher Autorität, die den übermittelten Informationen eine breite Beachtung und eine gesteigerte Wirkkraft auf das wettbewerbliche Verhalten der Marktteilnehmer verschafft. Wegen des fehlenden amtlichen Geltungs- und Verbindlichkeitsanspruchs hat die Veröffentlichung von Informationen durch Private daher eine grundlegend andere, namentlich geringere Eingriffsqualität. Diese verbietet es, eine (Mit)Verantwortung des Staates für belastende Auswirkungen des Handelns Privater in gleicher Weise wie bei der staatlichen Öffentlichkeitsinformation anzunehmen.
85Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juni 2015 - 7 B 22.14 -, juris, Rn. 12; BayVGH, Beschluss vom 27. April 2020 - 5 CS 19.2415 -, juris, Rn. 20 ff.; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 59 ff.; Nieders. OVG, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 2 ME 707/19 -, juris, Rn. 14 f.; VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 -, juris, Rn. 15 f.
86So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu § 40 Abs. 1a LFGB hervorgehoben, dass eine Zusammenstellung amtlicher Bekanntmachungen durch (private) Dritte im Internet grundsätzlich eigenen Rechtmäßigkeitsanforderungen unterliegt,
87vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 - juris, Rn. 59.
88und damit nicht an den Maßstäben gemessen werden kann, die für staatliches Informationshandeln gelten. Nichts anderes gilt für Veröffentlichungen amtlicher Informationen durch private Dritte im Internet.
89Für die Verbraucheröffentlichkeit ist auch ohne weiteres zu erkennen, dass der Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Online-Plattform „U.“ keine staatliche Autorität zukommt. Dies ergibt sich schon aus dem – karikierenden – Namen, der wenig offiziellen Gestaltung und dem Inhalt der Internetseite, namentlich dem dort unter „Über uns“ enthaltenen Hinweis auf die verantwortlichen privaten Plattformbetreiber – G. und G1., ein Projekt des P. – sowie dem dort unter „Was ist U.?“ enthaltenen Hinweis auf das Ziel der Kampagne, die Lebensmittelbehörden über die Veröffentlichungen auf der Plattform zu mehr Transparenz anzuhalten. Auch wenn dort amtliche Dokumente hochgeladen werden, wird deutlich, dass dies nicht von staatlicher Seite veranlasst wird. Es erscheint der ausdrückliche Hinweis, dass es sich bei „U.“ um eine privat betriebene Kampagne und keine amtliche Plattform handelt. Außerdem stehen die Dokumente erkennbar im Zusammenhang mit der Plattform und dem dort verlautbarten Transparenzanliegen der Betreiber.
90Vgl. ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 61.
91Amtliche Autorität erhält die Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Plattform „U.“ auch nicht dadurch, dass Gegenstand der Informationen amtliche Feststellungen zu Verstößen gegen das Lebensmittelrecht sind, für deren Richtigkeit grundsätzlich die Behörde einzustehen hat. Einer Veröffentlichung von amtlichen Informationen kann ein hoheitlicher Geltungsanspruch nämlich nur dann zukommen, wenn diese auch wissentlich und willentlich von der Behörde selbst in die Öffentlichkeit gegeben werden. Daran fehlt es aber bei der antragsgebundenen Informationsgewährung und anschließender Veröffentlichung durch den antragstellenden Verbraucher. Dies wird auch dadurch belegt, dass die Behörde in einem solchen Fall gerade nicht von der ihr in § 6 Abs. 1 S. 4 VIG eingeräumten Befugnis Gebrauch macht, die Informationen von Amts wegen zu veröffentlichen.
92(c) Eine Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG durch die Informationserteilung nach § 2 Abs. S. 1 Nr. 1 VIG bei absehbarer anschließender Veröffentlichung im Internet folgt – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – auch nicht daraus, dass das einfache Recht keine Schutzvorkehrungen in dem multipolaren Verhältnis zwischen dem betroffenen Dritten und dem antragstellenden Verbraucher sowie der weiteren Öffentlichkeit in Bezug auf die Weiterverwendung der erteilten Informationen vorsieht.
93(aa) Das Verbraucherinformationsgesetz enthält keine Regelungen, die die Behörde dazu ermächtigen, die Weiterverwendung der erteilten Information durch den antragstellenden Verbraucher zu beschränken.
94Es regelt ausschließlich den Zugang zu bestimmten Informationen, nicht aber auch die Weiterverwendung der erteilten Informationen. Dieser Lebenssachverhalt wird allein vom Regelungsbereich des Informationsweiterverwendungsgesetzes erfasst.
95Vgl. hierzu: Schoch, IFG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, Einl. 318 ff.
96Nach dem Verbraucherinformationsgesetz besteht grundsätzlich auch keine Möglichkeit, dem antragstellenden Verbraucher durch Nebenbestimmungen (Bedingungen oder Auflagen) Vorgaben in Bezug auf die weitere Verwendung der erteilten Informationen zu machen (z.B. Untersagung der Veröffentlichung der Informationen im Internet, Verpflichtung zur späteren Ergänzung, Korrektur oder Löschung). Denn gemäß § 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den – wie nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG – ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie entweder durch Rechtsvorschrift zugelassen ist – was hier nicht der Fall ist – oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden. Letzteres kommt im zweiseitigen Rechtsverhältnis zwischen dem antragstellenden Verbraucher und der Behörde nicht in Betracht. Die Beifügung von Nebenbestimmungen ist allenfalls im dreiseitigen Rechtsverhältnis denkbar, etwa wenn die Informationserteilung allein von der Einwilligung des Dritten abhängt und die Nebenbestimmung sicherstellen soll, dass mit der Einwilligung gestellte Bedingungen erfüllt werden. Auch dies ist hier nicht der Fall, weil der Beigeladene auf die Informationserteilung unabhängig von der Einwilligung der Antragstellerin einen Rechtsanspruch hat und die Antragstellerin die Informationserteilung aus Rechtsgründen insgesamt ablehnt.
97Vgl. ebenso zum IFG: Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, § 7 IFG, Rn. 77.
98(bb) Auch das Informationsweiterverwendungsgesetz sieht keine Befugnis der Behörde vor, die Weiterverwendung der Informationen, auf die ein Zugangsanspruch besteht, zum Schutz der Rechte Dritter einzuschränken.
99Mit der Novelle des Informationsweiterverwendungsgesetzes im Jahr 2015 ist der Grundsatz der unbeschränkten Weiterverwendung eingeführt worden (vgl. BT-Drs. 18/4614, S. 10). § 2a S. 1 IWG gewährt für amtliche Informationen, auf die nach anderen Rechtsvorschriften (z.B. VIG oder IFG) ein Anspruch auf Zugang besteht, ein Recht auf Weiterverwendung der Informationen für kommerzielle oder nichtkommerzielle Zwecke, ohne dass es insofern noch einer behördlichen Genehmigung bedarf. Damit wird Art. 3 der Richtlinie 2003/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. November 2003 (PSI-Richtlinie), geändert durch die Richtlinie 2013/37/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Änderung der Richtlinie 2003/98/EG, umgesetzt (vgl. BT-Drs. 18/4614, S. 13), wonach die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Absatzes 2 sicherstellen, dass die Dokumente, auf die diese Richtlinie anwendbar ist – d.h. auf die nach den Vorschriften der Mitgliedstaaten ein Zugangsanspruch besteht – gemäß den Bedingungen der Kapitel III und IV für gewerbliche und nichtgewerbliche Zwecke weiterverwendet werden können. Damit sollte den Mitgliedstaaten eine eindeutige Verpflichtung auferlegt werden, alle Dokumente weiterverwendbar zu machen, es sei denn, der Zugang zu ihnen ist nach den nationalen Vorschriften eingeschränkt oder ausgeschlossen und vorbehaltlich der anderen in der Richtlinie niedergelegten Ausnahmen (vgl. Erwägungsgründe Nrn. 7 und 8). Demnach ist ein unbeschränktes Recht auf Weiterverwendung von amtlichen Informationen, auf die – wie hier – ein Zugangsanspruch besteht, sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht gewährleistet. Damit wird letztlich ein – freiheitsrechtlicher (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) – Zusammenhang zwischen dem Zugang und der Weiterverwendung von Informationen geschaffen (vgl. BT-Drs. 18/4614, S. 13).
100Vgl. ebenso: Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, Einl., Rn. 320.
101In § 4 Abs. 1 IWG wird der Behörde zwar die Möglichkeit – nicht die Pflicht („kann“) – eingeräumt, Nutzungsbestimmungen für die Weiterverwendung von Informationen vorzusehen (S. 1) und es werden zugleich die rechtlichen Grenzen hierfür festgelegt (S. 2: Verhältnismäßigkeit, keine Wettbewerbsverzerrung, keine unnötige Einschränkung der Möglichkeit der Weiterverwendung, Gleichbehandlung der Nutzer). Solche Bestimmungen ermächtigen die Behörde jedoch nicht, die Weiterverwendung der Informationen durch den Zugangsberechtigten im Verhältnis zu Dritten einzuschränken. Nutzungsbestimmungen sind gemäß § 2 Nr. 4 IWG Bestimmungen, die wesentliche Fragen der Weiterverwendung von Informationen regeln. Die Richtlinie 2013/37/EU nennt als Beispiele hierfür die Angabe der Quelle oder etwaiger Änderungen durch den Weiterverwender (vgl. Erwägungsgrund Nr. 26). Derartige Bestimmungen betreffen allein die Art und Weise der Weiterverwendung im Verhältnis zwischen der Behörde und dem Zugangsberechtigten. Sie berechtigen hingegen nicht zu Beschränkungen der Weiterverwendung durch den Zugangsberechtigten im Verhältnis zu Dritten. Dies ergibt sich auch klar aus der Gesetzesbegründung zu § 4 IWG, wonach es insbesondere zu vermeiden gelte, dass öffentliche Stellen über zu treffende Entscheidungen ggf. auch die Rechtmäßigkeit der Weiterverwendung prüfen und vertreten müssten, etwa wenn durch die Weiterverwendung Rechte Dritter beeinträchtigt würden (vgl. BT-Drs. 18/4614, S. 14).
102(cc) Der danach bewusste Verzicht des Gesetzgebers auf Regelungen, die die Behörde zu Beschränkungen der Weiterverwendung amtlicher Informationen zum Schutz Dritter ermächtigen, ist im Lichte der Gewährleistungen von Art. 12 Abs. 1 GG nicht unverhältnismäßig. Der Gesetzgeber hält sich damit vielmehr innerhalb seines Gestaltungsspielraums und stellt auch ohne solche Normen einen angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Rechtspositionen sicher.
103Dabei ist zu berücksichtigen, dass Regelungen, die die Behörde zu Beschränkungen der Weiterverwendung amtlicher Informationen durch den antragstellenden Verbraucher ermächtigten, ihrerseits einen Grundrechtseingriff darstellen würden.
104Die Veröffentlichung der Kontrollberichte von Lebensmittelbehörden im Internet durch den antragstellenden Verbraucher oder andere private Dritte fällt in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG bzw. Art. 11 Abs. 1 GRCh. Das Recht auf Meinungsfreiheit schützt das Äußern und das Verbreiten von Meinungen wie auch von Tatsachenbehauptungen, die zur Meinungsbildung beitragen, sofern sie nicht bewusst oder offensichtlich unwahr sind. Geschützt ist jede Form des Verbreitens, d.h. auch eine Veröffentlichung über das Internet.
105Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl. 2016, Art. 5, Rn. 5 ff.
106Mit der Veröffentlichung der Kontrollberichte im Internet werden einerseits Tatsachen kundgetan, die zur (öffentlichen) Meinungsbildung beitragen sollen. Denn die Verbraucher sollen durch sie über amtlich festgestellte Verstöße gegen das Lebensmittelrecht in bestimmten Betrieben informiert und so in die Lage versetzt werden, sich in einer wirtschaftlichen Frage eine Meinung zu bilden und eine eigenverantwortliche Konsumentscheidung zu treffen. Zum anderen stellt die Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Plattform „U.“ auch eine Meinungsäußerung dar. Die Plattform zielt nach dem erklärten Transparenzanliegen der Betreiber darauf ab, die wertende Auffassung zum Ausdruck zu bringen, die Lebensmittelbehörden machten nicht ausreichend von den ihnen eröffneten Möglichkeiten der amtlichen Verbraucherinformation Gebrauch, so dass der amtliche Verbraucherschutz unter Transparenzgesichtspunkten derzeit unzureichend sei. Das Einstellen der Kontrollberichte auf der Plattform durch den antragstellenden Verbraucher unterstützt diese Meinungsäußerung und macht sich diese zugleich zu Eigen.
107Vgl. ebenso: BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 22, wonach die Verbreitung amtlicher Information durch Dritte eine grundsätzlich zulässige Ausübung des Rechts auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) darstelle, sofern sie mit Mitteln des geistigen Meinungskampfes und nicht auf der Grundlage falscher oder manipulierter Informationen erfolge.
108Behördliche Anordnungen, die die Weiterverwendung erteilter amtlicher Informationen, insbesondere ihre Veröffentlichung im Internet beschränkten, würden unmittelbar in das Recht auf Meinungsfreiheit eingreifen.
109Ein solcher Eingriff dürfte unter Berücksichtigung der herausragenden Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG im freiheitlich-demokratischen Staat nicht gerechtfertigt sein. Zweifelhaft ist schon, ob es sich hierbei überhaupt um ein allgemeines Gesetz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG handelte, da Regelungen, die zu derartigen Beschränkungen ermächtigten, gezielt gegen den Prozess der Meinungsbildung selbst – Verbreiten bestimmter Informationen in bestimmter Weise – gerichtet wären. Jedenfalls dürften solche Regelungen unverhältnismäßig sein. Sie wären schon nicht erforderlich, zumindest aber nicht angemessen. Denn den betroffenen Unternehmen steht zum Schutz ihres Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG gegen die Veröffentlichung von amtlichen Informationen im Internet durch Private ausreichender und in dem Rechtsverhältnis zum antragstellenden Verbraucher bzw. zu anderen privaten Dritten auch differenzierter Rechtsschutz auf dem Zivilrechtsweg, einschließlich vorläufigen Rechtsschutzes in Eilfällen, offen. Berührt eine zivilgerichtliche Entscheidung die Meinungsfreiheit, so fordert Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, dass die Gerichte der Bedeutung dieses Grundrechts bei der Auslegung und Anwendung des Privatrechts Rechnung tragen und in einen angemessenen Ausgleich mit den wechselseitig betroffenen Interessen – hier Art. 12 Abs. 1 GG – bringen.
110Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 1 BvR 292/02 -, juris, Rn. 21.
111Im Rahmen dieser Abwägung ist auch zu berücksichtigen, dass Private, die mit ihrer Informationstätigkeit Markttransparenz herstellen und dem Verbraucherschutz dienen wollen, bei der Ausübung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit – anders als der Staat – weder einem Sachlichkeitsgebot noch einem Neutralitätsgebot unterliegen.
112Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. Juli 2004 - 1 BvR 2566/95 -, juris, Rn. 35 und 37.
113Sie unterfallen auch nicht den Bindungen des für staatliche Stellen geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
114Vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, Einl., Rn. 383.
115Eine rechtliche Grenze im Rahmen der Abwägung ergibt sich auch nicht generell aus einer unzulässigen „Prangerwirkung“ einer Veröffentlichung im Internet. Die anprangernde Personalisierung einer öffentlichen Verlautbarung führt zwar zu einer Wirkungssteigerung der Meinungsäußerung und kann wegen des Gefahrenpotenzials der Internetkommunikation auch Besonderheiten bei der Abwägung auslösen.
116Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - 1 BvR 622/01 -, juris, Rn. 32.
117Aber auch dann, wenn eine Veröffentlichung im Internet anprangernde Wirkung entfaltet, ist stets eine Abwägung zwischen den gegenläufigen Interessen im Einzelfall erforderlich. Ein betroffenes Unternehmen muss die Meinungsäußerung hinnehmen, wenn die Abwägung ergibt, dass der Schutz seines beeinträchtigten Rechts aus Art. 12 Abs. 1 GG hinter den Belangen der Meinungsfreiheit zurückzutreten hat.
118Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Oktober 2007 - 1 BvR 292/02 -, juris, Rn. 29.
119Darüber hinaus sind betroffene Unternehmen auch stets gegenüber inhaltlich unrichtigen oder unsachlichen Informationen sowie vor Wertungen geschützt, die auf sachfremden Erwägungen beruhen oder herabsetzend formuliert sind.
120Vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 2001 - 1 BvR 622/01 -, juris, Rn. 27.
121Die Forderung der Antragstellerin, den Rechtsschutz für die betroffenen Unternehmen mit Blick darauf, dass der Staat, der die amtlichen Informationen an den Verbraucher herausgegeben und damit eine Mitursache für deren Veröffentlichung im Internet gesetzt hat, an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden ist und damit strengeren Rechtfertigungsmaßstäben als Private unterliegt, gleichsam eine Ebene vor zu verlagern, indem bereits die Behörde ermächtigt werden solle, die Weiterverwendung der Informationen präventiv zu begrenzen und so den öffentlichen Kommunikationsprozess zu steuern, verkennt die grundsätzliche Trennung zwischen dem öffentlich-rechtlichen Rechtskreis einerseits und dem privatrechtlichen Rechtskreis andererseits und ist angesichts der gegebenen effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten weder erforderlich noch angemessen. Ein solches Regelungskonzept würde in unverhältnismäßiger Weise in den Prozess der öffentlichen Meinungsbildung als Grundvoraussetzung einer demokratischen Gesellschaft eingreifen. Ziel des Verbraucherinformationsgesetzes ist es gerade, im Interesse der Ermöglichung eigenverantwortlicher Konsumentscheidungen der Verbraucher am Markt Transparenz staatlichen Handelns sowie ungehinderten Zugang zu Informationen zu schaffen. Dieses Ziel sieht der Gesetzgeber als wesentliches Element eines demokratischen Rechtsstaates an (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 2). Es besteht daher auch ein öffentliches Interesse an der Schaffung einer möglichst großen Markttransparenz. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn die Weiterverwendung von Informationen bereits im Vorfeld behördlich reguliert würde. Dies gilt umso mehr, als es nach den vorgenannten Maßstäben stets auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, ob eine Veröffentlichung von Informationen im Internet einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen aus Art. 12 Abs. 1 GG darstellt.
122(d) Die Antragstellerin wird auch durch die Anwendung von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG im vorliegenden Fall nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
123Da § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG dem VIG-Antragsteller bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen und bei Fehlen von Ausschlussgründen – wie hier – einen gebundenen Anspruch auf Informationserteilung vermittelt, besteht für den Antragsgegner hinsichtlich des „Ob“ der Informationsgewährung kein Ermessen.
124Das der Behörde in § 6 Abs. 1 VIG hinsichtlich des „Wie“ der Informationsgewährung eingeräumte Ermessen hat der Antragsgegner rechtsfehlerfrei ausgeübt (§ 114 S. 1 VwGO). Mit der Entscheidung, den begehrten Informationszugang durch Übersendung der streitgegenständlichen Kontrollberichte auf dem Postweg – und nicht wie beantragt per Email – zu gewähren, hat er insbesondere nicht die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten. Die gewählte Form der Informationserteilung ist im Lichte von Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden. Zunächst wäre auch bei einer anderen Form der Eröffnung des Informationszugangs – mündliche Auskunftserteilung oder Gewährung von Akteneinsicht – die Möglichkeit einer Veröffentlichung der Informationen im Internet nicht sicher auszuschließen. Mündliche Auskünfte können verschriftlicht werden. Bei Akteneinsicht besteht grundsätzlich auch ein Anspruch darauf, Kopien anzufertigen bzw. sich anfertigen zu lassen. Technisch ist es ohne weiteres möglich, auch die bei mündlicher Auskunftserteilung verschriftlichten oder im Rahmen von Akteneinsicht kopierten Kontrollberichte auf die Plattform „U.“ hochzuladen. Zudem ist der Antragsgegner nach den vorstehenden Ausführungen weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich verpflichtet zu prüfen oder auszuschließen, dass durch eine mögliche Weiterverwendung der amtlichen Informationen durch den Beigeladenen Rechte Dritter verletzt werden.
125(2) Das in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG unter bestimmten Umständen auch juristischen Personen garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung scheidet als Prüfungsmaßstab schon deshalb aus, weil der Schutz von Unternehmen im Wettbewerb von der sachlich spezielleren Norm des Art. 12 Abs. 1 GG vollständig erfasst wird.
126Vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. März 2018 - 1 BvF 1/13 -, juris, Rn. 62; BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 53.
127hh) Auch die Unionsgrundrechte aus Art. 16 GRCh und Art. 8 Abs. 1 GRCh – deren Anwendbarkeit nach Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh zugunsten der Antragstellerin unterstellt – sind nicht verletzt.
128Der Schutzgehalt der Unionsgrundrechte geht über den von Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG gewährleisteten Schutz nicht hinaus. Sieht man in der Informationsgewährung gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG einen Eingriff in den Schutzbereich, ergibt sich eine gleichwertige Rechtfertigungsmöglichkeit. Da die Informationsgewährung aus den unter gg) genannten Gründen verhältnismäßig ist und auch den Wesensgehalt der in Rede stehenden Grundrechte nicht berührt, ist eine Verletzung von Art. 16 GRCh und Art. 8 Abs. 1 GRCh zu verneinen.
129Vgl. hierzu ausführlich: OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 ‑ 15 B 814/19 -, juris, Rn. 87 ff.
130ii) Ein Verstoß gegen sekundäres Unionsrecht ist ebenfalls nicht zu erkennen.
131(1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf Art. 10 und Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (BasisVO).
132Diese Bestimmungen entfalten – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – mangels abschließenden Charakters keine Sperrwirkung für nationale Rechtsvorschriften zur Verbraucherinformation unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefahr oder unterhalb der Schwelle der Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln dahin, dass der deutsche Gesetzgeber am Erlass einer Regelung in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG gehindert wäre. Diese Rechtsfrage lässt sich bereits anhand der vorhandenen Rechtsprechung des EuGH und durch Auslegung der Vorschriften i.S.e. „acte clair“ bzw. „acte éclairé“ beantworten.
133Mit Urteil vom 11. April 2013 - C-636/11 (Berger) -, Rn. 32 ff., hat der EuGH entschieden, dass Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 einer nationalen Regelung (§ 40 Abs. 1 Nr. 4 LFBG) nicht entgegensteht, nach der eine Öffentlichkeitsinformation zulässig ist, wenn ein Lebensmittel zwar nicht gesundheitsschädlich, aber für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet ist. Denn gemäß Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, wonach die Mitgliedstaaten ein System amtlicher Kontrollen betreiben und andere den Umständen angemessene Maßnahmen durchführen, einschließlich der öffentlichen Bekanntgabe von Informationen über die Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln, können nationale Behörden die Verbraucher auch darüber informieren, wenn Lebensmittel aufgrund ihrer Ungeeignetheit für den Verzehr durch den Menschen nicht den Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 genügen, wobei die Vorgaben des Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (heute: Art. 8 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625) zu beachten sind. Solche Lebensmittel können nämlich jedenfalls die Verbraucherinteressen beeinträchtigen, deren Schutz gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 auch zu den Zielen gehört, die mit dem Lebensmittelrecht verfolgt werden.
134Damit ist klargestellt, dass Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 keine Sperrwirkung für nationale Rechtsvorschriften zur Verbraucherinformation unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefahr begründet.
135Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 54; OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 72; BayVGH, Beschluss vom 28. November 2019 - 20 C 19.1995 -, juris, Rn. 57; VGH BW, Beschluss vom 13. Dezember 2019 - 10 S 1891/19 -, juris, Rn. 8.
136Der Entscheidung des EuGH lässt sich – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – auch nicht entnehmen, dass Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eine Sperrwirkung für nationale Rechtsvorschriften zur Verbraucherinformation unterhalb der Schwelle der Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln entfaltet. Der EuGH hat zur Begründung, weshalb Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 keine Sperrwirkung entfaltet, lediglich auf Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verwiesen, der den Mitgliedstaaten weitergehende Maßnahmen zur Information der Öffentlichkeit gestattet. Eine Auslegung dieser Vorschrift und die Ausführungen des EuGH hierzu sprechen gerade gegen eine Sperrwirkung dieser Bestimmung.
137Soweit in Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 als mitgliedstaatliche Maßnahme die öffentliche Bekanntgabe von Informationen über die Sicherheit und Risiken von Lebensmitteln genannt und damit inhaltlich an die Anforderungen der Lebensmittelsicherheit i.S.v. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 angeknüpft wird, ist diese Regelung nicht als abschließend zu verstehen. Denn wie aus der Formulierung „einschließlich“, der anschließenden Aufzählung und dem Begriff „anderer Aufsichtsmaßnahmen“ folgt, handelt es sich hierbei lediglich um ein Beispiel der in dieser Bestimmung einleitend aufgeführten „anderen, den Umständen angemessenen Maßnahmen“, die die Mitgliedstaaten zur Durchsetzung des Lebensmittelrechts i.S.v. Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 durchführen. Darüber hinaus berechtigt Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 die Mitgliedstaaten, Vorschriften für Maßnahmen und Sanktionen bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht festzulegen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Vor diesem Hintergrund kann Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht entnommen werden, dass eine nationale Regelung, die eine Verbraucherinformation unterhalb der Schwelle einer Abweichung von Anforderungen der Lebensmittelsicherheit gestattet, unzulässig wäre.
138Zudem hat der EuGH ausgeführt, dass mitgliedstaatliche Regelungen zum Schutz der Verbraucher unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefahr nicht ausgeschlossen werden sollen, da der Schutz der Verbraucherinteressen gerade auch zu den Zielen gehört, die gemäß Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 mit dem Lebensmittelrecht verfolgt werden. Verbraucherinteressen können aber auch schon unterhalb der Anforderungen der Lebensmittelsicherheit ansetzen, wie sich aus Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ergibt. Danach hat das Lebensmittelrecht den Schutz der Verbraucherinteressen zum Ziel und muss den Verbrauchern die Möglichkeit bieten, in Bezug auf die Lebensmittel, die sie verzehren, eine sachkundige Wahl zu treffen, wobei Betrug und Täuschung, Verfälschung von Lebensmitteln und alle sonstigen irreführenden Praktiken verhindert werden müssen.
139Ferner hat der EuGH klargestellt, dass bei der Verbraucherinformation unterhalb der Schwelle einer Gesundheitsgefahr die Vorgaben von Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 (heute: Art. 8 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625) zu beachten sind. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2017/625 sieht vor, dass die zuständigen Behörden die amtlichen Kontrollen zur Gewährleistung der Anwendung des Lebensmittelrechts mit einem hohen Maß an Transparenz durchführen und der Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich relevante Informationen über die Organisation und Durchführung der Kontrollen zugänglich machen und darüber hinaus für die regelmäßige und zeitnahe Veröffentlichung der Informationen über Art, Anzahl und Ergebnis der amtlichen Kontrollen, Art und Anzahl der festgestellten Verstöße sowie Art und Anzahl der Fälle, in denen Maßnahmen nach Art. 138 ergriffen und Sanktionen nach Art. 139 verhängt wurden. Einschränkungen dahin, dass es sich bei den festgestellten Verstößen zumindest um Abweichungen von den Anforderungen der Lebensmittelsicherheit i.S.v. Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 handeln muss, lassen sich der Vorschrift nicht entnehmen. Auch Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625, der Regelungen zur behördlichen Geheimhaltungspflicht bei der Weitergabe von im Rahmen amtlicher Kontrollen erlangter Informationen an Dritte enthält, sind solche Beschränkungen nicht zu entnehmen.
140Schließlich ist zu beachten, dass Art. 10 und Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nur die (aktive) staatliche Öffentlichkeitsinformation betreffen dürften, nicht aber auch die antragsgebundene Informationserteilung. Dies ergibt sich für Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 aus dem dortigen Zusatz „unbeschadet der geltenden nationalen oder Gemeinschaftsbestimmungen über den Zugang zu Dokumenten“. Nichts anders gilt für Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, der nach der Rechtsprechung des EuGH als Ermächtigung der Mitgliedstaaten zur Öffentlichkeitsinformation mit Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 korreliert. Eine analoge Anwendung der Regelungen auf die antragsgebundene Informationserteilung bei Veröffentlichung der Informationen durch Private scheidet mangels Vergleichbarkeit der Interessenlage, insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Eingriffsqualität des Informationshandelns durch den Staat einerseits und durch Private andererseits aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus etwaigen aus Art. 8 Abs. 1 GRCh oder Art. 16 GRCh folgenden staatlichen Schutzpflichten gegenüber den betroffenen Unternehmen, da diese – wie dargelegt – unverhältnismäßig in den öffentlichen Kommunikationsprozess eingreifen würden.
141(2) Die Informationserteilung gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG widerspricht auch nicht den Vorgaben von Art. 8 Abs. 3 b) und Abs. 5 oder Art. 11 Abs. 2 der seit dem 14. Dezember 2019 geltenden Verordnung (EU) Nr. 2017/625. Auch diese Rechtsfrage lässt sich durch Auslegung anhand von Wortlaut und Systematik der Bestimmungen im Sinne eines „acte claire“ bzw. „acte éclairé“ beantworten.
142(a) Ein Verstoß gegen Art. 8 Abs. 3 b) und Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 ist nicht festzustellen.
143Es ist nicht ersichtlich, dass die streitgegenständlichen Kontrollberichte Informationen enthalten, die der beruflichen Geheimhaltungspflicht im Sinne dieser Vorschrift unterliegen würden. Gemäß Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 sollen die zuständigen Behörden dafür sorgen, dass vorbehaltlich des Absatzes 3 keine Informationen an Dritte weitergegeben werden, die bei Wahrnehmung der amtlichen Kontrolltätigkeit erworben werden und die nach nationalen oder Unionsvorschriften ihrer Art nach der beruflichen Geheimhaltungspflicht unterliegen. Nach nationalem Recht fallen Informationen über festgestellte nicht zulässige Abweichungen vom Lebensmittelrecht nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG schon nicht unter die berufliche Geheimhaltungspflicht (vgl. § 3 S. 5 Nr. 1 VIG).
144Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 55.
145Allerdings sollen nach Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 und dem Erwägungsgrund Nr. 31 unter die berufliche Geheimhaltungspflicht Informationen fallen, deren Weitergabe den Zweck von Inspektionen, Untersuchungen oder Audits, den Schutz geschäftlicher Interessen eines Unternehmers oder den Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung untergraben könnte, sofern kein übergeordnetes öffentliches Interesse an einer Weitergabe der Informationen besteht. Nicht unter die berufliche Geheimhaltungspflicht fallen sollen nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 und dem Erwägungsgrund Nr. 31 jedoch sachliche Informationen über das Ergebnis amtlicher Kontrollen bei einzelnen Unternehmern, wenn der betroffene Unternehmer vor der Weitergabe Stellung dazu nehmen durfte und diese Stellungnahme berücksichtigt oder zusammen mit den von den zuständigen Behörden weitergegebenen Informationen veröffentlicht wird.
146Diesen Vorgaben entsprechen die in § 5 Abs. 1 VIG enthaltenen Verfahrenssicherungen, wonach Dritte, deren rechtliche Interessen durch den Ausgang des Verfahrens berührt werden kann, grundsätzlich vor einer Entscheidung über den Antrag gemäß § 28 VwVfG anzuhören sind. Das Anhörungserfordernis als einfachrechtliche Ausprägung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 20 Abs. 3 GG) umfasst nicht nur das Recht, sich zu der Entscheidung äußeren zu können, sondern auch die Pflicht der Behörde, das Vorbringen bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Daher ist eine Offenlegung von Kontrollberichten der vorliegenden Art aufgrund von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG nach wie vor grundsätzlich möglich, wenn der betroffene Unternehmer – wie hier – zuvor angehört und seine Stellungnahme berücksichtigt wurde.
147Vgl. ebenso: OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2020 - 15 B 814/19 -, juris, Rn. 77.
148Insbesondere ergibt sich aus Art. 8 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 keine zwingende Verpflichtung zur Mitveröffentlichung der Stellungnahme des Unternehmers zusammen mit den weiterzugebenden Informationen. Denn die Bestimmung sieht eine solche Pflicht lediglich alternativ zu der Pflicht zur Berücksichtigung der Stellungnahme vor und eröffnet den Mitgliedstaaten insoweit einen Gestaltungsspielraum.
149Unabhängig davon spricht Einiges dafür, dass in Fällen, in denen – wie hier – ein Informationsanspruch gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG gegeben ist, die in Art. 8 Abs. 3 b) der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 vorgesehene Geheimhaltungspflicht betreffend Informationen, deren Verbreitung den Schutz der geschäftlichen Interessen eines Unternehmers unterlaufen könnte, gar nicht besteht, sondern vielmehr der dortige Ausnahmetatbestand „unbeschadet der Fälle, in denen die Verbreitung nach Unions- oder nationalem Recht erforderlich ist“ greift, weil nationales Recht gerade die Weitergabe der Informationen anordnet. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 31 sollen die Bestimmungen des Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 nämlich unbeschadet der Fälle gelten, in denen die Weitergabe von Informationen nach Unions- oder nationalem Recht erforderlich ist. Dabei soll die Notwendigkeit, die berufliche Geheimhaltungspflicht zu berücksichtigen, nicht nur dann hinfällig sein, wenn die zuständigen Behörden die allgemeine Öffentlichkeit informieren müssen, weil ein begründeter Verdacht besteht, dass Lebens- oder Futtermittel ein Gesundheitsrisiko gemäß Art. 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 darstellen können, sondern auch in anderen Fällen, in denen die Weitergabe nach Unions- oder nationalem Recht vorgesehen ist („ferner“). Dies ist bei einem Anspruch nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 S. 5 Nr. 1 VIG jedoch der Fall.
150(b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Informationserteilung gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG gegen Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 verstößt.
151Nach dieser Bestimmung legen die zuständigen Behörden Verfahren fest, mit denen sichergestellt wird, dass alle Ungenauigkeiten in den der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Informationen entsprechend korrigiert werden. Gemäß Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 führen – wie dargelegt – die zuständigen Behörden die amtlichen Kontrollen mit einem hohen Maß an Transparenz durch und machen der Öffentlichkeit mindestens einmal jährlich relevante Informationen über die Organisation und Durchführung der Kontrollen zugänglich, auch über das Internet (S. 1). Darüber hinaus sorgen sie für die regelmäßige und zeitnahe Veröffentlichung der Informationen über Art, Anzahl und Ergebnis der amtlichen Kontrollen, Art und Anzahl der festgestellten Verstöße sowie Art und Anzahl der Fälle, in denen Maßnahmen gemäß Art. 138 ergriffen oder Sanktionen gemäß Art. 139 verhängt wurden (S. 2).
152Diesen Vorgaben genügen die in § 6 Abs. 3 S. 2 und 4 VIG vorgesehenen Schutzvorkehrungen, wonach die Behörde verpflichtet ist, bekannte Hinweise auf Zweifel an der Richtigkeit der Informationen mitzuteilen und, sofern sich die zugänglich gemachten Informationen im Nachhinein als falsch oder die zugrunde liegenden Umstände als unrichtig wiedergegeben herausstellen, dies unverzüglich richtig zu stellen, sofern der Dritte dies beantragt oder dies zur Wahrung erheblicher Belange des Gemeinwohls erforderlich ist. Mit diesen behördlichen Verpflichtungen wird hinreichend sichergestellt, dass keine falschen Informationen herausgegeben bzw. falsche Informationen nachträglich korrigiert werden.
153Unabhängig davon spricht Überwiegendes dafür, dass Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 nur die (aktive) staatliche Öffentlichkeitsinformation und nicht auch die antragsgebundene Informationserteilung betrifft. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung, die an Absatz 1 anknüpft, in dem ausschließlich von Veröffentlichung bzw. Der-Öffentlichkeit-Zugänglich-Machen die Rede ist, was eine Informationserteilung an einen unbestimmten Adressatenkreis impliziert. Hierfür sprechen auch die dort genannten Beispiele für eine Veröffentlichung, nämlich über das Internet und in Jahresberichten.
154Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2017/625 lässt sich – entgegen der Ansicht der Antragstellerin – auch keine „überwirkende“ Pflicht der Behörde entnehmen, die Korrekturverpflichtung im Wege von Anordnungen oder Auflagen an private Dritte „weiterzugeben“. Die Vorschrift verpflichtet ausdrücklich nur die zuständigen Behörden bei der Öffentlichkeitsinformation. Eine erweiternde Auslegung der Bestimmung auf die antragsgebundene Informationserteilung bei absehbarer Veröffentlichung der Informationen durch Private scheidet mangels Vergleichbarkeit der Interessenlage, insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Eingriffsqualität des Informationshandelns durch den Staat einerseits und durch Private andererseits aus. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus etwaigen aus Art. 8 Abs. 1 GRCh oder Art. 16 GRCh folgenden staatlichen Schutzpflichten gegenüber den betroffenen Unternehmen, da diese – wie dargelegt – unverhältnismäßig in den öffentlichen Kommunikationsprozess eingreifen würden.
155c) Die Interessenabwägung fällt auch im Übrigen zulasten der Antragstellerin aus.
156Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Klage in den Fällen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 VIG keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung also bereits kraft Gesetzes entfällt (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO).
157Bei der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen Bedeutung erlangt, ist in den Fällen der Nrn. 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollzugsinteresses vorgesehen hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Diese einfachgesetzliche Ausgestaltung beeinflusst auch die Anforderungen, die Art. 19 Abs. 4 GG an die Interessenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren stellt. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall ausnahmsweise wegen besonderer Folgen, die nicht schon regelmäßig mit der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung verbunden sind, von der gesetzgeberischen Grundentscheidung abzuweichen ist.
158Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 - , juris, Rn. 21 f.
159Ausgehend von diesen Maßstäben sind keine besonderen Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die im Fall der Antragstellerin abweichend von dem gesetzlich vorgesehenen Sofortvollzug die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gebieten würden.
160aa) Eine Herausgabe der streitgegenständlichen Kontrollberichte an den Beigeladenen schafft zwar vollendete Tatsachen und führt damit zu einer Vorwegnahme der Hauptsache, weil die Kenntnisnahme von den darin enthaltenen Informationen durch den Beigeladenen nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.
161Auch ist kein gesteigertes Interesse des Antragsgegners oder des Beigeladenen an einer sofortigen Übermittlung der Kontrollberichte geltend gemacht oder erkennbar. Da die Berichte aus den Jahren 2017 und 2018 stammen, dienen sie insbesondere keiner Verbraucherinformation aus aktuellem oder sonst relevantem Anlass.
162Außerdem ist zu berücksichtigen, dass eine angesichts der Form der Antragstellung absehbare bzw. wahrscheinliche Veröffentlichung der streitgegenständlichen Kontrollberichte auf der Internetplattform „U.“ die Intensität des Eingriffs in das Grundrecht der Berufsfreiheit der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG wegen der damit verbundenen Breitenwirkung und der zeitlich grundsätzlich unbegrenzten Verfügbarkeit der Informationen im Netz grundsätzlich erhöht.
163bb) Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber den Sofortvollzug gerade deswegen angeordnet, um – unabhängig von einem aktuellen Informationsbedürfnis des antragstellenden Verbrauchers – auch im öffentlichen Interesse eine zeitnahe Information über marktrelevante Tatsachen sicherzustellen. Dabei hat er auch berücksichtigt, dass das Verwaltungshandeln grundsätzlich irreversibel ist, da eine herausgegebene Information nicht mehr zurückgeholt werden kann. Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen hat er es als sachgerecht angesehen, in § 5 Abs. 4 S. 1 VIG lediglich bei Informationen über Rechtsverstöße die sofortige Vollziehbarkeit gesetzlich anzuordnen, da hier regelmäßig ein überragendes Interesse der Öffentlichkeit an einer schnellen Information bestehe (vgl. BT-Drs. 17/7374, S. 18 f.). Diese Bewertung ist nicht zu beanstanden, da der potentiell gewichtige Grundrechtseingriff dadurch relativiert wird, dass die betroffenen Unternehmen negative Verbraucherinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst veranlasst haben.
164Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. August 2019 - 7 C 29.17 -, juris, Rn. 50.
165Davon ausgehend liegen hier keine hinreichenden Besonderheiten vor, die es gebieten würden, von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 5 Abs. 4 S. 1 VIG zugunsten der Antragstellerin abzuweichen.
166Die durch die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs bewirkte, irreversible Herausgabe der Informationen über festgestellte Rechtsverstöße und die damit verbundene Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ist der vom Gesetzgeber vorgesehene Regelfall.
167Eine wahrscheinliche bzw. absehbare Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Internetplattform „U.“ durch den Beigeladenen begründet ebenfalls keine Besonderheiten solcher Art, dass hier ausnahmsweise abweichend vom gesetzlich vorgesehenen Regelfall zum Schutz der Rechte der Antragstellerin die aufschiebende Wirkung angeordnet werden müsste.
168Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Plattform „U.“ durch den Beigeladenen als Privaten gerade keine staatliche Autorität in Anspruch nähme und damit nicht geeignet wäre, in gleicher Weise wie eine unmittelbare staatliche Öffentlichkeitsinformation negativ auf die Wettbewerbs- und Marktsituation der Antragstellerin einzuwirken. Mangels staatlichen Autoritäts- und Verbindlichkeitsanspruchs der Veröffentlichung wäre das Gewicht des potentiell gewichtigen Grundrechtseingriffs daher deutlich reduziert.
169Auch ist eine von der Antragstellerin beklagte „Prangerwirkung“ der Veröffentlichung mit erheblich geschäftsschädigender Wirkung und einem tiefen Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht zu erkennen.
170Gegenstand der Veröffentlichung sind allein Informationen über objektive Rechtsverstöße gegen das Lebensmittelrecht, die weder mit einem Schuldvorwurf noch sonst einem ethischen Unwerturteil verbunden und damit nicht geeignet sind, das Ansehen der Antragstellerin herabzuwürdigen. Es ist auch weder geltend macht noch sonst ersichtlich, dass die Informationen – bezogen auf den Zeitpunkt der Erstellung der Kontrollberichte vom 13. Juni 2017 und vom 14. November 2018 – inhaltlich falsch gewesen wären. Außerdem handelt es sich bei den festgestellten Verstößen – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – lediglich um Mängel von geringfügigem Gewicht, die keine behördlichen Maßnahmen oder Sanktionen nach sich gezogen haben und die zudem schon längere Zeit zurückliegen. Das den Informationen selbst innewohnende Gefährdungspotential ist daher eher als gering zu bewerten.
171Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin bei einer Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Internet-Plattform „U.“ nicht willkürlich aus der Menge der Lebensmittelunternehmen herausgegriffen und der Öffentlichkeit als Beispiel für ein regelwidrig handelndes Unternehmen vorgeführt würde. Vielmehr wird nach dem Konzept der Plattform jedermann die Möglichkeit eröffnet, in Bezug auf jedes Lebensmittelunternehmen im Bundesgebiet eine Anfrage an die zuständige Behörde zu etwaigen Verstößen gegen das Lebensmittelrecht zu stellen und die übermittelten Kontrollberichte auf der Plattform hochzuladen. Eine exemplarische Personalisierung allein der Antragstellerin und damit eine Anprangerung in der Öffentlichkeit erfolgt daher nicht.
172Auch verfolgen der Beigeladene bzw. die Betreiber der Plattform „U.“ mit der möglichen Veröffentlichung der Kontrollberichte ersichtlich keine eigenen wirtschaftlichen Interessen. Nach dem auf Plattform verlautbarten Ziel soll die Veröffentlichung der Berichte vielmehr dazu dienen, die Öffentlichkeit im Interesse eines umfassenden Verbraucherschutzes über Missstände in Lebensmittelbetrieben zu informieren und so zu mehr Transparenz am Markt beizutragen, insbesondere die zuständigen Behörden zu mehr Transparenz anzuhalten. Ziel und Zweck der Veröffentlichung liegen daher in der Sorge um wirtschaftliche bzw. politische Belange der Allgemeinheit und damit in der Einwirkung auf die öffentliche Meinung in Ausübung des durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Grundrechts auf Meinungsfreiheit.
173Die Mittel der Durchsetzung dieses Ziels wären ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beigeladene bzw. die Betreiber der Plattform „U.“ würden sich mit einer Veröffentlichung der Kontrollberichte auf den Versuch geistiger Einflussnahme und Überzeugung beschränken, also auf Mittel, die den geistigen Kampf der Meinungen gewährleisten. Da sie sich mit der Veröffentlichung der Kontrollberichte an die allgemeine Verbraucheröffentlichkeit wenden, würden sie auch keine zusätzlichen Machtmittel einsetzen, die der eigenen Meinung Nachdruck verleihen sollen und die innere Freiheit der Meinungsbildung zu beeinträchtigen drohen.
174Auch würden die Kontrollberichte nach der auf der Internetseite erkennbaren Handhabung der Plattform „U.“ dort so eingestellt werden, wie sie dem Beigeladenen übermittelt werden. Die Berichte werden dort weder inhaltlich verändert noch mit Kommentaren versehen, die geeignet wären, das Ansehen der betroffenen Unternehmen negativ zu beeinflussen. Bei einer Veröffentlichung der Kontrollberichte erfolgt zudem ein Hinweis darauf, dass ggf. einsehbare Berichte die zum Zeitpunkt der Antragstellung zuletzt festgestellten Befunde zum Zeitpunkt des jeweils genannten Datums beschreiben und dass über Hygiene-Zustände des jeweiligen Betriebs zum jetzigen Zeitpunkt keine Informationen vorliegen. Damit wäre für den mündigen Durchschnittsverbraucher auch erkennbar, dass die Kontrollberichte nicht den aktuellen Betriebszustand des Unternehmens abbilden. Unter diesen Umständen ist die mit einer Veröffentlichung im Internet verbundene Wirkungssteigerung der Meinungsäußerung und die zeitlich grundsätzlich unbegrenzte Verfügbarkeit der Informationen im Netz derart reduziert, dass ein gravierender Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht erkennbar ist.
175Zudem heben sich die widerstreitenden Informations- und Geheimhaltungsinteressen gleichsam auf, so dass es letztlich bei der Grundaussage des § 5 Abs. 4 S. 1 VIG verbleibt: Das Informationsinteresse des Beigeladenen und der Verbraucheröffentlichkeit mag zwar mit der Zeit – d.h. je älter die Information wird – abnehmen. Gleichzeitig verliert die Information über die Kontrollberichte, je länger diese zurückliegen, aber auch ihr Potential, die Wettbewerbssituation der Antragstellerin nachteilig zu beeinflussen. Dasselbe gilt im Hinblick auf das Gewicht der festgestellten Mängel. Das Interesse, von kleineren Mängeln zu erfahren, mag nicht all zu hoch zu gewichten sein. Das Bekanntwerden solcher Mängel wird den Betrieb der Antragstellerin aber gleichfalls nicht erheblich beeinträchtigen.
176Schließlich ist die Antragstellerin gegenüber einer Veröffentlichung der Kontrollberichte auf der Plattform „U.“ auch nicht rechtsschutzlos gestellt. Um ggf. Ergänzungen oder Richtigstellungen der Informationen, sollten diese über „U.“ veröffentlicht werden, herbeizuführen, steht ihr der Rechtsweg zu den Zivilgerichten offen. Dies schließt die Hinzufügung eines Zusatzes ein, dass die festgestellten Mängel inzwischen behoben worden sind. Daneben treten die Schutzvorkehrungen, die das Verbraucherinformationsgesetz in § 6 Abs. 3 S. 2 und Abs. 4 VIG – im Rahmen eines gesonderten Verfahrens – bereithält.
177II. Der erste Hilfsantrag bleibt ebenfalls erfolglos. Die streitgegenständlichen Informationen sind nach den obigen Ausführungen Daten i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG, weshalb der von der Antragstellerin in der Hauptsache erhobenen Klage gemäß § 5 Abs. 4 S. 1 VIG kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung zukommt.
178III. Auch dem zweiten Hilfsantrag bleibt der Erfolg versagt. Da es sich bei dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. März 2020 um einen die Antragstellerin belastenden und den Beigeladenen – unabhängig von der noch fehlenden Bekanntgabe – materiell begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist vorläufiger Rechtsschutz allein nach §§ 80a Abs. 3 S. 2, 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 80 Abs. 5 VwGO statthaft und der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO daher gemäß § 123 Abs. 5 VwGO ausgeschlossen.
179Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der anwaltlich nicht vertretene Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
180Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Von einer Reduzierung des Streitwertes in Orientierung an Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 sieht die Kammer ab, da mit den wechselseitigen Begehren eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist. Einmal erteilte Informationen können nicht zurückgeholt werden. Umgekehrt würden die vom Beigeladenen begehrten Informationen bei Erfolg des Antrags wegen des mit dem Hauptsacheverfahren verbundenen Zeitablaufs ihrer Relevanz weitgehend verlieren. Die Hilfsanträge sind nicht eigenständig zu berücksichtigen, da sie denselben Gegenstand betreffen (§ 45 Abs. 1 S. 3 GKG).
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